OGH 2Ob27/12b

OGH2Ob27/12b20.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Tramposch & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Kolar, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 25.074,13 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. November 2011, GZ 1 R 213/11z‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. Juli 2011, GZ 41 Cg 174/10s‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 23. 2. 2005 ereignete sich in Ellmau auf der Schiabfahrt in Richtung Talstation der Hartkaiserbahn auf einem Interessentenweg ein Unfall zwischen Cornelius V***** als Schifahrer und einem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten Pkw. Rechtskräftig steht fest, dass die beklagte Partei dem Schifahrer für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem Unfall zu einem Drittel haftet, dies beschränkt mit den Haftungshöchstbeträgen des § 15 EKHG.

Cornelius V***** hatte bis 1990 ein Unternehmen, das sich mit der Verarbeitung von Hühnern und Wild beschäftigte. In der Folge wurden zwei Kapitalgesellschaften gegründet, nämlich die Klägerin, deren alleiniger Gesellschafter und Vorstand Cornelius V***** ist, die aber nicht operativ tätig ist, sondern sich mit Vermögensverwaltung beschäftigt, und die C***** B.V., die wiederum im 100%igen Eigentum der Klägerin steht. Diese Gesellschaft führte die frühere Geschäftstätigkeit des Cornelius V***** in der Hühner‑ und Wildverarbeitung fort. Cornelius V***** war bei der C***** B.V. zunächst als alleiniger Vorstand operativ tätig, wofür die C***** B.V. der Klägerin eine Managementvergütung bezahlte, die von der Klägerin an Cornelius V***** als Gehalt ausbezahlt wurde.

Die Klägerin schloss im Jahre 1990 mit Cornelius V***** einen Dienstvertrag, in dem ein Gehalt von 65.000 holländischen Gulden jährlich, zahlbar nach Ablauf eines jeden Jahres vereinbart wurde. Weiters wurde eine Berechtigung, einen Betrag von 3.000 holländischen Gulden monatlich als Vorschuss auf dieses Jahresgehalt zu beheben, eingeräumt. Zusätzlich konnte er laut Art 2 des Dienstvertrags eine Gewinnbeteiligung erhalten.

In Art 5 des Dienstvertrags heißt es unter dem Titel „Krankheit/Arbeitsunfähigkeit“ u.a.:

„a) Im Falle der Krankheit oder einer vorübergehenden vollständigen Arbeitsunfähigkeit bezahlt die Gesellschaft dem Dienstnehmer während der ersten neun Monate dieser Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit ein Entgelt in einer solchen Höhe, dass das von der Gesellschaft geleistete Nettoentgelt zusammen mit dem Betrag, den der Dienstnehmer aufgrund der Sozialversicherungsgesetze bzw aufgrund der von der Gesellschaft finanzierten anderen Arbeitsunfähigkeitsregelungen erhalten wird, dem Nettogehalt entspricht, das der Dienstnehmer während dieser neun Monate erhalten hätte, wenn er normal gearbeitet hätte.

b) Im Falle der Teilunfähigkeit werden das Gehalt und die Gewinnbeteiligung nach Rücksprache mit dem Dienstnehmer unter Berücksichtigung der Leistungen, die der Dienstnehmer aufgrund der Sozialversicherungsgesetze und aufgrund der von der Gesellschaft finanzierten anderen Arbeitsunfähigkeitsregelungen erhalten wird, nach billigem Ermessen von der Gesellschaft festgelegt, und zwar unter der Bedingung, dass diese obigen Entgeltleistungen nicht um einen höheren Prozentsatz als im Falle der Anwendung der Sozialversicherungsgesetze, die bei Arbeitsunfähigkeit des Dienstnehmers zur Geltung kommen würden, verringert werden. Während der ersten neun Monate hat der Dienstnehmer jedoch Anspruch auf ein Entgelt, das nicht weniger als das Entgelt im Falle der Krankheit ist.

