OGH 2Ob48/16x

OGH2Ob48/16x28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** M*****, 2. P***** M*****, 3. D***** V*****, 4. D***** M*****, 5. S***** M*****, sämtliche vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. G***** F*****, 2. (nunmehr) P***** GmbH, *****, und 3. W*****, sämtliche vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 1.) 121.135 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 10.000 EUR), sowie 2.) bis 5.) jeweils Kostenersatz, über die Revision der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2015, GZ 6 R 168/15s‑79, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das (richtig: End‑)Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. August 2015, GZ 4 Cg 122/11x‑74, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00048.16X.0328.000

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei wird von „P***** GmbH“ auf „P***** GmbH“ berichtigt.

II. 1. Die Revision wegen Nichtigkeit wird verworfen.

2. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Zu I.:

Nach der am 21. 6. 2012 von den Generalversammlungen beider Gesellschaften beschlossenen und am 3. 7. 2012 zu FN ***** und zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Verschmelzung der übertragenden „P***** GmbH“ mit der übernehmenden „P***** GmbH“, wurde diese gemäß § 96 Abs 1 Z 1 GmbHG iVm § 225a Abs 3 AktG Gesamtrechtsnachfolgerin der übernommenen GmbH. Mit der am 27. 10. 2016 von der Generalversammlung der „P***** GmbH“ beschlossenen und am 12. 11. 2016 im Firmenbuch eingetragenen Änderung des Gesellschaftsvertrags wurde der Firmenwortlaut in „P***** GmbH“ geändert. Die Bezeichnung der zweitbeklagten Partei ist daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO von Amts wegen zu berichtigen.

Zu II.:

Am 20. 8. 2008 ereignete sich gegen 20:30 Uhr auf einer auf der Tauernautobahn A10 im Gemeindegebiet von Zederhaus eingerichteten „Baustellenstraße“ ein Verkehrsunfall, bei dem die 12‑jährige S***** M*****, Tochter der Erstklägerin und des Drittklägers sowie Schwester der Zweitklägerin, des Viert‑ und des Fünftklägers, so schwer verletzt wurde, dass sie am nächsten Tag verstarb. Die Mitglieder der Familie sind deutsche Staatsangehörige, sie leben in Deutschland.

Die Erstklägerin hatte ihren Pkw, der sich nach einem längeren verkehrsbedingten Stillstand auf der A10 wegen einer technischen Panne nicht mehr starten ließ, auf dem Pannenstreifen abgestellt und den Pannendienst verständigt. Sie verließ mit ihren beiden Töchtern den Pkw und kletterte mit ihnen über eine Betonschutzwand, welche die Fahrbahn von der einspurigen „Baustellenstraße“ trennte. Dort herrschte zu dieser Zeit kein Fahrzeugverkehr. Nach ca eineinhalb Stunden Wartezeit kam es zu dem Unfall. Der Erstbeklagte näherte sich mit einem von der zweitbeklagten Partei gehaltenen und bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Kleinbus auf der Baustellenstraße der Unfallstelle. Dort erfasste der Kleinbus das Unfallopfer, das sich zu diesem Zeitpunkt – aus Sicht des Erstbeklagten – rechts neben der Betonschutzwand auf der Fahrbahn der „Baustellenstraße“ befand.

In einem an den Klagevertreter gerichteten Schreiben vom 12. 6. 2009 nahm die drittbeklagte Partei auf ein vorangegangenes Schreiben des Klagevertreters Bezug. Der weitere Text lautete:

„Vor Abschluss des Strafverfahrens ist uns eine Stellungnahme dem Grunde nach nicht möglich. Es ist unklar, ob überhaupt eine Verschuldenshaftung vorliegt. Um den verständlichen Schmerz der Familie etwas zu lindern, überweisen wir unpräjudiziell eine Akontozahlung von EUR 15.000 anrechenbar auf die Gesamtansprüche der Familie M*****.“

Der Erstbeklagte wurde mit strafgerichtlichem Urteil des Vergehens der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB rechtskräftig für schuldig erkannt.

In dritter Instanz bilden nur noch die Ansprüche der Erstklägerin den Verfahrensgegenstand. Diese begehrte mit der am 12. 8. 2011 beim Erstgericht eingebrachten Klage den Ersatz ihres zuletzt mit 121.135 EUR sA bezifferten Schadens sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien – jene der drittbeklagten Partei begrenzt mit der Höhe der Versicherungssumme aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag mit der zweitbeklagten Partei – für alle künftigen kausalen Schäden aus dem Unfall vom 20. 8. 2008.

Sie brachte vor, den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden an dem Unfall, weil er mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, verspätet reagiert und einen Verstoß gegen den Grundsatz des Fahrens auf Sicht zu vertreten habe. Die Erstklägerin leide seit dem Unfall unter einer psychischen Erkrankung, aufgrund deren sie auch ihrer früheren Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen könne. Sie begehre ein Schmerzengeld von 35.000 EUR sowie den Ersatz ihres Verdienstentgangs im Zeitraum vom Unfall bis März 2014 in Höhe von 86.235 EUR. Der Erstklägerin sei es nicht zumutbar, sich einer psychotherapeutischen und/oder medikamentösen Behandlung zu unterziehen. Das Ablehnen solcher Behandlungen sei ihr nicht vorwerfbar. Die drittbeklagte Partei habe vorprozessual am 18. 6. 2009 einen Akontobetrag von 15.000 EUR mit der Widmung „anrechenbar auf die Gesamtansprüche der Familie M*****“ an den Klagevertreter geleistet. Der Betrag sei auf die Bestattungskosten von 12.822,37 EUR, das dem Unfallopfer zustehende Schmerzengeld von 2.000 EUR sowie diverse Fahrtkosten angerechnet worden und daher verbraucht.

