European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00241.17W.0529.000
Spruch:
1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2. Der ordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig, die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin ist Messeveranstalterin und veranstaltet regelmäßig eine Ordermesse für Konsumgüter, in der auch das Segment „Trafikantenbedarf“ bzw „Rauch- und Tabakwaren“ angeboten wird. Bisher war – in diesem Messebereich – das Rauchen allgemein zulässig, um dem Fachpublikum das Testen bzw Verkosten der ausgestellten Rauch- und Tabakwaren zu ermöglichen. Nach der Veranstaltung der Messe im September 2016 teilte das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) der Klägerin mit, dass die allgemeine Gestattung des Rauchens im Rahmen der Messe auch in dem ausschließlich für das Segment „Trafikantenbedarf“ bzw „Rauch- und Tabakwaren“ vorgesehenen Bereich nach dem Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw Nichtraucherschutzgesetz (TNRSG) nicht zulässig sei, weil auf „Fachmessen […] in Räumen öffentlicher Orte, worunter zweifelsohne Messeräumlichkeiten miterfasst sind“ die einschlägigen NichtraucherInnenschutz- und Rauchverbots- bzw Dampfverbotsbestimmungen gemäß TNRSG zur Anwendung gelangten. Die Klägerin plante daher die Abhaltung der Messe für den Zeitraum 1.–3. 9. 2017 ohne generelle Raucherlaubnis im Bereich der Ausstellungshallen; Rauchen sollte ausnahmslos nur in dafür vorgesehenen abgetrennten Raucherkabinen oder im Außenbereich zulässig sein.
Die Beklagte ist Herausgeberin des Fachmagazins „*****zeitung“. Sie plante vom 1.– 3. 9. 2017 die Abhaltung einer „Trafikantenfachmesse“ in *****. Diese Veranstaltung bewarb sie mit einer „allgemeinen Raucherlaubnis auf der Messe“.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, mit der der Beklagten verboten wurde,
1. in öffentlichen oder an einen individuell angesprochenen Adressatenkreis gerichteten Ankündigungen einer von ihr veranstalteten „Trafikantenfachmesse“ oder von inhaltlich ähnlichen Veranstaltungen, insbesondere solchen, die Rauch- und Tabakwaren betreffen, oder sonst im Rahmen der Bewerbung derartiger Messen oder Veranstaltungen, ausdrücklich zu behaupten, dass der Beklagten für die betreffende Messe oder Veranstaltung eine behördliche Genehmigung, insbesondere ein „Bescheid der Bezirksbehörde *****“ betreffend eine „Raucherlaubnis“ erteilt worden sei, oder sinngleiche Behauptungen zu äußern;
2. in öffentlichen oder an einen individuell angesprochenen Adressatenkreis gerichteten Ankündigungen einer von ihr veranstalteten „Trafikantenfachmesse“ oder von inhaltlich ähnlichen Veranstaltungen, insbesondere solchen, die Rauch- und Tabakwaren betreffen, oder sonst im Rahmen der Bewerbung derartiger Messen oder Veranstaltungen, den unrichtigen Eindruck zu erwecken, die Beklagte könne eine derartige Messe oder Veranstaltung unter Gewährung einer Raucherlaubnis rechtmäßig, insbesondere ohne gegen Bestimmungen des TNRSG zu verstoßen, durchführen, etwa indem die Beklagte eine behördliche Billigung solcher Messen oder Veranstaltungen suggeriert.
3. von […] bis […] in […] eine „Trafikantenfachmesse“ durchzuführen, bei der die Beklagte das Rauchen in den Messeräumlichkeiten ausdrücklich generell erlaubt oder billigt, oder eine solche „Trafikantenfachmesse“ öffentlich, insbesondere im Internet unter […] , anzukündigen; oder sonst zu irgendeinem Zeitpunkt in Räumen eines Ortes, der dazu bestimmt ist, ständig oder zu bestimmten Zeiten von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis betreten zu werden, insbesondere in Messehallen, Veranstaltungshallen, Festzelten oder ähnlichen Räumlichkeiten, eine Messe oder vergleichbare Veranstaltung durchzuführen, bei welcher die Beklagte das Rauchen in den Messe- bzw Veranstaltungsräumlichkeiten ausdrücklich erlaubt oder billigt, oder eine solche Messe oder Veranstaltung öffentlich anzukündigen.
Das Verhalten der Beklagten erfülle die Tatbestände der § 2 Abs 2 iVm Anh Z 4 erster Fall UWG, § 2 Abs 2 iVm Anh Z 9 UWG und § 1 UWG (Rechtsbruch).
Das Erstgericht machte das Inkrafttreten der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung der Klägerin von 100.000 EUR abhängig. (Erst) nach Einlangen dieses Betrags bestätigte es die Vollstreckbarkeit der Sicherungsverfügung. Eine neuerliche Zustellung der einstweiligen Verfügung an die Beklagte unterblieb. Den Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung wies das Erstgericht ab.
