OGH 2Ob160/18w

OGH2Ob160/18w17.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E***** L*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei R***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. C***** GmbH in Liquidation, *****, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, und 2. K***** Ltd. & Co KG, *****, vertreten durch PHH Prohaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 312.672,27 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über den Rekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Juli 2018, GZ 133 R 38/18p‑56, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0020OB00160.18W.1217.000

 

Spruch:

1. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. In ihrem Rekurs wendet sich die Klägerin gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem ihr in erster Instanz erstattetes Vorbringen zur unterbliebenen Aufklärung über für sie nachteilige steuerliche Aspekte der Veranlagung zurückgewiesen wurde. Gegen einen solchen, im Berufungsverfahren ergangenen Beschluss des Berufungsgerichts ist jedoch gemäß § 519 ZPO ein Rekurs nicht zulässig.

2. Hat das Berufungsgericht erstmals neues Vorbringen gemäß § 179 ZPO für unstatthaft erklärt, dann kann diese Entscheidung nach der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in dritter Instanz überprüft werden (RIS‑Justiz RS0036739). Eine solche Mängelrüge lässt sich dem Rechtsmittelvorbringen ohnehin (auch) entnehmen. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich insoweit aber regelmäßig nicht, weil es ganz von den Umständen des Einzelfalls abhängt, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 179 Abs 1 ZPO im konkreten Fall erfüllt sind (8 Ob 141/17v; 7 Ob 68/13w; 6 Ob 77/09f; 4 Ob 34/05m). Die insoweit gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3. Haben beide Tatsacheninstanzen übereinstimmend Vorbringen (§ 179 ZPO) oder Beweisanbote (§ 275 ZPO) einer Partei als verspätet angesehen, ist damit über die Zurückweisung endgültig abgesprochen (RIS‑Justiz RS0036890, RS0036878). Dies betrifft im vorliegenden Fall das Vorbringen der Klägerin zur unterbliebenen Aufklärung über die „Weichkosten“ der Veranlagung.

4. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen, entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist also die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells. Die spezifischen Risiken, die diese Risikoträchtigkeit bedingen (Wechselkurs, Zinsentwicklung, Entwicklung des Tilgungsträgers), stehen nach der Interessenlage des durchschnittlichen Anlegers in einem derart engen Zusammenhang, dass die unterbliebene oder fehlerhafte Aufklärung über die einzelnen Teilaspekte verjährungsrechtlich jeweils als unselbständiger Bestandteil eines einheitlichen Beratungsfehlers zu qualifizieren ist (8 Ob 46/18z; 3 Ob 82/18g; 8 Ob 109/17p; 7 Ob 137/17y). Zu welchem Zeitpunkt der Anleger konkret Kenntnis vom Primärschaden erlangte, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (8 Ob 109/17p).

5. Aufgrund der Beratung durch die Zweitnebenintervenientin erwartete die Klägerin bei ihrem jeweiligen Anlageentschluss, dass die Ausschüttungen der Tilgungsträger ausreichen werden, um die laufenden Kosten aus den Krediten, insbesondere deren Zinsen, vollständig abzudecken und am Ende der Kreditlaufzeit eine vollständige Tilgung mit den Erlösen der Tilgungsträger erfolgen wird. Als „Worst‑Case‑Szenario“ sah die Klägerin an, am Ende keinen Gewinn zu machen, sondern nur das eingesetzte Eigenkapital zurückzuerhalten. Die Art der Tilgungsträger und die spezifischen, mit den einzelnen Veranlagungstypen verbundenen Risiken waren für die Klägerin nicht entscheidend.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die dreijährige Verjährungsfrist schon aufgrund der Information an die Klägerin über eine Deckungslücke laut Plan der Fondsgesellschaften in der Höhe von rund 11.000 EUR, nach Beurteilung der beklagten Partei aber schon rund 98.500 EUR, bereits im Jahr 2010 zu laufen begonnen habe, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl 8 Ob 46/18z; vgl 8 Ob 109/17p). Darüber hinaus war im Informationsschreiben des nächsten Jahres, das die Klägerin ebenfalls mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung erhalten hatte, bereits eine Deckungslücke von rund 139.000 EUR bis 207.500 EUR angeführt.

6. Auch die Beurteilung der festgestellten „Beschwichtigungsversuche“ der Zweitnebenintervenientin, die lediglich aus Hinweisen auf das langfristige Investment und die Bewertung der Tilgungsträger bestanden, hält sich im Rahmen der dazu ergangenen Rechtsprechung, wonach eine Zukunftsprognose, die auf eine positivere Kursentwicklung hoffen lässt, am Verjährungsbeginn nichts ändert (1 Ob 28/17z; 1 Ob 190/16x; 10 Ob 51/16x; RIS‑Justiz RS0087615 [T6]).

7. Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte