European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00191.16V.1123.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Der Kläger ist ein zur Unterlassungsklage nach § 29 Abs 1 KSchG befugter Verein. Die in Deutschland ansässige beklagte Partei betreibt das Reisebürogewerbe. Auf ihrer in deutscher Sprache abgefassten Website (www.e *****.de) gibt die Beklagte ihre Telefonnummer mit der internationalen Vorwahl (+49) an. Dort sind auch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) veröffentlicht, die den so begründeten Vertragsverhältnissen zugrunde liegen. Buchungen können über das Internet auch aus Österreich vorgenommen werden.
Das Erstgericht gab mit seinem zweiten Teilurteil dem Unterlassungsbegehren zu den im Verfahren mit 2, 3, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 bezeichneten Klauseln Folge. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Mit Ausnahme der Klausel 12 bestreitet die Beklagte den Unterlassungsanspruch auch im Revisionsverfahren. Dass aufgrund einer schlüssigen Rechtswahl österreichisches Recht zur Anwendung gelangt, wird von den Parteien nicht bezweifelt (vgl die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung 1 Ob 67/15g).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Wie nämlich der Oberste Gerichtshof auch schon zu Verbandsklagen mehrfach ausgesprochen hat (4 Ob 88/05b; 1 Ob 224/06g; 7 Ob 64/12f = ÖBA 2013/1917 [Kellner]; 4 Ob 135/15d = MR 2016, 46; 3 Ob 73/16f; 6 Ob 139/16h) ist er zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS‑Justiz RS0121516; vgl 7 Ob 109/14a = RS0121516 [T34] betreffend AVB). Weder genügt für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, dass im konkreten Fall mehrere Vertragspartner Verträge mit dieser Unternehmerin abgeschlossen haben, die gleichartige (oder ähnliche) Klauseln enthalten (RIS‑Justiz RS0042816 [T1]), noch der bloße Umstand, dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln mangelt (1 Ob 224/06g; 3 Ob 72/07w = ÖBA 2008/1477; 2 Ob 75/07d; 2 Ob 210/08h; 7 Ob 64/12f). Auch die Auslegung von in Allgemeinen Bedingungen etwa von Banken oder Versicherungen enthaltenen Klauseln ist vielmehr nur dann revisibel, wenn deren Wortlaut nicht so eindeutig ist, dass Auslegungszweifel verbleiben können (vgl 7 Ob 82/07w; 7 Ob 216/07a; 7 Ob 227/07v; 7 Ob 74/07v uva [jeweils zu Versicherungsbedingungen]; 3 Ob 278/08s).
Zu den von ihr verwendeten und hier zu beurteilenden Klauseln zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf, was kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO):
2. Nach den Klauseln 2 und 3 wäre die Beklagte nicht zur Prüfung der Angaben der Reiseveranstalter bzw sonstigen Anbieter verpflichtet und haftete nicht für die Richtigkeit bzw Vollständigkeit der von dessen möglichen Vertragspartnern gemachten Angaben (Klausel 2) bzw gäbe sie dem Buchenden nach bestem Wissen und Gewissen Auskünfte, haftete aber weder für die Richtigkeit noch für Vollständigkeit der seitens der Fluggesellschaften gemachten Angaben (Klausel 3). Die Vorinstanzen bejahten einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG.
Die Klausel täuscht schon darüber hinweg, dass die Beklagte selbst eigene Beratungspflichten über den vermittelten Vertrag treffen. Auch wenn sich der Reisevermittler lediglich dazu verpflichtet, einen Anspruch auf Leistungen anderer, die ihre Leistung nicht in seinem Namen (nämlich als sogenannte Fremdleistungen) erbringen (RIS‑Justiz RS0021651), zu besorgen und er bezogen auf den Reiseveranstaltungsvertrag als Gehilfe des Reiseveranstalters anzusehen ist, treffen ihn darüber hinaus auch eigene Pflichten aus dem Reisevermittlungsvertrag (4 Ob 1559/94; vgl auch 1 Ob 688/83 = SZ 57/37; 4 Ob 130/09k = SZ 2009/127; RIS‑Justiz RS0029650). Ein Reisebüro haftet etwa für den Schaden, den jemand durch eine unrichtige Auskunft über Verkehrsfragen erleidet (RIS‑Justiz RS0026490). Warum die Beurteilung des Berufungsgerichts, es könne keine Rede davon sein, dass – wie von ihr behauptet – diese Klausel ihre Haftung bei Kenntnis unrichtiger Angaben des Reiseveranstalters gar nicht ausschließe, sondern sie nur von einer Pflicht zur aktiven Überprüfung der Angaben der Reiseveranstalter befreien solle, unrichtig sein sollte, kann die Beklagte in ihrer Revision nicht aufzeigen. In Anwendung des Grundsatzes der kundenfeindlichsten Auslegung von AGB (RIS‑Justiz RS0016590) führt die Klausel (auch bei Kenntnis der Unrichtig‑ oder Unvollständigkeit der Angaben des Veranstalters oder der Fluggesellschaften) eine unzulässige generelle Haftungsbefreiung herbei.