f) Die Bestimmungen der Absätze a) bis c) dieses Artikels finden keine Anwendung, falls und soweit der Dienstnehmer in Bezug auf seine Krankheit oder aufgrund eines ihm zustoßenden Unfalls gegenüber Dritten einen Schadenersatzanspruch wegen Verdienstentgangs geltend machen kann. Im letzten Fall wird die Gesellschaft das in Art 5 genannte Entgelt trotzdem ausbezahlen, jedoch nur im Wege eines Vorschusses auf diese Schadenersatzsumme. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Dienstnehmer seinen Schadenersatzanspruch in der Höhe jenes Betrags, den er von der Gesellschaft als Vorschuss erhalten hat, an die Gesellschaft abgetreten hat. Wenn er dazu aufgefordert wird, ist der Dienstnehmer verpflichtet, eine sich auf diese Abtretung beziehende Zessionsurkunde zu unterzeichnen. Die Gesellschaft wird die zu leistende Schadenersatzsumme mit dem Vorschuss verrechnen.“

Cornelius V***** war bis 2003 als alleiniger Vorstand der Firma C***** B.V. tätig, in diesem Jahr übernahmen zwei Söhne je 25 % der Anteile und Vorstandstätigkeiten. Während der Arbeitsunfähigkeit des Cornelius V***** wurden seine Tätigkeiten von seinen beiden Söhnen übernommen. Per 1. 8. 2008 schied Cornelius V***** insgesamt aus dem operativem Geschäft der C***** B.V. aus. Auch während der Perioden der gänzlichen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit bezahlte die C***** B.V. die Managementvergütungen an die klagende Partei in gleicher Höhe weiter, die von dieser an Cornelius V***** als Gehalt weitergeleitet wurden.

Aus Art 107a, Buch 6, des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt sich, dass dann, wenn ein Dienstgeber aufgrund von Art 629 Abs 1 Buch 7 des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs oder aufgrund eines Dienstvertrags oder eines Tarifvertrags verpflichtet ist, den Lohn während einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit des Verletzten zu bezahlen, er, falls diese Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit des Verletzten Folge eines Ereignisses ist, für das eine andere Person haftet, einen Schadenersatzanspruch gegenüber dieser anderen Person in der Höhe des von ihm bezahlten Lohns hat. Der Schadenersatzanspruch kann aber höchstens bis zu jenem Betrag geltend gemacht werden, für den diese andere Person ohne eine bestehende Lohnfortzahlungspflicht haften würde, wobei dieser Betrag wiederum um die Schadenersatzsumme, welche die haftende Person dem Verletzten bezahlen muss, verringert wird.

Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft nach niederländischem Recht, begehrt 25.075,13 EUR sA und brachte vor, dass sie dem verunfallten Schifahrer, der Alleineigentümer und Vorsitzender der Klägerin sei, sowohl aufgrund gesetzlicher als auch vertraglicher Verpflichtung für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit Lohnfortzahlungen in Höhe von insgesamt 75.222,40 EUR sA geleistet habe. Ein Drittel davon entspreche dem Klagsbetrag. Bereits im Jahr 1990 habe sie mit dem Verunfallten einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, laut dessen Art 5 im Falle der Erkrankung oder Invalidität während der ersten neun Monate eine Lohnfortzahlung vereinbart worden sei. Weiters sei vereinbart worden, dass dann, wenn der Arbeitnehmer gegen Dritte eine Schadenersatzforderung wegen des Einkommensverlusts geltend machen könne, der entsprechende Betrag der Klägerin als abgetreten gelte und der Arbeitnehmer auf Verlangen auch verpflichtet sei eine Abtretungsurkunde zu unterzeichnen.

Zwar sei gemäß § 48 IPRG auf den Schiunfall österreichisches Recht anzuwenden, für den Übergang der Lohnfortzahlungsansprüche sei aber die niederländische Rechtslage maßgebend. Die Berechtigung zur Geltendmachung des Lohnfortzahlungsschadens durch die Klägerin ergebe sich insbesondere aus Art 107a des niederländischen bürgerlichen Gesetzbuchs. Lediglich aus anwaltlicher Vorsicht seien die Verdienstentgangsansprüche der Klägerin auch zum Inkasso abgetreten worden. Lohnfortzahlungen seien nicht auf Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne beschränkt. Der Schaden der Klägerin liege darin, dass die Firma C***** B.V. während der Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung des Verunfallten erhalten habe. Die Klagsforderung sei gegenüber der Beklagten bis zum 21. 3. 2008 fällig gestellt worden, die Beklagte habe bis zum 31. 12. 2010 auf den Verjährungseinwand verzichtet.

