OGH 2Ob35/17m

OGH2Ob35/17m28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Krist Bubits Rechtsanwälte OG in Mödling, gegen die beklagte Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Schaffgotsch, Rechtsanwalt in Wien, wegen 950.000 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2016, GZ 16 R 114/16a‑13, womit infolge Berufung des Beklagten das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 25. Mai 2016, GZ 10 Cg 11/16a‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00035.17M.0328.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Kläger und der Beklagte sind die Söhne des am 16. Februar 2015 verstorbenen Erblassers. Nach Unterbleiben der Abhandlung (§ 153 Abs 1 AußStrG) nimmt der Kläger den Beklagten als Geschenknehmer auf den Schenkungspflichtteil in Anspruch. Im Revisionsverfahren ist strittig, ob ein grundbücherlich nicht durchgeführter Verzicht des Erblassers auf ein anlässlich der Schenkung eingeräumtes Fruchtgenussrecht ausreicht, um den Eintritt des „Vermögensopfers“ annehmen zu können. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Erblasser und seine Frau betrieben eine Landwirtschaft. 1978 schenkten sie dem Beklagten zwei Liegenschaften, wobei dieser im Gegenzug für sich und seine Nachkommen auf jedes gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber den Eltern verzichtete. 1986 und 2002 schenkten die Eltern auch dem Kläger Liegenschaften, dies unter Anrechnung auf seinen künftigen Pflichtteil. 2006 schenkte der Erblasser dem Beklagten sechs weitere Liegenschaften. Der Schenkungsvertrag enthielt folgende Bestimmungen:

„Zweitens:

Der Geschenkgeber verzichtet hiemit auf das Recht, diese Schenkung aus welchem Grunde immer, mit Ausnahme der Gründe der §§ 947 bis 949 ABGB zu widerrufen.

[…]

Fünftens:

1. Dienstbarkeit des Fruchtgenussrechtes

An sämtlichen übergebenen Liegenschaften und Rechten behält sich der Übergeber das uneingeschränkte, lebenslängliche und höchstpersönliche Recht auf Fruchtnießung gemäß der §§ 509 ff ABGB vor. Dieses vereinbarte Fruchtgenussrecht zugunsten des Übergebers ist im Grundbuch ob sämtlicher übergebener Liegenschaften im ersten Range einzuverleiben. […]“

Das Fruchtgenussrecht wurde einverleibt und bis zum Tod des Erblassers nicht gelöscht.

Tatsächlich waren die Streitteile mit ihren Eltern und Ehefrauen schon 1990 übereingekommen, dass der landwirtschaftliche Betrieb auf die Ehefrau des Beklagten übertragen werden sollte, weil sie die einzige war, die mit Ausnahme der Eltern der Streitteile nicht (anderwärtig) arbeitete. Der Kläger führte in weiterer Folge Reparaturen an Maschinen durch, der Beklagte und sein Vater verrichteten die landwirtschaftlichen Arbeiten und bestellten die Felder, die Frau des Beklagten erledigte administrative Tätigkeiten und körperlich weniger anstrengende Arbeiten wie das Herbeischaffen von Saatgut. Der Vater übte das Fruchtgenussrecht nie aus, verlangte vom Beklagten und seiner Ehefrau weder einen Pachtzins noch eine andere finanzielle Abgeltung und gab durch sein Verhalten zu erkennen, dass er auch in Zukunft keinen Wert darauf lege. Er fand mit seiner Pension das Auslangen.

Der Kläger begehrt 950.000 EUR sA. Aufgrund der 2006 erfolgten Schenkung stehe ihm ein Schenkungspflichtteil zu, den er zufolge Vermögenslosigkeit des Nachlasses gegen den Geschenknehmer geltend mache. Da sich der Geschenkgeber das Fruchtgenussrecht vorbehalten habe, sei das Vermögensopfer erst mit dessen Tod eingetreten, sodass die Schenkung innerhalb der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB erfolgt sei. Die geschenkten Liegenschaften hätten im Zeitpunkt des Todes einen Verkehrswert von 3,2 Mio EUR gehabt; er selbst habe Liegenschaften im Wert von 1,3 Mio EUR geschenkt bekommen. Der Schenkungspflichtteil errechne sich daher wie folgt: Die Werte seien zu addieren, was 4,3 Mio EUR ergebe; von der Hälfte dieses Betrags (2,15 Mio EUR) sei der Wert der dem Kläger geschenkten Liegenschaften (1,3 Mio EUR) abzuziehen. Dies ergebe den Klagebetrag.

