OGH 2Ob45/17g

OGH2Ob45/17g24.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Musger, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Martin Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. P*anstalt, *, 2. K* Aktiengesellschaft, *, beide vertreten durch Mag. Christoph Hatvagner, Rechtsanwalt in Oberwart, wegen 27.022,21 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. November 2016, GZ 12 R 24/16m‑39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Oktober 2015, GZ 11 Cg 25/13x‑30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzungzu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119926

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.898,17 EUR (darin enthalten 316,36 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe:

Der erstbeklagte Sozialversicherungsträger bewilligte dem Kläger im Rahmen der Gesundheitsvorsorge gemäß § 307d ASVG einen Kuraufenthalt in dem von der Zweitbeklagten betriebenen Kurzentrum B*. Der Kläger hielt sich zu diesem Zweck von 26. 9. 2012 bis 17. 10. 2012 im Kurzentrum auf. Er war dabei gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversichert in der Unfallversicherung.

Der Kläger leidet seit Jahren an Diabetes mellitus mit den bekannten Komplikationen einer peripheren Polyneuropathie und Angiopathie. Das bewirkt eine Empfindungsstörung in den Füßen, sodass der Kläger beispielsweise Temperaturen nicht wahrnehmen kann. Aufgrund dieser Vorerkrankung mussten dem Kläger bereits mehrere Zehen amputiert werden.

Bei Durchführung eines wie vom Kläger absolvierten Kuraufenthalts findet eine Anfangs-, eine Zwischen- und eine Abschlussuntersuchung durch einen Kurarzt statt. Dabei werden die therapeutischen Maßnahmen, die während des Kuraufenthalts erfolgen werden, verordnet. Dem Kläger wurde bei einer solchen kurärztlichen Untersuchung ein Kohlensäurewannenbad verordnet.

Ein solches Kohlensäurewannenbad wird in eigens dafür vorgesehenen Edelstahlwannen durchgeführt. Dabei handelt es sich um Doppelmantelwannen, wobei zwischen den beiden Schichten Heizrohre verlaufen und durch in den Heizrohren befindlichem Wasserdampf die Wanne erhitzt wird. Während des Einlaufens des Wassers wird mit dem Aufheizen begonnen, wenn dann das Wasser abgedreht ist, wird auch der Aufheizvorgang beendet. Während des Aufheizvorgangs kann der Wannenboden eine Temperatur von über 80 °C bei einer Badewassertemperatur von über 50 °C erreichen. Bei Erreichen einer Badewassertemperatur von 34 °C beträgt die Wannenbodentemperatur 62 °C, nach Beendigung des Aufheizvorgangs beträgt die Wannenbodentemperatur nach 5 Sekunden 50 °C, nach 10 Sekunden 41 °C und nach 15 Sekunden 38 °C.

Am 1. 10. 2012 begab sich der Kläger zu den Therapieräumen, um sein verordnetes Kohlensäurewannenbad zu nehmen. Er zog sich aus und wurde dann von der Therapeutin in den Anwendungsraum hineingerufen. Die Therapeutin sagte zum Kläger, er könne schon einsteigen. Gleichzeitig drehte sie die Wasserzufuhrhähne ab. Der Kläger stieg in die Wanne. Er bemerkte an seinem Gesäß, dass der Wannenboden sehr warm war. Er stützte sich daraufhin mit den Armen ab und hob das Gesäß an, die Füße beließ er im Wasser. An seinen Füßen konnte er diese höhere Temperatur aufgrund seiner Empfindungsstörung nicht bemerken. Nicht feststellbar ist, welche Temperatur exakt der Wannenboden bei Einsteigen des Klägers hatte. Sie lag jedenfalls über 45 °C und damit hoch genug, dass der Kläger im Bereich der rechten Großzehe am Fußballen eine schwere Verbrennung Grad III erlitt, die er aufgrund seiner Empfindungsstörung zunächst nicht spüren konnte, sondern erst später bemerkte.

Zwischen den Beklagten besteht ein Rahmenvertrag, der die Durchführung medizinischer Kurheilverfahren zur Behandlung und Betreuung von Versicherten und deren anspruchsberechtigten Angehörigen mit den Zuweisungsindikationen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats regelt. In § 6 dieses Vertrags ist festgehalten, dass die Versicherungsträger bestimmte Tagespauschalsätze für Versicherte und Begleitpersonen zuzüglich Umsatzsteuer, Kurtaxe, sonstige Abgaben und allenfalls einen Unfallversicherungsbeitrag gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG leisten.

