OGH 5Ob64/17y

OGH5Ob64/17y27.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am 22. April 2013 verstorbenen L* S*, vertreten durch die Verlassenschaftskuratorin Mag. E* S*, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei E* Z*, vertreten durch Stolz Rechtsanwalts GmbH in Radstadt, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 33.356,83 EUR) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2017, GZ 2 R 194/16m‑21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. Oktober 2016, GZ 6 Cg 135/15d‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118757

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.040,48 EUR (darin 340,08 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG * sind nach dem Grundbuchstand zu 5/8 die Beklagte, zu 3/8 die am 22. 4. 2013 verstorbene L* S*. Das Verlassenschaftsverfahren nach L* S* wird vom Bezirksgericht Innsbruck geführt, Erbinnen sind Mag. E* S* und W* F*, eine Einantwortung ist bislang nicht erfolgt.

Die Verlassenschaft begehrte, vertreten durch die vom Abhandlungsgericht bestellte Verlassenschaftskuratorin, die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung. Für Teilungshindernisse sei die Beklagte beweispflichtig, die von ihr eingewendeten Umstände seien nicht bloß vorübergehender Natur. Vorteile aus der Gemeinschaft lägen beinahe ausschließlich bei der Beklagten, die das Objekt alleine nutze, während die Klägerin keine Einkünfte aus der Liegenschaft erziele. Eine Belastung der Verlassenschaft und der Erbinnen mit den erforderlichen Sanierungskosten sei unzumutbar.

Die Beklagte bestritt die Aktivlegitimation der Verlassenschaft und wendete Unzeit im Hinblick auf erforderliche Sanierungsarbeiten ein, die den Wert des Gebäudes deutlich erhöhen würden. Die Teilung sei mit einem erheblichen Nachteil für die Beklagte verbunden, weil sie dort wohne und einen Gastronomiebetrieb führe. Im Fall der Zivilteilung müsste sie sich im Alter von 52 Jahren ein neues Leben aufbauen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bejahte die Aktivlegitimation der Verlassenschaft, verneinte aber das Vorliegen von Teilungshindernissen, zumal die eingewendeten Umstände nicht nur vorübergehender Natur seien. Eine Interessenabwägung sei nicht vorzunehmen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts zur Aktivlegitimation der Verlassenschaft. Eine Prüfung der Interessenlage habe nur dann zu erfolgen, wenn ein Aufschub der Teilung in Betracht komme, nicht aber dann, wenn eine baldige Änderung der Verhältnisse nicht zu erwarten sei. Nur in Fällen einer krass ungleichen Interessenlage sei das Erfordernis des bloß vorübergehenden Teilungshindernisses verzichtbar. Die Interessenlage der klagenden Verlassenschaft sei zwar bislang nicht erörtert worden, die Rechtsprechung habe aber drohende Obdachlosigkeit oder Geschäftsraumverlust mit der Notwendigkeit der Standortverlegung nicht als vorübergehende Teilungshindernisse anerkannt. Auf eine Interessenabwägung komme es daher letztlich nicht an.

Die ordentliche Revision sei mangels Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation der Verlassenschaft zur Geltendmachung des Teilungsanspruchs und zur Klarstellung, ob und inwieweit die Interessen der Verlassenschaft festzustellen und in eine Interessenabwägung einzubeziehen seien, zulässig.

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Einer Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs bedarf es somit dann nicht, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits nach dem Wortlaut der anzuwendenden Norm so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene, im Schrifttum nicht in Zweifel gezogene Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (RIS‑Justiz RS0042656 [T24]).

1.2. Die Vorinstanzen haben die Aktivlegitimation der klagenden Verlassenschaft übereinstimmend mit dem Wortlaut des § 547 ABGB (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor dem ErbRÄG 2015, BGBl I 2015/87) begründet. Danach stellt der Erbe, sobald er die Erbschaft angenommen hat, in Rücksicht auf dieselbe den Erblasser vor. Beide werden in Beziehung auf einen Dritten für eine Person gehalten. Vor der Annahme durch den Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch vom Verstorbenen besessen würde. Nach völlig einheitlicher Lehre hat der Nachlass ein selbständiges rechtliches Schicksal (Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 § 547 Rz 1) und stellt kein Vermögen des Erben dar (Sprohar/Heimlich in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB3 [Klang] § 547 aF Rz 3). Die überwiegende Lehre definiert den Nachlass als juristische Person (Sprohar/Heimlich aaO; vgl auch § 546 ABGB idF ErbRÄG 2015, BGBl I 2015/87). Demnach umfasst die Verlassenschaft die Summe der erblichen Vermögenswerte, Rechte und Pflichten des Erblassers. Die vom Gesetz fingierte Identität der Rechtspersönlichkeit zwischen Erblasser und Nachlass führt hinsichtlich des Eigentums an Liegenschaften ex lege dazu, dass der ruhende Nachlass an die Stelle des Eigentümers bei dessen Ableben tritt (Sprohar/Heimlich in Fenyves/Kerschner/Vonkilch ABGB3 [Klang] § 547 aF Rz 7; vgl auch RIS-Justiz RS0012206 [T1, T3]). Damit kann aber schon aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage nicht der geringste Zweifel bestehen, dass die Verlassenschaft nach der verstorbenen Miteigentümerin L* S* deren bücherliches Eigentum fortsetzt. Dass der daraus abzuleitende unbedingte Anspruch eines Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft vererblich im Sinn des § 531 ABGB ist, wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen.