Gleiches gilt für die Klausel 9 („Im Rahmen unserer gesetzlichen Informationspflicht erteilen wir Ihnen zu diesen Fragen [Anm: Visa, Zoll, Pass, etc] auf Anfrage gewissenhaft Auskunft, können jedoch keine Gewähr dafür übernehmen“). Auch diese bewirkt, wie die Vorinstanzen zumindest gut vertretbar erkannt haben, einen generellen Haftungsausschluss, der – im verbraucherfeindlichsten Sinn ausgelegt – nicht nur die Verantwortlichkeit für leichte Fahrlässigkeit ausschließt und damit gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG verstößt. Wenn die Beklagte meint, die Klausel bezöge sich nur auf die nachträgliche Änderung von Einreisebestimmungen, geht sie nicht vom festgestellten Wortlaut der Klausel aus.
Nach § 3 der Ausübungsvorschriften für das Reisebürogewerbe (BGBl II 401/1998 ‑ IVO) sind zudem bei Pauschalreisen Buchungen entgegennehmende Gewerbetreibende ua verpflichtet, den Reisenden, bevor dieser seine auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung (Buchung) abgibt, schriftlich oder in einer anderen geeigneten Form über Pass- und Visumerfordernisse für Angehörige des Mitgliedstaats, in dem die Reise angeboten wird (Z 1), die ungefähren Fristen zur Erlangung der Dokumente (Z 2) und die gesundheitspolizeilichen Formalitäten (Z 3) zu informieren, wenn diese Angaben nicht bereits in der vom Reiseveranstalter herausgegebenen und dem Reisenden zur Verfügung gestellten Werbeunterlage enthalten sind und zwischenzeitlich keine Änderungen erfahren haben. Dabei handelt es sich um eine Vorschrift, die vorvertragliche Informationspflichten zum Schutz des Verbrauchers über Umstände, die einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung zum Vertragsabschluss haben können, anordnet. Dass die Beklagte ihr unterworfen ist, steht – schon ungeachtet der schlüssigen Rechtswahl im vorliegenden Verfahren – das Herkunftslandprinizip des § 20 Abs 1 ECG (BGBl I 2001/152; vgl auch Art 3 Abs 2 RL 2000/31/EG [E-Commerce-RL]) nicht entgegen, weil § 21 Z 6 ECG davon vertragliche Schuldverhältnisse in Bezug auf Verbraucherverträge einschließlich der gesetzlichen Informationspflichten, die einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidung zum Vertragsabschluss haben, ausnimmt. Darunter fallen auch vorvertragliche Schutz‑ und Aufklärungspflichten (Brenn,ECG [2002] 329).
3. Auch dass Klausel 8, wonach sich die Beklagte vorbehält, etwaige Rückbelastungsentgelte bei Kreditkartenzahlung oder „Lastschrift Retouren“ weiter zu „berechnen“, ein der Beklagten vertraglich eingeräumtes Recht, dessen Ausübung in ihrem Belieben steht, und eine Zahlungspflicht des Verbrauchers dafür auch dann impliziert, wenn ihn am Misslingen einer Zahlung kein Verschulden trifft (vgl etwa zur ähnlich formulierten Überwälzung von Kosten im Zusammenhang mit einer Vertragsbeendigung 5 Ob 87/15b), worin eine gröbliche Benachteiligung des Verbrauchers nach § 879 Abs 3 ABGB liege (vgl 1 Ob 105/14v = SZ 2014/71 mwN), ist nicht zu beanstanden. Daran können auch von dieser Überlegung unabhängige Ausführungen der Revisionswerberin, dass Geldschulden nach § 907a ABGB Bringschulden sind (§ 6a KSchG betrifft Zahlungen mittels Kreditkarte und solche im Lastschriftverfahren nicht [Kietaibl/Ladler in Kletečka/Schauer, ABGB-ON 1.01 § 907a Rz 60; Pesek, Die Regierungsvorlage des Zahlungsverzugsgesetzes aus mietrechtlicher Perspektive, wobl 2013, 36 {46}; vgl auch ErlRV 2111 BlgNR XXIV. GP 14]), nicht rütteln.
