OGH 1Ob28/17z

OGH1Ob28/17z16.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer- Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** U*****, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. PFS I***** GmbH und 2. P***** GmbH & Co ***** KG, beide *****, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG, St. Pölten, wegen Feststellung (Streitwert 66.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2016, GZ 6 R 183/16y‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 20. Juli 2016, GZ 1 Cg 191/15a‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00028.17Z.0316.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Kläger investierte über Vermittlung und Beratung der erstbeklagten Partei in ein Immobilienprojekt, indem er sich mit einer treuhändig gehaltenen Einlage von 60.000 EUR als Kommanditist bei der zweitbeklagten Partei beteiligte. Zur Verwirklichung des Projekts nahm die zweitbeklagte Partei einen Abstattungskredit auf, zu dessen Rückführung ein Wertpapierdepot als Tilgungsträger gewählt wurde. Weil es zu einer finanziellen Unterdeckung gekommen war, beschlossen die Gesellschafter wiederholt, weitere Mittel in Form von Gesellschafterdarlehen einzubringen. Der Kläger überwies am 1. 8. 2011 einen Anteil von 6.000 EUR und nach einer Mahnung am 11. 1. 2012 weitere 2.400 EUR als Gesellschafterdarlehen. Mit Schreiben vom 27. 6. 2012 wurde er unter anderem darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Tilgungsträger einen „Wertzuwachs“ von „EUR – 12.734,27“ aufwies.

Mit seiner am 30. 12. 2015 eingebrachten Klage begehrte der Kläger festzustellen, dass ihm die beklagten Parteien aufgrund rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, insbesondere mangelnder Information und Aufklärung, listiger Irreführung sowie deliktischen Verhaltens, für alle Schäden die ihm aus seiner Beteiligung an der zweitbeklagten Partei entstanden seien, drohten oder noch entstünden, zur ungeteilten Hand haften; in eventu die Zahlung von 66.000 EUR sA Zug um Zug gegen Rückübertragung der Beteiligung. Nach Darstellung der erstbeklagten Partei sollte es sich um eine sichere Investition in Grund und Boden handeln, die der Pensionsvorsorge und Wertanlage dienen hätte sollen.

Das Berufungsgericht bestätigte das die Klage zur Gänze abweisende Urteil des Erstgerichts, wobei es unter anderem von der Verjährung der dem Eventualbegehren gegenüber der erstbeklagten Partei zugrunde liegenden Ansprüche ausging. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

In seiner außerordentliche Revision, in der er sich nur noch gegen die Abweisung des Eventualbegehrens gegenüber der erstbeklagten Partei wendet und dazu ausschließlich Verjährungsfragen anspricht, macht der Kläger keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO geltend.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung liegt der Primärschaden im Fall einer fehlerhaften Anlageberatung bereits darin, dass sich das Vermögen des Anlegers wegen einer Fehlinformation des Schädigers anders zusammensetzt, als es bei pflichtgemäßem Verhalten des Beraters der Fall wäre. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist also schon durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten (RIS‑Justiz RS0022537 [T22, T24], RS0129706). Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB beginnt grundsätzlich mit Kenntnis des Primärschadens, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind. Der drohenden Verjährung muss der Geschädigte mit einer Feststellungsklage begegnen (RIS‑Justiz RS0087615; RS0097976 [T5]).

2. Zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Beratungsfehlern in Bezug auf Veranlagungs‑ und/oder Finanzierungskonzepte, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit verschiedenen Tilgungsträgern vorsehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach Stellung genommen (6 Ob 153/15s = ÖBA 2016/2268, 755 [ Madl ]; 1 Ob 212/15f; 5 Ob 177/15p mwN). Bei derartigen Modellen ist demnach entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt oder erkennen musste, dass das Gesamtkonzept den Zusagen nicht entspricht. Auch der Kläger legt seiner Klage zugrunde, dass er nicht das sichere Investment erhalten hat, das ihm versprochen worden war. Dieses Investitionsmodell beruht auf einem Veranlagungs- und Finanzierungskonzept, das eine Kombination von Tilgungsträger und Mietzinseinnahmen zur Kreditrückführung vorsieht. Damit ist es den in der Judikatur bereits behandelten Modellen vergleichbar, sodass für den Beginn der Verjährungsfrist auf gesicherte Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann und auf die Kenntnis von der– den Zusagen widersprechenden und daher den Primärschaden darstellenden – Risikoträchtigkeit des Gesamtkonzepts abzustellen ist.

3. Zu welchem Zeitpunkt der Kläger konkret Kenntnis vom Primärschaden erlangte hängt ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0113916 [T1]) wie die Frage, wann sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre (RIS-Justiz RS0034327 [T20; T23; T25; T28]). Die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger, der bereits zuvor zusätzliche Geldmittel als Gesellschafterdarlehen aufgebracht hatte, mit dem Zugang des Jahresberichts vom 27. 6. 2012 auch erkennen hätte müssen, dass nicht nur eine Deckungslücke wegen der Unterfinanzierung der Gesellschaft vorlag, sondern sich auch der Tilgungsträger negativ entwickelte und damit das Gesamtkonzept nicht dem entsprach, was ihm nach seiner Darstellung zugesagt worden war, ist jedenfalls vertretbar. Damit begründet es auch keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn es ausgehend davon die dem Eventualbegehren zugrunde liegende Forderung gegenüber der erstbeklagten Partei als verjährt beurteilte.

4. Versuchen von Anlageberatern, nach Kursverlusten nervös gewordene Anleger zu beschwichtigen, kann nach der Judikatur in zweifacher Hinsicht Bedeutung zukommen. Sie können die Erkennbarkeit des Schadenseintritts und damit den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben oder dazu führen, dass dem Verjährungseinwand des Schädigers die Replik der Arglist entgegengehalten werden kann (9 Ob 17/07a; 6 Ob 103/08b = ÖBA 2009/1528, 144 ( P. Bydlinski ) mwN; 1 Ob 12/13s; RIS‑Justiz RS0034951 [T33]; vgl auch RS0014838). Demgegenüber ändert eine Zukunftsprognose, die auf eine positivere Kursentwicklung hoffen lässt, nichts am Verjährungsbeginn (RIS-Justiz RS0087615 [T6]). Der Kläger beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Erläuterungen zum Jahresbericht 2011 der zweitbeklagten Partei, wonach nach Erreichen der Vollvermietung […] eine kontinuierlich gute Auslastung der Wohnanlage gehalten werden und somit die Basis für ein krisensicheres und ertragreiches Investment gegeben sein sollte. Diese Ausführungen bringen aber lediglich die Hoffnung auf eine positive Entwicklung zum Ausdruck und können einem „In-Sicherheit-Wiegen“ (dazu 6 Ob 103/08b), das geeignet gewesen wäre, den Kläger von der Anspruchsverfolgung abzuhalten, nicht gleichgehalten werden

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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