1.3. Die Argumente der Revision können dieses aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts gewonnene Auslegungsergebnis nicht erschüttern. Die Beklagte meint, es würde zu einem unbilligen Ergebnis führen, könnte eine Erbberechtigte, die keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, entgegen der Zustimmung einer anderen erbberechtigten Schwester eine Teilungsklage durchsetzen, ohne dass ihrer Schwester Parteistellung zukäme. All dies hat nichts mit der Frage der Aktivlegitimation der Verlassenschaft als eigenständiger Rechtsperson für die Einbringung einer Teilungsklage zu tun, sondern spricht allenfalls Fragen der Vertretungsbefugnis der Verlassenschaft im Sinn des § 810 ABGB an, die hier schon deshalb keiner näheren Erörterung bedürfen, weil das Abhandlungsgericht die Klagsführung durch die Verlassenschaftskuratorin abhandlungsbehördlich genehmigt hat (Beschluss vom 20. 11. 2015, 3 A 257/14h des Bezirksgerichts Innsbruck) und der weiteren Erbin im Abhandlungsverfahren jedenfalls Parteistellung zukam. An der ordnungsgemäßen Vertretung des Nachlasses im Streitverfahren ist somit ebensowenig zu zweifeln wie an der gemäß § 810 Abs 2 ABGB erforderlichen abhandlungsgerichtlichen Genehmigung.

1.4. Hinsichtlich der Aktivlegitimation der Verlassenschaft ist die vom Berufungsgericht und der Beklagten als erheblich angesehene Rechtsfrage somit bereits aufgrund der Gesetzeslage und der einhelligen Lehre geklärt.

2.1. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Gebietet das Gesetz die Entscheidung nach billigem Ermessen, könnte letztlich nur eine eklatante Überschreitung dieses Ermessens aufgegriffen werden (RIS‑Justiz RS0044088). Ob ein bestimmtes Verhalten gegen Treu und Glauben verstößt, ist eine Frage, die sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen lässt (RIS‑Justiz RS0118180 [T1]). Auch die Auslegung von Prozessvorbringen ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0042828; RS0113563).

2.2. Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend davon aus, die von der Beklagten eingewendeten Nachteile einer Teilung (Verlust der Möglichkeit im Objekt einen Beherbergungsbetrieb und ein Restaurant zu führen samt Notwendigkeit für die Beklagte sich mit 52 Jahren ein neues Leben aufzubauen) seien nicht nur vorübergehender Natur im Sinn der ständigen Rechtsprechung zu § 830 ABGB, sodass sie weder den Einwand der Unzeit noch des Nachteils der übrigen begründen könnten. Da ein Aufschub der Teilung nicht in Betracht komme, sei eine Prüfung der Interessenlage nicht erforderlich. Das Berufungsgericht begründete die Zulassung der Revision mit der Notwendigkeit einer Klarstellung, ob nicht allenfalls schon für die Beurteilung des Vorliegens einer krass ungleichen Interessenlage, bei deren Vorliegen ausnahmsweise auf das Erfordernis des bloß vorübergehenden Hindernisses, verzichtet werden könne, die Interessen der Verlassenschaft festzustellen seien. Abgesehen davon, dass die Beklagte in ihrer Revision dazu lediglich ausführt, sie verliere im Fall der Zivilteilung ihre Betriebsstätte und ihre Einkommensquelle, demgegenüber träten die – nicht näher bezeichneten – Interessen der Verlassenschaft zurück, ist eine im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen nicht zu erkennen:

2.3.1. Grundsätzlich ist der Anspruch eines Teilhabers auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft ein unbedingter (RIS‑Justiz RS0013249), der in der Regel keiner Begründung aus der Interessenlage des Klägers bedarf (Sailer in KBB5 § 830 Rz 4; RIS‑Justiz RS0013247). Die im Gesetz genannten Teilungshindernisse der Unzeit und des Nachteils für die übrigen konkretisieren die nach Treu und Glauben bestehende Verpflichtung der Miteigentümer zur gegenseitigen Rücksichtnahme (RIS‑Justiz RS0013246).

