OGH 2Ob218/06g

OGH2Ob218/06g7.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Grohmann sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mario B*****, vertreten durch Dr. Erich Peter Piok, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streit- und Revisionsinteresse EUR 20.000,--), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2006, GZ 2 R 92/06a, 2 R 93/06y-88, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. März 2006, GZ 50 Cg 6/05w-84, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreter binnen 14 Tagen die mit EUR 1.063,80 (hierin enthalten EUR 177,30 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der 1967 geborene Kläger erlitt am 28. 7. 2000 einen akuten Vorderwandinfarkt (akutes Koronarsyndrom), der zunächst in einem Landeskrankenhaus mit einer Lysetherapie/Thrombolyse (die zur Auflösung des den Infarkt verursachenden Blutgerinnsels und Schmerzfreiheit führte) behandelt wurde. In der Folge wurde er in das Rehablilitationszentrum St. R*****, das von der beklagten Partei betrieben wird und eine Krankenanstalt speziell für Herz- und Kreislauferkrankungen sowie kardiologische Rehabilitation ist, mit der Bitte um Durchführung einer Herzkatheter-Untersuchung (Koronarangiographie, invasives Vorgehen) transferiert. Nur beschwerdefreie (asymptomatische) Patienten ohne Hinweis auf eine Mangeldurchblutung des Herzens (Myokardischämie) sind lege artis mit Medikamenten, also konservativ, und nicht mit einer perkutanen Ballondilation und einer Stentimplantation, also chirurgisch, zu behandeln. Beim Kläger, der die Ärzte von St. R***** auch auf Brustschmerzen hinwies, welche allerdings von den behandelnden Ärzten letztlich als Wirbelsäulenbeschwerden gedeutet wurden, lagen jedoch nach dem ersten Infarkt eine Brustschmerzsymptomatik und eine Myokardischämie vor und es wäre daher nicht nur eine umfassende medizinische Therapie, sondern auch eine möglichst komplette Wiederherstellung der Durchblutung (Revaskularisierung) durchzuführen gewesen, wobei die Ballondilation mit Implantation eines Stents die Therapie der ersten Wahl gewesen wäre, welche jedoch dem Kläger nicht zuteil wurde.

Bereits zwei Tage nach seiner Entlassung am 5. 9. 2000 aus dem Rehabilitationszentrum der beklagten Partei erlitt er am 7. 9. 2000 einen weiteren Vorderwandinfarkt im selben Bereich wie beim ersten Vorfall. Beim Kläger trat hiedurch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % auf; ohne den Reinfarkt würde diese nur um die 5 bis 10 % betragen. Über Antrag des Klägers samt nachfolgender Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bezieht er laut Vergleich derzeit vom 1. 6. 2005 bis 31. 5. 2007 eine befristete Berufsunfähigkeitspension.