Die Beklagte bestritt und wandte ein, dass kein kausaler Lohnfortzahlungsschaden bei der Klägerin eingetreten sei. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei nach österreichischem Recht zu beurteilen, ein mittelbarer Schaden aber nach österreichischem Schadenersatzrecht nicht ersatzfähig. Cornelius V***** habe zum Unfallszeitpunkt die Firma C***** B.V. geführt, das sei aber ein von der Klägerin verschiedenes Unternehmen. Die Klägerin sei eine bloße Vermögensverwaltungsgesellschaft, die keine operative Tätigkeit ausführe. Eine Verpflichtung zur Lohnfortzahlung habe die Klägerin auch deshalb nicht getroffen, weil sie laut Arbeitsvertrag Zahlungen nur vorschussweise bis zur Durchsetzung der Verdienstentgangsforderung zu leisten habe. Art 5 des Arbeitsvertrags selbst enthalte keine Abtretung. Die im Verfahren vorgebrachte Abtretung stütze sich auf einen anderen Rechtsgrund und sei verjährt, weil ein Verjährungsverzicht nur bis 31. 12. 2010 abgegeben worden sei. Der Klägerin sei auch deshalb kein Schaden entstanden, weil Cornelius V***** alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft sei und maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Betriebs habe. Er sei nicht Arbeitnehmer. Hätte die Auszahlung von Monatsbeträgen an ihn nicht stattgefunden, wäre der Gewinn der Klägerin entsprechend höher gewesen und dieser wiederum dem Verunfallten als Alleingesellschafter zugeflossen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht meinte es, nicht der Klägerin, sondern der C***** B.V. sei ein Schaden entstanden, weil Cornelius V***** bei dieser Firma tatsächlich tätig gewesen sei und die Klägerin von der C***** B.V. die laut Dienstvertrag ausbezahlten Gehälter in Form einer Managementvergütung auch in den Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit des Cornelius V***** ersetzt bekommen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es gelangte unter Hinweis auf das Haager Straßenverkehrsübereinkommen zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich österreichisches Recht anzuwenden sei, auf die Frage der Lohnfortzahlungspflicht aber niederländisches. Da Art 5 des Dienstvertrags von einem Vorschuss auf die Schadenersatzzahlung spreche, könne insoweit von einer Verpflichtung zur Lohnfortzahlung nicht gesprochen werden. Ob eine darüber hinausgehende gesetzliche Lohnfortzahlungspflicht nach niederländischem Recht bestanden habe, könne auch dahingestellt bleiben, weil zunächst nach österreichischem Recht zu fragen sei, ob der Klägerin überhaupt ein ersatzfähiger Schaden entstanden und sie aktivlegitimiert sei. Zwar liege hier grundsätzlich ein Fall der Schadensverlagerung vor, nach den getroffenen Feststellungen sei Cornelius V***** aber operativ bei der C***** B.V. tätig gewesen, die - auch während der Perioden der gänzlichen oder teilweisen Arbeitsunfähigkeit - der Klägerin eine Managementvergütung überwiesen habe, die dem Verunfallten „als Gehalt“ ausbezahlt worden sei. Bei der Klägerin sei daher durch die Arbeitsunfähigkeit des Cornelius V***** keine Vermögensveränderung nach unten und damit kein Schaden eingetreten. Die unabhängig vom Unfall überwiesene Managementvergütung sei ein Durchlaufposten ohne Auswirkung auf ihr Vermögen gewesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Schaden sei in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf die C***** B.V. „verlagert“ worden, die das wirtschaftliche Risiko der Rechtsgutverletzung getragen habe.