2.3.2. Wie die Vorinstanzen völlig richtig erkannten, kommen als Teilungshindernisse nur vorübergehende Umstände in Betracht, die bald wegfallen oder beseitigt werden können (RIS‑Justiz RS0013287 [T13]), während dauernde oder nicht zu beseitigende Nachteile, die durch die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft unter allen Umständen eintreten müssen, somit nicht durch vorübergehende Umstände bedingt sind, dem Teilungsbegehren nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden können (RIS‑Justiz RS0013336). Dass die von der Beklagten eingewendeten Umstände nicht bloß vorübergehender Natur sind, zieht sie in ihrer Revision letztlich nicht mehr in Zweifel, meint aber, aufgrund der krass ungleichen Interessenlage zwischen den Streitteilen könne auf dieses Erfordernis verzichtet werden.

2.3.3. In Einzelfällen wird von der Rechtsprechung ein von krass ungleichen Interessenlagen ausgehendes, in seinen Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung des beklagten Mitteilhabers verbundenes Teilungsbegehren aufgrund des Verstoßes gegen den allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben tatsächlich als Teilungshindernis anerkannt (H. Böhm in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 830 Rz 28; Gruber/Sprohar‑Heimlich in Schwimann/Kodek ABGB4 § 830 Rz 57; RIS‑Justiz RS0013322). So hatte etwa zu 2 Ob 534/84 (= SZ 57/45) der Teilungskläger kurz vor Einbringung der Teilungsklage seinen Anteil noch mit einem Fruchtgenussrecht zugunsten einer Person mit noch hoher Lebenserwartung belastet. Zu 2 Ob 274/03p nahm die dortige Teilungsklägerin eine Ausgleichszahlung von 1.600.000 ATS entgegen, mit der sie selbst eine Wohnung erwerben konnte, während der Beklagte dort auf die Wohnmöglichkeit im Teilungsobjekt (dem gemeinsamen Sommerhaus) angewiesen war. In beiden Fällen war das Teilungshindernis zwar nicht vorübergehender Natur, das massiv gegen Treu und Glauben verstoßende Verhalten des jeweiligen Teilungsklägers führte aber zu einer krass ungleichen Interessenlage und damit zur Abweisung des Teilungsbegehrens.

Ein dem vergleichbaren Fall liegt hier schon nach dem Prozessvorbringen der Beklagten nicht vor:

2.3.4. Die beklagte Partei trifft die Behauptungs‑und Beweislast für das Vorliegen von jeglichen Teilungshindernissen. Dabei genügt nicht schon die allgemeine Behauptung, das Begehren werde zur Unzeit oder zum Nachteil der übrigen erhoben, es müssen vielmehr konkrete Umstände dargetan werden, die ein Teilungshindernis begründen können und nur im Rahmen der konkreten Tatsachenbehauptungen ist zu prüfen, ob der Teilung ein Hindernis entgegensteht (RIS‑Justiz RS0013247). Damit wäre es auch hier Sache der Beklagten gewesen, konkret zu behaupten und zu beweisen, dass das Teilungsbegehren der Verlassenschaft von krass ungleichen Interessenlagen ausging und in seinen Auswirkungen mit einer eklatanten vermögensrechtlichen Benachteiligung der Beklagten verbunden wäre. Die Beklagte hat in tatsächlicher Hinsicht aber lediglich eingewendet, sie werde im Fall der Teilung ihre Wohnung und ihre Arbeit verlieren, wogegen die Klägerin die Möglichkeit hätte, das gegenständliche Objekt zu ersteigern und es ungenützt zu lassen, ihre Interessen seien rein finanzieller Natur (Schriftsatz ON 6). Abgesehen davon, dass die Beklagte nach den Feststellungen im Objekt nicht wohnt, ist aus der in den Raum gestellten theoretischen Möglichkeit der Ersteigerung des Objekts durch die Klägerin – bei der allerdings nicht einmal feststeht, dass sie ausreichende Mittel für die erforderlichen Sanierungskosten hat –, kein Verstoß gegen Treu und Glauben zu erkennen, zumal auch die Beklagte die Möglichkeit hätte, das Objekt zu ersteigern. Im Übrigen ziehen nach dem festgestellten Sachverhalt „die Erben“ (gemeint offenbar: die Verlassenschaft) keinen aktuellen Nutzen aus der Liegenschaft, während die Beklagte dort nach wie vor das Restaurant und einen Beherbergungsbetrieb mit sechs Betten betreibt, die Klägerin soll sich aber sehr wohl an den mit 84.703,20 EUR festgestellten Kosten der erforderlichen Dachsanierung beteiligen. Der Ausnahmefall einer krass ungleichen Interessenlage ist schon aufgrund dieses Sachverhalts zu verneinen.

2.3.5. Damit ist die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, hier sei von einer Interessenabwägung abzusehen, weshalb es keiner näheren Feststellungen zur Interessenlage der Verlassenschaft bedürfe, schon mangels konkreten Prozessvorbringens der Beklagten hiezu vertretbar, sie bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

3. Die ordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat begründet auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035962).

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