Der Kläger begehrte von den Beklagten 27.022,21 EUR sA zur ungeteilten Hand an Schadenersatz wegen der Verbrennung an der rechten großen Zehe. Davon entfallen 25.000 EUR auf Schmerzengeld, der Rest summiert sich aus verletzungskausalen Kosten für hypothetische Haushaltshilfe, Medikamentenkosten, Arztkosten und pauschalen Unkosten. Er brachte vor, zwischen ihm und den Beklagten bestehe zwar kein Vertrag, mit der Erstbeklagten verbinde ihn aber eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung, die ein quasi-vertragliches Verhältnis begründe. Es seien daher vertragliche Haftungsgrundsätze anzuwenden. So hafte die Erstbeklagte gemäß § 1313a ABGB für die Zweitbeklagte als Erfüllungsgehilfin für die von der Erstbeklagten geschuldeten Kurleistungen. Ferner berief er sich auf eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für gefährliche Anlagen in den Kureinrichtungen. Die Zweitbeklagte hafte aufgrund eines Fehlverhaltens ihrer Therapeutin. Das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG iVm § 335 Abs 3 ASVG komme den Beklagten nicht zugute, weil das Einsteigen in eine Badewanne kein Arbeitsunfall iSd § 175 ASVG sei. Fehlbehandlungen fielen nicht unter den Unfallbegriff des § 175 Abs 1 ASVG. Jedenfalls komme– wenn überhaupt – nur der Zweitbeklagten das Haftungsprivileg zu. Bei Verneinung der übrigen Anspruchsgrundlagen entfalte der Rahmenvertrag zwischen den Beklagten Schutzwirkungen zugunsten des Klägers, weshalb die Erstbeklagte aus diesem Grund hafte.

Die Beklagten wendeten ein, bei den Kohlensäurebadewannen handle es sich um keine besondere Gefahrenquelle, weshalb eine analoge Anwendung von Gefährdungshaftungsnormen nicht in Betracht komme. Die Erstbeklagte treffe aus der Kurbewilligung bloß die Pflicht, die Kurleistung durch fachlich geeignete Dritte zu ermöglichen und die Kosten der Kur zu tragen. Dieser Pflicht sei die Erstbeklagte nachgekommen. Sie hafte daher nicht. Zwischen Kläger und Zweitbeklagter bestehe hingegen ein „Gastaufnahmevertrag“. Die Verbrennung des Klägers stehe aber im zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang mit seiner Kurbehandlung, weswegen gemäß § 335 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG anzuwenden sei und selbst bei rechtswidrigem und schuldhaftem Verhalten der Zweitbeklagten keine Haftung bestünde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Zwischen der Erstbeklagten und dem Kläger bestehe kein Vertrag. Der Erstbeklagten sei keine Pflichtverletzung vorwerfbar. Die Zweitbeklagte sei iSd § 335 Abs 3 ASVG als Träger der Einrichtung anzusehen, in der die Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge erfolge. Es liege ein Arbeitsunfall vor. Der Zweitbeklagten komme das Dienstgeberhaftungsprivileg zugute, weshalb sie nur bei Vorsatz hafte, wofür kein Hinweis bestehe. Auch aus Gefährdungshaftung bestehe kein Anspruch.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es billigte die Ansicht, dass zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten weder ein Vertragsverhältnis noch eine öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung bestehe, aufgrund derer die Erstbeklagte gegenüber dem Kläger zu Behandlungsleistungen verpflichtet gewesen wäre. Eine gesetzliche Verpflichtung scheitere schon daran, dass es sich bei den in § 307d ASVG vorgesehenen Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge nicht um Pflichtleistungen der Versicherungsträger, sondern um freiwillige Vorsorge-leistungen handle. Die Zweitbeklagte sei daher nicht Erfüllungsgehilfin der Erstbeklagten. Auf eine „analoge Gefährdungshaftung“ könne sich der Kläger nicht berufen, weil Kohlensäurewannenbäder „keine nach der Art des Betriebs regelmäßige und ganz allgemein mit dem Betrieb verbundene Gefahr“ bedeuteten. Hier habe sich vielmehr lediglich eine Gefahr aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls verwirklicht. Es fehle an einem für die Bejahung der Gefährdungshaftung erforderlichen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Der Kläger sei gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG in der Unfallversicherung teilversichert gewesen. Gemäß § 335 Abs 3 ASVG stehe die Zweitbeklagte als Träger der Einrichtung, in der die medizinische Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge erfolge, für die Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivilegs bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG teilversicherten Personen dem Dienstgeber gleich. Ihr komme daher das Dienstgeberhaftungsprivileg gemäß § 333 Abs 1 ASVG zugute. Nach dieser Bestimmung sei der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls (oder durch eine Berufskrankheit) entstanden sei, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht habe. § 175 Abs 1 ASVG definiere den Arbeitsunfall als Unfall, der sich in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet habe. Aus der Entscheidung 2 Ob 218/06g gehe hervor, dass Maßnahmen, die im Rahmen der medizinischen Rehabilitation angeordnet werden, den geforderten örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang zur versicherten Beschäftigung nach § 335 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG grundsätzlich herstellten. Im zitierten Fall sei ein Arbeitsunfall nur mangels des „Plötzlichkeitserfordernisses“ verneint worden. Im gegenständlichen Fall habe der Kläger seine Verbrennung durch das wenige Sekunden dauernde Einwirken eines zu heißen Bades erlitten. Die für das Vorliegen eines Unfalls geforderte plötzliche schädigende Einwirkung auf den Körper des Kläger von außen sei daher zu bejahen. Nicht vom Unfallversicherungsschutz – und somit auch nicht vom Dienstgeberhaftungsprivileg – umfasst wäre das Risiko ärztlicher Fehlberatung oder mangelhafter ärztlicher Aufklärung. In der Aussage der behandelnden Therapeutin, der Kläger könne schon ins Wannenbad steigen, sei kein Ausdruck medizinischer Expertise zu sehen. Es liege bloß eine faktische Anordnung vor. Die Verletzung des Klägers sei daher nicht auf ärztliche Fehlberatung, sondern auf einen Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1, § 333 Abs 1 ASVG zurückzuführen.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob (und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen) der Sozialversicherungsträger für einen Körperschaden des Versicherten hafte, der diesem anlässlich der Durchführung einer therapeutisch angeordneten Behandlung verursacht worden sei.

