OGH 2Ob2019/96t

OGH2Ob2019/96t29.2.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** R*****, vertreten durch Dr.Bernhard Krause, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 235.153,90 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11.Oktober 1995, GZ 16 R 149/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18.April 1995, GZ 7 Cg 303/94v-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

11.430 (darin enthalten Umsatzsteuer von 1.905, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mitarbeiterin der klagenden Partei Eva Maria H***** wurde am 8.1.1991 bei einem Verkehrsunfall, den ein Versicherungsnehmer der beklagten Partei schuldhaft herbeigeführt hat, verletzt. Mit der am 30.9.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei die Zahlung von S 235.153,90 sA mit der Begründung, im Zeitraum vom 1.10.1991 bis 4.4.1992 nicht refundierte Zahlungen aus dem Dienstverhältnis in der Höhe des Klagsbetrages erbracht zu haben, ohne daß Eva H***** aufgrund des Krankenstandes zur Erbringung ihrer arbeitsvertraglichen Leistungen zur Verfügung gestanden sei.

Die beklagte Partei wendete Verjährung ein, weil sich der Unfall bereits am 8.1.1991 ereignet habe, die Klage jedoch erst am 30.9.1994 beim Erstgericht eingelangt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es davon ausging, daß die klagende Partei als Dienstgeber von Eva H***** in der Zeit vom 1.10.1991 bis 4.4.1992 Zahlungen aus dem Dienstverhältnis in der Höhe von S 235.135,90 erbrachte, ohne daß Eva H***** aufgrund ihres Krankenstandes ihre Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag erfüllen konnte.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß die eingeklagte Forderung verjährt sei. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne nicht erst mit dem tatsächlichen Schadenseintritt, sondern mit Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung zu laufen, soferne der Schaden in diesem Zeitpunkt vorhersehbar sei. Bei der Lohnfortzahlungspflicht während des Krankenstandes handle es sich um einen für die klagende Partei als Dienstgeber vorhersehbaren Schaden. Die Verjährungsfrist für den eingeklagten Anspruch habe mit dem Zeitpunkt der Kenntnis der klagenden Partei vom Unfall (8.1.1991) zu laufen begonnen. Da die Klage aber erst am 30.4.1994 eingebracht worden sei, sei der geltend gemachte Anspruch verjährt.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für unzulässig.

Das Berufungsgericht schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der eingeklagte Anspruch verjährt sei, an. Die Verjährungsfrist beginne nach herrschender Ansicht nicht erst mit dem tatsächlichen Schadenseintritt, sondern grundsätzlich schon mit der Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung, soferne nur der Schaden in diesem Zeitpunkt schon vorhersehbar sei, zu laufen. Der Verjährung künftiger vorhersehbarer Schäden könne mit Feststellungsklage begegnet werden. Bei der die klagende Partei als Dienstgeber treffenden Lohnfortzahlungspflicht während des Krankenstandes der verletzten Dienstnehmerin handle es sich um einen für die klagende Partei zum Zeitpunkt der Kenntnis von der schädigenden Handlung vorhersehbaren Schaden. Die Verjährungsfrist habe daher mit dem Zeitpunkt der Kenntnis der klagenden Partei vom Unfall zu laufen begonnen. Da sich der Unfall am 8.1.1991 ereignete und die klagende Partei zumindest in den nächsten Tagen davon Kenntnis erlangte, die Klage jedoch erst am 30.9.1994 einbrachte, sei der geltend gemachte Anspruch verjährt.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil es zur Frage der Verjährung von Lohnfortzahlungsansprüchen unter Berücksichtigung der Entscheidung des verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 621/95, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gibt; das Rechtsmittel der klagenden Partei ist aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei vertritt in ihrer Revision die Ansicht, sie habe im Unfallszeitpunkt noch nicht gewußt, welchen Schaden der Unfall hervorrufen werde und sei daher die in § 1489 ABGB geforderte Schadenskenntnis nicht gegeben gewesen. Es sei der klagenden Partei als Arbeitgeber der beim Verkehrsunfall am 8.1.1991 verletzten Arbeitnehmerin nicht erkennbar gewesen, ab wann und wie lange sie aus dem Titel der Entgeltfortzahlungen Leistungen an die Arbeitnehmerin erbringen müsse. Da der Schaden bei der klagenden Partei als Arbeitgeber täglich neu eingetreten sei, sei er für die klagende Partei nicht vorhersehbar gewesen. Schließlich habe die klagende Partei erst durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 21/94 vom 24.3.1994 davon Kenntnis erhalten, daß aus dem Titel der Entgeltfortzahlung ein Schadenersatzanspruch gerichtlich geltend gemacht werden könne.

Weiters habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 601/93 (JBl 1994,753) aufgezeigt, daß die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginne. Daraus folge, daß künftige Ersatzansprüche weder mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses noch mit dem Eintritt des Primärschadens existent werden, sondern der Verjährungslauf erst beginne, wenn sich ein konkreter durchsetzbarer und somit fälliger Folgeschaden verwirklicht habe.

Da der Schaden bei der klagenden Partei als Arbeitgeber täglich neu eingetreten sei, könne er hinsichtlich der Schadenersatzansprüche vom 1.10.1991 bis 4.4.1992 keinesfalls vor dem 1.10.1994 verjährt sein.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden:

Wie der erkennende Senat in der Entscheidung vom 24.3.1994, 2 Ob

21/94 (= SZ 67/52 = ZVR 1994/88 = RdW 1994, 243 = ecolex 1994, 560 =

AnwBl 1994, 905 = JBl 1994, 684 = EvBl 1994/135) ausgeführt hat,

kommt es im Falle der Lohnfortzahlung zu einer Schadensverlagerung auf den Dienstgeber. Der Ersatzanspruch gegen den Schädiger geht analog § 1358 ABGB, § 67 VersVG mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber über. Der Schädiger hat daher dem Dienstgeber den auf ihn überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen und nicht etwa einen eigenen Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft.