Die von der Klägerin argumentierte Vorteilsanrechnung sei im Verhältnis zwischen der Klägerin und der C***** B.V. nicht relevant. Voraussetzung dafür sei nämlich die Kausalität des haftbar machenden Ereignisses auch für den entstandenen Vorteil. Wie die Klägerin selbst vorbringe, werde die Managementvergütung unabhängig von einem Schadensereignis von der C***** B.V. an die Klägerin bezahlt, sodass die Managementvergütung keinen Vorteil darstelle, der unfallkausal und daher anzurechnen sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass hier doch ein Fall der Schadensverlagerung ohne Weiterverlagerung auf die C***** B.V. vorliege.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil „im Sinne einer Klagsabweisung“ (gemeint wohl: Klagsstattgebung) abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Bei einer B.V. handelt es sich um eine Gesellschaft niederländischen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, die einer österreichischen GmbH vergleichbar ist. Seit 1. 1. 1987 ist auch eine Ein‑Personen‑B.V. zulässig (Fritz, Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der EU, 213). Organe der Gesellschaft sind die Gesellschafterversammlung und die Geschäftsführung, in gewissen Fällen auch ein Aufsichtsrat (Fritz aaO 219 ff).

2. Der vorliegende Verkehrsunfall hat sich in Österreich mit einem in Österreich haftpflichtversicherten Kfz und einem niederländischen Schifahrer auf einem sogenannten Interessentenweg ereignet.

Nach dem Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht (HStVÜ) sind die darin geregelten Kollisionsnormen nach Art 1 auf Straßenverkehrsunfälle anzuwenden. Darunter sind Unfälle zu verstehen, an denen ein oder mehrere Fahrzeuge beteiligt sind und die mit dem Verkehr auf öffentlichen Straßen, öffentlich zugänglichem Gelände oder auch nichtöffentlichen, aber einer gewissen Anzahl befugter Personen zugänglichem Gelände zusammenhängen. Dass es sich bei dem Unfallsort auf einem Interessentenweg um einen derartigen Ort iSd Art 1 HStVÜ handelt, wurde von den Parteien nicht in Zweifel gezogen.

Da auch keiner der in Art 4 des HStVÜ für Unfälle, an denen nur ein Fahrzeug beteiligt war, vorgesehenen Ausnahmefälle vorliegt, ist grundsätzlich gemäß Art 3 des genannten Übereinkommens österreichisches Recht anzuwenden.

Nach Art 8 HStVÜ bestimmen sich nach diesem Recht insbesondere die Voraussetzung und der Umfang der Haftung, das Vorhandensein und die Art der zu ersetzenden Schäden, Art und Umfang des Ersatzes, Übertragbarkeit des Ersatzanspruchs und die Personen, die Anspruch auf Ersatz des persönlich erlittenen Schadens haben.

Die Aufzählung des Art 8 HStVÜ ist eine bloß beispielhafte, die zum Ausdruck bringt, dass grundsätzlich alle Rechtsfragen der außervertraglichen Haftung aus dem Verkehrsunfall von dieser Verweisungsregel abgedeckt werden sollen (Ofner in Schlosser/Fucik/Hartl, Verkehrsunfall VI², Rz 1025). Die in Art 8 Z 5 HStVÜ erwähnte Übertragbarkeit von Ersatzansprüchen ist dahingehend einzuschränken, dass sich die Frage der Übertragung des Anspruchs selbst nach dem maßgeblichen Sonderstatut richtet. Im Übrigen ist diese Bestimmung nur auf rechtsgeschäftliche Abtretungen anzuwenden, bei Legalzessionen dagegen ist die Übertragbarkeit nach dem Zessionsgrundstatut zu beurteilen (Ofner aaO Rz 1026; RIS‑Justiz RS0083638; RS0077427; 2 Ob 249/08v mwN; 2 Ob 170/05x).