Der Kläger beantragt in seiner Revision, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es klarstellender Äußerungen zur Haftung einer Trägereinrichtung für Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge bedarf. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zur Haftung der Erstbeklagten bringt der Revisionswerber – der die Zulassungsfrage nichtthematisiert – vor, der festgestellte Vertrag zwischen den Beklagten entfalte Schutzwirkungen zu seinen Gunsten.

Allerdings könnten solche Schutzwirkungen keine Haftung der Erstbeklagten, sondern nur der Zweitbeklagten als derjenigen begründen, die (unmittelbar) sorgfältig (Wannenbad ohne Verbrennungen) leisten musste (vgl RIS‑Justiz RS0017195; zur Produzentenhaftung vor dem PHG RS0022730). Auch in der vom Revisionswerber zitierten Entscheidung 7 Ob 175/06w ging es um die Haftung des Betreibers der erstbeklagten Behinderteneinrichtung gegenüber dem geschädigten Kläger aus Schutzwirkungen zu dessen Gunsten aus dem Vertrag der dort Erstbeklagten mit dem den finanziellen Aufwand der Behindertenbetreuung tragenden Land Niederösterreich; es ging gerade nicht um die Haftung des Landes.

2. Zutrefffend hat das Berufungsgericht eine Analogie zu sondergesetzlichen Gefährdungshaftungs-tatbeständen verneint.

2.1 Ansatzpunkt für eine Analogie zur sondergesetzlichen Gefährdungshaftung ist nach ständiger Rechtsprechung eine von der Rechtsordnung nicht verbotene besondere Gefährdung, die im Sinn eines beweglichen Systems durch ein Zusammenspiel mehrerer abstufbarer Elemente zu prüfen ist. Bei der Beurteilung kommt es sowohl auf einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts als auch auf die außergewöhnliche Höhe des möglicherweise eintretenden Schadens an. Die Gefährlichkeit eines Betriebs ist restriktiv auszulegen (RIS‑Justiz RS0072345). Ein Betrieb ist nur dann gefährlich, wenn die mit ihm verbundene Gefahr regelmäßig und ganz allgemein vorhanden ist, nicht aber schon dann, wenn der Betrieb erst aufgrund besonderer Umstände gefährlich wird (RIS‑Justiz RS0128270; RS0072341; 7 Ob 203/15a).