Die beklagten Parteien bestritten ihre Haftung und wandten das Alleinverschulden des Unfallopfers, in eventu die Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Erstklägerin ein. Der Unfall habe sich auf Autobahngelände ereignet, die „Baustellenstraße“ sei für den öffentlichen Verkehr gesperrt gewesen. Der Erstbeklagte habe mit Personen auf der Fahrbahn nicht rechnen müssen, wobei das Unfallopfer unter den gegebenen Umständen für ihn auch gar nicht wahrnehmbar gewesen sei. Die drei Personen hätten keine Warnweste getragen. Es liege für den Erstbeklagten ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG vor. Auch die Höhe der Ansprüche wurde bestritten. Die Erstklägerin habe gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen, weil sie keine medizinisch anerkannte psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung in Anspruch genommen habe. Eine solche Therapie wäre nach vier Wochen wirksam geworden und hätte innerhalb eines halben Jahres zu einer kontinuierlichen Verbesserung und zur Stabilisierung des Gesundheitszustands der Erstklägerin geführt. Die Schmerzperioden hätten zumindest halbiert werden können. Die Akontozahlung sei nicht widmungsgemäß angerechnet worden, die in der Klage bezifferten Kosten und Ansprüche der Verstorbenen seien auch wesentlich überhöht.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren der Erstklägerin im Umfang von 27.215 EUR sA und dem Feststellungsbegehren zur Hälfte statt. Das Leistungsmehrbegehren von 93.920 EUR sA wurde ebenso wie das Feststellungsmehrbegehren abgewiesen. Auch die auf Kostenersatz eingeschränkten Begehren der Zweitklägerin und der Dritt‑ bis Fünftkläger wurden (implizit) abgewiesen.

Das Erstgericht traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch weitere Feststellungen zum Unfallhergang und zum Schaden der Erstklägerin. Davon sind folgende als für das Revisionsverfahren wesentlich hervorzuheben:

Die Erstklägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls 40 Jahre alt. Sie lebte vom Drittkläger getrennt, kümmerte sich aber nach wie vor um ihre vier Kinder, zu denen eine innige Beziehung bestand. Ihre eigene Kindheit und Jugend war schwierig und von einer psychischen Erkrankung des Vaters, der Trennung der Eltern und einer mangelnden Bindung an die Mutter gekennzeichnet. Sie erlebte von Kindheit an Stimmungsschwankungen und Traurigkeit. Verlust‑ und Trennungsängste zogen sich bis zum frühen Erwachsenenalter hin. Aufgrund dieser Faktoren besteht eine erhöhte Verletzlichkeit.

Nach einer höchst intensiven Zeit der Betreuung ihrer Kinder (geboren 1990, 1993, 1996 und 1998) strebte die Erstklägerin nach Autonomie und Selbstverwirklichung. Ab 2007 hatte sie mehrfach Kontakte zu der „ R***** “, deren Lehre besagt, dass die Selbstheilungskräfte eines Menschen wesentlich sind. Sie reiste zu diesem Zweck wiederholt in die USA und nach Italien. In der Überzeugung, ihr Leben selbst gestalten zu müssen, zog sie 2008 (vor dem Unfall) aus dem ehelichen Haushalt aus, pflog aber weiterhin Kontakt zu ihren Kindern. Vor dem Unfall war sie psychisch stabil.

Durch den Unfalltod ihrer Tochter trat bei der Erstklägerin eine akute Belastungsreaktion auf, die in weiterer Folge von einer posttraumatischen Belastungsstörung abgelöst wurde. Nach einer Art Schockzustand im unmittelbaren Anschluss an den Unfall kehrte die Erstklägerin für drei, vier Wochen in die eigene Wohnung zurück. Sie versuchte ihre Arbeit fortzuführen, um sich abzulenken. Sie litt weiterhin an einer emotionalen Starre, teilweise auch mit Affektdurchbrüchen (Weinen), an Schlafproblemen und Albträumen. Sie zog sich aus dem sozialen Leben zurück. Weitere Folgen waren Aufmerksamkeitsstörungen, Gedankenperseverationen, Gedankenleere, Grübeln und Gedankenfixierung sowie formale Denkstörungen durch dissoziative Symptome und immer wieder Zeiten der geistigen Abwesenheit.

Die Beeinträchtigung in den ersten 14 Tagen ist als stark zu qualifizieren, gerafft ergeben sich sechs Tage starke seelische Schmerzen. In den folgenden vier Monaten können die Schmerzen als mittelgradig eingeschätzt werden, dies komprimiert auf 40 Tage. Im weiteren Verlauf bis zum Jahreswechsel 2011/12 litt die Erstklägerin traumakausal abnehmend an leichten Schmerzen, die auf 175 Tage komprimiert werden können. Ein Endpunkt der Erkrankung liegt noch nicht vor. Es besteht die Gefahr, dass neuerliche Verlusterlebnisse oder Lebenskrisen die Symptome wieder aufleben lassen.

Die Erstklägerin hat bisher weder eine klassische psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen noch Medikamente eingenommen. Ersteres verweigert sie, weil sie Angst hat, dass sich dadurch ihre Symptome eher verschlechtern würden. Der Erfolg einer Psychotherapie hängt vom Mitwirkungswillen des Probanden ab, im Fall der Erstklägerin ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Die Einnahme von Medikamenten könnte nur einen Teil der Symptome, wie zB Schlafstörungen oder die Gedankenfixierungen behandeln. Die Erstklägerin vertraut statt dessen auf die Selbstheilungskräfte, wie sie das in der „ R***** “ gelernt hat.