3. Was die nach österreichischem Recht zu beurteilende Frage der Person, die Anspruch auf Ersatz hat, betrifft, judiziert der erkennende Senat seit der grundsätzlichen Entscheidung 2 Ob 21/94 für die sogenannten Lohnfortzahlungsfälle, dass es sich dabei um eine bloße Schadensverlagerung handelt. Wird ein Verkehrsteilnehmer bei einem Verkehrsunfall verletzt, so ist es eine typische, vom Schutzzweck der Bestimmung der Straßenverkehrsordnung umfasste Folge seiner hiedurch verursachten Arbeitsunfähigkeit, dass er einen Verdienstentgang erleidet. Ist der Verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf den Dienstgeber überwälzt. Die Vorschriften über die Lohnfortzahlung haben aber nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, sondern vielmehr jenen, den Dienstnehmer vor sozialen Härten zu schützen. Die Ersatzpflicht des Schädigers wird daher durch die Lohnfortzahlung nicht ausgeschlossen. Zur Überleitung des Anspruchs des Dienstnehmers auf den Dienstgeber vertritt der erkennende Senat seit dieser Entscheidung die analoge Anwendung der § 1358 ABGB, § 67 VersVG, sodass der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht. Einer rechtsgeschäftlichen Zession bedarf es nicht.

In 2 Ob 2056/96h hat der erkennende Senat in Fortführung dieser Judikaturlinie ausgesprochen, dass kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Dienstgebern in diesem Zusammenhang danach besteht, ob sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder aber privatrechtlicher Vereinbarung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind. Beiden Fällen liegen gleich zu bewertende Interessenlagen der Beteiligten zugrunde. Es wäre daher sachlich nicht gerechtfertigt, den Schädiger nur deshalb zu entlasten, weil der Dienstgeber dem Geschädigten vertraglich zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.

Es ist daher nach österreichischem Recht von der grundsätzlichen Verlagerung des Ersatzanspruchs auch in Fällen vertraglicher Lohnfortzahlungsverpflichtung auf den Dienstgeber auszugehen.

4. Deshalb ist zu fragen, ob im vorliegenden Dienstvertrag eine solche Lohnfortzahlungspflicht der Klägerin vereinbart wurde.

Art 5 des Dienstvertrags enthält in seinen lit a) und b) grundsätzlich eine solche Entgeltfortzahlungsverpflichtung. Lit f) bestimmt zusammengefasst, dass diese Absätze keine Anwendung finden, wenn der Dienstnehmer einen Schadenersatzanspruch wegen Verdienstentgangs gegenüber einem Dritten geltendmachen kann. In diesem Fall wird nach der Regelung des Vertrags die Gesellschaft das in Art 5 genannte Entgelt trotzdem ausbezahlen, jedoch nur als Vorschuss auf die Schadenersatzsumme, wobei von einer Abtretung des Schadenersatzanspruchs in Höhe des Vorschussbetrags an die Gesellschaft ausgegangen und vereinbart wird, dass die Gesellschaft die zu leistende Schadenersatzsumme mit dem Vorschuss verrechnet.

Unabhängig davon, ob man die von der Gesellschaft zu erbringende Leistung nun als Entgelt oder als Vorschuss bezeichnet, ergibt sich aus dem gesamten Sinn der Bestimmung doch, dass die Gesellschaft verpflichtet wird, auch bei Bestehen eines Schadenersatzanspruchs gegen einen Dritten einen Betrag, der zumindest der Höhe nach dem Entgelt entspricht, ohne weitere Bedingungen gleich den Fällen lit a) und b) des Art 5 auszubezahlen. Insbesondere ist die Bezahlung weder von der tatsächlichen Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs gegenüber dem Dritten durch die Gesellschaft bzw der Einbringlichkeit dieses Ersatzanspruchs oder anderen Bedingungen abhängig und wird lediglich bestimmt, dass die Gesellschaft die zu leistende Schadenersatzsumme mit dem Vorschuss verrechnet, nicht umgekehrt aber, dass der Vorschuss durch die geleistete Schadenersatzsumme begrenzt oder bedingt wäre. Der Sinngehalt der Regelung ist daher im Ergebnis letztendlich eine Verpflichtung zur Weiterzahlung des Entgelts gekoppelt mit einem beabsichtigten Forderungsübergang des Schadenersatzanspruchs an den Dienstgeber.