Der Beklagte wendet ein, dass er aufgrund des Pflichtteilsverzichts aus dem Jahr 1978 nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehöre. Die mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgte Schenkung sei daher nicht in Anschlag zu bringen. Der Vater der Streitteile habe sich den Widerruf der Schenkung nicht vorbehalten und in weiterer Folge auf das Fruchtgenussrecht verzichtet. Spätestens damit habe er das Vermögensopfer erbracht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass der Erblasser schon 2006 erklärt habe, „auf die Ausübung des im Schenkungsvertrag vereinbarten Fruchtgenussrechts gegenüber dem Beklagten zu verzichten“, und dass er diesen Verzicht in den Folgejahren immer wieder bei verschiedenen Familienfeiern bestätigt habe. Daraus leitete es ab, dass der Erblasser das Vermögensopfer außerhalb der Frist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB erbracht habe.

Das Berufungsgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht bestehe, und ließ die ordentliche Revision zu.

Der Vorbehalt des Fruchtgenussrechts habe den Eintritt des Vermögensopfers zunächst verhindert. Fraglich sei daher, ob der Erblasser in weiterer Folge darauf wirksam verzichtet habe. Nach den Feststellungen des Erstgerichts habe sich sein Verzicht auf die „Ausübung“ des Fruchtgenussrechts bezogen; das Erstgericht habe aber keine Feststellung zur weitergehenden Behauptung des Beklagten getroffen, dass der Erblasser auch auf das Recht als solches verzichtet habe. Insofern liege aber kein relevanter Feststellungsmangel vor. Denn ein „wirksamer Verzicht“ auf das Fruchtgenussrecht, aufgrund dessen das Vermögensopfer nach der Rechtsprechung eintrete, setze die Löschung des Rechts im Grundbuch voraus. In der bloßen Nichtausübung liege jedenfalls kein Verzicht. Folgerichtig sei für die Anwendbarkeit von § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB irrelevant, ob der Geschenkgeber sein zurückbehaltenes Nutzungsrecht auch tatsächlich ausgeübt habe. Von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen, werde gemäß § 4 GBG die Aufhebung eines bücherlichen Rechts nur durch die Eintragung in das Grundbuch erwirkt. Diese Bestimmung spiegle den in den §§ 431, 445, 451 ABGB materiell angeordneten Eintragungsgrundsatz wider. Erlöschensgründe seien im Allgemeinen nur Löschungstitel. Das gelte, abweichend von älterer Rechtsprechung, nach 5 Ob 1/07v auch für den Verzicht des Berechtigten auf die Ausübung einer Servitut. Auch der für das „Vermögensopfer“ maßgebende Bestand oder Nichtbestand eines dinglichen Nutzungsrechts sei nach sachenrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Daher sei auch das an einen Verzicht geknüpfte Vermögensopfer erst mit der sachenrechtlichen Wirksamkeit dieses Verzichts erbracht. Grundsätzlich binde zwar auch ein obligatorischer Verzicht den Geschenkgeber gegenüber dem fruchtgenussbelasteten Geschenknehmer; allerdings komme es nach 2 Ob 125/15v allein auf die Änderung der Rechtsposition des Geschenkgebers an. Diese enthalte so lange umfassende Dispositionsmöglichkeiten über die Servitut, als diese im Grundbuch eingetragen sei. Abgesehen davon, dass der Geschenkgeber sein zurückbehaltenes Fruchtgenussrecht trotz eines (bloß obligatorischen) Verzichts einem Dritten wirksam übertragen oder verpfänden könnte, sei auch ein exekutiver Zugriff darauf möglich (5 Ob 1/07v). Zudem sei das Fehlen des Vermögensopfers bei der ursprünglichen Schenkung auf die Verbücherung des Fruchtgenussrechts zurückzuführen, weil dieses Recht erst durch den Publizitätsakt entstehe. Auch der Oberste Gerichtshof spreche in diesem Zusammenhang immer von einem „dinglichen“ Fruchtgenussrecht. Es sei daher folgerichtig, dass auch eine spätere Änderung, also die Erbringung des Vermögensopfers durch Verzicht auf die Servitut, erst mit der Verbücherung wirksam werde. Aus diesem Grund sei die Schenkung hier erst mit dem Erlöschen des Fruchtgenussrechts durch den Tod des Erblassers iSv § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“ worden. Sie sei daher in Anschlag zu bringen, was zu einem stattgebenden Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs führe.

