OGH 5Ob55/17z

OGH5Ob55/17z4.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache des Antragstellers Mag. F* S*, vertreten durch Dr. Michael Göbel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Mag. J* K*, 2. Dr. S* P*, beide vertreten durch die Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, wegen §§ 15 Abs 4, 16 Abs 5 iVm § 37 Abs 1 Z 8, 8a MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Dezember 2016, GZ 39 R 147/16f‑76, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 23. März 2016, GZ 9 Msch 5/13t, 9 Msch 6/13i‑65, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118061

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsrekursverfahrens wird abgewiesen.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist Mieter des sogenannten „Pförtnerhauses“, das eine Nutzfläche von 51,34 m² aufweist und sich auf einer Liegenschaft befindet, auf der getrennt davon noch ein Haupthaus und ein Fuhrwerkerhaus errichtet sind. Er begehrte die Aufspaltung des von ihm nach dem Mietvertrag zu entrichtenden Pauschalmietzinses sowie die Überprüfung des sich danach ergebenden Hauptmietzinses. Dazu brachte er vor, das Mietobjekt habe bei Anmietung eine gefährliche elektrische Anlage aufgewiesen und sei daher in die Kategorie D unbrauchbar einzuordnen.

Das Erstgericht gab den Anträgen statt, sprach aus, dass der Antragsteller anstelle des vereinbarten Pauschalmietzinses ab 1. 5. 2012 einen monatlichen Hauptmietzins entsprechend der Kategorie D zuzüglich anteiliger Betriebskosten, anteiliger öffentlicher Abgaben und besonderer Aufwendungen zu zahlen habe, stellte fest, dass die Antragsgegner durch die monatlichen Vorschreibungen das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um im Einzelnen für die jeweiligen Perioden dargestellte Beträge überschritten hätten, und verpflichtete sie zur Rückzahlung der den zulässigen Mietzins übersteigenden Beträge.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner, der keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.

Ad 1.:

Die Gründe für eine nach Ermessen des Gerichts vorzunehmende Unterbrechung des Verfahrens nach § 25 Abs 2 AußStrG gelten auch für das wohnrechtliche Außerstreitverfahren und entsprechen im Wesentlichen jenen der Zivilprozessordnung (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 25 Rz 40; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²³ § 37 MRG Rz 46, § 25 AußStrG IV Rz 3). Soweit die Antragsgegner die Unterbrechung des gegenständlichen Verfahrens wegen eines von ihnen zeitgleich mit der Erhebung des außerordentlichen Revisionsrekurses eingebrachten Feststellungsklage beantragen, kann daher auf die zu § 190 ZPO ergangene Judikatur zurückgegriffen werden. Danach ist wegen eines anhängigen präjudiziellen Verfahrens zwar auch noch im Revisions‑(rekurs‑)verfahren eine Verfahrensunterbrechung zulässig (RIS‑Justiz RS0036801), es muss aber bereits zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (hier: der Beschlussfassung in erster Instanz) dasjenige Verfahren, dessen rechtskräftige Erledigung abgewartet werden soll, anhängig gewesen sein (RIS‑Justiz RS0038601 [T2; T7]). Das ist hier nicht Fall, weswegen der Unterbrechungsantrag abzuweisen ist (1 Ob 138/06k).

Ad 2.:

1.1 Können bei der Aufgliederung des Mietzinses die zugrunde zu legenden Beträge nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ermittelt werden, ist sie nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) vorzunehmen (§ 15 Abs 4 MRG).

1.2 Die Entscheidung des Gerichts darüber, ob es den § 273 ZPO anwenden darf, ist eine rein verfahrensrechtliche, sodass es einen Verfahrensmangel darstellt, sollten die Voraussetzungen zu Unrecht angenommen worden seien (Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 273 Rz 3; derselbe in Fasching/Konecny III² § 273 Rz 12). Das Rekursgericht hat die vom Erstgericht unter Berufung auf § 273 ZPO vorgenommene Aufgliederung des Mietzinses ausdrücklich gebilligt und damit eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens verneint, sodass eine nochmalige Überprüfung im Revisionsrekursverfahren nicht mehr möglich ist (vgl RIS‑Justiz RS0040282 [T6; für das Außerstreitverfahren: T14]).