Die drittbeklagte Partei leistete im Jahr 2009 eine Akontozahlung von 15.000 EUR, anrechenbar auf die Gesamtansprüche der Familie M*****. Mit Schreiben vom 26. 11. 2011 erklärte sie, keine weiteren Leistungen zu erbringen. Vorangegangen war dieser Ablehnung ein Aufforderungsschreiben des Klagevertreters vom 19. 4. 2011, in welchem Schmerzengeld begehrt wurde sowie Todfallskosten in Höhe von 12.822,37 EUR aufgeschlüsselt wurden. Dieser Betrag umfasst Kosten von 1.553 EUR für die Herstellung von Fingerabdruck‑Anhängern aus Silber, Weißgold und Gelbgold in verschiedenen Größen, teilweise in Medaillons und mit Gravur.

Rechtlich gelangte das Erstgericht zu einer Verschuldensteilung zwischen dem Unfallopfer und dem Erstbeklagten im Verhältnis von 1 : 1. Das von der Erstklägerin geltend gemachte Schmerzengeld und den Verdienstentgang hielt es bis zum Ende des Jahres 2011 für ersatzfähig. Das Schmerzengeld werde mit 30.000 EUR bemessen, wovon der Erstklägerin aufgrund der vorzunehmenden Schadensteilung die Hälfte, also ein Betrag von 15.000 EUR, gebühre. Den Verdienstentgang ermittelte das Erstgericht mit insgesamt 26.430 EUR, wovon die beklagten Parteien wiederum die Hälfte (13.215 EUR) zu ersetzen hätten.

Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht liege nicht vor. Die Erstklägerin habe aufgrund ihrer Persönlichkeit eine klassische Traumatherapie abgelehnt. Sie habe befürchtet, dass es dadurch erst recht zu einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands kommen könne, was prinzipiell nicht von der Hand zu weisen sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Erstklägerin subjektiv glaube, sich selbst helfen zu können und dabei auf die Hilfestellung der „ R***** “ vertraue. Eine solche Verhaltensweise müsse zumindest anfänglich toleriert werden und könne nicht als Verletzung der Schadenminderungspflicht ausgelegt werden. Ab Ende 2011/Anfang 2012 habe aber auch der Erstklägerin klar sein müssen, dass dieser Weg allein nicht zielführend sei.

Den berechtigten Ansprüchen der Erstklägerin (insgesamt 28.215 EUR) stehe noch eine „restliche“ Akontozahlung gegenüber. Von den Anschaffungskosten für die Trauerschmuckstücke werde unter Anwendung des § 273 ZPO rund ein Drittel als Todfallskosten anerkannt. Die verbleibenden 1.000 EUR seien von den berechtigten Ansprüchen der Erstklägerin abzuziehen.

Der abweisende Teil dieser Entscheidung erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

Das im Übrigen von den beklagten Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren der Erstklägerin zur Gänze abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht ließ die Mängelrüge und die umfangreiche Beweisrüge der beklagten Parteien unerledigt. Es erörterte rechtlich, die beklagten Parteien hätten zwar in der Rechtsrüge ihrer Berufung nicht ausdrücklich die Rechtsansicht des Erstgerichts zur von ihm verneinten Verletzung der Schadenminderungspflicht bekämpft. Ihre Ausführungen zu medizinischen Fragen in der Mängelrüge ließen aber noch hinreichend deutlich erkennen, dass sie mit dieser Rechtsansicht nicht einverstanden seien und alle Fragen im Zusammenhang mit der Persönlichkeitsimmanenz nicht als abschließend erledigt ansähen.

Der beklagte Schädiger habe zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte mindern können. Für die subjektive Unzumutbarkeit der Schadenminderung sei der Geschädigte beweispflichtig. Die Möglichkeit der Geringhaltung des Schadens durch die Erstklägerin bei Inanspruchnahme einer klassischen Psychotherapie und/oder einer medikamentösen Behandlung liege nahe. Da die Psychotherapie der klassischen ärztlichen Behandlung gleichzusetzen sei, sei von der Verletzung der Schadenminderungspflicht seitens der Erstklägerin infolge Verweigerung einer entsprechenden ärztlichen Behandlung auszugehen.

Die beklagten Parteien hätten in ihrer Berufung der Erstklägerin eine vierwöchige Arbeitsunfähigkeit eingeräumt. Für diesen Zeitraum errechne sich ein Verdienstentgang von rund 1.500 EUR. Eine längere Arbeitsunfähigkeit hätte die Erstklägerin durch ärztliche und psychotherapeutische Behandlung verhindern müssen.

Den Eltern gebühre als engsten Angehörigen ihres getöteten Kindes Ersatz für den ihnen grob fahrlässig zugefügten Trauerschaden. Unter Berücksichtigung der zum Trauerschmerzengeld ergangenen Rechtsprechung und der Verletzung der Schadenminderungspflicht seitens der Erstklägerin erscheine ein Schmerzengeld von 20.000 EUR als angemessen und ausreichend.

Die Erstklägerin habe in ihrem Vorbringen nicht aufgeschlüsselt, auf welche Kosten sie die seitens der drittbeklagten Partei geleistete Akontozahlung von 15.000 EUR in Anrechnung gebracht habe. Die Aufschlüsselung in einer Urkunde könne kein Vorbringen ersetzen. Im Übrigen habe die Erstklägerin keine korrespondierenden Rechnungen vorgelegt und „damit“ keinen Beweis erbracht. Das Berufungsgericht lege daher Begräbniskosten von 6.000 EUR nach freiem Ermessen (§ 273 ZPO) zugrunde. Die von der Erstklägerin begehrten Anschaffungskosten für Trauerschmuckstücke stellten keine Todfallskosten nach § 1327 ABGB dar.