5. Ob die in dieser Bestimmung enthaltene Formulierung, es werde davon ausgegangen, dass der Dienstnehmer den Schadenersatzanspruch in Höhe des Vorschusses an die Gesellschaft abgetreten hat, eine ausreichende Abtretung künftiger Forderungen darstellt (zur österreichischen Rechtslage vgl RIS‑Justiz RS0032827), muss nicht geprüft werden, weil nach Art 107a Abs 2, Buch 6, des Niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs auch bei einer vertraglichen Entgeltfortzahlungspflicht der Dienstgeber einen Schadenersatzanspruch gegenüber der haftpflichtigen Person in Höhe des von ihm ausbezahlten Lohns geltend machen kann, insoweit also auch für vertragliche Entgeltfortzahlungsansprüche eine Legalzession an den Dienstgeber normiert ist. Wie bereits dargelegt, richtet sich die Frage der Legalzession nach niederländischem Recht.

6. Zur Frage der Ersatzfähigkeit des Entgelts des (Allein‑)Gesellschafter‑Geschäftsführers als Schaden:

Der Oberste Gerichtshof hatte sich bisher ‑ soweit überblickbar ‑ mit Lohnfortzahlungsfällen bei Angestellten bzw Beamten zu beschäftigen (vgl RIS‑Justiz RS0043287), nicht jedoch mit der Vergütung eines Alleingesellschafters. Judiziert wurde lediglich, dass der Schaden, der im Vermögen der GmbH infolge einer Körperverletzung des geschäftsführenden Alleingesellschafters dadurch entstand, dass sie die Kosten einer wegen des temporären Ausfalls einer Arbeitskraft tatsächlich eingestellten Ersatzkraft zu tragen hatte, ein nicht erstattungsfähiger Drittschaden der Gesellschaft, die insofern nur mittelbar geschädigt sei, und kein Fall einer Schadensverlagerung sei (vgl 6 Ob 43/10g mwN).

Wie schon erwähnt wurde die in 2 Ob 21/94 für einen Fall der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht ausgesprochene Rechtsfolge sodann auch bei privatrechtlich vereinbarter Entgeltfortzahlung herangezogen (2 Ob 2056/96h = RIS‑Justiz RS0020106 [T8]), weil beiden Fällen eine gleich zu bewertende Interessenlage zugrunde liegt.

Diese gleiche Interessenlage besteht aber auch bei einem aufgrund eines Dienstvertrags zustehenden Geschäftsführerentgelts ‑ unabhängig von dessen rechtlicher Einordnung zB als freier Dienstvertrag ‑ und daher auch bei einem geschäftsführenden Alleingesellschafter, wenn dessen Dienstvertrag die Verpflichtung des Dienstgebers enthält, das Entgelt nach einem fremdverschuldeten Unfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit weiter zu bezahlen. Auch bei solcher Entgeltfortzahlung ist insoweit von einem Fall der ‑ zur Ersatzfähigkeit führenden ‑ Schadensverlagerung auszugehen.

7. Zur „Weiterverlagerung“ des Schadens:

Der vorliegende Fall ist weiters dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschaft, mit der der Geschädigte den Dienstvertrag abgeschlossen hat, also die Dienstgeberin des Verletzten, von der Gesellschaft verschieden ist, bei der der Verletzte seine Tätigkeit tatsächlich verrichtete. Es stellt sich daher die weitere Frage, ob der Schaden auf die Gesellschaft, bei der der Verunfallte tatsächlich tätig wurde, „weiterverlagert“ wurde.