4. Dass das Berufungsgericht die Klausel 10 (Haftung der Beklagten bei leichter Fahrlässigkeit nur für typische und vorhersehbare Schäden) als intransparent angesehen hat, gibt keinen Anlass zu Auslegungszweifeln. Der Revisionswerberin, die behauptet, die Klausel gebe – auch zu Personenschäden – nur die dispositive Rechtslage (zum Erfordernis der Adäquanz) wieder, weil sie nicht für einen objektiv unvorhersehbaren und atypischen Erfolg hafte, ist entgegenzuhalten, dass ihrer Klausel die nun von ihr in der Revision selbst erwähnte Komponente einer objektiven Betrachtungsweise fehlt. Gehaftet wird richtigerweise nicht bloß für die subjektiv vorhersehbaren, sondern auch für die (nur) objektiv vorhersehbaren Schäden, ist doch die Adäquanz des Kausalzusammenhangs objektiv und nicht danach zu beurteilen, was dem Schädiger subjektiv vorhersehbar war (RIS‑Justiz RS0022940 [T1]; RS0022546 [T4]; vgl auch „Adäquanzzusammenhang [= objektive Vorhersehbarkeit] in RS0088955). Ganz grundsätzlich geht es vorrangig nicht um die Typizität oder Vorhersehbarkeit des Schadens, sondern um jene des Kausalverlaufs, also der logischen Verknüpfung zwischen einem menschlichen Verhalten und einem Schaden (RIS‑Justiz RS0022546; RS0022914). Mit anderen Worten muss zur Begrenzung der Ersatzpflicht nach dispositivem Recht nicht etwa die konkrete Gestalt des Schadens oder gar die Schadenshöhe vorhergesehen werden, sondern nur, dass ein bestimmtes Verhalten überhaupt zu einem derartigen Erfolg führen kann. Der Schädiger hat für den adäquat herbeigeführten Schaden einzustehen, was dann der Fall ist, wenn die Schadensursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muss und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde (vgl RIS‑Justiz RS0022906). Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch dann vor, wenn eine weitere Ursache (etwa das Verhalten eines Dritten) für den entstandenen Schaden hinzugetreten ist und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erwartung steht. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich ist. Nur für den ersten unmittelbaren Schaden ist der adäquate Kausalzusammenhang erforderlich, während für den weiteren Schaden die Qualität des schädigenden Ereignisses als bloße Bedingung genügt (RIS‑Justiz RS0022546).
Diese Rechtslage gibt die nach § 6 Abs 1 Z 9 KSchG unwirksame Klausel 10 – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – nicht zureichend wieder, sondern zielt, worauf schon das Erstgericht hinwies, darauf ab, den Haftungsausschluss zugunsten der Beklagten zu erweitern, lässt sie doch den Schluss zu, diese hafte nur für die für sie subjektiv vorhersehbaren Schäden.
5. Die Untersagung der gleichfalls gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG verstoßenden Klausel 11, mit der die Haftung bei leichter Fahrlässigkeit für jeden Einzelfall auf den Höchstbetrag für die gebuchte Leistung, aus welcher der Anspruch resultiert, beschränkt wird, bedarf als eine die Haftung für Personenschäden in unzulässiger Weise beschränkende Vereinbarung, ebenfalls keiner Korrektur. Die Beklagte gesteht in ihrer Revision selbst zu, dass diese Klausel auch die Haftung für Personenschäden erfasst, argumentiert aber dahin, dass die Verursachung von Personenschäden im Rahmen der – von ihr allein betriebenen – Vertragsvermittlung ausgeschlossen sei. Es können aber – wie zuvor angesprochen (vgl Pkt 2.) –Körperschäden dadurch eintreten, dass über besondere, nicht allgemein erkennbare Gefahren (etwa dem Vermittler bekannt gewordene Epidemien, Verkehrsprobleme oder drohende Unwetterkatastrophen) nicht aufgeklärt wurde.
6. Auch bei Beurteilung der Klausel 13 („Höhere Gewalt, die ganz oder teilweise die Erfüllung der Verpflichtungen von [der Beklagten] hindert, entbindet [die Beklagte] bis zum Wegfall der höheren Gewalt von der Erfüllung“) ist dem Berufungsgericht kein eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfender Fehler unterlaufen: Dass die Klausel suggeriere, nur die Beklagte werde von ihrer Leistungspflicht frei, lasse die Kunden aber über ihre eigenen Verpflichtungen (oder deren Entfall) im Unklaren und sei insofern intransparent, ist nicht zu beanstanden. Aus dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG kann nämlich eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RIS‑Justiz RS0115219).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz als zweckmäßige Rechtsverteidigungsmaßnahme anzusehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0035979 [T16]).
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