European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1995:E40774
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Verstärkter Senat
Spruch:
Es liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor; zur Entscheidung über den Rekurs ist deshalb ein verstärkter Senat berufen.
II. durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Warta und Dr.Huber sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier, Dr.Angst, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter den
Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Zu I.:
Die klagende Partei leitet aus der Verfassung eines tatsachenwidrigen Abnahmeberichts des Beklagten Schadenersatzansprüche gegen diesen ab. Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren wegen Verjährung der geltend gemachten Forderungen ab. Die Verjährungsfrist beginne mit der Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung zu laufen, sofern der Eintritt eines Schadens in diesem Zeitpunkt schon vorhersehbar sei. Der klagenden Partei seien alle für das Entstehen der Schadenersatzansprüche maßgeblichen Umstände, die Person des Schädigers und sogar die Höhe des voraussichtlich eintretenden Schadens bereits im Jänner 1990 objektiv bekannt gewesen; die Klage sei aber erst im November 1993 eingebracht worden. Das Berufungsgericht vertrat hingegen die Ansicht, die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) beginne nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Deshalb sei die Klage noch innerhalb der Dreijahresfrist des § 1489 ABGB erhoben worden.
Damit hängt die Entscheidung über den Rekurs des Beklagten von der Lösung einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung ab, bei der die ganz überwiegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die vom Erstgericht vertretene Ansicht teilt, der erkennende Senat hingegen von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen beabsichtigt.
Es liegen demnach die Voraussetzungen des § 8 Abs 1 Z 1 OGHG vor, weshalb die Verstärkung des Senats zur Entscheidung über den Rekurs auszusprechen ist.
Zu II.:
Im Verfahren AZ 10 Cg 226/81 des Handelsgerichts Wien schloß die klagende Partei (dort als beklagte Partei) mit einer Druckereibedarf Gesellschaft mbH (dort klagende Partei - in der Folge nur Gesellschaft) am 22.3.1984 einen Vergleich mit folgendem, hier maßgeblichem Inhalt:
„1. Zwischen den Parteien besteht Übereinstimmung dahin, daß der Sachverständige .... (der Beklagte) ..... in dem Befund sowie in den Gutachten vom 25.4.1983 und 28.9.1983 eine Reihe von Sanierungsmaßnahmen vorgesehen hat, nämlich in ON 16 beginnend auf GA‑S 18 unten bis Blatt 20 und ON 24 beginnend auf GA‑S 16 bis Blatt 23 Mitte, all dies zusammengefaßt in ON 24 von Blatt 23 bis Blatt 26.
2. Die beklagte Partei verpflichtet sich bei sonstigem Zwange, die in Punkt 1. dieses Vergleiches angeführten Lieferungen, Montagen und Maßnahmen bis zum 14.8.1984 dergestalt zu erbringen, daß die gesamten Leistungen spätestens zu diesem Termin durch den Sachverständigen abgenommen werden können.
.........
4. Zwischen den Parteien besteht Übereinstimmung, daß die gemäß Punkt 2. dieses Vergleiches vorzunehmende technische Abnahme durch den Sachverständigen ... (der Beklagte) .... erfolgt und die hiedurch entstehenden Kosten von den Parteien je zur Hälfte getragen werden.
..........
