OGH 2Ob144/16i

OGH2Ob144/16i29.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** N*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte‑Partnerschaft (OG) in Wien, gegen die beklagte Partei R***** B*****, vertreten durch Mag. Bernhard Kispert, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.000 EUR (Revisionsinteresse 26.166,67 EUR) sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2016, GZ 11 R 68/16z‑39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 18. Februar 2016, GZ 2 Cg 143/14a‑35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00144.16I.0929.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 1.725,84 EUR (darin enthalten 287,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Tochter des am 26. 11. 2013 verstorbenen Erblassers, der am 14. 11. 2011 mit Notariatsakt dem Beklagten, dem Sohn seiner zweiten Ehefrau, seinen Hälfteanteil an einer Liegenschaft schenkte und sich im Gegenzug die Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchs und ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot einräumen ließ. Weiters wurde vereinbart, dass die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft in den wirklichen Besitz und Genuss des Erwerbers mit Gefahr und Zufall, Vorteil und Last nach Endigung des Wohnungsrechts erfolgen sollte, die „rechtliche Übergabe“ dagegen sofort.

Diese Urkunde wurde in der Folge verbüchert.

Der überschuldete Nachlass des Erblassers wurde im Verlassenschaftsverfahren zu zwei Drittel der Klägerin und zu einem Drittel der zweiten Ehefrau des Erblassers eingeantwortet.

Die Klägerin machte zunächst 50.000 EUR sA als Schenkungspflichtteil geltend. Der Wert der dem Beklagten vom Erblasser geschenkten Liegenschaftshälfte habe 300.000 EUR betragen. Davon gebühre ihr ein Sechstel.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, die Liegenschaft sei ihm mehr als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers geschenkt worden und unterliege daher keiner Anrechnung. Der Wert der Liegenschaft habe maximal 150.000 EUR betragen und sei als gemischte Schenkung anzusehen, weil der Beklagte sich verpflichtet habe, aushaftende Schulden im Ausmaß von 55.000 EUR zu übernehmen. Im Übrigen müsse sich die Klägerin auf einen allfälligen Schenkungspflichtteil eine ihr im Jahr 1992 zugeflossenen Schenkung in Höhe von 14.150,41 EUR und den Wert einer ihr vom Erblasser geschenkten Liegenschaft anrechnen lassen. Letztlich sei auch die Überschuldung des Nachlasses in Höhe von 43.723,97 EUR zu berücksichtigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei die Abweisung von 23.833,33 EUR sA unbekämpft blieb.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar sei nach 2 Ob 39/14w eine Schenkung im Sinne des § 785 ABGB nur dann als „gemacht“ anzusehen, wenn das der Schenkung zugrunde liegende Vermögensopfer erbracht werde, aus den Folgeentscheidungen 2 Ob 125/15v und 2 Ob 185/15t könne aber entnommen werden, dass dies nur dann nicht der Fall sei, wenn die Schenkung unter Widerrufsvorbehalt erfolge oder sich der Geschenkgeber sämtliche Nutzungen durch Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts zurückbehalte, somit im Regelfall einer Fruchtnießung im Sinne des § 509 ABGB. Ein bloßes Wohnungsgebrauchsrecht und/oder ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot dagegen könnten die Anwendung der Frist des § 785 Abs 3 ABGB nicht hindern. Hier sei ein Wohnungsgebrauchsrecht samt Belastungs‑ und Veräußerungsverbot eingeräumt worden und daher die Zweijahresfrist in Lauf gesetzt worden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob auch ein obligatorischer Entzug aller Nutzungen die Anwendung der Zweijahresfrist des § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB hindern könne.

In ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass sich der vorliegende Fall von jenen der Entscheidungen 2 Ob 125/15v sowie 2 Ob 185/15t unterscheide, weil hier die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft in den wirklichen Besitz und Genuss des Beklagten erst nach Beendigung des Wohnrechts – und daher dem Tod des Erblassers – erfolgen sollte, sodass der Sachverhalt mit einer Schenkung auf den Todesfall und einem umfassenden Nutzungsrecht des Geschenkgebers zu vergleichen sei. Die Frist für die Schenkungsanrechnung sei daher hier noch nicht abgelaufen. Die Revisionswerberin beantragt daher die „vollinhaltliche“ Klagsstattgebung, nachträglich richtiggestellt auf (wie im Berufungsverfahren) 26.166,67 EUR sA; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichts, sie ist aber nicht berechtigt.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 2 Ob 39/14w (NZ 2015, 20 [Battlogg] = EF‑Z 2015, 38 [A. Tschugguel] = iFamZ 2015, 39 [Mondel] = ecolex 2015, 273 [Schoditsch]) die zunächst in stiftungsrechtlichem Zusammenhang (10 Ob 45/07a, SZ 2007/92 = EF‑Z 2007, 187 [Zollner] = ecolex 2007, 674 [Limberg] = GesRZ 2007, 437 [Arnold]) herangezogene „Vermögensopfertheorie“ auch auf die Schenkung von Liegenschaften angewendet. Dies mit der Begründung, dass dann, wenn sich der Geschenkgeber sowohl die Nutzungs‑ als auch die Verfügungsmöglichkeit bis zu seinem Tod vorbehalte, die Schenkung trotz Vertragsabschlusses noch nicht im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB „gemacht“ sei. Bei einer umfassenden und weitreichenden Beschneidung des übertragenen Eigentums durch Fruchtgenuss samt Veräußerungs‑ und Belastungsverbot sei im Sinne der „Vermögensopfertheorie“ davon auszugehen, dass bis zum Wegfall der Einschränkung durch den Tod des Geschenkgebers, der den Genuss der geschenkten Sache vorher nicht aufgegeben habe, die Schenkung im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB noch nicht „gemacht“ worden sei und daher die dort normierte Frist noch nicht zu laufen begonnen habe.

Trotz teilweiser Kritik an dieser Entscheidung hat der Senat daran in 2 Ob 125/15v (JBl 2015, 705 = EF‑Z 2015, 275 [A. Tschugguel] = ecolex 2015,1047 [Fritzer]) und 2 Ob 185/15t (NZ 2016/60) im Kern festgehalten und präzisiert, dass Kriterium für das Vorliegen eines relevanten „Vermögensopfers“ – neben der Unwiderruflichkeit der Schenkung – die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit sei. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei allerdings eine typisierende Betrachtung vorzunehmen und bei Schenkung einer Liegenschaft ein Vermögensopfer nur dann zu verneinen, wenn sich der Geschenkgeber tatsächlich sämtliche Nutzungen durch Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts zurückbehalte. Gebe er dagegen nur bestimmte Nutzungsmöglichkeiten auf, etwa wenn er die geschenkte Sache zwar weiter selbst gebrauchen dürfe, allfällige Erträge aber nicht ihm, sondern dem Geschenknehmer zustünden, liege ein über dem Substanzverlust hinausgehendes Vermögensopfer vor. Unerheblich sei, ob sich der Geschenknehmer ein „obligatorisches oder dinglich wirkendes“ Belastungs‑ und Veräußerungsverbot einräumen lasse, weil seine Rechtsstellung durch die Möglichkeit oder Unmöglichkeit solcher Verfügungen des Geschenknehmers nicht beeinträchtigt werde. Sein dingliches Nutzungsrecht gehe aufgrund des bücherlichen Rangprinzips jedenfalls vor.

Diese Judikaturlinie hat der erkennende Senat zuletzt in 2 Ob 185/15t im Zusammenhang mit einem Fruchtgenussrecht fortgeschrieben.

Im vorliegenden Fall wurde eine Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchs samt Belastungs‑ und Veräußerungsverbot eingeräumt, was nach den oben dargelegten Kriterien als über den Substanzverlust hinausgehendes „Vermögensopfer“ und somit als „gemachte“ Schenkung im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB anzusehen ist. Die Parteien des Schenkungsvertrags haben aber darüber hinaus vereinbart, dass die Übergabe und Übernahme der Liegenschaft in den wirklichen Besitz und Genuss des Erwerbers erst mit der Endigung des Wohnrechts erfolgen solle und „lediglich“ die „rechtliche Übergabe“ sofort.

Auch wenn mit dieser unklaren Vereinbarung im Schenkungsvertrag das zu verbüchernde Wohnungs-gebrauchsrecht – rein obligatorisch – ausgedehnt worden sein sollte, hat es auch im vorliegenden Fall aus Gründen der Rechtssicherheit im Sinne der Entscheidung 2 Ob 125/15v bei der typisierenden Betrachtung zu verbleiben, nach der das „Vermögensopfer“ der Schenkung nur dann zu verneinen ist, wenn sich der Geschenkgeber tatsächlich sämtliche Nutzungen durch Begründung eines beschränkten dinglichen Rechts zurückbehält.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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