OGH 11Os117/16i

OGH11Os117/16i13.12.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrei P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 3; 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Andrei B***** und Laurentiu N***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 19. Juli 2016, GZ 10 Hv 44/16s‑267, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00117.16I.1213.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Andrei B***** und Laurentiu N***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch – insoweit unbekämpft – einen Freispruch des Laurentiu N***** von weiteren Tatvorwürfen sowie Schuldsprüche von zwei weiteren Angeklagten enthält, wurden – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz – Andrei B***** und Laurentiu N***** des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Z 2, Abs 2 Z 1, 130 Abs 3; 15 StGB (I. und II.) sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach haben sie als Mitglieder einer zwischen ihnen sowie zumindest einem weiteren unbekannten Mittäter gebildeten kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) zumindest eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung nachgenannten Berechtigten fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert von zumindest 130.986,78 Euro mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch teils in ein Gebäude (II.1.), in Wohnstätten (I., II.2. bis 7.), sowie Aufbrechen eines Behältnisses (I.1.a, II.1. und II.5.) teils weggenommen, teils wegzunehmen versucht (II.3.d und II.6.), wobei sie im Rahmen der zu I.2. bis II.7. dargestellten Tathandlungen jeweils in der Absicht handelten, sich durch die wiederkehrende Begehung (auch) von schweren Einbruchsdiebstählen vorwiegend in Wohnstätten längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen und bereits zwei solche Taten begangen hatten, und zwar:

I. Andrei B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mitangeklagten als unmittelbarer Täter sowie Laurentiu N***** als Bestimmungstäter, indem Laurentiu N***** die Einbruchsdiebstähle organisierte und eine Wohnung als Unterkunft und Lagerplatz zur Verfügung stellte, und zwar

1. am 13. Oktober 2015

a) in G***** Siegfried, Herta und Astrid Po***** Schmuck, Uhren und Münzen im Gesamtwert von ca 7.151,90 Euro sowie 2.020 Euro Bargeld durch Aufbrechen der Terrassentür und anschließendes Aufbrechen eines Tresors; und

b) in K***** Erika U***** Schmuck und Armbanduhren im Gesamtwert von ca 1.000 Euro durch Aufbrechen eines Fensters; sowie

2. am 14. Oktober 2015 in T***** Josef Z***** 50 Euro Bargeld durch Aufzwängen eines Fensters mit zwei Schraubenziehern;

II. Andrei B***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mitangeklagten als unmittelbarer Täter, Laurentiu N***** teils im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den zuvor Genannten als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungs‑ und Beitragstäter, indem er die Einbruchsdiebstähle organisierte, eine Wohnung als Unterkunft und Lagerplatz zur Verfügung stellte und als Fahrer fungierte, und zwar

1. am 5. September 2015 in G***** sowie in T***** durch Entfernen der Verglasung der Fluchttür und Einsteigen in die Betriebsräumlichkeiten, anschließendes Aufbrechen eines Kaffeeautomaten sowie von mehreren Spinden und Aufschneiden eines eigens dafür vom Tatort verbrachten Standtresors

a) Berechtigten der C***** Ges.m.b.H. 468,20 Euro Bargeld sowie Kaffeeguthaben‑Bons im Wert von 120 Euro und

b) Berechtigten der A***** GmbH eine Spiegelreflexkamera im Wert von 81 Euro, ein Foto‑/Filmgerät im Wert von 115,83 Euro, einen Beamer im Wert von 335,50 Euro, vier Bilder im Gesamtwert von 3.760 Euro, mehrere Schlüssel im Gesamtwert von 20 Euro, eine Handkassa im Wert von 40,53 Euro, ein Mobiltelefon der Marke Nokia im Wert von 75 Euro sowie insgesamt „4.4049,26 Euro“ Bargeld;

c) Gottfried K***** 2,50 Euro Bargeld und

d) Jon M***** eine Brieftasche im Wert von 40 Euro sowie 15 Euro Bargeld;

2. am 8. September 2015 in Z***** Thomas Be***** und Susanne H***** Schmuck und Uhren im Gesamtwert von 1.650 Euro, 12.000 Euro Bargeld sowie zwei Pistolen der Marke PPK von unbekanntem Wert durch Aufbrechen eines Fensters;