6. Die klagende Partei verpflichtet sich bei sonstigem Zwange, der beklagten Partei zu Handen ......., binnen 14 Tagen nach positiver schriftlicher Abnahme laut Punkt 4. dieses Vergleiches den Betrag von S 55.000 und den Betrag von S 120.000 zuzüglich 20 % USt aus S 120.000, nämlich S 24.000, zusammen S 199.000 zu bezahlen. Bei dem Betrag von S 55.000 handelt es sich um den Ausgleich des derzeit zwischen den Streitteilen heute einvernehmlich festgestellten Saldos. Die S 120.000 zuzüglich USt betreffen den Kostenanteil der klagenden Partei an den von der beklagten Partei gemäß Punkt 2. dieses Vergleiches zu erbringenden Leistungen.“
Mit ihrer am 11.11.1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei vom Beklagten den Ersatz ihres mit S 498.967,88 bezifferten Schadens. Sei brachte vor, sie habe die im Vergleich angeführten Arbeiten durchgeführt, einzelne der im Gutachten und damit auch im Vergleich genannten Sanierungsmaßnahmen aber durch andere, technisch zumindest gleichwertige Maßnahmen ersetzt. Der Beklagte habe am 20.3.1985 einen positiven Abnahmebericht verfaßt und die Sanierungsarbeiten für „ordnungsgemäß durchgeführt“ erklärt. Die Gesellschaft habe dennoch die Bezahlung des Vergleichsbetrags von S 199.000 verweigert. Deshalb sei die klagende Partei gezwungen gewesen, die Bewilligung der Fahrnisexekution gegen die Gesellschaft zu beantragen. In einem daraufhin von der Gesellschaft angestrengten Oppositionsstreit sei die klagende Partei deshalb unterlegen, weil der positive Abnahmebericht des Beklagten nicht den Tatsachen entsprochen habe. Er sei nicht berechtigt gewesen, als Sachverständiger die ordnungsgemäße Durchführung der im Vergleich festgelegten Sanierungsmaßnahmen zu bestätigen, ohne daß die Vergleichsparteien ihre Zustimmung dazu erteilt hätten, daß die vorgesehenen Maßnahmen durch dem Beklagten gleichwertig erscheinende Vorkehrungen ersetzt werden könnten. Zufolge der unrichtigen Bestätigung durch den Beklagten habe die Klägerin einen Schaden erlitten, der sich aus dem Vergleichsbetrag von S 199.000, aus eigenen Vertretungskosten im Oppositionsstreit von S 125.000 und aus den der Gesellschaft zu ersetzenden Prozeßkosten von S 174.967,88 zusammensetze. Die im Oppositionsprozeß ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei dem damaligen Rechtsvertreter der klagenden Partei am 12.11.1990 zugestellt worden.
Der Beklagte bestritt die Unrichtigkeit seiner Abnahmebestätigung und wendete Verjährung ein. Seit der Abnahmeerklärung seien bis zur Klagserhebung acht Jahre verstrichen. Spätestens nach der im Oppositionsstreit ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichts vom 3.5.1990, mit der die ordentliche Revision nicht zugelassen wurde, hätte die klagende Partei die Klage einbringen müssen; die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien sei „rückwirkend zum 30.5.1990“ rechtskräftig geworden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, die klagende Partei habe mit Zustellung des im Oppositionsstreit ergangenen Urteils des Handelsgerichts Wien im Jänner 1990 Kenntnis vom unzulässigen Verhalten des Beklagten erlangt. Der Eintritt eines Schadens - die Nichteinbringlichkeit des Vergleichsbetrags - sei vorhersehbar gewesen, als die Exekution für unzulässig erklärt worden sei. Deshalb habe die Verjährungsfrist bereits im Jänner 1990 zu laufen begonnen, denn sie beginne schon mit der Kenntnis des Geschädigten von der schädigenden Handlung, sofern der Eintritt eines Schadens zu diesem Zeitpunkt schon vorhersehbar sei. Der Verjährung künftiger, jedoch vorhersehbarer Schäden könne mit einer Feststellungsklage, „die die Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach für künftige Schäden, deren Eintritt wahrscheinlich“ sei, „zum Inhalt“ habe, begegnet werden.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es schloß sich der bereits in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 16.2.1994, 1 Ob 601/93 (= JBl 1994, 753, mit Anm von Riedler = EvBl 1994/105 = RdW 1994, 311 = ecolex 1994, 616, mit Anm von Wilhelm), vertretenen Rechtsansicht an, daß die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche nicht vor dem Eintritt des konkreten Schadens in Lauf gesetzt werde. Der Schaden der klagenden Partei sei erst eingetreten, als festgestanden sei, daß sie ihre „titulierte Forderung“ gegen die Gesellschaft nicht werde hereinbringen können, weil die „exekutive Durchsetzung des Anspruchs für unzulässig erklärt“ wurde. Die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis vom Schadenseintritt habe die klagende Partei erst mit der Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, mit der das ihr nachteilige Urteil der zweiten Instanz im Oppositionsprozeß in Rechtskraft erwachsen sei, demnach am 12.11.1990 erlangt. Die am 11.11.1993 eingebrachte Klage sei demnach innerhalb der Dreijahresfrist des § 1489 ABGB erhoben worden. Da das Erstgericht infolge seiner vom Gericht zweiter Instanz nicht geteilten Rechtsansicht zur Verjährung die Erörterung des übrigen Parteienvorbringens und die Durchführung der angebotenen Beweise unterlassen habe, liege eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO vor.