Die Revision sei zuzulassen, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob der Eintragungsgrundsatz für den Verzicht auf eine Servitut gelte, mit den Entscheidungen 3 Ob 174/62 und 5 Ob 1/07v nicht einheitlich sei und Rechtsprechung zur Frage fehle, ob das Vermögensopfer auch bei einem nicht verbücherten Verzicht auf ein Fruchtgenussrecht als erbracht anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Beklagten ist aus dem zweiten vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Kläger erhebt einen Anspruch nach § 951 ABGB in der hier nach § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB noch anwendbaren Fassung vor dem ErbRÄG 2015. Dieser Anspruch setzt voraus, dass ihm ein Schenkungspflichtteil iSv § 785 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zusteht, der aus dem Nachlass nicht gedeckt werden kann. In diesem Zusammenhang ist unstrittig, dass

- der Erblasser dem Beklagten mit einem 2006 geschlossenen Vertrag mehrere Liegenschaften geschenkt hat,

- der Beklagte zu diesem Zeitpunkt zufolge des schon 1978 vereinbarten Pflichtteilsverzichts nicht mehr konkret pflichtteilsberechtigt war, sodass Schenkungen, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblasser gemacht wurden, nach § 758 Abs 3 Satz 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 nicht in Anschlag zu bringen sind, und

- eine Abhandlung nach § 153 Abs 1 AußStrG unterblieb, woraus auf die Unmöglichkeit der Deckung eines allfälligen Schenkungspflichtteils aus dem Nachlass geschlossen werden kann.

Das Bestehen des Anspruchs hängt daher ausschließlich davon ab, ob die Schenkung mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers „gemacht“ wurde. Maßgebend dafür ist nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Senats (2 Ob 125/15v, EF‑Z 2015, 275 [Tschugguel] = PSR 2015, 184 [Zollner] = ecolex 2015, 1047 [Fritzer]; 2 Ob 144/16i, EF‑Z 2017, 40 [Tschugguel] mwN; RIS-Justiz RS0130273), von der abzugehen kein Anlass besteht, der Zeitpunkt des Vermögensopfers: Dieses setzt jedenfalls den Abschluss eines formgültigen und unwiderruflichen Schenkungsvertrags voraus. Auch in diesem Fall liegt es aber nicht vor, wenn sich der Geschenkgeber sämtliche Nutzungen der geschenkten Sache in Form eines dinglichen Fruchtgenussrechts zurückbehält. In einem solchen Fall tritt das Vermögensopfer erst mit dem Tod oder einem wirksamen Verzicht des Geschenkgebers auf das vorbehaltene Recht ein (2 Ob 125/15v).

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt ein solcher Verzicht nicht voraus, dass das Recht im Grundbuch gelöscht wurde.

2.1. Nach herrschender Rechtsprechung handelt es sich beim Verzicht um einen Vertrag, der durch Erklärung des Verzichts und Annahme dieser Erklärung durch den Schuldner zustande kommt (2 Ob 207/12y, ÖBA 2014/2014 [Apathy]; 2 Ob 55/07t; RIS-Justiz RS0034122). Für die Erklärung des Verzichts ist – auch wenn er unentgeltlich erfolgt – keine besondere Form erforderlich (1 Ob 533/78, SZ 51/15; RIS-Justiz RS0034030). Auch die Annahme kann konkludent erfolgen (RIS-Justiz RS0017350, RS0034122 [T2]), wobei dafür bereits die widerspruchslose Entgegennahme der Erklärung durch den Schuldner genügt (7 Ob 223/07f; 2 Ob 55/07t); zudem soll die Frist des § 862 ABGB für die Annahme nicht gelten (GlU 12862; 3 Ob 70/65, ZfRV 1968, 295 [Selb]). Damit sind die Unterschiede der Vertragskonstruktion zur im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass der Verzicht überhaupt ein einseitiger Rechtsakt sei (Nachweise bei Heidinger in Schwimann/Kodek 4§ 1444 Rz 3 ff), nur von geringer praktischer Bedeutung.

