European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121976
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Streitteile (ehemalige Lebensgefährten) sind Miteigentümer einer Liegenschaft samt Einfamilienhaus, der Antragsteller zu einem Viertel, die Antragsgegnerin zu drei Viertel der Anteile. Bewohnt wird das Haus von der Antragsgegnerin mit den gemeinsamen beiden Kindern. Die bauliche Situation erlaubt keine sinnvolle Zuweisung von (Wohn‑)Räumlichkeiten (auch) an den Antragsteller, ebenso wie auch die persönliche Situation der Parteien (gegen den Antragsteller besteht aufgrund einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Salzburg aus 2011 ein Aufenthaltsverbot auf der Liegenschaft). Aufgrund rechtskräftiger Entscheidung des Landesgerichts Salzburg aus 2013 ist die Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung aufzuheben. Diese wurde bislang mangels Parteienantrags nicht vollzogen.
Der Antragsteller beantragte die Feststellung, dass der Antragsgegnerin das Benützungsrecht hinsichtlich der Liegenschaft allein zustehe, und sie zu verpflichten, ihm ein wertgesichertes monatliches Benützungsentgelt in Höhe von 875 EUR ab Antragstellung zuzusprechen. Er sei Miteigentümer der Liegenschaft ohne jeglichen Nutzen. Zu seinem Unterhaltsherabsetzungsantrag hinsichtlich der beiden Kinder sei vom Gericht ausgesprochen worden, dass Unterhaltsberechtigten stets ein in Geld zu leistender Unterhaltsbetrag zuzukommen habe und eine fiktive Überalimentierung im Teilunterhaltsbereich „Wohnen“ nicht zu einer unangemessenen Verkürzung des Geldunterhalts führen dürfe.
Die Antragsgegnerin wendete mangelndes Rechtsschutzbedürfnis ein, weil der Antragsteller ja die Feilbietung beantragen könne. Im Übrigen werde der Viertel‑Anteil des Antragstellers auch von seinen Kindern genutzt, welchen er damit Naturalunterhalt leiste. Der begehrte Monatsbetrag sei schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich der Antragsteller nicht an den Betriebs‑ und Erhaltungskosten für die Liegenschaft beteilige.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach dem Konsens der Parteien würden die gemeinsamen Kinder auf der Liegenschaft wohnversorgt.
Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts auf, trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.
Wenn einem Miteigentümer ein seinem Miteigentumsanteil übersteigender Teil der gemeinschaftlichen Sache zur persönlichen Benützung überlassen werde, sei der dadurch diesem Miteigentümer zukommende verhältnismäßig größere Nutzen durch eine entsprechende Gegenleistung auszugleichen. Die bloße Existenz des Titels aus dem Teilungsverfahren lasse das Interesse an der Benützungsregelung nicht wegfallen. Da unterhaltsrechtliche Aspekte schon mangels Parteienidentität nicht verfahrensgegenständlich seien und der Antragsteller sein Nutzungsrecht an der Liegenschaft aufgrund des Betretungsverbots rechtlich nicht ausüben könne, sei ihm ein von der Antragsgegnerin zu leistendes Benützungsentgelt zuzuerkennen. Das Erstgericht werde daher Feststellungen zur Höhe eines Benützungsentgelts zu treffen haben.
Die Antragsgegnerin beantragt mit ihrem Revisionsrekurs, den Antrag auf Zuerkennung von Benützungsentgelt abzuweisen, der Antragsteller beantragt mit seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Jeder Miteigentümer hat grundsätzlich Anspruch auf eine annähernd seinem Miteigentumsanteil entsprechende Nutzung der Sache, wenn er auch einen persönlichen Bedarf an einer solchen Nutzung hat (RIS‑Justiz RS0013612; RS0013575). Der einem Miteigentümer zukommende größere Nutzen ist durch Entrichtung eines angemessenen Benützungsentgeltes auszugleichen (RIS‑Justiz RS0013617). Ein Benützungsentgelt ist auch dann festzusetzen, wenn sich die Miteigentümer zwar über die Benützung der gemeinsamen Sache, nicht aber über das hiefür zu leistende Entgelt einig sind (RIS‑Justiz RS0013812). Dieses kann nach ständiger Rechtsprechung nur für die Zukunft festgesetzt werden (RIS‑Justiz RS0087211), wobei die Wirksamkeit der Entscheidung auf den Antragstag rückzubeziehen ist (RIS‑Justiz RS0000133; 2 Ob 29/06p mwN).
2.1. Die Revisionsrekurswerberin behauptet zunächst, zufolge des rechtskräftigen Urteils auf Zivilteilung der Liegenschaft (die Antragsgegnerin war Klägerin dieses Verfahrens) sei eine Benützungsvereinbarung nicht mehr zulässig, zumal der Antragsteller die gerichtliche Feilbietung begehren könne und deswegen ein Regelungsbedürfnis zu verneinen sei.
2.2. Es ist zwar richtig, dass trotz des Umstands, dass die Antragsgegnerin Klägerin im Teilungsverfahren war, auch der Antragsteller als Beklagter des Teilungsverfahrens zur exekutiven Betreibung des Titels berechtigt wäre („iudicium duplex“; vgl RIS‑Justiz RS0004553; 3 Ob 178/05f; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas 4, § 830 ABGB Rz 40).
2.3. Inhaltlich ist der Einwand jedoch unberechtigt:
Bei einer Klage auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft gemäß § 830 ABGB handelt es sich um eine sogenannte unvollkommene Rechtsgestaltungsklage, bei der der Eintritt der Gestaltungswirkung – Aufhebung des Miteigentums – zwar unmittelbar an das Urteil geknüpft ist, es aber zur vollen Verwirklichung der neuen Rechtslage noch der Zwangsvollstreckung gemäß § 351 EO bedarf. Das Teilungsverfahren ist demnach dreistufig:
Die Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs durch Teilungsklage bildet die erste Stufe. Um die Rechtsbeziehung der Teilhaber vollständig zu beenden, ist es erforderlich, dass zu dieser ersten Stufe die richterliche Rechtsgestaltung durch Teilungsurteil als zweite Stufe und schließlich der Vollzug als dritte Stufe hinzutritt. Erst der Vollzug der Teilung hat das endgültige Erlöschen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zur Folge (vgl RIS‑Justiz RS0113831). Bis dahin besteht jedoch, ungeachtet des Vorliegens eines rechtskräftigen Teilungsurteils, der Anspruch auf gerichtliche Benützungsregelung (RIS‑Justiz RS0004528; RS0013356; 5 Ob 23/00v; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas 4, § 830 ABGB Rz 40; Gruber/Sprohar‑Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 830 Rz 16).
3.1. Die Revisionsrekurswerberin argumentiert weiters, ein Miteigentümer könne nicht gegen den Willen des anderen Miteigentümers diesem die alleinige Nutzungsbefugnis aufdrängen und dafür ein Benützungsentgelt verlangen.
3.2. Tatsächlich kann kein Teilhaber den Gebrauch eines bestimmten Teils der gemeinsamen Sache durch den anderen einseitig erzwingen. Umso weniger kann ein Teilhaber verpflichtet werden, einen über seinen Anteil hinausgehenden Teil der gemeinsamen Liegenschaft zu benützen, um dadurch dem anderen zur Bezahlung eines Benützungsentgelts verpflichtet zu werden (7 Ob 525/95; 6 Ob 90/03h; Tanczos/Eliskases in Rummel/Lukas 4, § 835 Rz 7; Gruber/Sprohar‑Heimlich in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 835 Rz 25).
3.3. Ein solcher Fall liegt hier aber nach den Feststellungen nicht vor. Es steht nicht nur fest, dass die Zuweisung eines realen Teils der Liegenschaft an den Antragsteller faktisch nicht möglich ist, sondern dass zwischen den Parteien ohnehin Einigkeit darüber besteht, dass die Liegenschaft alleine von der Antragsgegnerin (und den gemeinsamen Kindern) benutzt werden soll. Der Antragsteller begehrt daher keineswegs eine Zuweisung von Liegenschaftsteilen an die Antragstellerin gegen ihren Willen, sondern eine bindende Regelung für den bereits informell gepflogenen Konsens beider Parteien und ein entsprechendes Entgelt.
4.1. Soweit die Revisionsrekurswerberin argumentiert, infolge der einstweiligen Verfügung bestehe für den Antragsteller rechtlich gar keine Möglichkeit, seinen Anteil zu nutzen, sodass dafür auch kein Benützungsentgelt zustehe, ist ihr Folgendes entgegen zu halten:
4.2. Im ehelichen Unterhaltsrecht wird zwar judiziert, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte keinen bzw nur einen den Kopf des anderen Ehegatten berücksichtigenden Abzug des fiktiven Mietwerts gefallen lassen muss, wenn dieser die Ehewohnung grundlos verlässt (RIS‑Justiz RS0114742). Dem grundlosen Verlassen ist eine polizeiliche Wegweisung oder eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO gleichzuhalten (4 Ob 42/10w).
4.3. Der Antragsteller ist der Antragsgegnerin aber (von Gesetzes wegen) nicht zum Unterhalt verpflichtet. Eine analoge Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall eines Benützungsentgelts zwischen Miteigentümern – was zum Entfall oder doch zur Kürzung des Benützungsentgelts führen könnte – scheitert auch daran, dass diese Rechtsprechung auf der Pflicht der Ehegatten zum gemeinsamen Wohnen fußt (§ 92 ABGB; vgl 4 Ob 42/10w); eine solche Pflicht besteht zwischen bloßen (ehemaligen) Lebensgefährten nicht (vgl RIS‑Justiz RS0096997). Es kommt daher im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob der Partner die Wohnung grundlos verlässt oder von dort weggewiesen wird, weil eine Pflicht zur Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft ohnehin nicht besteht. Im Übrigen ist zwischen den Parteien unstrittig, dass die Lebensgemeinschaft endgültig beendet ist und der Antragsteller nicht mehr in das Haus auf der gemeinsamen Liegenschaft zurückkehren soll.
4.4. Ein Anspruch auf Benützungsentgelt ist daher auch zwischen ehemaligen Lebensgefährten grundsätzlich möglich (vgl Möschl, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft³, 50).
5.1. Die Revisionsrekurswerberin macht schließlich geltend, der Viertelanteil des Antragstellers sei nicht verfügbar, weil auf der Liegenschaft die gemeinsamen Kinder wohnversorgt werden.
5.2. Grundsätzlich zutreffend ist, dass eine gerichtliche Benützungsregelung nur dann getroffen werden kann, wenn die in Betracht kommenden Räume verfügbar sind (vgl RIS‑Justiz RS0013623; RS0013206). Der Verfügbarkeit einer Wohnung kann auch ein sonstiges Benützungsrecht kraft Familienrechtsverhältnis entgegen stehen (vgl etwa 8 Ob 17/07v). Der Unterhaltsanspruch von Kindern, gleichviel ob ehelich oder unehelich, die im Haushalt des Unterhaltspflichtigen leben, ist grundsätzlich auf Naturalunterhalt gerichtet und verwandelt sich nach der Rechtsprechung erst bei getrenntem Haushalt oder Verletzung der Naturalunterhaltspflicht in einen Anspruch auf Geldunterhalt (vgl RIS‑Justiz RS0034807). Der aus dem Familienrecht abgeleitete Anspruch des unterhaltsberechtigten Kindes auf Naturalunterhalt durch Wohnversorgung wandelt sich nicht schon dadurch in einen solchen auf Geldunterhalt, dass der Unterhaltspflichtige aus der Wohnung auszieht (RIS‑Justiz RS0047463).
5.3. Dem Minderjährigen steht aber kein Wohnrecht im Sinne eines Anspruchs auf Benutzung einer bestimmten Wohnung gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu. Hat sich ein – nicht obsorgeberechtigter – Lebensgefährte von seiner zur Obsorge für das gemeinsame Kind verpflichteten Lebensgefährtin getrennt, bedarf das minderjährige Kind gewiss der Betreuung im Haushalt der Mutter. Das bedeutet aber nicht, dass ein – nicht aus § 97 ABGB abgeleiteter – Anspruch des Kindes auf Weiterbenützung der bisher gemeinsam von Kind und Mutter genutzten Wohnung des Vaters bestünde. In einem solchen Fall besteht weder eine Verpflichtung des außerehelichen Vaters zur Gewährung der zuvor bestandenen Wohnmöglichkeit, noch ein Recht des außerehelichen Kindes auf eine solche Leistung. Wird nach Auflösung der (außerehelichen) Lebensgemeinschaft von Eltern und der häuslichen Gemeinschaft mit dem unterhaltsberechtigten Kind dessen Unterhaltsbedarf in Geld gedeckt, steht dem Kind nicht zusätzlich das Recht zu, die Wohnung des Vaters zu benutzen (vgl RIS‑Justiz RS0122680; 1 Ob 122/07h).
5.4. Diese Rechtsprechung zu Fällen des Alleineigentums des Vaters an der Wohnung ist auf den hier vorliegenden Fall übertragbar. Auch hier besteht kein Recht der Kinder gegen den Antragsteller, durch seinem ideellen Viertelanteil entsprechende Räume auf der strittigen Liegenschaft wohnversorgt zu werden, zumal die Zurverfügungstellung von Wohnraum die Geldunterhaltspflicht des Antragstellers nicht mindert und dieser bei Verneinung eines Ausgleichsanspruchs gegen die Antragsgegnerin seines Miteigentumsanteils „enteignet“ würde (vgl 3 Ob 202/08i).
Ob im Verhältnis zwischen den Streitteilen der Umstand der Mitbenützung der Liegenschaft durch die gemeinsamen Kinder einen Abzug vom Ausgleichsanspruch des Antragstellers rechtfertigt, wird im fortzusetzenden Verfahren über die Höhe dieses Anspruchs zu klären sein.
6. Das Rekursgericht hat die zur Berechnung der Höhe des Anspruchs ergangene Rechtsprechung richtig wiedergegeben (vgl RIS‑Justiz RS0013807). Soweit die Revisionsrekurswerberin dagegen anführt, die von ihr allenfalls mehr genützten Räume (Bad, WC usw) seien schlicht unvermietbar, verkennt sie, dass sich das ideelle Miteigentum des Antragstellers auf alle Räume der Liegenschaft erstreckt.
Aus all diesen Gründen ist dem Revisionsrekurs, der dem verfahrensgegenständlichen Antrag bereits dem Grunde nach entgegentritt, nicht Folge zu geben, sodass es beim Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts zwecks Verfahrensergänzung durch das Erstgericht zu bleiben hat.
7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 AußStrG.
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