Bei der vom Erstgericht zugrunde gelegten Verschuldensteilung von 1 : 1 errechne sich somit ein Anspruch von 13.750 EUR. Bringe man davon die seitens der drittbeklagten Partei unstrittig geleistete Akontozahlung von 15.000 EUR in Abzug, sei das Klagebegehren allein aus rechtlichen Gründen abzuweisen.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen bestehe, ob die Verweigerung einer Psychotherapie durch die Geschädigte eine Verletzung der Schadenminderungspflicht darstelle und wie sich diese Verweigerung auf das Feststellungsinteresse auswirke.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision der Erstklägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Erstklägerin macht zusammengefasst geltend, zur Abweisung des Feststellungsbegehrens fehle jegliche Begründung, weshalb das angefochtene Urteil in diesem Punkt iSd § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig sei. Immerhin sei selbst das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Erstklägerin Schmerzengeldansprüche zustünden, ein Endheilungszustand sei nach den Feststellungen noch nicht eingetreten. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hätten die beklagten Parteien in ihrer Berufung die Rechtsansicht des Erstgerichts zur Schadenminderungspflicht der Erstklägerin nicht bekämpft. Auch ihren Ausführungen in der Mängelrüge könne dies nicht entnommen werden. Im Übrigen sei die Erstklägerin, wie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil ergebe, erst Ende 2011/Anfang 2012 in der Lage gewesen zu erkennen, dass zur Besserung ihres Zustands eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich sei. Die Behauptung, die Erstklägerin habe jene Beträge, auf welche die Akontozahlung von 15.000 EUR angerechnet wurde, nicht aufgeschlüsselt, sei aktenwidrig. Die Aufschlüsselung sei schon in der Klage erfolgt. Ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens liege darin, dass die Akontozahlung nicht auf die dort genannten Positionen angerechnet worden sei, wie dies das Erstgericht mit Ausnahme von 1.000 EUR getan habe.

Hiezu wurde erwogen:

1. Zur behaupteten Nichtigkeit:

Eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wäre nur dann zu bejahen, wenn die Fassung des angefochtenen Urteils so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann oder das Urteil mit sich selbst im Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind (E. Kodek in Rechberger, ZPO4 § 477 Rz 12 mwN). Die Erstklägerin hält den letzten dieser Tatbestände für verwirklicht. Dies trifft allerdings nicht zu.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist erkennbar von der Annahme getragen, dass die Erstklägerin wegen einer Verletzung der Schadenminderungspflicht aktuell und auch in Zukunft kein Schmerzengeld aufgrund ihrer krankheitswertigen psychischen Beeinträchtigung geltend machen kann. Aus demselben Grund hat das Berufungsgericht den unfallskausalen Verdienstentgang auf einen Zeitraum von vier Wochen ab dem Unfallgeschehen begrenzt. Dass es dennoch ein Schmerzengeld von ungekürzt 20.000 EUR als berechtigt ansah, beruht auf der offenkundigen – wenngleich durch eine entsprechende Tatsachengrundlage nicht gedeckten – Überlegung, dass der Erstklägerin jedenfalls ein (reines) Trauerschmerzengeld gebührt. Für dessen einmalige Bemessung ist nicht die Dauer des Seelenschmerzes, sondern die Intensität der familiären Beziehung maßgebliches Kriterium (2 Ob 150/08k mwN ZVR 2010/58 [ Huber ]), sodass die Feststellung einer Haftung für künftige Trauer nicht in Betracht käme.

Der Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor.

2. Zur gerügten Aktenwidrigkeit:

Auch dieser Revisionsgrund liegt nicht vor. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Begründung ist abzuleiten, dass das Berufungsgericht die mangelnde Aufschlüsselung der mit 12.822,37 EUR bezifferten Begräbniskosten vor Augen hatte. Diese Kosten wurden in der Klage – ebenso wie die behaupteten Fahrtkosten – tatsächlich nicht näher aufgeschlüsselt. Ob eine Aufschlüsselung erforderlich gewesen wäre, ist aber eine Rechtsfrage, auf die noch einzugehen sein wird.

3. Zur Prüfungsbefugnis des Berufungsgerichts:

3.1 Nach gesicherter Rechtsprechung gilt der Grundsatz, dass bei der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen zu prüfen ist (RIS‑Justiz RS0043352). Bei Vorliegen mehrerer selbständig zu beurteilender Rechtsfragen ist das Berufungsgericht jedoch an eine Beschränkung der Berufungsgründe gebunden (8 Ob 33/99g mwN; 2 Ob 136/10d; 3 Ob 166/16g; RIS‑Justiz RS0043352 [T26], RS0043338). Das Berufungsgericht darf daher nicht von sich aus eine rechtliche Beurteilung in Bezug auf eine selbständige Einwendung vornehmen, wenn die Berufung die diesbezügliche Rechtsansicht des Erstgerichts nicht bekämpft (6 Ob 131/15f; RIS‑Justiz RS0043338 [T32]). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass dies auch für die selbständige Einwendung der Verletzung der Schadenminderungspflicht gilt (4 Ob 86/08p).

3.2 Das Erstgericht hat eine Verletzung der Schadenminderungspflicht im Wesentlichen mit der Begründung verneint, dass der Erstklägerin aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Erfahrungen mit der „ R***** “ die Ablehnung einer „klassischen Traumatherapie“ – jedenfalls bis zum Ende des Jahres 2011 –nicht zum Vorwurf gemacht werden könne.

Gegen diese Rechtsansicht führten die beklagten Parteien in der Rechtsrüge ihrer Berufung nichts ins Treffen. Eine Verletzung der Schadenminderungspflicht wurde dort nur im Zusammenhang mit einer „Nichtbeantragung von Hartz IV“ releviert. Das Berufungsgericht vermeint jedoch, den Ausführungen zur Mängelrüge eine inhaltliche Bekämpfung auch der obigen Rechtsansicht entnehmen zu können. Diese Auslegung des Berufungsvorbringens ist jedoch verfehlt.