2.2 Die einzige Gefährlichkeit des Wannenbades liegt in der zeitweise relativ hohen Temperatur des Wannenbodens (über 80 °C). Dies allein rechtfertigt aber keine analoge Anwendung von Gefährdungshaftungsnormen. Es fehlt bereits an einem hohen Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. So wurde etwa ausgesprochen, eine Bäckerei (in der auch hohe Temperaturen vorkommen) sei kein gefährlicher Betrieb (RIS‑Justiz RS0029301).

2.3 Auch aus den vom Revisionswerber angeführten zwei oberstgerichtlichen Entscheidungen ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen:

Ein zeitweise heißer Wannenboden lässt sich weder mit dem Betriebsgegenstand des Abbrennens von Feuerwerken (5 Ob 50/73 SZ 46/36) noch mit Betrieben vergleichen, bei denen „gewaltige Elementarkräfte entfesselt werden, schwere Massen mit ungeheuren Geschwindigkeiten dahingleiten, Zündstoffe erzeugt oder verwendet werden, der feste Boden untergraben oder Luftraum unsicher gemacht werden“(2 Ob 66/66 SZ 39/69 – Schischlepplift; im Anlassfall Gefährdungshaftung verneint).

3. Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht einen Arbeitsunfall bejaht.

3.1 Die Erstbeklagte gewährte dem Kläger eine Maßnahme iSd § 307d Abs 1 ASVG durch Bewilligung seiner Unterbringung in der von der Zweitbeklagten betriebenen Kuranstalt. Unstrittig ist, dass der Kläger durch diese Unterbringung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG in der Unfallversicherung teilversichert war.

3.2 Die Einbeziehung des Unfallversicherungsschutzes für Personen, die in einer Einrichtung untergebracht sind, die der medizinischen Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge dient, erfolgte durch die 33. ASVG‑Novelle (BGBl 1978/684). Sie hatte den Hintergrund, dass nach der früher in Geltung stehenden Regelung Patienten, die in vorwiegend der Rehabilitation dienenden Krankenanstalten untergebracht waren, zwar im Rahmen der mit einer solchen Unterbringung verbundenen arbeitstherapeutischen Maßnahmen als Teilnehmer an Umschulungs‑ bzw Nachschulungs‑ oder sonstigen beruflichen Ausbildungslehrgängen eines Sozial-versicherungsträgers unter Unfallversicherungsschutz standen, dass jedoch im Hinblick auf die Fortentwicklung und die damit verbundene Differenzierung der Rehabilitationsmethoden eine Abgrenzung zu jenen Patienten, die im Rahmen des Therapiebetriebs Tätigkeiten verrichten, die nicht ohne weiteres als berufliche Schulungsmaßnahmen verstanden werden können, schwierig geworden war. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass auch bei solchen anderen Formen der Therapie (zB Bewegungstherapie) ein Versicherungsbedürfnis besteht (ErlRV 1084 BlgNR 14. GP  30; vgl dazu auch Müller, DRdA 2008/24 [EAnm]).

3.3 Gemäß § 335 Abs 3 ASVG steht bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG in der Unfallversicherung Teilversicherten für die Anwendung der Abs 1 und 2 sowie der §§ 333 und 334 der Träger der Einrichtung, in der die Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge erfolgt, dem Dienstgeber gleich. Daraus folgt, dass sich die Zweitbeklagte, die gemäß § 74 Abs 3 Z 2 ASVG idF 33. ASVG‑Novelle auch beitragspflichtig ist, als Trägerin der Rehabilitationseinrichtung bei Vorliegen eines „Arbeitsunfalls“ auf das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG berufen könnte, weil der Schaden des Klägers hier nicht vorsätzlich verursacht wurde (2 Ob 218/06g = RIS‑Justiz RS0121738).