2.2. Der Verzicht auf ein beschränktes dingliches Recht wird allerdings nach 5 Ob 1/07v (ecolex 2007, 338 [Friedl] = NZ 2007, 312 [Hoyer 318]; vgl auch 4 Ob 190/13i [obiter]) – entgegen früherer Rechtsprechung (3 Ob 174/62, EvBl 1963/162) – aufgrund des auch insofern geltenden Eintragungsgrundsatzes erst mit der Einverleibung der Löschung auch Dritten gegenüber wirksam. Praktisch bedeutsam ist das vor allem dann, wenn – wie im Anlassfall von 5 Ob 1/07v – exekutiv auf das dingliche Recht gegriffen wurde: Wäre dieses Recht (wie in 3 Ob 174/62 angenommen) schon durch den Verzicht als solchen erloschen, so wären zwar gutgläubige rechtsgeschäftliche Erwerber aufgrund des Vertrauens auf den (dann materiell falschen) Grundbuchsstand geschützt (§§ 62 ff GBG), nicht aber exekutive Erwerber, die sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen können (JB 188; 2 Ob 260/49, SZ 22/99; 5 Ob 17/94, SZ 67/13; RIS‑Justiz RS0060708 [T1]). Die Geltung des Eintragungsgrundsatzes führt demgegenüber dazu, dass auch der exekutive Erwerb von Rechten an einem beschränkten dinglichen Recht, auf das der Berechtigte inter partes verzichtet hatte, wirksam ist.

2.3. Diese Erwägungen ändern jedoch nichts daran, dass der Eigentümer des dienenden Gutes bei Vorliegen eines schuldrechtlich wirksamen Verzichts die Löschung der Dienstbarkeit erzwingen kann. Umgekehrt kann zwar der Berechtigte, der auf das Recht verzichtet hat, vor der Einverleibung der Löschung noch über das Recht verfügen; aus dem Verzicht folgt aber, dass er dazu gegenüber dem Eigentümer des dienenden Gutes nicht mehr befugt ist. Das aus dem Eintragungsgrundsatz folgende Können geht daher über das Dürfen hinaus. Gleiches würde allerdings im Ergebnis auch dann gelten, wenn (wie in 3 Ob 174/62 angenommen) schon der Verzicht als solcher zum Erlöschen des Rechts führte. Denn in diesem Fall ermöglichte der Vertrauensgrundsatz den (in diesem Fall originären) Rechtserwerb eines Dritten.

2.4. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel, dass bereits ein inter partes wirksamer Verzicht auf das Fruchtgenussrecht ausreicht, um das Vermögensopfer endgültig zu erbringen.

(a) Der Senat hat im Rahmen der Begründung, weshalb das Zurückbehalten aller Nutzungen der Annahme des Vermögensopfers entgegenstehe, Folgendes ausgeführt (2 Ob 125/15v):

„[...] für den redlichen Geschenkgeber macht es keinen Unterschied, ob er nach Abschluss eines Schenkungsvertrags nicht mehr über die Sache verfügen darf (Schenkung auf den Todesfall) oder ob er nach dessen sachenrechtlicher Durchführung (bei Liegenschaften also nach der Verbücherung) auch nicht mehr darüber verfügen kann (Schenkung unter Lebenden). Denn von diesem rechtlichen Können durfte er ohnehin keinen Gebrauch machen. Der auch sachenrechtliche 'Substanzverlust' führt daher für den redlichen Geschenkgeber zu keiner weitergehenden Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung gegenüber dem bloß 'schuldrechtlichen Substanzverlust' durch Abschluss des Schenkungsvertrags, der seinerseits in gleicher Weise bei einer Schenkung auf den Todesfall eintritt.“

Aufgrund dieser Argumentation zog der Senat die Parallele zwischen einer sofort wirksamen Schenkung und einer Schenkung auf den Todesfall, was in einem weiteren Schritt zur Annahme führte, dass auch bei einer sofort wirksamen Schenkung das Zurückbehalten aller Nutzungen– wie bei der Schenkung auf den Todesfall – der Annahme eines bereits mit der Schenkung eintretenden Vermögensopfers entgegenstehe.