Der Rekurs der beklagten Partei ist aus den im Verstärkungsbeschluß dargelegten Erwägungen zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg ist zu klären, zu welchem Zeitpunkt der von der klagenden Partei behauptete Schaden eingetreten ist: Die klagende Partei verfügte - mit dem Vergleich vom 22.3.1984 - über einen Exekutionstitel, auf Grund dessen sie gegen die Gesellschaft wegen des ihr darin nach Erbringung eigener Leistungen zugesicherten Betrags von S 199.000 auch in der Tat Exekution führte. Diese Exekution wurde „für unzulässig erklärt“. Erst mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung kann der von der klagenden Partei behauptete Schaden entstanden sein, weil erst nun unverrückbar feststand, daß ihr die Gesellschaft mangels Erfüllung des Vergleichs vom 22.3.1984 den Betrag von S 199.000 nicht entrichten werde und sie jedenfalls endgültig zur Tragung der eigenen Verfahrenskosten verpflichtet ist. Die Erhebung der (außerordentlichen) Revision gegen das Berufungsurteil hemmte zwar nicht den Eintritt der Vollstreckbarkeit, wohl aber den der Rechtskraft (§ 505 Abs 3 ZPO), weshalb dem Standpunkt des Beklagten, der Schaden sei bereits vor Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die von der klagenden Partei im Oppositionsstreit erhobene außerordentliche Revision eingetreten, nicht beigetreten werden kann: Die Ansicht des Beklagten, die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien sei bereits vier Wochen nach deren Zustellung rechtskräftig geworden, kann mit der Bestimmung des § 505 Abs 3 ZPO nicht in Einklang gebracht werden. Wäre nun der Beginn der Verjährungszeit erst mit dem Eintritt des Schadens (d.i. die am 12.11.1990 erfolgte Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Oppositionsstreit an den damaligen Klagevertreter) anzunehmen, dann wäre die am 11.11.1993 bei Gericht überreichte Klage rechtzeitig erhoben worden, sodaß die darin geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt wären. Wäre dagegen anzunehmen, daß der Eintritt des Schadens für die klagende Partei bereits zuvor, nämlich schon mit der erstinstanzlichen Entscheidung im Oppositionsverfahren, mit Sicherheit vorhersehbar gewesen sei - eine Annahme, die nicht von vornherein abgetan werden könnte, weil die klagende Partei selbst wußte, daß sie die im Vergleich festgelegten Sanierungsmaßnahmen nicht auf die bedungene Art getroffen hatte ‑, dann stellte sich mit aller Schärfe die Frage, ob die dreijährige Verjährungsfrist nicht schon vor Schadenseintritt zu laufen begonnen habe, nämlich von dem Zeitpunkt an, da der Schadenseintritt als zumindest wahrscheinlich vorherzusehen war.
