OGH 2Ob2056/96h

OGH2Ob2056/96h12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Josef Lechner und Dr. Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagten Parteien 1.) Christian B*****, Angestellter, ***** und 2.) D*****-AG, ***** beide vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Günter Tews, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 254.362,18 s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 24. Jänner 1996, GZ 6 R 219/95-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 1. September 1995, GZ 4 Cg 220/94z-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 13.414,50 (darin S 2.235,75 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. 3. 1994 stieß der Erstbeklagte mit einem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug Dkfm Peter R***** als Fußgänger nieder und verletzte ihn schwer; das Alleinverschulden an diesem Unfall trifft den Erstbeklagten.

Die Klägerin als Dienstgeberin des Dkfm Peter R***** bringt vor, auf Grund des mit ihrem Arbeitnehmer abgeschlossenen Dienstvertrages zur Lohnfortzahlung für die Zeit seines unfallbedingten Krankenstandes verpflichtet gewesen zu sein, und begehrt den Ersatz dieses Betrages.

Die Beklagten wenden ein, der Kläger mache einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden geltend. Die Entgeltfortzahlung durch den Dienstgeber sei keine von diesem übernommene Vorleistung auf Schadenersatzansprüche, geleistet werde vielmehr das arbeitsrechtlich geschuldete Entgelt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß sich die Klägerin im Dienstvertrag zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten verpflichtet habe. Auf das Dienstverhältnis seien vereinbarungsgemäß die einschlägigen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen, insbesondere das Angestelltengesetz, anzuwenden. Unfallsbedingt habe sich Dkfm Peter R*****, der deutscher Staatsbürger sei, vom 3. 3. bis 30. 4. 1994 und vom 24. 5. bis 17. 6. 1994 im Krankenstand befunden. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, sei bestimmt worden, daß auf das Dienstverhältnis zu Dkfm Peter R***** österreichischer Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit (ausgenommen die Familienbeihilfe) nicht anzuwenden seien.

In rechtlicher Hinsicht war das Erstgericht der Meinung, daß der Ausschluß, der österreichischen Rechtsvorschriften, unter den auch das österreichische Angestelltengesetz falle, bewirke, daß ein Anspruch des Dienstgebers auf Entgeltfortzahlung nur auf deutsche Rechtsvorschriften gegründet werden könne; darauf habe sich die Klägerin aber nicht berufen.

Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung eines Betrages von S 243.442,18 s.A. gerichteten Berufung des Klägers Folge und sprach das Klagebegehren im Umfang der Anfechtung zu. Auf das Dienstverhältnis sei gem. § 44 Abs 1 IPRG österreichisches Recht anzuwenden, also auch das österreichische Angestelltengesetz. Im Anschluß an die jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung vertrat das Berufungsgericht sodann den Standpunkt, daß die Lohnfortzahlung durch den Dienstgeber im Krankheitsfall die Ersatzpflicht des Schädigers nicht ausschließe, vielmehr liege ein Fall bloßer Schadensverlagerung vor, wobei der Ersatzanspruch des Geschädigten mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergehe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil in den bisher von der Rechtsprechung behandelten gleichartigen Fälle die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung direkt auf dem Gesetz beruhte, hier hingegen auf einem Dienstvertrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Beklagten meinen mit Argumenten der älteren höchstgerichtlichen Judikatur, daß bei Entgeltfortzahlung durch den Dienstgeber in einem von einem Dritten schuldhaft verursachten Krankheitsfall des Dienstnehmers nicht typischerweise eine Schadensverlagerung vorliege, sondern der dem Dienstgeber entstehende Schaden einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden darstelle. Darüber hinaus beruhe die Verpflichtung der Klägerin zur Entgeltfortzahlung auf einem Dienstvertrag und nicht auf dem Gesetz, woraus ebenfalls deutlich werde, daß es sich beim ausbezahlten Betrag um das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt handelt und der Dienstgeber daher nicht Verdienstentgang ersetzt, weshalb eine Schadensverlagerung nicht vorliegen könne.

Wie der erkennende Senat in der grundlegenden Entscheidung vom 24. 3. 1994, 2 Ob 21/94 (SZ 67/52 = AnwBl 1994, 905 [zust Berger] = ecolex

1994, 560 [zust Mohr] = EvBl 1994/135 = JBl 1994, 684 = RdA 1995, 44

[zust Klein] = RdW 1994, 243 = ZVR 1994/88), ausführlich dargelegt

hat, ist es im Falle der Verletzung eines Verkehrsteilnehmers eine typische, vom Schutzzweck der Bestimmungen der StVO umfaßte Folge seiner hiedurch verursachten Arbeitsunfähigkeit, daß er einen Verdienstentgang erleidet. Ist der Verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf den Dienstgeber überwälzt. Die Lohnfortzahlungsvorschriften haben nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, sie sollen vielmehr den Dienstnehmer vor sozialen Härten schützen. Die Ersatzpflicht wird daher durch die Lohnfortzahlung nicht ausgeschlossen. Ist eine Legalzession nicht vorgesehen, liegt eine Regelungslücke vor, die in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG geschlossen werden kann. Das bedeutet, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht.

An dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat auch in den

folgenden Entscheidungen festgehalten (2 Ob 8/96 = ecolex 1996, 671 =

JBl 1996, 583 = 2 Ob 2019/96; 2 Ob 58/95; 2 Ob 2201/96z; 2 Ob

153/97g), wobei dem Dienstgeber ein Ersatzanspruch nicht nur in den Fällen der Lohnfortzahlungspflicht nach § 8 AngG zugesprochen wurde, sondern ganz allgemein ausgeführt wurde, daß er dann ersatzberechtigt sei, wenn er (aufgrund welcher Norm auch immer) zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist (2 Ob 53/94 = ZVR 1995/62: VBG; 2 Ob 43/95:

Stmk.LVBG; 2 Ob 2282/96v und 2 Ob 323/97: jeweils öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis laut Dienstordnung 1966 der Bundeshauptstadt Wien.

Soweit die Revisionswerber die Ansicht vertreten, es liege gar kein Fall der Schadensverlagerung vor, wurde diese Meinung in den zitierten Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt. Die vorgetragenen Argumente bilden daher keinen Anlaß, von der nunmehrigen Rechtsprechung, die im übrigen von der Lehre begrüßt wurde (vgl. neben den bereits zitierten Entscheidungsbesprechungen Krejci, Schadenersatz wegen Verdienstentganges trotz Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers, VR 1995, 4 [8]), abzugehen.

Es besteht aber auch kein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Dienstgebern im dargestellten Zusammenhang je danach, ob sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder aber privatrechtlicher Vereinbarung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind: Beiden Fällen liegen gleich zu bewertende Interessenlagen der Beteiligten zugrunde, und es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, den Schädiger nur deshalb zu entlasten, weil der Dienstgeber dem Geschädigten vertraglich zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Der wesentliche Unterschied zwischen den Entstehungsgründen einer Obligation auf Grund eines Rechtsgeschäftes oder auf Grund des Gesetzes liegt nur darin, daß im ersten Fall das objektive Recht die Rechtsfolgen entsprechend dem Parteiwillen eintreten läßt, weil sie gewollt sind, während sie im zweiten Fall unabhängig vom Willen der Beteiligten auf Grund der Verwirklichung eines vom Gesetz normierten Tatbestandes eintreten (Koziol/Welser I10, 201). Allein dieser Unterschied rechtfertigt aber im gegebenen Zusammenhang keine Ungleichbehandlung der Beteiligten.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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