3.4 Verfahrensentscheidend ist somit, ob die Verbrennungen, die der Kläger durch das Kohlensäurewannenbad erlitt, als Folge eines Arbeitsunfalls zu qualifizieren sind.

a) Für den Bereich der Unfallversicherung ist ein Unfall ein zeitlich begrenztes Ereignis – eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung –, das zu einer Körperschädigung geführt hat (RIS‑Justiz RS0084348). Von einem Unfall wird nur gesprochen, wenn die Gesundheitsschädigung durch ein plötzliches, dh ein zeitlich begrenztes Ereignis bewirkt wurde. Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ist dem Unfallbegriff gerade keine „schicksalhafte Entwicklung eines Leidens“ inhärent (vgl RIS‑Justiz RS0110320). Im vorliegenden Fall dauerte der durch den heißen Wannenboden, also „von außen“ verursachte Verbrennungsvorgang an der rechten Großzehe, nur wenige Sekunden und war daher ein plötzliches Ereignis. Schon darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem zu 2 Ob 218/06g = DRdA 2008/25, 316 (R. Müller) entschiedenen Fall eines Herzinfarkts, der nicht das Ergebnis einer plötzlichen Überanstrengung, sondern einer längeren Entwicklung und Fehlbehandlung war. Auch der vom Revisionswerber zitierte Rechtssatz RIS‑Justiz RS0114053 (T4) spricht nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts: Dass im dortigen Fall (1 Ob 247/06i) der Sturz auf dem Duschvorleger ein Unfall war, war nicht strittig. Es wurde jedoch ein Arbeitsunfall verneint, weil der Sturz im Zimmer des Rehabilitanten mit den ärztlich angeordneten therapeutischen Behandlungen in keinem inneren Zusammenhang stand.

b) Weitere Voraussetzung für die Anwendung des Dienstgeberhaftungsprivilegs ist, dass der Unfall ein Arbeitsunfall war, für den Unfallversicherungsschutz nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG bestand. Gemäß § 175 ASVG sind Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. In sinngemäßer Anwendung dieser Definition auf Unfälle in Rehabilitationszentren erstreckt sich der Unfallversicherungs-schutz nur auf Ausübungshandlungen des Versicherten, die mit der geschützten Tätigkeit im zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang stehen. Das Versicherungsbedürfnis wird durch die Maßnahmen medizinischer Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge begründet, denen der Versicherte in der Anstalt unterzogen wird (10 ObS 238/00y = RIS‑Justiz RS0114053; im Anlassfall verneint für einen bei einem Spaziergang außerhalb der therapeutisch angeordneten Behandlungen erlittenen Sturz; ebenso in 1 Ob 247/06i für einen Sturz auf einem Duschvorleger). Im vorliegenden Fall war das verordnete Wannenbad unmittelbar Rehabilitationsmaßnahme. Das Steigen in die Wanne war daher eine Ausübungshandlung des versicherten Klägers, die mit der geschützten Tätigkeit im zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang stand.

c) Die in der Entscheidung 2 Ob 218/06g vertretene Rechtsansicht, das Risiko ärztlicher (Fehl‑)Behandlung sei nicht vom gesetzlichen Versicherungsschutz umfasst, handle es sich doch bei diesem Risiko um ein solches, dem grundsätzlich jeder Patient typischerweise bei einem stationären Aufenthalt zufolge möglichen Behandlungsfehlers ausgesetzt sei, kann nicht– wie vom Kläger erkennbar gewünscht – dahin verallgemeinert werden, dass bei einer therapeutischen Fehlbehandlung in Einrichtungen iSd § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG niemals Unfallversicherungsschutz besteht: Die therapeutische Behandlung ist das zentrale Element der Rehabilitation. Wollte man Behandlungsfehler generell vom Unfallversicherungsschutz ausnehmen (so erkennbar Mosler in SV‑Komm [115. Lfg] § 8 ASVG Rz 40 unter Berufung auf 2 Ob 218/06g), bestünde in vielen Fällen eines vom Gesetzgeber explizit der Unfallversicherung unterstellten Ereignisses im Rahmen einer Maßnahme der Rehabilitation kein Versicherungsschutz.

Das Ziel des Gesetzgebers, dem Rehabilitanten des Therapiebetriebs Unfallversicherungsschutz zu gewähren, erfordert eine sinngemäße Anwendung der für den echten Arbeitsunfall geltenden Grundsätze. Die Insanspruchnahme einer Therapiemaßnahme in einer Einrichtung iSd § 8 Abs 1 lit c ASVG ist der Arbeitstätigkeit im Betrieb des Arbeitgebers gleichzusetzen, die Einrichtung ist also „Arbeitgeber“. Konsequenterweise ist daher auch die Anordnung der Therapeutin, der Kläger könne in die Wanne steigen, einer sachlichen Anweisung des Arbeitgebers (Vorgesetzten) gleichzuhalten, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsvertrag steht (vgl dazu Müller in SV‑Komm [115. Lfg] § 175 ASVG Rz 16 mwN). Unter diesem Gesichtspunkt ist aber auch die Aussage zutreffend, es bestehe für ein Risiko, dem jeder Patient bei einer Fehlbehandlung anlässlich eines stationären Aufenthalts ausgesetzt sei, kein Unfallversicherungsschutz: Um einen „Arbeitsunfall“ in einem Rehabilitationszentrum annehmen zu können, muss sich nämlich ohnedies ein Risiko verwirklichen, dem gerade nicht jeder Patient bei einem stationären Aufenthalt in einer Krankenanstalt ausgesetzt ist, nämlich das ganz spezifische Risiko des Rehabilitanten während des Therapiebetriebs in einer Einrichtung iSd § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG.

