OGH 4Ob235/15k

OGH4Ob235/15k27.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** B*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei DDr. A***** S*****, vertreten durch Bachmann & Bachlehner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Unterlassung, Löschung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 15.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Oktober 2015, GZ 2 R 157/15b‑9, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 18. September 2015, GZ 69 Cg 133/15f‑4, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00235.15K.0127.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.439,62 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 346,85 EUR USt und 340,50 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind als Zahnärzte Mitglieder der Österreichischen Zahnärztekammer und üben ihren Beruf am selben inländischen Ort aus.

Die vom Bundesausschuss der Österreichischen Zahnärztekammer gemäß § 35 Abs 5 ZÄG beschlossene Werberichtlinie (WR‑ÖZÄK) idF der Novelle vom 14. 12. 2012, die bis zur neuerlichen Novellierung vom 11. 12. 2015 in Kraft stand, enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

„Art 4

Im Zusammenhang mit der Ausübung des zahnärztlichen Berufes sind dem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs ‑ unter Beachtung der Bestimmungen dieser Richtlinie ‑ insbesondere gestattet:

[...]

d) Die Einrichtung eines Internetauftritts [...].

Art 5 lit e

Fernseh‑, Radio‑, Kino‑, Plakat‑ und Internetwerbung (zB Werbebanner auf fremden Homepages) ist Angehörigen des zahnärztlichen Berufs untersagt.“

 

Am 11. 12. 2015 beschloss der Bundesausschuss der Österreichischen Zahnärztekammer eine neue Werberichtlinie gemäß § 35 Abs 5 ZÄG, welche mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Internet (12. 1. 2016) in Kraft getreten ist (Art 9 WR‑ÖZÄK). Diese enthält nunmehr folgende Bestimmungen:

„Art 4

Im Zusammenhang mit der Ausübung des zahnärztlichen Berufes sind dem Angehörigen des zahnärztlichen Berufs ‑ unter Beachtung der Bestimmungen dieser Richtlinie ‑ insbesondere gestattet:

[...]

d) die Einrichtung einer eigenen Webseite im Internet und eigener Profilseiten in sozialen Netzwerken wie Facebook, Google+, Xing, LinkedIn o.dgl., wobei bei den Inhalten solcher Web- oder Profilseiten die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E‑Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind;

Art 5 lit e

Die Erwähnung des Namens des Angehörigen des zahnärztlichen Berufes und der nach dem Zahnärztegesetz zulässigen Berufsbezeichnung, der Tätigkeiten, die der Angehörige des zahnärztlichen Berufes tatsächlich und erlaubterweise ausübt, sowie der nach der Schilderordnung auf einem Ordinationsschild zulässigen Angaben, sofern diese nicht in anziehender oder anreizender Weise erfolgen, in online‑Telefon‑, Adress‑ und Branchenverzeichnissen sowie Suchmaschinen sind erlaubt, wobei bei den Inhalten solcher Ankündigungen die Bestimmungen dieser Werberichtlinien sowie sinngemäß die Bestimmungen der E‑Commerce-Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU (siehe Anhang 1) einzuhalten sind. Hingegen ist Internetwerbung auf fremden Webseiten (zB in fremde Webseiten eingebundene Werbebanner, Pop‑up‑ oder Pop‑under‑Werbung, AdClips, Verbal Placements, u.dgl.) untersagt.“

 

Die Beklagte hat beim Suchmaschinenbetreiber Google im Rahmen des entgeltlichen Dienstes „Google AdWords“ die für die Ausübung seines beruflichen Schwerpunkts Kieferorthopädie typischen Suchbegriffe „Zahnregulierung“, „Zahnregulierungen“, „Zahnspange“ sowie „Kieferorthopädie“, jeweils verbunden mit der geografischen Bezeichnung der Stadt, in der er seine Ordination betreibt, gebucht. Dies bewirkt, dass jeder Internetbenutzer, der einen dieser Suchbegriffe eingibt, jeweils an erster Stelle einen Eintrag angezeigt erhält, der einen Link enthält, der direkt auf die Homepage des Beklagten führt. Darüber hinaus enthält der jeweils an erster Stelle aufscheinende Eintrag die Telefonnummer der Ordination des Beklagten sowie den Zusatztext „Ihre Praxis für Kieferorthopädie ‑ Kontaktieren Sie uns noch heute!“.