Das Rekursgericht bestätigte die einstweilige Verfügung und die Abweisung des Antrags der Beklagten auf Aufhebung der Bestätigung deren Vollstreckbarkeit. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Sicherungsverfügung nicht zulässig sei; hingegen ließ es den Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung zur Frage zu, ob die Vollstreckbarkeit einer „verfrüht“ zugestellten einstweiligen Verfügung, deren „Wirksamkeit“ vom Erlag einer Sicherstellung abhängig gemacht wurde, schon mit dem Erlag oder erst mit der Verständigung des Gegners der gefährdeten Partei vom Erlag eintritt.
Gegen diese Entscheidungen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Sicherungsantrag abzuweisen, sowie ihr ordentlicher Revisionsrekurs mit dem Antrag, dem Erstgericht aufzutragen, die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufzuheben und die einstweilige Verfügung unter Hinweis auf den erfolgten Erlag neuerlich zuzustellen.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig, der ordentliche Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum außerordentlichen Revisionsrekurs:
1.1.1. Die für das Unterlassungsbegehren relevanten Bestimmungen der §§ 12, 13 TNRSG wurden mit BGBl I Nr 13/2018 novelliert. Die Änderungen traten mit 1. 5. 2018 und damit nach der Entscheidung erster Instanz in Kraft.
1.1.2. Ein in die Zukunft wirkendes Verbot kann nur erlassen oder bestätigt werden, wenn das beanstandete Verhalten im Zeitpunkt der Entscheidung auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist (vgl RIS‑Justiz RS0123158). Eine Parallelprüfung nach altem Recht kann nur dann unterbleiben, wenn das beanstandete Verhalten nach Inkrafttreten des neuen Rechts fortgesetzt wurde (vgl 4 Ob 58/14d, Automatik Startfunktion; 4 Ob 235/15k, Zahnarztwerbung IV). Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, sodass eine Parallelprüfung zu erfolgen hat.
1.2.1. Die Beklagte behauptet zunächst, bei der Veranstaltungsörtlichkeit handle es sich um eine Mehrzweckhalle iSd § 12 Abs 2 TNRSG, die nicht den in Abs 1 genannten Zwecken diene, sodass das Rauchen dort unabhängig davon gestattet sei, ob ein Raum eines öffentlichen Ortes iSd § 13 Abs 1 TNRSG vorliege.
1.2.2. Nach § 12 Abs 2 TNRSG nF gilt Rauchverbot nunmehr – neben den in Abs 1 aufgezählten Räumen, die den dort genannten Zwecken dienen – auch in Mehrzweckhallen bzw Mehrzweckräumen. § 13 Abs 1 TNRSG nF normiert ein Rauchverbot „auch in sonstigen Räumen öffentlicher Orte“, sofern diese nicht von § 12 Abs 1 TNRSG erfasst sind. Damit ist klargestellt, dass in Mehrzweckhallen nunmehr generelles Rauchverbot herrscht, unabhängig davon, zu welchem Zweck diese benutzt werden und ob es sich um einen öffentlichen Ort handelt. Schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten verstieße ihr Verhalten also nach geltendem Recht in unvertretbarer Weise gegen § 12 Abs 2 TNRSG nF.
1.2.3. Auch bei Prüfung nach der alten Rechtslage erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen, die den aufgezeigten Rechtsbruch bejahten, als zutreffend.
1.2.4. § 12 TNRSG aF normierte für bestimmte, taxativ aufgezählte Räumlichkeiten ein absolutes Rauchverbot, während § 13 TNRSG allgemein ein Rauchverbot in allgemein zugänglichen Räumen bestimmter Einrichtungen vorsah (vgl ErläutRV 163 BlgNR 19. GP 14). Wie sich schon anhand der jeweiligen Überschriften zeigt, entspricht die systematische Grundkonzeption der §§ 12, 13 TNRSG aF und nF einer abgestuften Regelung für unterschiedliche Raumtypen, sodass auch die Ausnahmebestimmungen der einzelnen Verbotstatbestände (hier: § 12 Abs 2 TNRSG aF) nur spezifische Ausnahmen vom jeweils geregelten Grundtatbestand vorsehen (vgl LvwG OÖ, LVwG‑000024/2/Gf/Rt) und nicht wechselseitig anwendbar sind (vgl Kolonovits, Der Nichtraucherschutz des TabakG aus rechtlicher Sicht, in Gesundheit und Recht – Recht auf Gesundheit [2013], 377 [379]). Selbst wenn daher als Veranstaltungsort eine Mehrzweckhalle iSd § 12 Abs 2 TNRSG aF vorgelegen sein sollte, wäre damit keine Ausnahme vom prinzipiellen Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte nach § 13 Abs 1 TNRSG aF verbunden gewesen (vgl auch den Bericht des Gesundheitsausschusses, AB 656 BlgNR 23. GP 2).