Mit der am 5. 11. 2002 eingebrachten Klage stellte er das Feststellungsbegehren, es werde der beklagten Partei gegenüber festgestellt, „dass sie der klagenden Partei für alle künftigen kausalen Schäden aus der Unterlassung von medizinisch indiziert gewesenen Heilbehandlungen der klagenden Partei im Zuge ihres Aufenthaltes in der von der Beklagten geführten Sonderkrankenanstalt St. R***** vom 8. 8. 2000 bis 5. 9. 2000, insbesondere auch der nicht erfolgten Implantation eines Stent, wodurch die klagende Partei am 7. 9. 2000 wiederum einen Vorderwandinfarkt erlitten hat, haftet". Die unterlassene Behandlung insbesondere durch Einsetzung eines Stents stelle einen vorwerfbaren ärztlichen Kunstfehler dar. Da er seinen früheren Beruf als Außendienstmitarbeiter der Außenstelle einer Versicherung kaum mehr ausüben werde können und auf Grund der nach wie vor durchzuführenden Behandlungen immer wieder Schmerzgeschehen zu erwarten seien, habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche hieraus erwachsenden künftigen kausalen Schäden.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren. Ihre Ärzte hätten lege artis gearbeitet, ein Kunstfehler liege nicht vor. Beim zweiten Vorderwandinfarkt des Klägers handle es sich um ein schicksalhaftes Ereignis. Schließlich genössen Versicherte, die in Sonderkrankenanstalten untergebracht seien, einen Teilversicherungsschutz in der Unfallversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG; dementsprechend sei der Kläger zur medizinischen Rehabilitation in deren Zentrum untergebracht gewesen und liege gegebenenfalls ein Arbeitsunfall vor. Deshalb könnten die Beklagte bzw deren Erfüllungsgehilfen gemäß §§ 175 Abs 4, 335 Abs 3 iVm § 333 Abs 1 ASVG das Dienstgeberhaftungsprivileg in Anspruch nehmen. Ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten bzw ihrer Ärzte liege jedenfalls nicht vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der sprachlichen Abweichung Folge, dass der beklagten Partei gegenüber festgestellt wurde, „dass die beklagte Partei der klagenden Partei für alle künftigen kausalen Schäden aus der Unterlassung von medizinisch indiziert gewesenen Heilbehandlungen (insbesondere der nicht erfolgten Implantation eines Stent) an der klagenden Partei im Zuge des Aufenthaltes in der von der beklagten Partei geführten Sonderkrankenanstalt St. R***** vom 8. 8. 2000 bis 5. 9. 2000, wodurch die klagende Partei am 7. 9. 2000 wiederum einen Vorderwandinfarkt erlitt, haftet".

Hinsichtlich seiner umfangreichen Feststellungen ist gemäß § 510 Abs 3 Satz 1 ZPO auf die Seiten 12 bis 79 des Ersturteils verwiesen, welche zusammengefasst eingangs vorangestellt wurden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht (ebenfalls zusammengefasst) aus, dass durch die Aufnahme des Klägers in die von der beklagten Partei betriebene Sonderkrankenanstalt ein Behandlungsvertrag zwischen den Parteien zustandegekommen sei, wobei die beklagte Partei für das Verschulden der in ihrer Krankenanstalt tätigen Personen nach § 1313a ABGB hafte, und dem Kläger der Beweis für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers (nämlich Unterlassen einer interventionellen Therapie insbesondere durch Setzen eines Stents) gelungen sei. Damit scheide ein Arbeitsunfall (oder eine Berufskrankheit) aus, sodass auf das sog Dienstgeberhaftungsprivileg, welches eine Haftung für fahrlässiges Handeln ausschließe, von vornherein nicht näher einzugehen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine

Folge, wobei es im Spruch der bestätigten Entscheidung statt „... von

medizinisch indiziert gewesenen Heilbehandlungen (insbesondere der

nicht erfolgten Implantation eines Stents) ..." auf „... der

medizinisch indiziert gewesenen Heilbehandlung (nämlich der nicht erfolgten Implantation eines Stents) ..." umformulierte. Das Berufungsgericht, welches die Feststellungen des Erstgerichtes übernahm, verneinte ebenso wie das Erstgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Bejahung des in § 333 ASVG normierten Dienstgeberhaftungsprivilegs, da dieses nur auf Verletzungen durch einen Arbeitsunfall (oder eine Berufskrankheit) anzuwenden sei, wofür „das Zitat einer OGH-Entscheidung insofern nicht nötig erscheint". Für den Bereich der Unfallversicherung sei ein Unfall (eine Berufskrankheit komme hier ohnedies nicht in Betracht) aber ein zeitlich begrenztes Ereignis, eine Einwirkung von außen, ein abweichendes Verhalten, eine außergewöhnliche Belastung, das zu einer Körperschädigung führe. Ein Herzinfarkt infolge Dauerstress gelte hingegen nicht als Unfall, wohl aber ein solcher im Zusammenhang mit außergewöhnlicher Belastung. Von einem Unfall werde nur gesprochen, wenn die Gesundheitsschädigung durch ein plötzliches, dh zeitlich begrenztes Ereignis bewirkt worden sei, wobei „plötzlich" nicht Einmaligkeit heißen müsse. Auch kurz aufeinanderfolgende Einwirkungen, die nur in ihrer Gesamtheit einen Körperschaden bewirkten, seien noch als plötzlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb einer Arbeitsschicht oder eines sich auf mehrere Tage erstreckenden Dienstauftrages ereignet hätten. Davon könne hier keine Rede sein. Der Kläger sei mehrere Wochen in stationärer Behandlung des Zentrums gewesen, wo die Einsetzung eines Stents unterlassen worden sei und habe erst zwei Tage nach seiner Entlassung den Reinfarkt erlitten, also zu einem Zeitpunkt, zu dem er schon „länger" gar nicht mehr in der Einrichtung der medizinischen Rehabilitation untergebracht gewesen sei. Richtig sei zwar, dass es - bei Personen, die in einer Einrichtung untergebracht sind, die der medizinischen Rehabilitation dient (§ 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG) - nicht um einen Arbeitsunfall im eigentlichen Sinn gehe (da eine „Arbeit" im eigentlichen Sinn dort nicht verrichtet werde); natürlich müsse es sich aber um einen Unfall im obigen Sinne handeln, der - stünde die Person in Arbeit - als Arbeitsunfall zu qualifizieren wäre, was sich aus den §§ 172 ff ASVG (Versicherungsfälle seien Arbeitsunfälle und gleichgestellte Unfälle sowie Berufskrankheiten), aber auch aus § 335 ASVG selbst (auch hier sei von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten die Rede) klar ergebe.

Entgegen den Ausführungen der beklagten Partei mache es daher sehr wohl einen Unterschied aus, ob der Kläger durch ein „Ausrutschen auf dem Duschvorleger" (plötzliches Ereignis) geschädigt worden sei oder durch eine unterlassene Behandlungsmaßnahme, die sich erst „wesentlich später" schädigend ausgewirkt habe. Auf die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Durchschnittsarztes komme es hier nicht an, handle es sich beim Zentrum doch um eine Krankenanstalt speziell für Herz- und Kreislauferkrankungen und kardiologische Rehabilitation, sodass hier vom Erstgericht zu Recht spitzenmedizinische Fachkenntnisse als Gradmesser angewendet worden seien.

Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteigt, die ordentliche Revision jedoch nicht zulässig sei, weil sich erhebliche Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender, grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht gestellt hätten.

In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten und primär auf Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klageabweisung gerichteten (hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt) außerordentlichen Revision vertritt die beklagte Partei weiterhin (vorrangig) den Standpunkt, dass ihr - angesichts des Umstandes, dass der Kläger Versicherungsnehmer der beklagten Partei als Pensionsversicherer gewesen sei - im Rahmen der Behandlung und Untersuchung des Klägers in ihrem Rehabilitationszentrum, das einzig und allein der Behandlung von Versicherungsnehmern und nicht der Forschung bzw Lehre und Wissenschaft diene, sehr wohl das Dienstgeberhaftungsprivileg zugute komme, zumal beide Vorinstanzen hinsichtlich des eingetretenen Schadens des Klägers auch von einer bloßen Fahrlässigkeit ihrer Mitarbeiter ausgegangen seien. Ein etwaiger Diagnose- oder Behandlungsfehler sei daher im Lichte des § 333 ASVG abzuhandeln. Für ihre Ärzte sei hiebei auch nicht (entgegen dem Berufungsgericht) das Wissen und Verhalten von Spitzenmedizinern, sohin auch das Wissen des vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen, sondern jenes eines „ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation" zu erwarten gewesen, zumal die Wissenschaft hinsichtlich der Kardiologie auch nicht einheitlich sei. In ex ante (und nicht erst im Nachhinein) vorgenommener Betrachtung liege kein vorwerfbarer Diagnosefehler vor. Eine medizinisch vertretbare, jedoch nachträglich falsifizierte Diagnose zähle zu den Risken des Arztberufes und könne nicht als Sorgfaltswidrigkeit beurteilt werden. Der schlussendlich eingetretene Reinfarkt sei damit als schicksalhaft zu bezeichnen. Schließlich fehle es hier an Spät- und Dauerfolgen, sodass dem Kläger auch das zur Durchsetzung seines Klagebegehrens erforderliche Feststellungsinteresse mangle. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde (insgesamt) auf die „umfassenden Ausführungen im Rahmen der Berufung verwiesen".