3.3 Unter dem Berufungsgrund der „Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens wegen Nichteinholung eines Gutachtens eines anderen Sachverständigen aus dem Fach der Psychiatrie“ verwiesen die beklagten Parteien zum einen auf ihre Ausführungen zur Beweisrüge, die insoweit nur Feststellungen über die tatsächlichen Unfallfolgen (Schmerzperioden; Dauer der psychischen Beeinträchtigung; Dauer der Arbeitsunfähigkeit) betrafen. Zum anderen verwiesen sie auf die von ihnen vorgelegten Privatgutachten, womit sie den Vorwurf einer „grundsätzlichen, den subjektiven Angaben der Erstklägerin stets folgenden und wohlwollend-interpretativen Einstellung“ der gerichtlich bestellten Sachverständigen verbanden. Die rechtliche Relevanz des gerügten Verfahrensmangels begründeten sie wie folgt (Unterstreichungen durch den Senat):

„Hätte das Erstgericht aufgrund der erheblichen Widersprüche zu den beiden anderen vorliegenden psychiatrischen Gutachten einen anderen Sachverständigen aus dem Fach der Psychiatrie zwecks Erstellung von Befund und Gutachten zur Frage der unfallskausalen krankheitswertigen psychischen Beeinträchtigung der Erstklägerin bestellt bzw ein solches Gutachten eingeholt, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erstklägerin zwar unstrittigermaßen eine solche Beeinträchtigung erlitten hat, allerdings in wesentlich geringerem Ausmaß und von erheblich geringerer Dauer, wie dies bereits in Punkt 1.) der Berufung konkret festzustellen begehrt wurde, welche lediglich eine Arbeitsunfähigkeit von ca 4 Wochen und ein EUR 12.000 rechtfertigendes Schmerzengeld bewirkte. Insbesondere wäre das Erstgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Unfallskausalität von allfälligen Beeinträchtigungen bei der Erstklägerin seit jedenfalls ca 6 Monaten nach dem unfallskausalen Ereignis nicht mehr vorliegt, sondern allfällige danach noch bestehende oder künftige allenfalls noch auftretende psychische Beeinträchtigungen allein persönlichkeitsimmanent sind, sohin Dauerfolgen und/oder Spätfolgen klar zu verneinen sind und eine Arbeitsunfähigkeit mit 4 Wochen ab dem Vorfallsereignis zu begrenzen ist.“

3.4 Mit diesen Ausführungen streben die beklagten Parteien wie in ihrer Beweisrüge ausschließlich eine Änderung der Feststellungen zu den tatsächlich eingetretenen Unfallfolgen an. Selbst bei großzügiger Auslegung ihres Berufungsvorbringens ergibt sich hingegen kein Anhaltspunkt für die ihnen vom Berufungsgericht unterstellte rechtliche Rüge, dass die Erstklägerin entgegen der Auffassung des Erstgerichts zwecks Minderung dieser tatsächlichen Unfallfolgen eine „klassische Traumatherapie“ in Anspruch nehmen hätte können und müssen und sich dadurch ein günstigerer Krankheitsverlauf ergeben hätte. Insoweit unterscheidet sich die Sachlage maßgeblich von jener, die der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 2 Ob 136/10d zugrunde lag.

3.5 Die Rechtsansicht des Erstgerichts, der Erstklägerin sei die Ablehnung einer „klassischen Traumatherapie“ – jedenfalls bis Ende 2011 – nicht als Verletzung der Schadenminderungspflicht vorwerfbar, blieb demnach in der Berufung der beklagten Parteien unbekämpft. Nach den erörterten Grundsätzen der Rechtsprechung war dem Berufungsgericht daher eine Befassung mit dieser selbständigen, abschließend erledigten Einwendung im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung verwehrt. Seine diesbezüglichen Ausführungen sind unbeachtlich und der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

3.6 Damit versagt auch die Schadensberechnung des Berufungsgerichts. Hinfällig sind insbesondere seine Überlegungen zur Berechtigung des – von der Erstklägerin gar nicht begehrten (vgl nur das klägerische Vorbringen in ON 13 zum Zugeständnis des Fehlens grober Fahrlässigkeit; RIS‑Justiz RS0115189) – reinen Trauerschadens. Eine Bemessung des Schmerzengelds für die krankheitswertige psychische Beeinträchtigung kann aber derzeit noch nicht erfolgen, weil die dazu getroffenen Feststellungen (ebenso wie jene zum Unfallhergang und zum Verdienstentgang) von den beklagten Parteien mit Beweis- und Mängelrüge angefochten wurden und diese Rügen vom Berufungsgericht noch nicht behandelt worden sind.

3.7 Die Aufhebung des angefochtenen Urteils erweist sich daher als unumgänglich. Im fortgesetzten Berufungsverfahren werden die folgenden Ausführungen zu beachten sein.

4. Zum anwendbaren Recht:

4.1 Im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit der Geschädigten liegt ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vor. Die Vorinstanzen haben den Schadenersatzanspruch der Erstklägerin zutreffend nach dem gemäß Art 3 HStVÜ maßgeblichen Recht des Unfallortes, somit nach österreichischem Recht beurteilt. Die bei Beteiligung nur eines Fahrzeugs in Betracht zu ziehende Ausnahmeregelung des Art 4 lit a HStVÜ kommt nicht zur Anwendung, weil das beteiligte Fahrzeug im Unfallstaat, also in Österreich, zum Verkehr zugelassen war.

4.2 Gemäß Art 8 HStVÜ bestimmt das anzuwendende Recht insbesondere die Voraussetzungen und den Umfang der Haftung, das Vorhandensein und die Art der zu ersetzenden Schäden, Art und Umfang des Ersatzes, Übertragbarkeit des Ersatzanspruchs und die Personen, die Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens haben. Die Aufzählung des Art 8 HStVÜ ist eine bloß beispielhafte, die zum Ausdruck bringt, dass grundsätzlich alle Rechtsfragen der außervertraglichen Haftung aus dem Verkehrsunfall von dieser Verweisungregel abgedeckt sein sollen (2 Ob 27/12b mwN SZ 2012/95 = ZVR 2013/220 = RIS‑Justiz RS0128480). Art 8 HStVÜ begnügt sich damit, einige besonders wichtige Punkte hervorzuheben ( Beitzke , Die 11. Haager Konferenz und das Kollisionsrecht der Straßenverkehrsunfälle, RabelsZ 1969, 204 [230]).

4.3 Der angestrebte weite Anwendungsbereich des Übereinkommens könnte darauf hindeuten, dass Art 8 HStVÜ auch die – hier noch zu erörternden – Fragen der Schuldtilgung erfassen soll (idS wohl Art 15 lit h Rom II‑VO; vgl dazu Jakob/Picht in Rauscher , EuZPR/EuIPR [2011] Art 15 Rom II‑VO Rn 17). Eine vertiefende Prüfung des Problems ist aber nicht erforderlich:

Wären die angesprochenen Fragen von Art 8 HStVÜ nicht umfasst und bestünde demnach eine Regelungslücke, käme im Hinblick auf das Unfalldatum (20. 8. 2008) § 48 IPRG aF zur Anwendung (zum zeitlichen Anwendungsbereich der Rom II‑VO vgl deren Art 31 und 32; vgl auch § 50 Abs 4 IPRG). Nach dieser Vorschrift, die alle Haftungsarten umfasst, bestimmt sich die Haftung nach dem Handlungsort, der hier mit dem Unfallort ident ist (vgl jüngst 2 Ob 18/16k mwN; RIS‑Justiz RS0121126). Es entspricht herrschender Auffassung, dass auch der Untergang des Schuldverhältnisses, somit auch das Erlöschen des Ersatzanspruchs durch Leistung, nach dem Recht des Schuldstatuts zu beurteilen ist (vgl 3 Ob 49/07p; Verschraegen in Rummel, ABGB³ II/6 Vor § 35 IPRG Rz 3 und § 48 IPRG Rz 32). Die im Folgenden noch zu erörternden Fragen der Schuldtilgung sind daher jedenfalls nach österreichischem Recht zu lösen, was im Übrigen zwischen den Parteien nicht strittig ist.

4.4 Was den in der Klage behaupteten Schmerzengeldanspruch des Unfallopfers anlangt, entscheidet das ermittelte Recht gemäß Art 8 Z 5 HStVÜ über die Übertragbarkeit des Ersatzanspruchs, worunter auch die Übertragbarkeit im Erbweg verstanden wird ( Rudolf , Internationaler Verkehrsunfall, ZVR 2008/61, 528 [531]; Verschraegen in Rummel , ABGB³ II/6 § 48 IPRG Rz 19).

Gesondert anzuknüpfen ist aber die Übertragung selbst. Diese bestimmt sich nach dem Erbstatut ( Rudolf aaO FN 60; Beitzke , Die 11. Haager Konferenz und das Kollisionsrecht der Straßenverkehrsunfälle, RabelsZ 1969, 204 [231]). Die EuErbVO ist auf den gegenständlichen Fall noch nicht anwendbar. Gemäß § 28 Abs 1 IPRG aF ist die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Diese Verweisung ist eine Gesamtverweisung, sie umfasst daher auch die Verweisungsnormen des verwiesenen Rechts (2 Ob 99/06g; RIS‑Justiz RS0076673). Das Personalstatut des Unfallopfers war deutsches Recht. Dieses nimmt die Verweisung an, weil sich gemäß Art 25 Abs 1 EGBGB aF die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes richtet. Der Erbschaftserwerb richtet sich daher nach deutschem Recht (2 Ob 99/06g mwN; RIS‑Justiz RS0076673 [T2]).

4.5 Das bedeutet:

(a) Die Vererblichkeit des in der Klage behaupteten Schmerzengeldanspruchs des Unfallopfers ist nach österreichischem Recht zu beurteilen, das in neuerer Rechtsprechung die Vererblichkeit uneingeschränkt bejaht (6 Ob 2068/96b SZ 69/217; RIS‑Justiz RS0031340 [T1], RS0105270; ausführlich Danzl in Danzl/Gutiérrez‑Lobos/Müller , Schmerzengeld 10 228 ff).

(b) Der Übergang des Anspruchs im Wege der anzunehmenden gesetzlichen Erbfolge – für eine letztwillige Anordnung der Minderjährigen besteht kein Anhaltspunkt – richtet sich hingegen nach § 1925 Abs 1 und 2 BGB. Danach ist der Anspruch, so ein solcher zu bejahen ist, zu gleichen Teilen auf die Eltern des Unfallopfers, die Erstklägerin und den Drittkläger, übergegangen. Gemäß § 1922 iVm § 1942 BGB trat der Erbschaftserwerb sogleich mit dem Erbfall ein (2 Ob 99/06g mwN).

4.6 Der Anspruch auf Ersatz der Bestattungskosten einschließlich der davon umfassten Fahrt- und Reisekosten (vgl Reischauer in Rummel , ABGB³ II/2b § 1327 Rz 9) richtet sich ebenso wie die Ermittlung der anspruchsberechtigten Personen gemäß Art 8 Z 4 und 6 HStVÜ nach österreichischem Recht.

5. Zur Anrechnung der Akontozahlung:

5.1 Vorauszuschicken ist, dass das Erstgericht den insoweit relevanten Inhalt der Urkunde Beilage ./1 (Schreiben der drittbeklagten Partei vom 12. 6. 2009) in den Feststellungen nicht wiedergegeben hat. Da sich aber sämtliche Parteien zum Beweis ihres Prozessvorbringens auf den Inhalt dieser Urkunde beriefen, ist dieser als unstrittig anzusehen. Es ist prozessual unbedenklich, unstrittiges Parteivorbringen – und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde – ohne weiteres der Entscheidung zugrunde zu legen (§§ 266 f ZPO). Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Revisionsgericht, weshalb der wesentliche Inhalt der erwähnten Urkunde eingangs wiedergegeben werden konnte (vgl 2 Ob 202/15t mwN; RIS‑Justiz RS0040083 [T1], RS0121557 [T3]).

5.2 Sofern Schuldner und Gläubiger keine Vereinbarung getroffen haben, welche von mehreren Schuldposten getilgt werden soll, gilt jene Schuld als abgetragen, die der Schuldner bezeichnet, es sei denn, der Gläubiger würde dagegen Widerspruch erheben. Die Erklärung des Schuldners kann ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Nur bei fehlender oder zweifelhafter Widmungserklärung greift die gesetzliche Tilgungsfolge des § 1416 ABGB ein (7 Ob 115/15k; RIS‑Justiz RS0034703). Die Verrechnung nach der Dispositivbestimmung des § 1416 ABGB setzt voraus, dass mehrere Schuldposten desselben Schuldners an den denselben Gläubiger in Frage stehen (RIS‑Justiz RS0033403). Leistet ein Schuldner mehrerer Gläubiger an einen gemeinsamen Empfänger, so ist § 1416 ABGB nicht anwendbar (vgl 4 Ob 20/09h mwN; RIS‑Justiz RS0033436; Koziol in KBB 4 § 1416 Rz 2; Reischauer in Rummel , ABGB³ II/3 § 1416 Rz 2). In diesem Fall ist die Bestimmung des Gläubigers, der die Leistung erhalten soll, allein Sache des Schuldners. Er kann frei entscheiden, welchen der Gläubiger er befriedigen will. Über die Verrechnung der geleisteten Zahlungen entscheidet in erster Linie die vom Schuldner bei der Zahlung abgegebene Widmungserklärung. Die im Einzelfall gebotene Auslegung der Widmungserklärung (vgl 8 ObS 1/04m) erfolgt nach den allgemeinen Regeln der §§ 914 f ABGB ( Reischauer aaO Rz 9). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert, demnach also, wie ein redlicher Empfänger der Erklärung diese unter Berücksichtigung aller Umstände verstehen musste (RIS‑Justiz RS0014160 [T23] uva).

5.3 Die drittbeklagte Partei hat die vorprozessuale Akontozahlung von 15.000 EUR ausdrücklich, wenngleich unpräjudiziell, zur Anrechnung „auf die Gesamtansprüche der Familie M*****“ gewidmet. Ein redlicher Erklärungsempfänger konnte diese Widmung durchaus dahin verstehen, dass der geleistete Betrag auf die Gesamtsumme aller berechtigten Ansprüche aller in Betracht kommenden und der Familie zugehörigen Gläubiger in Anrechnung gebracht, dh von dieser abgezogen werden soll. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zum Ausdruck gebracht, dass eine globale Widmung auf alle Forderungen aller Gläubiger denkbar ist (vgl 8 ObS 1/04m). Im konkreten Fall ist die Widmungserklärung dahin auszulegen, dass der Schuldner den Gläubigern die Wahl überließ, auf welche ihrer Ansprüche sie die Zahlung anrechnen wollten.

Die Vorgangsweise der (ursprünglich fünf) Kläger entspricht diesem Verständnis. Denn zu den „Gesamtansprüchen der Familie“ gehören nicht nur die eingeklagten Beträge, sondern auch die Bestattungskosten (12.822,37 EUR), das Schmerzengeld des Unfallopfers (2.000 EUR) und die unfallskausalen Fahrtkosten (177,63 EUR), wie sie in der Klage behauptet und beziffert wurden. Gegen die Anrechnung der Akontozahlung auf diese Schadenspositionen haben die beklagten Parteien nur den unsubstanziierten Einwand erhoben, dass diese unrichtig sei. Eine der Widmung widersprechende Anrechnung ist jedoch nicht erkennbar, sofern die Ansprüche berechtigt sind.

5.4 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es in der Klage auch keiner weiteren Aufschlüsselung der genannten Schadenspositionen. Diese wurden in der Klage individualisiert und beziffert. Es würde die Pflicht zur Präzisierung eines Vorbringens überspannen, wollte man die Anführung sämtlicher Einzelforderungen verlangen (vgl 1 Ob 99/07a; 1 Ob 253/15k; RIS‑Justiz RS0037907 [T1 und T9]). Das dazu erstattete Vorbringen ist ausreichend schlüssig.

5.5 Anspruchsgrundlage für die Bestattungskosten ist § 1327 ABGB oder – im Falle der Gefährdungshaftung – § 12 Abs 1 Z 5 EKHG. Anspruchsberechtigt ist jene Person, die sie zu tragen verpflichtet ist oder sie tatsächlich getragen hat (2 Ob 22/89; 1 Ob 282/00b; RIS‑Justiz RS0031439; Reischauer in Rummel , ABGB³ II/2b § 1327 Rz 11).

(a) Die Erstklägerin hat im erstinstanzlichen Verfahren das an die drittbeklagte Partei gerichtete Anspruchsschreiben vom 19. 4. 2011 vorgelegt, in welchem die Bestattungskosten mit Hinweis auf beigefügte Rechnungen im Detail aufgelistet wurden, und dessen Echtheit die beklagten Parteien anerkannten (Beilage ./K). Das Erstgericht hat diese Urkunde mit den Parteien in der Tagsatzung vom 24. 6. 2015 erörtert, wobei die beklagten Parteien nur eine einzige Position, nämlich die Kosten für die Anfertigung von Trauerschmuckstücken in Höhe von 1.553 EUR als nicht ersatzfähig bestritten (ON 73).