d) Nach Auffassung des Senats ist daher wie folgt zu differenzieren: Unfallversicherungsschutz besteht für Ausübungshandlungen, die in einem Zusammenhang mit medizinischer Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge stehen. Korrespondierend dazu sind gemäß § 335 Abs 3 ASVG die Träger der Einrichtung, in der die Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge erfolgt, dem Dienstgeber gleichgestellt. Im Schutzbereich liegen daher nur Maßnahmen, die entweder der Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge dienen. Eine Krankenbehandlung ist hingegen schon nach dem Wortlaut des § 335 Abs 3 ASVG („Rehabilitation oder Gesundheits-vorsorge“) und dem Zweck des durch § 8 Abs 3 lit c ASVG gewährten Unfallversicherungsschutzes (vgl 3.2) nicht erfasst. Hier fehlt es in Wahrheit an dem für „Arbeitsunfälle“ in Rehabilitationseinrichtungen geforderten ursächlichen Zusammenhang mit der Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge.

e) Wird daher in einer Einrichtung, die an sich (auch) der Rehabilitation oder der Gesundheitsvorsorge dient, eine Krankenbehandlung vorgenommen und verwirklicht sich dabei ein Risiko, dem grundsätzlich jeder Patient typischerweise bei einem stationären Aufenthalt zufolge möglichen Behandlungsfehlers ausgesetzt ist, besteht für dieses Risiko mangels Zusammenhangs mit der Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge kein Unfallversicherungsschutz.

Diese Konstellation lag der Entscheidung 2 Ob 218/06g (DRdA 2008/24 [zust R. Müller]; anders wohl die die Revision zurückweisende Entscheidung 2 Ob 213/06x) zugrunde: Der Kläger dieses Verfahrens wurde nach einem akuten Vorderwandinfarkt in einer Einrichtung untergebracht, die sowohl Krankenanstalt für Herz‑ und Kreislauferkrankungen als auch Zentrum für kardiologische Rehabilitation war. Ursache des nach der Entlassung aus dieser Einrichtung erlittenen weiteren Vorderwandinfarkts des Klägers war die Unterlassung einer umfassenden medizinischen Behandlung, insbesondere die Unterlassung der Implantation eines medizinisch indizierten Stents. Die der beklagten Einrichtung vorgeworfene ärztliche Fehlbehandlung stand daher in keinem ursächlichen Zusammenhang mit ihrer Funktion als kardiologisches Rehabilitationszentrum, sondern betraf eine ärztliche Fehlleistung der Einrichtung in ihrer Funktion als kardiologische Krankenanstalt.

f) Steht hingegen der therapeutische Fehler, der den „Arbeitsunfall“ verursachte, in ursächlichem Zusammenhang mit einer Maßnahme zur Rehabilitation oder Gesundheitsvorsorge in einer Einrichtung iSd § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG, kann sich der Träger der Einrichtung gemäß § 335 Abs 3 ASVG auf das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG berufen.

Im Einzelfall kann nun die Abgrenzung der Krankenbehandlung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation durchaus schwierig sein (vgl Felten/Mosler, Grenzen der Krankenbehandlung, DRdA 2015, 476 [487 f]; Ivansits, Zur Abgrenzung der Krankenbehandlungen von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, JAS 2017, 270).

Im hier zu beurteilenden Fall bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das verordnete Kohlensäurewannenbad Teil einer Krankenbehandlung des Klägers war. Vielmehr handelt es sich um eine typische Rehabilitationsmaßnahme im Zusammenhang mit der laut Rahmenvertrag zwischen der Erst- und Zweitbeklagten vereinbarten Zuweisungsindikation „Kurverfahren für den Stütz- und Bewegungsapparat“.

4. Die Revision muss daher insgesamt erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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