Die klagende Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob auch Behandlungsschäden im Rahmen eines ärztlichen Diagnosefehlers im Zuge einer stationären Rehabilitationstherapie in einer Trägereinrichtung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c letzter Fall ASVG dem gesetzlichen Dienstgeberhaftungsprivileg unterstellt werden können, oberstgerichtliche Rechtsprechung fehlt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist zutreffend (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Darüber hinaus ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes zu erwidern:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Verweisung auf den Inhalt eines anderen Rechtsmittel-Schriftsatzes gegen § 506 Abs 1 Z 2 ZPO verstößt und unbeachtlich ist (RIS-Justiz RS0043616; RS0043579). Der Oberste Gerichtshof hatte sich bisher bereits zweimal mit Schadenersatzprozessen im Zusammenhang mit ärztlichen Fehlbehandlungen (Fehldiagnosen) in Rehabilitationsanstalten zu befassen (10 Ob 2348/96h und 6 Ob 248/98h). Während es sich im erstgenannten Fall um eine privat geführte Einrichtung handelte, war Rechtsträger im zweitgenannten Verfahren wie hier ein gesetzlicher Sozialversicherungsträger. Allerdings musste der Oberste Gerichtshof zum hier verfahrensgegenständlichen Haftungsprivileg des § 333 ASVG gegenüber dem auch dort mit Feststellungsklage den Rechtsträger haftbar machenden Kläger nicht Stellung beziehen, weil - anders als hier - seitens der dort beklagten Partei keine entsprechende Einwendung erhoben worden war und hierauf nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0085007; SZ 71/120; Danzl zu ZVR 2005/109 [Anm]). Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger während der im Rehabilitationszentrum stationär durchgeführten Heilbehandlung in der Unfallversicherung teilversichert im Sinne des durch die 33. ASVG-Novelle BGBl 1978/684 eingeführten § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG war

(Teschner/Widlar, ASVG Anm 19 zu § 8; VwGH 87/08/0010 = SVSlg 32.433

= ARD 3920/11/87, wonach diese Versicherungspflicht gegen in der Unfallversicherung begründete Risken auch dann besteht, wenn die in der Anstalt vorhandenen Einrichtungen keine umfassende Rehabilitation, sondern bloß bestimmte Rehabilitationsmaßnahmen ermöglichen; ebenso VwGH 88/08/0015 = SVSlg 34.344 bei Akutbehandlungen). Strittig - im Sinne des revisionsgegenständlich vorrangig zu prüfenden § 333 ASVG - ist (nur) die Abgrenzung des Schutzbereiches dieser versicherten Tätigkeit von den der beklagten Partei (bzw deren Ärzten) unterlaufenen Diagnose- und Behandlungsfehlern. Hiezu hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 10 ObS 238/00y (SSV-NF 14/110) ausgesprochen, dass sich im Rahmen der Unterbringung in einer solchen medizinischen Rehabilitationsanstalt der Unfallversicherungsschutz „nur auf Ausübungshandlungen des Versicherten, die mit der geschützten Tätigkeit [medizinischen Rehabilitation] im zeitlichen, örtlichen und ursächlichen Zusammenhang stehen" (§ 175 Abs 1 ASVG), erstreckt, sodass in casu ein bloß allgemein als der Gesundheit dienende Maßnahme empfohlener Spaziergang in der therapeutischen Freizeit nach dem Mittagessen (sohin außerhalb einer etwa ärztlich verpflichtend angeordneten therapeutischen Behandlung) als nicht im Gefahrenbereich der betrieblichen Tätigkeit liegend und daher auch ein dabei unterlaufener Sturz samt Verletzung nicht als Arbeitsunfall qualifiziert wurde.