(b) Im Übrigen aber, also hinsichtlich der restlichen 11.269,37 EUR, sind die diesem Anspruch zugrunde liegenden Tatsachen mangels substanziierten Bestreitens als zugestanden anzusehen. Dass die beklagten Parteien nicht auch in Ansehung der übrigen Detailpositionen zu konkretem Gegenvorbringen in der Lage gewesen wären, ist nicht ersichtlich und wurde von ihnen auch nicht behauptet (vgl 2 Ob 8/16i mwN). Auch das Erstgericht ist offenkundig von einem solchen Zugeständnis ausgegangen, hat es doch nur die konkret bestrittene Teilforderung geprüft.

(c) Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht nicht erstmals § 273 ZPO anwenden und die Bestattungskosten nach freiem Ermessen festsetzen dürfen (vgl 10 ObS 95/91; 3 Ob 122/08z; RIS‑Justiz RS0040419). Dass es dies dennoch tat, begründet einen Mangel des Berufungsverfahrens. Die Erstklägerin rügt in der Revision als „wesentlichen Verfahrensmangel“, dass die Akontozahlung abweichend vom Erstgericht nicht auf die schon in der Klage genannten Positionen angerechnet worden sei. Damit wendet sie sich unmissverständlich auch gegen jede weitere Kürzung, somit aber auch, was die Bestattungskosten anlangt, gegen die Anwendung des § 273 ZPO. Andererseits hält sie der die Ersatzfähigkeit von Trauerschmuckstücken zur Gänze ablehnenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts nichts entgegen. Dem fortzusetzenden Berufungsverfahren werden daher Bestattungskosten von 11.269,37 EUR zugrunde zu legen sein.

5.6 Anders verhält es sich mit den behaupteten Fahrtkosten von 177,63 EUR. Dazu liegen weder ein Tatsachengeständnis noch ein Beweisanbot, Beweisergebnisse oder Feststellungen vor. Auf welcher Grundlage dennoch eine Berücksichtigung dieser Kosten erfolgen hätte müssen, wird in der Revision nicht ausgeführt. Auch ein Feststellungsmangel wird nicht gerügt. Insoweit hat es daher beim Ergebnis des Berufungsgerichts zu bleiben.

5.7 Gänzlich ungeprüft blieb bisher das in der Klage mit 2.000 EUR bezifferte Schmerzengeld des Unfallopfers. Anspruchsgrundlage ist § 1325 ABGB bzw § 12 Abs 1 Z 4 EKHG (vgl dazu Danzl , EKHG 9 § 12 Anm 7a).

(a) Bei Bemessung des Schmerzengelds ist der Gesamtkomplex der Schmerzempfindung unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der psychischen und physischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0031040).

(b) Feststellungen über die Verletzungen des Unfallopfers liegen nicht vor. Sie waren aber jedenfalls so schwerwiegend, dass die Schwerstverletzte am Tag nach dem Unfall verstarb. Zwar ist die Dauer der Schmerzempfindung bei der Bemessung des Schmerzengelds ein wichtiger Faktor, es kommt aber auch auf den Rang des verletzten Rechtsguts an. Gerade beim Tod des Verletzten, der in zeitlicher Nähe zum Unfall liegt, kann nicht allein auf die kurze Dauer der Leidenszeit abgestellt werden. Es muss vielmehr auch die Schwere des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit berücksichtigt werden. Erforderlich ist nur, dass die Körperverletzung noch als abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung gesehen werden kann (vgl Karner , Schmerzengeldbemessung, vermindertes Schmerzempfinden und Schmerztherapie, ZVR 2010/130, 280 [281]; eingehend Danzl in Danzl/Gutiérrez‑Lobos/Müller , Schmerzengeld 10 265 ff, mit umfassendem Überblick über die vorwiegend deutsche Rechtsprechung und den Meinungsstand zu einer – hier jedenfalls überschrittenen – „Mindestüberlebensdauer“ des Verletzten).

(c) Der Senat hält unter den gegebenen Umständen das in Ansatz gebrachte Schmerzengeld von 2.000 EUR für angemessen. Dabei fällt nicht entscheidend ins Gewicht, ob das Unfallopfer nach dem Unfall noch bei Bewusstsein war und ob es Schmerzen empfand oder nicht (vgl 2 Ob 106/10t mwN; RIS‑Justiz RS0031232; Danzl aaO 126 ff).

5.8 Die nicht prozessgegenständlichen, jedoch zu den „Gesamtansprüchen der Familie M*****“ gehörenden Ansprüche, auf welche die Akontozahlung von 15.000 EUR zutreffend, weil widmungsgemäß angerechnet wurde, betragen somit insgesamt 13.269,37 EUR. Allerdings blieb seitens der Erstklägerin die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung von 1 : 1 unbekämpft. Unter dieser Prämisse wären auch die erörterten Ansprüche entsprechend zu kürzen, was das Erstgericht bei seiner Schadensberechnung unberücksichtigt ließ. Dies ergäbe einen Betrag von 6.634,69 EUR, sodass von den geleisteten 15.000 EUR jedenfalls 8.365,31 EUR abzüglich der vom Erstgericht bereits herangezogenen 1.000 EUR, somit noch ein Rest von 7.365,31 EUR, zur Deckung der weiterhin streitverfangenen Ansprüche von 27.215 EUR verbliebe. Ob es damit sein Bewenden hat, ist aber mangels Erledigung der von den beklagten Parteien in der Berufung erhobenen Beweis‑ und Mängelrügen derzeit noch nicht abschließend beurteilbar.

6. Ergebnis:

Das Berufungsgericht ist, ausgehend von einer durch den Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, auf die von den beklagten Parteien relevierten sonstigen Berufungsgründe nicht eingegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Im fortgesetzten Berufungsverfahren werden die obigen Erwägungen zu berücksichtigen sein.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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