OGH 6Ob213/09f

OGH6Ob213/09f12.11.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 3. April 2004 verstorbenen M***** P*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der erblasserischen Tochter G***** W*****, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Luhammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 25. August 2009, GZ 42 R 46/09i-122, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Auf das vorliegende Verfahren ist gemäß § 205 AußStrG noch das AußStrG 1854 anzuwenden, weil das vorliegende Verlassenschaftsverfahren vor dem 31. 12. 2004 anhängig wurde.

2.1. Gemäß § 97 Abs 1 AußStrG 1854 muss das Inventar ein genaues und vollständiges Verzeichnis jenes Vermögens enthalten, in dessen Besitz sich der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes befunden hat. Ob sich eine Sache im Besitz des Erblassers befunden hat, hat das Abhandlungsgericht ohne Verweisung auf den Rechtsweg zu entscheiden (8 Ob 159/02v). Das Inventar bietet keine Gewähr dafür, dass das Vermögen und die Verbindlichkeiten des Erblassers vollständig erfasst sind. Das Inventar hat nach ständiger Rechtsprechung nur Wirkung im Nachlassverfahren; ihm kommt keine bindende Wirkung im Streitverfahren zu (RIS-Justiz RS0006465; EFSlg 106.768; EFSlg 106.769).

2.2. Beim Inventar handelt es sich vor allem um ein Mittel der Beweissicherung, womit das Vermögen, welches nach den äußeren Umständen dem Erblasser gehört und daher den Nachlass ausmacht, vorläufig und ohne Bindungswirkung erhoben wird. Dabei ist immer nach dem äußeren Erscheinungsbild zu prüfen, ob der Erblasser die Sache als die seinige inne hatte (Ch. Rabl, Das Nachlassinventar - Inhalt und Zweck, NZ 1999, 129 [132] mwN).

2.3. Für die Inventarisierung des Nachlasses ist der Besitz zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht das Eigentum des Erblassers maßgeblich (RIS-Justiz RS0109531, RS0007816, RS0107374; NZ 1999, 152; NZ 1999, 153). Dabei sind die Bestimmungen des ABGB über den Besitz anzuwenden. Unter „Besitz" ist daher nur der Sachbesitz oder Rechtsbesitz, nicht auch die Innehabung zu verstehen (RIS-Justiz RS0007809). Dies gilt auch für Wertpapierdepots und dazugehörige Verrechnungskonten (RIS-Justiz RS0099268 [T5; T7]).

2.4. Im Inventar ist nicht über Eigentumsfragen abzusprechen (RIS-Justiz RS0121985). Bleibt der Besitz des Erblassers trotz Ermittlungen strittig, so ist die Sache nicht in das Inventar aufzunehmen. Es liegt sodann an den Parteien, den Rechtsweg zu bestreiten (Edlbacher, Verfahren außer Streitsachen2 § 97 E 4).

3.1. Allerdings sind gemäß § 104 Abs 3 AußStrG 1854 auch Sachen, welche dem Erblasser gehören, sich aber in Händen dritter Personen befinden, in das Inventar einzubeziehen, und dabei der Grund anzugeben, warum sie sich bei einem Dritten befinden.

3.2. Zur hier noch anzuwendenden Rechtslage nach dem AußStrG 1854 vertrat Ch. Rabl (Das Nachlassinventar - Inhalt und Zweck, NZ 1999, 129 [135]), dass auch eine Sache, die der Erblasser zwar nicht besessen habe, hinsichtlich der für das Verlassenschaftsgericht sein Eigentumsrecht aber feststehe, in das Inventar aufzunehmen sei. Beanspruche der Inhaber hingegen das Eigentumsrecht für sich, liege eine strittige Frage vor, die vom Außerstreitgericht nicht geklärt werden dürfe.

4.1. Nach der Rechtsansicht des Rekursgerichts hat die erblasserische Tochter die Ansicht vertreten, ihr Vater habe ihr Ende 1976 Sparbücher und Wertpapiere für sie und die Rekurswerberin mit dem Auftrag übergeben, die beiden Schwestern sollten die Mutter, die nunmehrige Erblasserin, nicht im Stich lassen. Sie habe in der Folge die Gelder veranlagt und Aufwendungen der Mutter daraus abgedeckt. Als eine Legitimierung der Wertpapierdepots erfolgen habe müssen, hätten sich beide Schwestern gegenüber der Bank als Inhaber legitimiert. Nach dem Tod der Erblasserin seien die Schwestern übereingekommen, die entsprechenden Guthaben je zur Hälfte aufzuteilen.

4.2. Das Rekursgericht hat dieses Vorbringen dahin gewürdigt, dass die erblasserische Tochter das Eigentum an der Hälfte der Guthaben für sich beanspruche. Daher liege eine strittige Frage vor, die auf dem Rechtsweg zu klären sei.

4.3. Eine vom Rekursgericht gezogene Schlussfolgerung, mag diese auch unrichtig sein, stellt aber schon begrifflich niemals eine Aktenwidrigkeit dar (vgl RIS-Justiz RS0043298, RS0043256). Im Übrigen kommt der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen sei, grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Anderes würde nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteienvorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar sei (RIS-Justiz RS0042828 [T3; T7]).

4.4. Entgegen dem Revisionsrekursvorbringen hat das Rekursgericht ohnehin auf einen Zeitpunkt vor dem Tod der Erblasserin als entscheidenden Beurteilungszeitpunkt für den behaupteten Eigentumserwerb abgestellt. Dass die erblasserische Tochter erst nach dem Tod der Erblasserin ihr Eigentumsrecht geltend macht, ist kein stichhaltiges Gegenargument, weil ihr Eigentumsrecht vorher ja nicht strittig war. Dass die Aufteilung erst nach dem Tod der Erblasserin erfolgte, vermag angesichts des Auftrags des Vaters der Erblasserin, sich um die Mutter zu kümmern, nicht zu verwundern. Außerdem ist daraus nichts für die Frage abzuleiten, wann der behauptete Eigentumserwerb stattgefunden haben soll.

4.5. In der Auffassung des Rekursgerichts, das Eigentumsrecht hinsichtlich des Wertpapierdepots sei strittig, ist daher eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.

5. Damit bringt der Revisionsrekurs aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass dieser spruchgemäß zurückzuweisen war.

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