Gemäß § 1489 ABGB verjähren Schadenersatzansprüche in drei Jahren von der Zeit an, zu welcher der Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen dem Geschädigten bekannt wurden, gleichviel ob der Schaden durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht wurde. Diese Verjährung wird erst in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten der Eintritt des Schadens ‑ und damit auch der Ursachenzusammenhang - sowie die Person des Ersatzpflichtigen so weit bekannt wurden, daß eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden kann, nur darf der Geschädigte nicht so lange zuwarten, bis er im Rechtsstreit zu gewinnen glaubt. Die Kenntnis des Schadens ist ohne Zweifel dann anzunehmen, wenn der Schaden auch schon der Höhe nach bekannt ist, doch ist das nicht erforderlich, weil der Eintritt der Verjährung durch Feststellungsklage verhindert werden kann (vgl dazu auch die Nachweise in JBl 1994, 753 mwN). Die ganz überwiegende Rechtsprechung (DRdA 1992/39 [Apathy‑Riedler], DRdA 1980/1 [Koziol]; JBl 1979, 261; ZVR 1979/22; SZ 50/50; SZ 48/27; JBl 1973, 372; SZ 39/222 uva) knüpft den Beginn der Verjährung nicht erst an den tatsächlichen Schadenseintritt, sondern vertritt unter Berufung auf Klang (in Klang 2 VI 635), Ehrenzweig (System2 II/1, 78 mit FN 96) und Gschnitzer (Bürgerliches Recht1, AT, 249 übereinstimmend Gschnitzer/Faistenberger/Barta, AT2 [1992], 853) die Auffassung, die dreijährige Verjährungsfrist beginne, solange noch kein tatsächlicher Schaden eingetreten ist, zu laufen, wenn der Eintritt des Schadens für den Geschädigten mit Sicherheit vorhersehbar ist. Eine nähere Begründung für diese Auffassung findet sich - allerdings nur für den Beginn der langen Verjährung (§ 1489 zweiter Satz ABGB) - lediglich in DRdA 1983/12 (mit Glosse von P.Bydlinski): § 1489 ABGB sei gegenüber § 1478 ABGB eine auf die Dritte Teilnovelle zurückgehende Sonderregelung der Verjährung von Schadenersatzansprüchen. Der deshalb möglichen Gefahr, daß damit Schadenersatzansprüche verjähren, ehe sie noch entstanden sind, ist nach dieser Rechtsprechung (ZVR 1989/32; ZVR 1988/83 uva) mit Feststellungsklage zu begegnen.
Diese Rechtsprechung hat die einmütige jüngere Lehre gegen sich. Soweit ersichtlich, hat als erster Koziol, Haftpflichtrecht I1 (1973), 253, die dieser Rechtsprechung zugrundeliegende Auffassung kritisiert: Der Anspruch auf Ersatz eines Schadens setze voraus, daß der Schaden bereits eingetreten sei. § 1489 ABGB fordere auch ausdrücklich die Kenntnis des Schadens, sodaß die Verjährung frühestens mit dessen Eintritt beginnen könne. Sei der Schaden bereits eingetreten, könne die Feststellungsklage erhoben werden, selbst wenn die Auswirkungen des schadensstiftenden Ereignisses in ihrem gesamten Umfang noch nicht absehbar seien. Der Beginn der Verjährung erstrecke sich deshalb auch auf die vom Schädiger zu vertretenden Folgeschäden, soweit diese nur nicht unvorhersehbar seien.
Auch Mayer‑Maly trat in ZVR 1977, 97, 98, dafür ein, daß vor dem tatsächlichen Schadenseintritt die Verjährung nicht zu laufen beginnen könne.
In seiner Besprechung der Entscheidung DRdA 1980/1 setzte Koziol (aaO 33) seine Kritik fort: Schon der Wortlaut des § 1489 ABGB („.... der Schade mag ..... verursacht worden sein“) setze den Eintritt eines Schadens voraus; vor allem aber knüpfe § 1478 ABGB die Verjährung nur an Rechte, die an sich schon hätten ausgeübt werden können. Fragwürdig sei auch die Nötigung des von einem Schaden Bedrohten, die Feststellungsklage anzubringen, selbst wenn der Schaden in der Folge möglicherweise gar nicht eintreten und daher kein Schadenersatzanspruch entstehen wird, weil er sonst Gefahr laufe, daß das Gericht - tritt der Schaden doch ein ‑ im nachhinein dessen Eintritt als mit Sicherheit vorhersehbar ansieht. Die Formel „mit Sicherheit vorhersehbar“ sei zu unbestimmt, um dem vom Schaden Bedrohten den Beginn der Verjährung verläßlich erkennen zu lassen. Auch das deutsche und das schweizerische Recht knüpften die kurze Verjährung an den Schadenseintritt.
Auch Schubert (in Rummel, ABGB2, § 1489 Rz 3), hält die von der Rechtsprechung vertretene Auffassung für bedenklich: Verlange § 1489 ABGB die Kenntnis des Schadens, so könne die Verjährung frühestens mit dem Schadenseintritt beginnen. Auch § 1478 ABGB setze für den Beginn der Verjährung voraus, daß das Recht schon hätte ausgeübt werden können.