Der Beklagte hat weiters auf der Homepage eines Unternehmens für Adressverzeichnisse entgeltlich einen „Premium‑Eintrag“ in der Rubrik „Arzt/Kieferorthopädie/ Zahnregulierung“ gebucht. Dieses „Vorreihungsprodukt“ bewirkt, dass der Eintrag von Name und Adresse des Beklagten bei den Suchergebnissen in der Spalte „Premium‑Einträge“ noch vor den (im Suchergebnis auch als solche bezeichneten) „Basis‑Einträgen“ gereiht und angezeigt wird und dass neben dem Eintrag noch ein Foto (beim Beklagten: Zwei jeweils in einen Apfel beißende Personen) sichtbar wird.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragte der Kläger, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, a) Internetwerbung für seine zahnärztliche Tätigkeit auf anderen Websites, insbesondere auf der Homepage www.google.at in Form von bezahlten Anzeigen und auf der Homepage www.herold.at in Form von bezahlten Premium‑Einträgen zu betreiben; b) auf der Homepage www.herold.at unter der Rubrik „Kieferorthopäde“ und „Kieferorthopädie“ für seine zahnärztliche Tätigkeit zu werben; c) durch die Darstellung oder das Erwecken des Eindrucks einer wahrheitswidrigen (zahn‑)medizinischen Exklusivität und durch Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche oder marktschreierische Art für seine zahnärztliche Tätigkeit zu werben, insbesondere dadurch, dass gezielte Suchmaschinenoptimierung, bezahlte Vorreihung und Google AdWord Kampagnen betrieben werden oder Unternehmen damit beauftragt werden, für den Beklagten solche Maßnahmen zu setzen.

Der Beklagte verstoße mehrfach gegen die Werberichtlinie WR‑ÖZÄK. Er werbe gezielt auf der Homepage des Suchmaschinenbetreibers mit seiner eigenen Homepage. Die Werbung sei eindeutig mit „Anzeige“ gekennzeichnet, es handle sich um bezahlte Werbung. Internetwerbung sei jedoch untersagt. Der Beklagte habe sich gezielt einen Wettbewerbsvorteil gesichert. Dadurch beeinträchtige er das Ansehen des Berufsstandes, weil diese Vorgehensweise eine Selbstanpreisung der eigenen Person in aufdringlicher und marktschreierischer Art sei. Auch entstehe der Eindruck medizinischer Exklusivität. Bei der Bezeichnung Kieferorthopäde handle es sich um keinen von der Zahnärztekammer anerkannten Titel.

Der Beklagte wendete ein, die Österreichische Zahnärztekammer habe die behaupteten Verstöße geprüft und von einer Klageführung offenbar wegen mangelnder Erfolgsaussicht Abstand genommen. Nicht jede Nennung eines Zahnarztes im Internet sei gleichzeitig eine verbotene Internetwerbung. Die bloße Namensnennung auf Suchmaschinen sei zulässig. Der Beklagte benutze keine Werbebanner, die die Zahnärztekammer als problematisch einstufe. Es werde kein Eindruck von Exklusivität erweckt. Eine allfällige Suchmaschinenoptimierung beeinträchtige das Ansehen des Berufsstandes nicht. Wenn der Beklagte mehrfach in Nachschlagewerken aufscheine, gehe dies nicht über die bloße Bereitstellung von Kontaktdaten hinaus. Maßnahmen zur Vorreihung seien zulässig, ob dies gegen Entgelt geschehe, sei irrelevant.

Das Erstgericht wies das Sicherungsbegehren zur Gänze ab.

Das Rekursgericht bestätigte die Antragsabweisung in Ansehung der zu b) und c) genannten Unterlassungsbegehren, verbot dem Beklagten aber, Internetwerbung für seine zahnärztliche Tätigkeit auf anderen Websites, insbesondere auf der Homepage www.google.at in Form von bezahlten Anzeigen und auf der Homepage www.herold.at in Form von bezahlten Premium‑Einträgen zu betreiben. In beiden Fällen handle es sich um unzulässige Internetwerbung iSd Art 5 lit e WR‑ÖZÄK: Bei google.at erreiche der Beklagte im Fall einer Eingabe eines gebuchten Suchbegriffs eine Reihung an erster Stelle im Suchergebnis. Gleiches gelte auch für die Premium‑Einträge des Beklagten bei herold.at. Auch erziele der Beklagte durch die Vorreihung vor den Basis‑Einträgen eine besondere Werbewirksamkeit, sodass auch dies als unzulässige Werbung im Internet anzusehen sei. Verstoße ein Arzt gegen die ihm auferlegten Standespflichten, sei dieses Verhalten geeignet, ihm einen sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen und begründe daher einen Verstoß gegen § 1 UWG. Der Umstand, dass bislang die Standesbehörde gegen den Beklagten nicht eingeschritten sei, ändere daran nichts und führe auch nicht dazu, dass sich der Beklagte auf die Vertretbarkeit seiner Rechtsansicht berufen könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er die gänzliche Abweisung des Sicherungsbegehrens anstrebt, ist zulässig und berechtigt.