Da gemäß § 35 Abs 2 zweiter Fall ASVG bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG Teilversicherten der Träger der Einrichtung, in der die Unterbringung erfolgte, als Dienstgeber gilt (VwGH 86/08/0251, 0253 = ZfVB 1989/2/509; 85/08/0100 = ZfVB 1986/5/2173 = SVSlg 30.976; Holzer, Dienstgeberhaftungsprivileg [§ 333 ASVG] und Arbeitsunfällen gleichgestellte Unfälle [§ 176 ASVG], JBl 1982, 348 [350]), käme diesem konsequenter Weise auch das auf Dienstgeber abgestimmte und gegenüber Versicherten, denen Ansprüche auf Leistungen nach dem ASVG zustehen, zur Anwendung kommende (RIS-Justiz RS0084144) Haftungsprivileg des § 333 ASVG - kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 335 Abs 3 ASVG - grundsätzlich zugute (vgl RIS-Justiz RS0028584; RS0085236; Karner, Der Ersatz ideeller Schäden bei Körperverletzung [1999], 36; Krejci/Böhler in Tomandl, Sozialversicherungssystem, 478).

Arbeitsunfälle sind allerdings nach § 175 Abs 1 ASVG (nur) solche, „die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen". Der Gesetzgeber definiert den Unfallbegriff nicht, sondern setzt ihn als bekannt voraus (10 ObS 224/98h = SSV-NF 12/89 = SZ 71/107). Man versteht darunter nach stRsp ein zeitlich begrenztes Ereignis, das von außen her schädigend auf den Körper eines Dienstnehmers einwirkt und damit zu einer Körperschädigung geführt hat (SZ 71/107; 10 ObS 71/04w = DRdA 2005, 412 [Müller]; RIS-Justiz RS0084348) und sich gegenüber anderen Gründen einer Gesundheitsstörung, zB schicksalhafte Entwicklung eines Leidens, begrifflich abgrenzen muss (SZ 71/107; 10 ObS 10/03y = SSV-NF 17/15). Dass auch ein Herzinfarkt grundsätzlich als Unfall angesehen werden kann, wenn er anlässlich eines zeitlich begrenzten Ereignisses eintritt, hat der Oberste Gerichtshof bereits

mehrfach ausgesprochen (10 ObS 123/88 = SSV-NF 2/112 = ZAS 1990/8

[Tomandl]; 10 ObS 150/94 = SSV-NF 9/17; 10 ObS 46/97f = SSV-NF 11/41;

RIS-Justiz RS0084348), sofern dieser nicht infolge Dauerstress, wohl aber etwa im Zusammenhang mit außergewöhnlicher Belastung eingetreten war (SSV-NF 9/17 mwN). Ist der Infarkt aber - wie beispielsweise hier - nicht das Ergebnis einer plötzlichen Überanstrengung (etwa im Rahmen einer therapeutisch angeordneten Maßnahme, eines nicht außerhalb des geschützten Behandlungsbereiches in der Anstalt liegenden Sturzgeschehens oä), sondern einer längeren, wenngleich nicht vom Verletzten selbst ausgehenden, sondern im Ursachenzusammenhang dem Einrichtungsträger zuzurechnenden Entwicklung und Fehlbehandlung, so kann schon mangels des Plötzlichkeitserfordernisses nicht von einem zu Gunsten der beklagten Partei das Haftungsprivileg auslösenden Unfall ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall verwirklichte sich zwar beim Kläger eine besondere „betriebliche Gefahr" dadurch, dass ihm durch das Personal der beklagten Partei in Ausübung der vom Rechtsträger des Rehabilitationszentrums geschuldeten medizinischen Rehabilitation ein Schaden zugefügt wurde. Der gesetzlich geforderte zeitliche, örtliche und ursächliche Zusammenhang lag damit grundsätzlich vor. Es verwirklichte sich hiebei auch ein Risiko, das von der Rehabilitationseinrichtung als solcher ausging, ereignete sich doch der Schadensfall gerade im Zusammenhang mit den Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, welcher der Kläger als Versicherter in der Anstalt, in der er stationär untergebracht war, unterzogen wurde, und welche in die von der ärztlichen Autorität der Einrichtung festgelegte Tätigkeitsabfolge eingebettet war (vgl SVSlg 40.293 [Landesgericht Leoben]; 45.512 [Landesgericht Salzburg]). Nach geltendem österreichischem Sozialversicherungsrecht ist ein derartiges Risiko ärztlicher (Fehl-)Behandlung allerdings dennoch nicht vom gesetzlichen Versicherungsschutz mitumfasst, handelt es sich doch bei diesem Risiko um ein solches, dem grundsätzlich jeder Patient typischerweise bei einem stationären Aufenthalt zufolge möglichen Behandlungsfehlers ausgesetzt ist, das aber eben nicht die strengen, zuvor wiedergegebenen Legaldefinitionskriterien des § 175 Abs 1 ASVG zu erfüllen vermag.

