OGH 2Ob2282/96v

OGH2Ob2282/96v3.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** S*****werke, ***** vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Zandl und Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 105.203,34 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12. Juni 1996, GZ 17 R 108/96v-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1.März 1996, GZ 27 Cg 109/95p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit S 6.337,50 (darin enthalten keine USt und keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 26.5.1992 verschuldete ein Versicherungsnehmer der beklagten Partei einen Verkehrsunfall bei dem Christoph B*****, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur klagenden Partei steht, verletzt wurde.

Die klagende Partei brachte vor, sie habe an Christoph B***** in der Zeit des Krankenstandes vom 26.5.1992 bis 20.9.1992 Gehaltszahlungen in der Höhe des Klagsbetrages geleistet. Da die klagende Partei zur Lohnfortzahlung verpflichtet sei, begehre sie den Ersatz dieses Betrages von der beklagten Partei.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die klagende Partei nicht klagslegitimiert sei, sie sei nicht berechtigt, den Ersatz der Lohnfortzahlungen zu begehren, dies insbesondere deshalb, weil zwischen ihr und dem Geschädigten ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat, gestützt auf die Entscheidung 2 Ob 21/94, die Ansicht, mit der Entgeltfortzahlung gehe der Ersatzanspruch gegen den Schädiger in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG ex lege auf den Dienstgeber über. Es sei bei unerheblich, ob der Dienstnehmer in der Privatwirtschaft oder in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis beschäftigt sei, da für beide Rechtsverhältnisse die Entgeltfortzahlungspflicht bestehe und diese die Zession auslöse.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Auch das Berufungsgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß Voraussetzung des Ersatzes geleisteter Lohnfortzahlung sei, daß der Dienstgeber kraft gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmung verpflichtet sei, den Lohn weiter zu zahlen. Die Lohnfortzahlungspflicht der klagenden Partei ergebe sich im vorliegenden Fall aus der Dienst- und Besoldungsordnung 1994.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, "weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, der Wahrung der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt".

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist wegen Fehlens einer Rechtsprechung zu Lohnfortzahlungsfällen im öffentlichrechtlichen Dienst zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei meint, im vorliegenden Fall könne die klagende Partei schon allein deshalb keinen Ersatzanspruch geltend machen, da ein möglicher Verdienstentgang öffentlicher Beamter ausscheide, weil deren Einkommen durch Krankheit oder Unfall nicht geschmälert werde. Übergehen könne aber nur ein Verdienstentgangsanspruch des Dienstnehmers. Da bei Beamten kein Verdienstentgang eintrete, könne auch keine Schadensverlagerung zugunsten des Dienstgebers erfolgen. Die Entscheidung 2 Ob 21/94 könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, da sie sich ausschließlich mit § 8 AngG befaße. Weiters seien im Gegensatz zu privaten Dienstverhältnissen die Gehaltskosten von Beamten des öffentlichen Rechts ziffernmäßig festgesetzt. Eine allenfalls dem Dienstgeber zukommende Entschädigung würde für ganz andere Zwecke verwendet werden.

Hiezu wurde erwogen:

Wie der erkennende Senat in der Entscheidung vom 24.3.1994, 2 Ob

21/94 (= SZ 67/52 = JBl 1994, 684 = EvBl 1994/135 = RdW 1994, 243 =

ZVR 1994/88 = ecolex 1994, 560 = AnwBl 1994, 905 = DRdA 1995, 44)

ausführlich ausgeführt hat, ist es im Falle der Verletzung eines Verkehrsteilnehmers eine typische, vom Schutzzweck der Bestimmungen der StVO umfaßte Folge seiner hiedurch verursachten Arbeitsunfähigkeit, daß er einen Verdienstentgang erleidet. Ist der Verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf den Dienstgeber überwälzt. Die Lohnfortzahlungsvorschriften haben nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, sie sollen vielmehr den Dienstnehmer vor sozialen Härten schützen. Die Ersatzpflicht des Schädigers wird durch die Lohnfortzahlung daher nicht ausgeschlossen. Ist eine Legalzession nicht vorgesehen, liegt eine Regelungslücke vor, die in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG geschlossen werden kann. Das bedeutet, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht. An dieser Rechtsprechung hat der erkennende

Senat auch in den folgenden Entscheidungen 2 Ob 53/94 (= ZVR

1995/62), 2 Ob 43/95 und 2 Ob 8/96 (= ecolex 1996, 671) festgehalten.

Dabei wurde dem Dienstgeber ein Ersatzanspruch nicht nur in den Fällen seiner Lohnfortzahlungspflicht nach § 8 AngG zugesprochen, sondern ganz allgemein ausgeführt, daß er dann ersatzberechtigt sei, wenn er (aufgrund welcher Norm auch immer [zB VBG im Falle der Entscheidung 2 Ob 53/94; Stmk.LVBG im Falle der Entscheidung 2 Ob 43/95]) zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist. Auch bei einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis will der Dienstherr den Beamten zwar durch Gewährung der Bezüge im Unglücksfall absichern, er verbindet aber damit keineswegs zugleich das Ziel, auch den Schädiger zu entlasten (s Krejci, VR 1995, 15).

Zutreffend haben daher die Vorinstanzen den Ersatzanspruch der klagenden Partei deshalb bejaht, weil sie aufgrund der Dienstordnung 1966 (wieder - verlautbart unter dem Titel "Gesetz über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien [Dienstordnung 1994 - DO 1994])" zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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