P.Bydlinski verteidigte die Kritik Koziols gegen Ausführungen in der Entscheidung DRdA 1983/12 (in DRdA 1983, 188; vgl denselben in JBl 1986, 304): Soweit sich die Rechtsprechung auf das Schrifttum berufe, falle auf, daß die Auffassung Klangs (aaO) mit sich selbst im Widerspruch stehe; Ehrenzweig (aaO) verweise lediglich auf einschlägige Bestimmungen im deutschen und schweizerischen Recht, und Gschnitzer (aaO) lasse jedwede Begründung vermissen. Auch der Wortlaut des § 1489 ABGB spreche ganz eindeutig dafür, daß es auf den Schadenseintritt ankomme, könne der Schaden doch nur dann bekannt werden, wenn er bereits eingetreten sei. Auch der Umstand, daß § 1489 ABGB eine Sonderregelung der Verjährung für Schadenersatzansprüche beinhalte, könne nicht zur Folge haben, daß die Grundwertung des § 1478 ABGB ‑ verjähren können nur Rechte, die an sich schon hätten ausgeübt werden können - außer Betracht zu bleiben habe. Sei dem Gläubiger die Verfolgung seines Anspruchs nicht einmal objektiv betrachtet möglich, so dürften ihn die Verjährungsfolgen nicht treffen. Der Verzicht auf das Erfordernis der Durchsetzbarkeit des Anspruchs trüge auch einen krassen Wertungswiderspruch in das System des Verjährungsrechts, hätte er doch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Bevorzugung des Schädigers (Ersatzpflichtigen) allen anderen Schuldnern gegenüber zur Folge. Halse man dem Geschädigten die Folgen einer verfehlten Prognose des Schadenseintritts auf, komme der Schädiger bei dieser strengen Behandlung des Geschädigten in vielen Fällen völlig unverdient frühzeitig zu einer Haftungsbefreiung infolge Verjährung.
Die Bedenken Koziols und Schuberts teilen auch Mader (in Schwimann, ABGB § 1489 Rz 8), Mayrhofer (in Ehrenzweig, Schuldrecht, AT3, 348 FN 26), Apathy (EKHG‑Komm. § 17 Rz 5) und jüngst erst wieder Ertl (in ZVR 1993, 33 ff) und Riedler (in ZVR 1993, 44 ff).
In der schon vom Gericht zweiter Instanz zitierten Entscheidung 1 Ob 601/93 vertrat der erkennende Senat die Auffassung, angesichts der massiven Kritik im jüngeren Schrifttum sollte die Rechtsprechung, nach der die Verjährung von Ersatzansprüchen bereits vor Eintritt eines konkreten Schadens in Gang gesetzt werde, wenn der Schadenseintritt für den Geschädigten nur bereits „mit Sicherheit“ vorhersehbar sei, nicht fortgeschrieben werden. Eine abschließende Beurteilung dieser Rechtsfrage konnte dort aber unterbleiben, weil die eingeklagte Schadenersatzforderung bei Einbringung der Klage gemäß § 1489 erster Satz ABGB jedenfalls verjährt war. Der in dieser Entscheidung zur hier maßgeblichen Rechtsfrage vertretenen Ansicht traten Riedler in seiner Anmerkung zu JBl 1994, 753, Wilhelm in seiner Glosse zu ecolex 1994, 616 und vor allem F.Bydlinski (Schadensentstehung und Verjährungsbeginn im österreichischen Recht, 65, 80 ff) in der Festschrift für Steffen (1995), bei. Die Kritik Wilhelms, auf die sich der Beklagte in seinem Rekurs beruft, betrifft die hier streitentscheidende Frage, ob die kurze Verjährung vor dem tatsächlichen Eintritt eines Schadens zu laufen beginne, nicht:
Der verstärkte Senat hält an den bereits in der Entscheidung 1 Ob 601/93 dargelegten Argumenten fest:
Schon nach dem Wortlaut des § 1489 ABGB beginnt die Verjährung zu laufen, wenn „der Schade ...... dem Geschädigten bekannt“ wird, „der Schade mag ...... verursacht worden sein“. In der noch 1974 (BGBl 1974/496) novellierten Bestimmung ist von der Kenntnis des Schadens und nicht etwa der Kenntnis des schadensstiftenden Ereignisses die Rede, was voraussetzt, daß der Geschädigte den schon verursachten Schaden kennt: Gerade darauf nimmt aber der den ersten Satz beendende Satzteil, in dem einander vertragliche und deliktische Schäden - ähnlich wie in § 1295 Abs 1 ABGB - auch in der Verjährungsfrage gleichgehalten werden, ausdrücklich Bezug. Nicht minder schlagkräftig ist das Argument, Ergebnis der der Rechtsprechung zugrundeliegenden Auffassung sei es, daß der Anspruch bereits verjähren könne, ehe er noch überhaupt hätte durchgesetzt werden können. Diese Konsequenz läuft aber dem im § 1478 ABGB verankerten Grundsatz des Verjährungsrechts diametral