3. am 29. September 2015 in I*****

a) Irene D***** und Gernot R***** 50 Euro Bargeld sowie Schmuck, Gold, Silber und Silbermünzen im Gesamtwert von „ca“ 4.790,60 Euro durch Aufbrechen eines Fensters;

b) Adolf sen., Adolf jun., Margarete, Angela, Nadine und Daniel W***** 2.020 Euro und 1.500 kroatische Kuna Bargeld sowie Schmuck, Golddukaten und Silbermünzen im Gesamtwert von zumindest 2.934,96 Euro durch Aufbrechen des Terrassenfensters mit einem Flachwerkzeug;

c) Bernhard E***** 300 Euro, 1.000 kroatische Kuna, 50 indische Rupien und 30 ägyptische Pfund Bargeld sowie Schmuck im Gesamtwert von 5.870,50 Euro, Golddukaten im Wert von 420 Euro und eine Münzsammlung im Wert von 20 Euro durch Aufbrechen eines Fensters; sowie

d) Franziska Wa***** Wertgegenstände durch Aufbrechen eines Fensters, wobei die Tat beim Versuch blieb;

4. am 16. Oktober 2015 in G*****

a) Hannelore F***** 432 Euro Bargeld durch Aufbrechen eines Fensters sowie

b) Bernd Kr***** und Silvia Fa***** Schmuck und Münzen im Wert von insgesamt zumindest 15.344 Euro sowie eine Digitalkamera im Wert von 200 Euro durch Aufbrechen des Keller‑ sowie eines weiteren Fensters;

5. am 19. Oktober 2015 in G***** Michael und Ilona Ei***** diverse Schlüssel, Feuerzeuge, Schmuck, Golddukaten und Silbermünzen im Wert von insgesamt zumindest 58.610 Euro sowie ca 7.000 Euro Bargeld durch Einschlagen des Vorzimmerfensters und anschließendes „Aufflexen“ eines Standtresors;

6. am 20. Oktober 2015 in G***** Arpad S***** Wertgegenstände durch Aufbrechen eines Fensters, wobei die Tat lediglich deshalb beim Versuch blieb, weil sie bei der Tatausführung betreten wurden und

7. zu nicht näher bekannten Zeitpunkten an nicht näher bekannten Orten des Bundesgebiets nicht näher bekannten Berechtigten weitere Uhren und Schmuckstücke, eine Armbanduhr mit schwarzem Lederband, eine 10‑Euro‑Münze sowie eine Maria‑Theresien‑„Münze“ in einem nicht näher bekannten Gesamtwert durch Einbruch in eine Wohnstätte;

III. am 5. September 2015 in G***** und T***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mitangeklagten und einem weiteren unbekannten Mittäter Berechtigte der A***** GmbH dadurch geschädigt, dass sie eine fremde bewegliche Sache in einem 5.000 Euro nicht übersteigenden Wert aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, indem sie den durch die Tat laut Punkt II.1. erbeuteten, mithilfe von Winkelschleifern aufgeschnittenen Standtresor im Wert von 508,80 Euro in einem Waldstück in T***** zurückließen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich von Andrei B***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 (lit) b StPO sowie von Laurentiu N***** auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Andrei B*****:

Die beweiswürdigenden Erwägungen zur Anreise des Beschwerdeführers am 12. Oktober 2015 mit dem Flugzeug (US 14) stehen in keinem logischen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Annahme der Anwesenheit des Genannten auch an den Tatorten (US 11 iVm US 4 f, 23) vom 5. (II.1.), 8. (II.2.) und 29. September 2015 (II.3.). Das Urteil trifft nämlich gerade keine Aussagen, die einen oder mehrere Inlandsaufenthalte des Angeklagten B***** schon vor diesem Flug ausschließen würden (vgl vielmehr US 19, wonach der Genannte schon am 30. September 2015 bei einer Polizeikontrolle registriert worden war).

Dem weiteren Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der (Mit‑)Täterschaft des Angeklagten B***** zu II.1. bis II.3. (und III.) insbesondere aus dessen eigenen Angaben, den Depositionen der Mitangeklagten Costinel N***** und Andrei P***** (vgl ON 250 S 4–11, 16–29) sowie des Zeugen Peter S*****, DNA‑Treffern und Fingerabdrücken, der Rufdatenrückerfassung und der Sicherstellung von Diebsgut in der von der Tätergruppe benützten Wohnung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (US 13 f, 21 f). Dass der Beschwerdeführer die aus diesen Beweisergebnissen gezogenen Schlüsse für nicht überzeugend erachtet, begründet keine Urteilsnichtigkeit im dargestellten Sinn (RIS‑Justiz RS0098471, RS0099535).

Die Behauptung von Feststellungsmängeln kann prozessordnungsmäßig nur unter Zugrundelegung aller tatsächlichen Urteilsannahmen erfolgen und erfordert die Darlegung, dass eben diese Urteilsannahmen nicht ausreichen, um eine umfassende und verlässliche rechtliche Beurteilung vornehmen zu können, oder dass Verfahrensergebnisse auf bestimmte für diese Subsumtion rechtlich erhebliche Umstände hingewiesen haben und dessen ungeachtet eine entsprechende klärende Feststellung unterlassen wurde. Demgemäß ist eine Rechtsrüge, die einen Feststellungsmangel behauptet, aber dabei eine im Urteil festgestellte Tatsache verschweigt oder bestreitet, nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS‑Justiz RS0099730, RS0099689, RS0099025).