1.3.1. Nach § 13 Abs 1 TNRSG aF galt (unbeschadet arbeitsrechtlicher Bestimmungen und der Regelung des § 12, soweit Abs 2 und § 13a nichts anderes bestimmen) Rauchverbot in Räumen öffentlicher Orte. Als solchen Raum definiert § 1 Z 11 TNRSG jeder Ort, der von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden kann.
1.3.2. Fraglich ist, ob die Beklagte in zumindest vertretbarer Weise annehmen konnte, die Veranstaltungshalle sei kein Raum eines öffentlichen Orts iSd § 1 Z 11 TNRSG. Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (RIS‑Justiz RS0123239; RS0077771 [T76]).
1.3.3. Der VwGH hat zum Merkmal der Zugänglichkeit des Raums für einen nicht von vornherein beschränkten Personenkreis erstmals in der Entscheidung 2011/11/0215 Stellung genommen. Aus den Materialien (ErläutRV 700 BlgNR 22. GP 3) ergebe sich, dass Wesensmerkmal eines öffentlichen Orts dessen allgemeine Zugänglichkeit sei. Davon abzugrenzen seien Räume, die nur für bestimmte, individuell bezeichnete Personen zugänglich seien. Eine allgemeine Altersbeschränkung, die etwa Personen unter 18 Jahren generell den Zutritt zu einem Wettbüro verbiete, nehme einem Raum daher nicht den Charakter eines öffentlichen Orts. Diese Rechtsansicht bestätigte der VwGH zu 2010/11/0123. Dass eine Vorabakkreditierung auf einer Homepage notwendig gewesen sei, um Einlass zu einer (Musik‑)Veranstaltung zu erhalten, bedeute nicht, dass der Raum bloß für individuell bezeichnete Personen zugänglich gewesen sei, weil die Registrierung jedermann – kostenlos – offengestanden sei.
1.3.4. Wenn das Rekursgericht hier die gegenständliche Lokalität als „Räume öffentlicher Orte“ qualifiziert hat, weil die Teilnehmer – „mit Ausnahme der offenbar persönlich angeschriebenen Trafikanten“ – bloß abstrakt umschrieben worden seien („Fachjournalisten“, „Mitarbeiter von Ausstellern“, „Begleitpersonen“), und deshalb die Vertretbarkeit der gegenteiligen Rechtsauffassung verneint, ist dies im Lichte der zitierten Rechtsprechung des VwGH nicht zu beanstanden (vgl auch LVwG Salzburg, LVwG‑2/126/9-2016, Theaterfoyer; UVS Wien 04/G/14/2348/2012; Handig, Über Rauchverbote, Hinweise und Sanktionen – Das sonderbare Rauchverbot des Tabakgesetzes, RdW 2007, 138 [139]; VfGH B 776/09 = VfSlg 18.895, zum Normzweck eines umfassenden Schutzes des „Rechts auf rauchfreie Luft“ für Nichtraucher).
1.3.5. Die von der Beklagten dagegen ins Treffen geführten Argumente zeigen dem gegenüber keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO auf; dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nach geltender Rechtslage – wie zuvor dargelegt – für Mehrzweckhallen generelles Rauchverbot herrscht, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen öffentlichen Ort handelt.
2. Zum ordentlichen Revisionsrekurs:
2.1. § 402 Abs 1 EO nimmt nur die dort genannten Sachentscheidungen von der Konformitätssperre des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO aus (RIS‑Justiz RS0097225; König, Einstweilige Verfügungen5, Rz 6.94/2). Eine solche Sachentscheidung liegt hier nicht vor.
2.2. Die Bestimmung wird zwar teilweise analog auch auf andere bestätigende Beschlüsse angewandt (vgl RIS‑Justiz RS0104478; RS0106985). Analogie setzt jedoch eine planwidrige Lücke voraus; das Gesetz muss, gemessen an seiner Absicht und Teleologie, ergänzungsbedürftig sein, ohne dass diese Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS‑Justiz RS0008866; RS0008826 [T1]).
2.3. Zum telos des § 402 Abs 1 EO hat der Senat bereits mehrfach festgehalten, dass durch die Bestimmung der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO für die dort genannten Entscheidungen beseitigt werden sollte, weil diesen Entscheidungen wiederholt richtungsweisende Bedeutungen zukommt und darin oft Rechtsfragen gelöst werden, die für das (anschließende) meritorische Verfahren Bedeutung haben, in dem wegen der unterschiedlichen Revisions- und Revisionsrekursbestimmungen die Rechtsmittelbeschränkung nicht gilt (4 Ob 291/01z; 4 Ob 107/07z; 4 Ob 83/08x; 4 Ob 242/17t).
2.4. Konformatsbeschlüsse betreffend die Erteilung oder Aufhebung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung (vgl RIS‑Justiz RS0105321 [T15]; RS0112314 [T15]) sind auch dann jedenfalls unanfechtbar, wenn sie eine einstweilige Verfügung betreffen.
2.5. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.
2.6. Der Kostenausspruch beruht für die Klägerin auf § 393 Abs 1 EO und für die Beklagte auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.
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