zuwider, daß nur bereits ausübbare Rechte verjähren könnten: Diesem unbefriedigenden Ergebnis kann auch mit der Feststellungsklage nicht abgeholfen werden, weil dabei - im Gegensatz zu Fällen, in welchen zwar der Schaden schon eingetreten ist, aber seine Höhe noch nicht abgesehen werden kann - nur einzelne Haftungsvoraussetzungen (namentlich das Verschulden) geprüft werden können, ohne daß damit feststünde, ob je ein ursächlich darauf rückführbarer Schaden eintreten wird; die Kausalität des im Feststellungsprozeß geprüften Schadensereignisses für den im Leistungsprozeß geltend gemachten Schaden kann doch nur stets erst hier festgestellt werden. Bezeichnend ist auch, daß einerseits der Geschädigte vor Schadenseintritt zur Vermeidung der Verjährung des Ersatzanspruchs die Feststellungsklage zu erheben genötigt wird, daß aber andererseits das Feststellungsinteresse in solchen Fällen (zumindest auch) damit begründet wird, die Klage sei zur Vermeidung der Verjährung nötig; bei dieser Argumentation liegt - worauf Ertl (aaO 37) zutreffend hinweist - wohl der Verdacht eines Zirkelschlusses nahe.
Zutreffend weist P. Bydlinski (DRdA 1993, 190) darauf hin, daß nicht einzusehen sei, weshalb das Risiko der Beurteilung, wann ein Schade „mit Sicherheit voraussehbar“ ist, gerade dem Geschädigten aufgehalst werde. Dieser könnte sich vor dem drohenden Anspruchsverlust nur dadurch schützen, daß er in jedem Fall vorsichtshalber die Feststellungsklage erhebt. Diese Klage mag - was im vorliegenden Fall nicht näher zu prüfen ist - dem Geschädigten zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten nicht zu verwehren sein; sie in diesem frühen Zeitpunkt jedoch zur Vermeidung nachteiliger Verjährungsfolgen jedenfalls zu verlangen, ist - wie dargestellt ‑ mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen und hieße, demjenigen Säumigkeit vorzuwerfen, der erst den Eintritt des Schadens abwarten will, bevor er gegen den einstweilen potentiellen Schädiger vorgeht. Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu beachten, daß § 1489 ABGB seinem Wortlaut nach nur auf einen einheitlichen Schaden („der Schade“) abstellt. Nur ein derartiger Schaden ‑ nicht jedoch auch Folgeschäden ‑ war Gegenstand der mehrfach zitierten Entscheidung 1 Ob 601/93. Die von Riedler in der Anmerkung zu diesem Erkenntnis in JBl 1994, 756 f, vertretene Ansicht, „daß nunmehr jeder sich in der Sphäre des Geschädigten realisierende“ Folge‑(Teil‑)Schaden“ den Lauf einer eigenen neuen, gesonderten Verjährungsfrist auslöst“, ist daher aus diesem Urteil nicht unmittelbar ableitbar. Es ist vielmehr ausdrücklich festzuhalten, daß die hier dargelegten rechtlichen Überlegungen im Falle der zeitlich gedehnten Entstehung mehrerer Teilschäden nur für den relevanten „Erstschaden“ uneingeschränkt Gültigkeit haben. Auch die Frage der Risikoüberwälzung ist im Falle der Beurteilung von Folgeschäden differenziert zu sehen, ist doch das Erheben einer Feststellungsklage bei vorhersehbaren Folgeschäden dann kaum beschwerlich und risikoreich, wenn aufgrund des Eintritts des „Erstschadens“ die Leistungsklage ohnedies bereits indiziert ist. In diesem Sinne hat der erkennende Senat (als einfacher Senat) in seinem Urteil vom 22.11.1995, 1 Ob 41, 42/94, entschieden und ist dabei den von F.Bydlinski (aaO 72 f und 80 ff) vorgetragenen gewichtigen Argumenten gefolgt: Die Berücksichtigung leitender, insbesondere der Prozeßökonomie dienender Zwecke des Verjährungsrechts verbiete es, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehung beginnen zu lassen; vielmehr sei bei Verfolgung eines aktuellen Schadenersatzanspruchs auch die Erhebung einer Feststellungsklage betreffend die bei Entstehung des Erstschadens vorhersehbaren Folgeschäden zumutbar, dies auch unter Berücksichtigung der in der Zukunftsprognose liegenden Unsicherheitsfaktoren. Mit dem hier zu beurteilenden Schadenersatzanspruch werden allerdings keine Folgeschäden geltend gemacht, sodaß sich über die erforderliche Abgrenzung des der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegten Begriffs des Schadenseintritts hinausgehende weitere Ausführungen erübrigen.