Mit einer ähnlichen Fallgestaltung beschäftigte sich ‑ soweit ersichtlich ‑ nur eine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs. In 8 Ob 118/04t war der verunfallte Geschädigte Beamter der Stadt Wien, jedoch einer davon ausgelagerten GmbH dienstzugeteilt. Für solche Fälle regelte eine Bestimmung des Wiener Zuweisungsgesetzes, dass der Dienststelle, die die Rechte und Pflichten als Dienstbehörde bzw Dienstgeber wahrnimmt, jedenfalls der gesamte anfallende ‑ näher dargelegte ‑ Aufwand zu ersetzen ist. Die dortige Klägerin hatte diesen Aufwand in Form der Direktüberweisung des Gehalts an den Geschädigten getragen. Der Oberste Gerichtshof ging davon aus, dass die Stadt Wien als Dienstgeberin des Geschädigten diesem gegenüber in Ansehung der Entgeltfortzahlungsansprüche unmittelbar verpflichtet gewesen sei, sowie dass als Folge der Bestimmung des Wiener Zuweisungsgesetzes aber letztlich nicht sie, sondern die ausgelagerte Gesellschaft, bei der der Geschädigte tatsächlich tätig war, den Schaden tatsächlich getragen habe. Es sei damit zu einer weiteren Schadenverlagerung von der Stadt Wien auf die ausgelagerte Gesellschaft gekommen und der tatsächliche Schaden bei dieser eingetreten. Damit liege ein Fall der bloßen (weiteren) Schadensverlagerung vor, in dem es sachgerecht sei, auch im Verhältnis zwischen der eigentlichen Dienstgeberin und der ausgegliederten Gesellschaft die Analogie zu § 1358 ABGB, § 67 VersVG anzuwenden. Der Anspruch des Geschädigten, der zunächst aufgrund der Legalzession dem Dienstgeber zugestanden habe, sei mit der tatsächlichen Lohnfortzahlung durch die ausgelagerte Gesellschaft auf diese übergegangen.

8. Da eine bloße Schadensverlagerung grundsätzlich nicht nur bei gesetzlich vorgesehenen Lohnfortzahlungsfällen, sondern auch bei vertraglicher Lohnfortzahlungspflicht möglich ist, muss dies auch für die „Weiterverlagerung“ gelten und besteht insoweit kein relevanter Unterschied zum hier zu beurteilenden Sachverhalt.

Dass hier die Gesellschaft, bei der der Verunfallte tatsächlich tätig war, die Managementvergütung nicht direkt an ihn auszahlte, sondern an die Klägerin, die sie an den Verunfallten weiterleitete, macht keinen rechtlich relevanten Unterschied.

Auch bei vertraglicher Weiterverlagerung des wirtschaftlichen Risikos kann es daher grundsätzlich zur Weiterverlagerung des Schadens kommen.

9. Für eine abschließende Beurteilung der Sache fehlen allerdings Feststellungen, ob hier im Fall der Arbeitsunfähigkeit bzw Krankheit des Cornelius V***** eine rechtliche Verpflichtung der C***** B.V. zur Bezahlung der Managementvergütung des Verunfallten an die Klägerin ohne weiteres bestand oder zB nur im Fall der Zurverfügungstellung einer anderen geeigneten Geschäftsführung. Alleine die Tatsache der faktischen Zahlung reicht nicht aus, um eine vertragliche Weiterverlagerung des Schadens zu bejahen.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen haben die Söhne die operativen Tätigkeiten des Verunfallten bei der C***** B.V. übernommen. Es läge nahe, diese Tätigkeiten gleich jenen des Vaters zu werten und die familieäre Mithilfe außer Acht zu lassen, um den Schädiger nicht zu entlasten. Jedoch ist zu bedenken, dass die Söhne nach den Feststellungen zu je 25 % Anteilseigner der C***** B.V. waren und Vorstandstätigkeiten ausübten, während eine allfällige Rechtsbeziehung zur Klägerin im Dunkeln blieb. Unklar ist daher, ob die Söhne während des Ausfalls des Vaters dessen dienstvertragliche Aufgaben übernahmen, sodass die C***** B.V. der Klägerin das Geschäftsführerentgelt für vereinbarungsgemäß erbrachte Leistungen bezahlte und der Schaden daher letztlich bei der Klägerin lag (also nicht weiterverlagert wurde), oder ob diese Arbeitsübernahme tatsächlich innerhalb der C***** B.V. stattfand und die C***** B.V. das Entgelt des Verunfallten weiter bezahlen musste, obwohl sie (zusätzlich) selbst für ihre Geschäftsführung sorgte (was für eine Weiterverlagerung spräche).

Im fortgesetzten Verfahren wird also insbesondere noch die Zuordnung der Aushilfsleistung der Söhne zu klären sein.

10. Die Frage der Vorteilsanrechnung stellt sich nicht, weil die Lohnfortzahlung ein Fall des sog „verhinderten Vorteilsausgleichs“ ist (vgl Koziol/Welser 13, Bürgerliches Recht II, 331; Karner in KBB³, § 1295 ABGB Rz 16 f).

11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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