OGH 2Ob213/06x

OGH2Ob213/06x12.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf Manfred K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Erich Moser Gesellschaft mbH in Murau, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Kurt Konopatsch, Dr. Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wegen EUR 31.659,32 sA und Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 19. Juli 2006, GZ 2 R 103/06v-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23. Mai 2006, GZ 33 Cg 191/05s-9, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der 1940 geborene Kläger ist seit 1996 Pensionist. Er ging wegen Wirbelsäulenproblemen in Frühpension und hatte einige Bandscheibenvorfälle. 2003 empfahl sein Hausarzt ihm eine „Kur" zur kurzfristigen Linderung. Am 28. 9. 2003 wurde der Kläger in das von der Beklagten betriebene Rehabilitationszentrum B***** aufgenommen. Der Kläger brachte vor, ihm seien dort aus Anlass der stationären Aufnahme zur Besserung des Gesundheitszustandes die Teilnahme an Physiotherapien, Inhalationen, allgemeiner Gymnastik, Schwimmen und Massagen verordnet worden. Der Therapieplan sei von dem von Dr. S***** angeführten Ärzteteam des Sonderkrankenhauses B***** auf die speziellen Bedürfnisse des Klägers erstellt worden. Der Kläger habe über Anordnung von Dr. S***** eine therapeutische Lokalanästhesie im Bereich des Supraspinantussehnenansatzes rechts vornehmen lassen. Diese therapeutische Lokalanästhesie sei eine besondere und nicht ungefährliche Form der Neuraltherapie. Dr. S***** sei bei der Beklagten als Oberarzt beschäftigt gewesen.

Der Kläger sei von den behandelnden Ärzten weder über Art und Schwere noch über mögliche Gefahren und schädliche Folgen der einzuleitenden Neuraltherapie oder ihrer Unterlassung aufgeklärt worden. Er sei auch nicht über andere, weniger gefährliche, wenngleich vielleicht länger dauernde Behandlungsmethoden und deren Erfolgsaussichten aufgeklärt worden. Am 30. 9. 2003 sei von dem für die Beklagte tätigen Oberarzt Dr. K***** die Xyloneutralinfiltration im Bereich des Supraspintussehnenansatzes rechts am Tuberculum majus an der rechten Schulter durchgeführt worden. Nach Durchführung dieser Neuraltherapie seien im rechten Schulterbereich bereits am 1. 10. 2003 starke Schmerzzustände aufgetreten, die sich in der Folge verstärkt hätten. Aufgrund der Schmerzen habe der Kläger am 5. 10. 2003 die Kur abbrechen müssen und in die chirurgische Abteilung des Landeskrankenhauses B***** transferiert werden müssen. Auch nach Entlassung aus dem Landeskrankenhaus B***** habe der Kläger an Beschwerden und Beeinträchtigungen gelitten. Am 24. 10. 2003 habe sich der Kläger im Landeskrankenhaus S***** nochmals einer Artheroskopie sowie einer offenen Revision mit Debridementsynovektomie und Gelenkstoilette unterziehen müssen. In der Folge seien erhebliche noch bis Klagseinbringung vorliegende Bewegungseinschränkungen aufgetreten. Der Kläger leide nach wie vor auch an Ruhe- und Belastungsschmerzen.

Die gegenständliche Infektion des rechten Schultergelenkes gehe auf Hautbakterien zurück, die zwangsläufig von den behandelnden Ärzten der Beklagten im Zuge der Neuraltherapie von außen eingebracht worden sein müssten. Die Ursache für die Infektion sei somit in der mangelhaften präoperativen Desinfektion des Schultergelenkes gelegen. Der Kläger sei von den behandelnden Ärzten weder über das bestehende Infektionsrisiko noch über allfällige Behandlungsalternativen aufgeklärt worden.

Der Kläger begehrte Schmerzengeld, Heilungskosten, Besuchskosten, Fahrtspesen und weitere Spesen und Pflegekosten sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Vorfall vom 30. 9. 2003.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und brachte im Wesentlichen vor, die Infiltration sei lege artis durchgeführt worden. Ein Zusammenhang zwischen der festgestellten Entzündung und der beim Kläger vorgenommenen Infiltration bestehe nicht. Bei den Beschwerden des Klägers handle es sich um schicksalsbedingte Komplikationen, die nicht auf eine fehlerhafte Behandlung durch die Ärzte im Rehabilitationszentrum B***** zurückzuführen seien. Der Beklagten komme überdies das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute. Gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG sei der Kläger konkret unfallversichert gewesen. Gemäß § 335 Abs 2 ASVG gelte bei den nach § 8 Abs 1 Z 3 lit c ASVG Teilversicherten der Träger der Einrichtung, in der die Unterbringung erfolge, als Dienstgeber. Oberarzt Dr. K*****, der die Infiltration durchgeführt habe, sei am 30. 9. 2003 Vertreter der Beklagten bzw Aufseher im Betrieb gewesen, sodass gemäß § 333 Abs 4 ASVG das Haftungsprivileg zum Tragen komme. Selbst wenn daher die Infiltration nicht lege artis durchgeführt worden sein sollte, handle es sich um einen Arbeitsunfall.

Der Kläger bestritt, dass der Beklagten das Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 ASVG zugute komme, da weder eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation noch der Gesundheitsvorsorge vorgelegen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil es gemäß § 335 Abs 3 ASVG das Dienstgeberhaftungsprivileg der Beklagten bejahte. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Es liege kein Arbeitsunfall vor, weshalb der Beklagten das Dienstgeberhaftungsprivileg nicht zustatten komme. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, da eine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Anwendbarkeit des Dienstgeberhaftungsprivileges auf ärztliche Behandlungsfehler bzw Aufklärungspflichtverletzungen im Zuge derartiger Maßnahmen des Sozialversicherungsträgers zur Rehabilitation und Gesundheitsvorsorge fehle.

Der dagegen von der Beklagten erhobene Rekurs ist mangels des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hatte erst jüngst in seiner Entscheidung vom 7. 2. 2007, 2 Ob 218/06g, einen vergleichbaren Fall zu beurteilen und ist dort mit ausführlicher Begründung zum Ergebnis gelangt, dass das einem Rehabilitanten gegenüber gesetzte haftungsbegründende Verhalten der selben beklagten Partei nicht als Arbeitsunfall im Sinne des § 175 Abs 1 ASVG zu qualifizieren war.

Wie im soeben zitierten Fall beruft sich auch hier der Kläger auf ärztliches Fehlverhalten in Form von mangelnder bzw unterlassener Aufklärung sowie Fehlbehandlung. Nach den in der Entscheidung 2 Ob 218/06g dargelegten Grundsätzen fehlt es daher auch hier am Erfordernis des Arbeitsunfalls, weshalb der Beklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG nicht zugute kommt. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes erweist sich daher als rechtsrichtig.

Wegen zwischenzeitig bereits vorliegender höchstgerichtlicher Judikatur zu der vom Berufungsgericht aufgezeigten Rechtsfrage ist diese nicht mehr erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 iVm § 519 Abs 2 ZPO, weshalb der Rekurs zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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