Diesen Kriterien wird das Rechtsmittel (nominell „Z 9 b“, der Sache nach Z 9 lit a), nicht gerecht, indem es als „Feststellungsmangel“ kritisiert, es fehle eine Feststellung, wonach der Nichtigkeitswerber „tatsächlich erst am 12. Oktober 2015 … nach Österreich eingereist“ sei, und in weiterer Folge die Feststellung einfordert, dass der Beschwerdeführer deshalb an den zeitlich vor diesem Datum stattgefundenen Einbrüchen nicht beteiligt war. Im Übrigen wurde die Anwesenheit (auch) des Beschwerdeführers an sämtlichen Tatorten im September 2015 (positiv) konstatiert (US 11 f, 21 f iVm US 4 f; zur Zulässigkeit eines Verweises auf die im Urteilstenor enthaltenen Daten in den Entscheidungsgründen vgl RIS‑Justiz RS0098664 [T3]) und eine einzige Einreise erst am 12. Oktober 2015 (implizit) schon mit Blick auf die Personenkontrolle vom 30. September 2015 verneint (vgl US 19). Der Sache nach zielt die Beschwerde insoweit bloß auf eine – im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige – Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung ab.

Mit dem Verweis auf die in einem nicht näher bezeichneten Brief des Beschwerdeführers erhobene Forderung nach einer molekulargenetischen Untersuchung (nominell „Z 9 b“) werden keine Tatumstände bezeichnet, die deutlich und bestimmt einen der in § 281 Abs 1 StPO genannten Nichtigkeitsgründe ansprechen (RIS‑Justiz RS0116879, RS0100172, RS0100183).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Laurentiu N*****:

Der auf § 281 Abs 1 Z 3 (iVm § 159 Abs 3) StPO rekurrierenden Kritik, der Mitangeklagte Costinel N***** sei bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung (ON 250 S 15 ff) nicht gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO über eine Befreiung von der Pflicht zur Aussage (§ 154 Abs 2 iVm § 248 Abs 1 erster Satz StPO) gegen den Beschwerdeführer (seinen Bruder) belehrt worden, ist zu erwidern, dass § 159 Abs 3 StPO bloß auf die Vernehmung von Zeugen als persönliche Beweismittel (§§ 247, 248 StPO), nicht aber auf die Vernehmung von (Mit-)Angeklagten (§ 245 StPO) abstellt (vgl Kirchbacher , WK‑StPO § 154 Rz 7, 11 und § 247 Rz 6).

Entgegen dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) blieben die den Beschwerdeführer entlastenden Angaben der Mitangeklagten Costinel N***** und Andrei B***** im Urteil nicht unberücksichtigt (US 13, 7, 20), sondern wurden von den Tatrichtern vielmehr mit logisch einwandfreier und nachvollziehbarer Begründung als Schutzbehauptungen verworfen (US 14–21).

Als Tatsachenrüge will § 281 Abs 1 Z 5a StPO nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780). Mit seiner den – im Übrigen auch weitere Beweisergebnisse einbeziehenden – Erwägungen des Erstgerichts (US 13–21) entgegengestellten Bewertung der ihn belastenden Aussage des Mitangeklagten P***** gelingt es der Beschwerde nicht, beim Obersten Gerichtshof derartige Bedenken zu wecken. Vielmehr stellen ihre diesbezüglichen Ausführungen bloß einen weiteren Versuch dar, die ausführliche Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen.

Im Gesamtkontext wurde durch den mehrmaligen Bezug auf „(vorwiegend)“ „Wohnstätten“ (US 3, 10 ff) und den Verweis auf die im Urteilstenor näher dargestellten Diebstähle und Modalitäten auch hinreichend deutlich festgestellt (US 11 f iVm US 2–5; RIS‑Justiz RS0098664 [T3], RS0119090 [T4]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 19, 571, 579), dass es sich bei den zu I. und II.2. bis II.7. des Schuldspruchs beschriebenen Tatorten um Wohnobjekte (§ 129 Abs 2 Z 1 StGB) und nicht – wie zu II.1. – um bloße Betriebsräumlichkeiten in Gebäuden (§ 129 Abs 1 Z 1 StGB) handelte (US 3 f, 22). Damit geht auch die gerade nicht am Urteilssachverhalt orientierte Subsumtionsrüge (Z 10) ins Leere (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Andrei B***** und Laurentiu N***** waren daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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