1.3 Inwieweit wegen der Aufgliederung nach Ermessen eine Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (sic) verwirklicht sein soll, weil die Fassung des „Urteils“ so mangelhaft sei, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könne, kann nicht nachvollzogen werden. Den von den Antragstellern bereits in ihrem Rekurs gerügten vermeintlichen Verstoß gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung durch das Erstgericht hat bereits das Rekursgericht verneint. Mängel des Verfahrens erster Instanz können auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht nochmals geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0050037 [T12]).

2.1 Eine weitere Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (richtig Mangelhaftigkeit nach § 57 Z 1 AußStrG: RIS‑Justiz RS0121710) vermeinen die Antragsgegner darin zu erkennen, weil das Erstgericht in seinem Spruchpunkt 1. zwar festhielt, dass der Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 6 MRG wertgesichert sei, aber in Punkt 4. des Spruchs, in dem sie zur Rückzahlung von zu viel bezogenen Mietzinsen verpflichtet werden, darauf nicht Bedacht genommen habe, sodass diese beiden Entscheidungsbestandteile nicht vereinbar seien.

2.2 Eine Mangelhaftigkeit nach § 57 Z 1 AußStrG setzt voraus, dass einzelne Ansprüche innerhalb des Spruchs der Entscheidung einander logisch ausschließen (RIS‑Justiz RS0042171 [T2]; RS0041306). Derartige, unter § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG fallende Mängel, können zwar auch noch geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint – oder wie hier im Rekurs gar nicht geltend gemacht – worden sind (vgl RIS‑Justiz RS0121265). Divergierende Entscheidungen über ein Leistungs‑ und Feststellungsbegehren sind aber aus verschiedenen Gründen denkbar (RIS‑Justiz RS0042171 [T4]) und schließen hier einander auch nicht zwingend aus. Zur weitergehenden Erörterung in diesem Zusammenhang bietet das außerordentliche Rechtsmittel der Antragsgegner keinen Anlass.

3.1 Ob ein „Gebäude mit nicht mehr als zwei selbstständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG) vorliegt, entscheidet nach der ständigen Rechtsprechung die Verkehrsauffassung (RIS‑Justiz RS0079853). Neben den höchstens zwei selbstständigen Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten dürfen keine weiteren, einer selbstständigen Vermietbarkeit zugänglichen Räume bestehen (RIS‑Justiz RS0069389). Bestehen daher bereits zwei selbstständig vermietete Wohnungen bzw Geschäftsräumlichkeiten, kommt es entgegen der Auffassung der Antragsgegner nur noch darauf an, ob – wie hier mit dem Fuhrwerkerhaus – daneben noch weitere, einer selbstständigen Vermietung zugängliche Räume bestehen.

3.2 Grundsätzlich ist auf die Liegenschaft, also auf den Grundbuchskörper abzustellen, sodass in der Regel mehrere auf einem Grundbuchskörper befindliche Häuser zusammenzuzählen sind (zu § 1 Abs 4 Z 2 MRG aF: RIS‑Justiz RS0069376 [insb T3]; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 1 MRG Rz 78). Der Oberste Gerichtshof hat daher erst jüngst (7 Ob 87/16v) bei ähnlich gelagerter Sachlage die Annahme des Ausnahmetatbestands des § 1 Abs 2 Z 5 MRG verneint, weil durch Vermietung von Wirtschaftsgebäuden die Zugehörigkeit zum Hauptgebäude (Schloss) aufgehoben worden sei. Die Entscheidung des Rekursgerichts folgt diesen Grundsätzen und gelangte damit vertretbar zum Ergebnis, dass der von den Antragsgegnern herangezogene Ausnahmetatbestand nicht zum Tragen kommt, weil eine selbstständige Vermietung des Fuhrwerkerhauses in Betracht kommt. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 5 MRG greift schon dann nicht, wenn die zusätzlichen Räume selbstständig vermietbar sind. Ob sie dafür einer Sanierung bedürfen, ist unerheblich, weil die Anforderungen an einen Mietgegenstand im Sinne des MRG nicht all zu hoch sind (vgl 8 Ob 12/08k mwN; Kothbauer, Zum Ein‑ und Zwei‑Objekt‑Haus, immolex 2013/5, 160). Die von den Revisionsrekurswerbern herangezogenen Entscheidungen 10 Ob 14/16f und 5 Ob 213/13d sind demgegenüber nicht einschlägig.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 ZPO).

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