(b) Was für den (endgültigen) Verlust der Substanz gilt, muss auch für den Verzicht auf die zurückbehaltenen Nutzungen (das Fruchtgenussrecht) gelten. Liegt ein schuldrechtlich wirksamer Verzicht vor, so hat sich der Geschenkgeber der Nutzungen der geschenkten Sache begeben. Dass er – sei es wegen der Geltung des Eintragungsgrundsatzes (5 Ob 1/07v), sei es wegen des Vertrauensgrundsatzes – vor der grundbücherlichen Durchführung (zumindest im Ergebnis) noch wirksam über das Recht verfügen kann, hat für den redlichen Geschenkgeber, von dem auch in diesem Zusammenhang aufzugehen ist, keine Bedeutung. Eine Umgehung des Pflichtteilsrechts, der die Zwei-Jahres-Frist in § 785 Abs 3 S 2 ABGB und deren Auslegung im Sinn der Vermögensopfertheorie entgegenwirken will (2 Ob 125/15v), ist daher nicht mehr anzunehmen, wenn sich der Erblasser außerhalb dieser Frist nicht nur durch Abschluss eines unwiderruflichen und formgültigen Schenkungsvertrags der Substanz begibt, sondern auch auf die – zunächst vorbehaltenen – Nutzungen verzichtet.

(c) Das Berufungsgericht argumentiert, dass nach der Rechtsprechung des Senats nur ein dingliches Fruchtgenussrecht dem Vermögensopfer entgegenstehe, weswegen auch dessen Wegfall nur bei dinglicher Wirkung relevant sein könne. Insofern ist klarzustellen, dass das Vermögensopfer schon dann zu verneinen ist, wenn im Schenkungsvertrag oder im Zusammenhang damit ein umfassendes Fruchtgenussrecht vereinbart wird und der Geschenkgeber eine Verbücherung erzwingen kann. Ob diese dann tatsächlich erfolgt, ist unerheblich. Maßgebend ist auch hier die Rechtsstellung des Geschenkgebers im Verhältnis zum Geschenknehmer, nicht die allfällige Wirkung gegenüber Dritten.

3. Auf dieser Grundlage ist die Sache noch nicht entscheidungsreif.

3.1. Aus den – auch vom Berufungsgericht in diesem Sinn verstandenen – Feststellungen des Erstgerichts ergibt sich nur, dass der Erblasser erklärt hat, auf die Ausübung des Fruchtgenussrechts zu verzichten. Aus dieser Erklärung ließe sich aber unter Bedachtnahme auf einen objektiven Empfängerhorizont noch nicht ableiten, dass der Erblasser endgültig auf das Recht verzichten wollte. Denn sie könnte zumal im bäuerlichen Umfeld, dem die Bedeutung des Grundbuchs für den Bestand von Rechten durchaus bewusst ist, auch dahin gedeutet werden, dass der Berechtigte dieses Recht derzeit nicht ausüben wolle, weil er ohnehin (wie festgestellt) mit der Pension das Auslangen finde, dass er aber insbesondere für den Fall geänderter Verhältnisse am grundsätzlichen Bestehen seines Rechts festhalte. Verzichtserklärungen sind im Zweifel restriktiv auszulegen (RIS‑Justiz RS0018561 [T1], RS0038546 [T1]).

3.2. Damit liegt ein schon vom Berufungsgericht angenommener sekundärer Feststellungsmangel vor. Denn der (insofern beweispflichtige) Beklagte hat einen Verzicht auf das Recht behauptet. Das Erstgericht wird daher – nach Erörterung mit den Parteien und Entgegennahme allfälliger Beweisanbote – Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der Erblasser weitergehende Erklärungen abgegeben hat oder ob aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls die bereits festgestellten Erklärungen vom Erklärungsempfänger als Verzicht auf das Recht verstanden werden mussten. Werden insofern Negativfeststellungen getroffen, bestünde der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zu Recht. Zur Klarstellung ist insofern festzuhalten, dass der Pflichtteil des Klägers zufolge Erbverzichts des Beklagten tatsächlich die Hälfte des Nachlasses betrüge (§ 767 Abs 1 ABGB), was auch der Berechnung des Schenkungspflichtteils zugrunde zu legen wäre. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, wäre auch auf die analoge Anwendung der anerben- bzw höferechtlichen Bewertungsmethode Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0110354, RS0017994). Ist hingegen ein schuldrechtlich wirksamer Verzicht anzunehmen, wäre die Klage abzuweisen. Die Annahme des Verzichts könnte auch durch Stillschweigen erfolgen.

4. Aus diesen Gründen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, und die Rechtssache ist zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Bei Vorbehalten eines Fruchtgenussrechts ist das Vermögensopfer erbracht, sobald der Geschenkgeber auf dieses Recht gegenüber dem Geschenknehmer verzichtet und dieser den Verzicht – allenfalls auch stillschweigend – annimmt. Auf die Löschung des Fruchtgenussrechts im Grundbuch kommt es nicht an.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 S 3 ZPO.

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