Auch rechtsvergleichende Argumente können gegen die herrschende Rechtsprechung (wenigstens zur kurzen Verjährung) ins Treffen geführt werden: Nach § 852 Abs 1 BGB verjährt der Schadenersatzanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Diese inhaltlich mit der auf § 196 der Dritten Teilnovelle zurückgehenden Fassung des ersten Satzes des § 1489 ABGB völlig übereinstimmende Bestimmung wird in Rechtsprechung und Lehre in der Bundesrepublik Deutschland dahin ausgelegt, daß die Verjährung beginnt, sobald der Ersatzanspruch entstanden, d.h. ein Schaden dem Grunde nach bereits eingetreten ist und der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt (BGH in NJW 1993, 648; NJW 1992, 3034; BGHZ 100, 228, 231 uva; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/213 [1994], 593 f; Palandt‑Thomas, BGB54 § 852 Anm 4). Auch Art 60 Abs 1 des schweizerischen Obligationenrechts, der ebenso wie die Regelung des § 852 Abs 1 BGB über die kurze Verjährung mit § 1489 erster Satz ABGB vollkommen übereinstimmt, wird in der Spruchpraxis und im Schrifttum der Schweiz so verstanden, daß die kurze (dort einjährige) Frist jedenfalls nicht vor dem Eintritt des Schadens in Gang gesetzt wird (Brehm in Berner K, OR Art 60 N 27 ff; OR‑Schnyder Art 60 N 6).
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß - abgesehen von der älteren Rechtsprechung (vgl etwa noch SZ 18/171) - auch noch in der neueren Judikatur wiederholt der Standpunkt vertreten wurde, auch die Verjährung von Schadenersatzansprüchen beginne nicht vor der objektiven Möglichkeit zu klagen, die aber voraussetze, daß der Ersatzanspruch bereits entstanden sei (SZ 51/97; ZVR 1973/158). In der von Apathy‑Riedler glossierten Entscheidung DRdA 1992/39 bemerkt der Oberste Gerichtshof, Koziol und Schubert (jeweils aaO) wendeten sich mit „gewichtigen Bedenken“ gegen die herrschende Rechtsprechung; einer Auseinandersetzung mit dem kritischen Schrifttum bedurfte es dort aber deshalb nicht, weil die Verjährung ohnehin verneint wurde. In ecolex 1992, 694, berief sich der Oberste Gerichtshof auf P.Bydlinski (DRdA 1983, 190), der „überzeugend“ dargelegt habe, daß die Verjährung nicht beginnen könne, ehe der Gläubiger (Geschädigte) eine Chance zur Realisierung der Forderung habe.
Der verstärkte Senat formuliert (§ 65 Abs 7 OGH‑Geo) aus all diesen Erwägungen daher folgenden Rechtssatz: Die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen (§ 1489 erster Satz ABGB) beginnt nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen. Dies hat im vorliegenden Rechtsstreit zur Folge, daß die geltend gemachten Ansprüche noch nicht verjährt sind. Da das Gericht erster Instanz das Klagebegehren wegen eingetretener Verjährung, und zwar nur aus diesem Grunde, abgewiesen hat, erweist sich die vom Berufungsgericht aufgetragene Verfahrensergänzung tatsächlich als unumgänglich.
Dem Rekurs ist nicht Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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