Der Senat hat im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der UWG‑Novelle 2007 mehrfach ausgesprochen, dass ein in die Zukunft wirkendes Verbot nur dann erlassen oder bestätigt werden kann, wenn das beanstandete Verhalten im Zeitpunkt der Entscheidung auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist (RIS‑Justiz RS0123158; zuletzt etwa 4 Ob 58/14d mwN). Nichts anderes kann gelten, wenn sich zwar nicht die lauterkeitsrechtliche Bestimmung, wohl aber die dem Rechtsbruchtatbestand zugrunde liegende Norm geändert hat. Auch hier ist ein Verbot nur möglich, wenn das beanstandete Verhalten auch nach neuer Rechtslage unzulässig ist (4 Ob 58/14d, Automatik‑Startfunktion).

Wurde aufgrund eines nach alter Rechtslage verwirklichten Lauterkeitsverstoßes ein Unterlassungstitel geschaffen und hat sich während des Rechtsmittelverfahrens die Rechtslage geändert, so ist die Berechtigung eines solchen Gebots auch am neuen Recht zu messen. Denn dieses Gebot soll seinem Wesen nach ein in der Zukunft liegendes Verhalten erfassen und kann daher nur dann aufrecht bleiben, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach der neuen Rechtslage verboten ist (4 Ob 225/07b, Stadtrundfahrten mwN).

Im vorliegend zu beurteilenden Fall erfordert daher das rekursgerichtliche Verbot der vom Beklagten betriebenen Internetwerbung nicht nur einen Verstoß gegen die Werberichtlinie der Zahnärztekammer in der Fassung der Novelle vom 14. 12. 2012, sondern auch gegen die nunmehr geltende Werberichtlinie (in der seit 16. 1. 2016 geltenden Fassung). Die Bestimmungen für die Internetwerbung wurden in mehrfacher Weise geändert, und zwar im Sinne erweiterter Möglichkeiten der Selbstdarstellung und Werbung. Dem Zahnarzt wird nunmehr gestattet, nicht nur im Internet eine eigene Website einzurichten, sondern darüber hinaus auch eigene Profilseiten in sozialen Netzwerken, und zwar ohne zahlenmäßige Beschränkung, sofern nur inhaltliche Restriktionen der Werberichtlinie und weiterer Verhaltensrichtlinien für Zahnärzte in der EU eingehalten werden. Darüber hinaus wird nunmehr die Erwähnung des Namens des Zahnarztes, seine Berufsbezeichnung, der Tätigkeiten, die er tatsächlich und erlaubter Weise ausübt, weitere Angaben laut Schilderordnung, sofern diese nicht in anziehender oder anreizender Weise erfolgen, in Telefon‑, Adress‑ und Branchenverzeichnissen sowie Suchmaschinen erlaubt. Daneben wird aber nach wie vor die Internetwerbung auf fremden Webseiten unter beispielhafter Anführung verschiedener Werbemethoden untersagt.

Der Kläger hat zur Begründung seines Sicherungsantrags nicht vorgebracht, dass und in welcher Weise der Beklagte gegen die nunmehr geänderten Bestimmungen der Werberichtlinie für Zahnärzte verstoßen hätte. Die Behauptungen der gefährdeten Partei bilden aber die Grenzen, in deren Rahmen zu prüfen ist, inwieweit eine einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Keineswegs ist es Sache des Gerichts, von Amts wegen auf die Stoffsammlung oder ergänzendes Vorbringen zu drängen (stRsp RIS‑Justiz RS0005452). Eine Erörterung des Parteivorbringens, um den Antragsteller die Möglichkeit zu geben, sein Vorbringen zu ergänzen, kommt im Verfahren zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen ebenfalls nicht in Betracht (8 Ob 50/07x uva; RIS‑Justiz RS0005452 [T11]).

Auch das in dritter Instanz noch zu prüfende (restliche) Sicherungsbegehren des Klägers muss daher scheitern.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

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