OGH 2Ob58/95

OGH2Ob58/9531.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien

1.) Margit H*****, 2.) W***** Versicherungs AG, ***** vertreten durch UnivProf.Dr.Friedrich Harrer und Dr.Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 69.137,92 samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 24.Mai 1995, GZ 54 R 29/95-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 23.Jänner 1995, GZ 11 C 1981/94f-10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.358,14 (darin enthalten S 893,02) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Dienstgeberin ihres Mitarbeiters Gerhard R*****, der am 1.7.1994 bei einem von der Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt wurde. Die zweitbeklagte Partei ist Haftpflichtversicherer der Erstbeklagten. Die klagende Partei bezahlte ihrem Dienstnehmer für die Zeit seines Krankenstandes insgesamt S 56.996,- als Lohn fort und hatte dazu noch S 9.880,60 an Dienstgeberanteilen zur Sozialversicherung und S 2.551,32 an Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds zu entrichten. Sie begehrt die Verpflichtung der beklagten Parteien zur Zahlung von S 69.137,92, weil sie nach § 8 AngG zur Entgeltfortzahlung an den verletzten Dienstnehmer verpflichtet gewesen sei.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung der Klage. Die klagende Partei als lediglich mittelbar Geschädigte sei aktiv nicht legitimiert. Ein Fall der sogenannten Schadensverlagerung liege nicht vor, auch könne der Dienstgeber an Schadenersatz nicht mehr verlangen, als dem Dienstnehmer zustehe, nämlich lediglich den Ersatz seines Nettoverdienstes abzüglich der vom Entschädigungsbetrag zu entrichtenden Steuer.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren unter Hinweis auf die ältere Judikatur abgewiesen, wonach dem Dienstgeber im Falle der Lohnfortzahlung wegen einer verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Dienstnehmers kein direkter Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zustehe.

Das Berufungsgericht hat sich der Entscheidung des erkennenden Senates 2 Ob 21/94 angeschlossen und dem Klagebegehren mit Ausnahme der geltend gemachten Beiträge des Dienstgebers zum Familienlastenausgleichsfonds stattgegeben.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht bestehe.

Gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagten Parteien beantragen die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat seine Meinung zur Frage des Schadenersatzes

in den sogenannten Lohnfortzahlungsfällen in der grundlegenden

Entscheidung 2 Ob 21/94 (= SZ 67/52 = JBl 1994, 684 = EvBl 1994/135 =

RdW 1994, 243 = ZVR 1994/88 = ecolex 1994, 560 (Mohr) = AnwBl 1994,

905 (Berger) = DRdA 1995, 44 (Klein)) ausführtlich dargelegt. Danach ist es im Falle der Verletzung eines Verkehrsteilnehmers eine typische, vom Schutzzweck der Bestimmungen der StVO umfaßte Folge seiner dadurch verursachten Arbeitsunfähigkeit, daß er einen Verdienstentgang erleidet. Ist der verletzte Dienstnehmer und sein Dienstgeber gesetzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet, wird der Schaden auf den Dienstgeber überwälzt. Die Lohnfortzahlungsvorschriften haben daher nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten, sondern sollen vielmehr den Dienstnehmer vor sozialen Härten schützen. Eine Ersatzpflicht des Schädigers wird daher durch die Lohnfortzahlung nicht ausgeschlossen. Ist aber eine Legalzession nicht vorgesehen, liegt eine Regelungslücke vor, die in Analogie zu § 1358 ABGB und § 67 VersVG geschlossen werden kann. Dies bedeutet, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht.

An dieser Rechtsprechung hat der erkennende Senat auch in den folgenden Entscheidungen 2 Ob 53/94 (= ZVR 1995, 62), 2 Ob 43/95, 2 Ob 2019/96, 2 Ob 8/96 (ecolex 1996, 671) und 2 Ob 2282/96v festgehalten. Soweit daher die Revisionswerber die Ansicht vertreten, es liege gar kein Fall der Schadensverlagerung vor bzw fehle es an der dogmatischen Begründbarkeit einer Legalzessionskonstruktion wurde diese Meinung in den zitierten Entscheidungen ausdrücklich abgelehnt (vgl 2 Ob 8/96). Die vorgetragenen Argumente bilden daher keinen Anlaß, von der nunmehrigen Rechtsprechung, die im übrigen von der Lehre begrüßt wurde, abzugehen (vgl die Entscheidungsbesprechung von Klein zu DRdA 1995, 44, Krejci, Schadenersatz wegen Verdienstentganges trotz Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers VR 1995, 4, 8).

Bereits in 2 Ob 21/94 wurde ausgesprochen, daß der Dienstgeber auch Anspruch auf Ersatz der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung hat. Der Dienstgeber zahlt diese Beiträge zwar Kraft eigener Verpflichtung, sie werden aber im Interesse des Arbeitnehmers erbracht, damit er in den Genuß der entsprechenden Leistungen kommen kann. An dieser Auffassung wurde auch in 2 Ob 8/96 festgehalten.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes erweist sich daher als frei vom Rechtsirrtum.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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