Das dem Kläger als Rehabilitant gegenüber gesetzte haftungsbegründende Verhalten der beklagten Partei ist daher nicht als Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs 1 ASVG zu qualifizieren. Da - entgegen der Argumentation in der Revision nach den für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Feststellungen - auch weder von einer „medizinisch vertretbaren, jedoch nachträglich falsifizierten Diagnose" noch von einem bloß als „schicksalhaft" zu bezeichneten Reinfarkt des Klägers ausgegangen werden kann - soweit Gegenteiliges unterstellt wird, wird die Rechtsrüge des Rechtsmittels nicht gesetzmäßig ausgeführt -, und für ein haftungsbegründendes ärztliches Fehlverhalten im Rahmen eines Behandlungsvertrages grundsätzlich bereits leichte Fahrlässigkeit ausreichend ist, wobei auf die erwartbare Sorgfalt eines ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarztes abgestellt wird (RIS-Justiz RS0038202; RS0051688; zuletzt 2 Ob 199/06p), kann auch daraus eine Klageabweisung nicht mit Erfolg abgeleitet werden. Schließlich mangelt es auch nicht am in jeder Lage des Verfahrens (also auch im Rechsmittelverfahren) von Amts wegen zu prüfenden (RIS-Justiz RS0039123), hier jedoch auch von der beklagten Partei bestrittenen Feststellungsinteresse des Klägers nach § 228 ZPO, weil hiefür die bloße Möglichkeit künftiger Folgeschäden ausreichend ist (RIS-Justiz RS0038976), wovon bei der beim Kläger festgestellten und ausschließlich auf den bei richtiger Behandlung vermeidbaren Reinfarkt zurückzuführenden 30 %igen Erwerbsminderung nicht gezweifelt werden kann.

Damit erübrigt es sich schließlich auch - worauf nur der Vollständigkeit halber abschließend hingewiesen werden soll -, auf den vom Kläger in seiner Revisionsbeantwortung relevierten Hinweis, dass er als Angestellter zum Zeitpunkt der durchgeführten Behandlungen nicht „Versicherungsnehmer" der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter gewesen sei, welche damals das gegenständliche Rehabilitationszentrum betrieben habe, näher einzugehen; dem Umstand, dass mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2003 die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zur neu errichteten „Pensionsversicherungsanstalt" zusammengeführt wurden (§ 538a ASVG idF der 59. ASVG-Novelle BGBl I 2002/1), hat das Berufungsgericht durch entsprechende Umbezeichnung (ON 84) bereits Rechnung getragen, sodass sich auch eine entsprechende amtswegige Richtigstellung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 235 Abs 5 ZPO erübrigte (vgl hiezu etwa 10 ObS 402/02v = SSV-NF 17/9 uva).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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