Durch den Übergang der Ansprüche des Dienstnehmers auf den Dienstgeber ändert sich aber weder die Rechtsnatur des Anspruches noch die Verjährungszeit. Da die Forderung auf den Legalzessionar übergeht, wie sie im Zeitpunkt des Rechtsüberganges bestanden hat, ist bei Beurteilung der Frage des Beginnes des Laufes der Verjährungsfrist darauf abzustellen, ob im Zeitpunkte des Forderungsüberganges die dreijährige Verjährungsfrist bereits zu laufen begonnen hat. Ist dies der Fall, so läuft sie auch gegenüber dem Legalzessionar weiter. Wenn jedoch im Zeitpunkt der Legalzession die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat, so ist die Kenntnis des Legalzessionars für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist der auf ihn übergegangenen Forderungen maßgebend (Schubert in Rummel2, Rz 2 zu § 1489; Apathy, Komm z EKHG, Rz 7 zu § 17; ZVR 1994/98; 2 Ob 93/95 ua).

Was nun die Frage des Beginnes des Laufes der Verjährungsfrist betrifft, hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 19.12.1995, 1 Ob 621/95 (= EvBl 1996/11 = ecolex 1996, 19), ausgesprochen, daß die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt. In der Entscheidung wurde allerdings ausdrücklich ausgeführt, daß dies im Falle der zeitlich gedehnten Entstehung mehrerer Teilschäden nur für den relevanten "Erstschaden" uneingeschränkt Gültigkeit habe. Auch die Frage der Risikoüberwälzung sei im Falle der Beurteilung von Folgeschäden differenziert zu sehen, sei doch das Erheben einer Feststellungsklage bei vorhersehbaren Folgeschäden dann kaum beschwerlich und risikoreich, wenn aufgrund des Eintritts des "Erstschadens" die Leistungsklage ohnedies bereits indiziert sei. In diesem Sinne habe der erkennende Senat (als einfacher Senat) in dem Urteil vom 22.11.1995, 1 Ob 41,42/94, entschieden, daß die Berücksichtigung leitender, insbesondere der Prozeßökonomie dienender Zwecke des Verjährungsrechts es verbiete, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen; vielmehr sei bei Verfolgung eines aktuellen Schadenersatzanspruches auch die Erhebung einer Feststellungsklage betreffend die bei Entstehung des Erstschadens vorhersehbaren Folgeschäden zumutbar, dies auch unter Berücksichtigung der in der Zukunftsprognose liegenden Unsicherheitsfaktoren. Da in dem der Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 621/95 zugrundeliegenden Fall allerdings keine Folgeschäden geltend gemacht wurden, erübrigten sich darüber hinausgehende weitere Ausführungen. Es ist daher davon auszugehen, daß für einen Fall wie den vorliegenden, wo nach einem "Erstschaden" zeitlich gedehnt weitere Teilschäden entstehen, keine Entscheidung des verstärkten Senates vorliegt.

Der erkennende Senat schließt sich allerdings der in der Entscheidung des verstärkten Senates, 1 Ob 621/95, zitierten Entscheidung vom 22.11.1995, 1 Ob 41,42/94, an. In dieser wurde unter Berufung auf F.Bydlinski, Schadensentstehung und Verjährungsbeginn im österreichischen Recht, in FS - Steffen [1995], 72 f und 80 ff ausgeführt, daß es der der Prozeßökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechts verbiete, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehen beginnen zu lassen; sei ein wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer Schaden einmal eingetreten, seien damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben und sei dieser dem Grunde nach entstanden. Die Meinung von Riedler (Judikaturwandel in der Frage der Verjährung von Entschädigungsforderungen nach § 1489 ABGB? in ZVR 1993, 44, 51; derselbe auch in JBl 1994, 756), der Schadenersatzanspruch werde wie jeder einzelne Folgeschaden erst mit dem Schadenseintritt existent und mittels Leistungsklage durchsetzbar, so daß bei einem "zeitlich gedehnten Schaden" jeder Teilschaden, mit dessen Kenntnis durch den Geschädigten eine besondere Frist in Gang setze, wurde abgelehnt und ausgeführt, die Ingangsetzung der Verjährungsfrist mit dem Erstschaden stehe auch mit dem Wortlaut des § 1489 ABGB im Einklang, weil dieser nur den Fall des - einheitlichen - "Schadens" treffe; zum Problem "zeitlich gedehnter" Teilschäden äußere sich diese Bestimmung nicht. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden habe der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden sei, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen.

Im vorliegenden Fall sind jedenfalls vor dem 30.9.1991 der verletzten Eva H***** Schäden entstanden, hinsichtlich deren der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf die klagende Partei übergegangen ist. Es ist somit ein "Primärschaden" der verletzten Eva H***** mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung entstanden und hätte innerhalb von drei Jahren eine Feststellungsklage eingebracht werden müssen, um eine Verjährung der folgenden Teilschäden hintanzuhalten. Da die Verjährungsfrist im Zeitpunkt des Forderungsüberganges auf die klagende Partei bereits zu laufen begonnen hatte, läuft sie auch ihr gegenüber weiter (2 Ob 93/95), so daß es auf deren Kenntnis von Schaden und Schädiger nicht ankommt.

Der im Ergebnis unberechtigten Revision der klagenden Partei war daher keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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