OGH 6Ob139/16h

OGH6Ob139/16h27.9.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Putz & Rischka, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR, Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. April 2016, GZ 4 R 211/15a‑11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Oktober 2015, GZ 39 Cg 43/14p‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0060OB00139.16H.0927.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Beklagte verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen ihres „Flying Blue“‑Bonusprogramms nachstehende Klausel:

Allgemeine Bestimmungen des Flying Blue‑Programms:

[...]

Für I *****‑Mitglieder haben Prämienmeilen eine Gültigkeit von 20 Monaten. Ausschließlich das Sammeln von Meilen auf Flügen von A***** oder andere, in der FB‑Kommunikation bezeichnet als die Gültigkeit verlängernde, qualifizierte Aktivitäten, werden als solche begriffen. Hat ein Mitglied in einem Zeitraum von 20 Monaten keine die Gültigkeit verlängernden Aktivitäten erbracht, behält sich die Gesellschaft das Recht vor, die Prämienmeilen zu streichen. Für die Prüfung der Verfallsfrist der Meilen ist das Mitglied selbst zuständig.

Die Vorinstanzen gaben den gegen die Verwendung dieser Klausel erhobenen Unterlassungsbegehren statt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof ist auch zur Auslegung von AGB‑Klauseln nicht „jedenfalls“, sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind. Es entspricht jedoch ständiger Rechtsprechung, dass die Auslegung von Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmter Geschäftsbranchen, welche regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung sind, eine erhebliche Rechtsfrage darstellt, sofern solche Klauseln bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen waren (RIS‑Justiz RS0121516). Die bloße Häufigkeit der verwendeten Klauseln allein vermag die Zulässigkeit der Revision hingegen noch nicht zu begründen (4 Ob 88/05b).

2. Im vorliegenden Fall behandelt die beklagte Partei durch Flugleistungen angesammelte Prämienmeilen gleich wie zugekaufte Meilen. Damit geht aber die Argumentation der Beklagten, das Programm würde sich nur an „Vielflieger“ wenden, ins Leere. Vielmehr lässt sich auf die vorliegende Konstellation die Rechtsprechung zur Gültigkeitsdauer von Gutscheinen übertragen. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 7 Ob 22/12d eine Gültigkeitsdauer von zwei Jahren als unzulässig beurteilt. Eine insgesamt fünfjährige Gültigkeitsdauer von Reisegutscheinen, wobei die ursprünglich einjährige Gültigkeitsdauer bis zu drei Jahre nach deren Ablauf jeweils um ein weiteres Jahr verlängert werden konnte, wurde hingegen als nicht gröblich benachteiligend angesehen (7 Ob 75/11x). Zutreffend qualifizierten die Vorinstanzen die beanstandete Klausel daher als gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. Zudem ist die Klausel – wie gleichfalls die Vorinstanzen zutreffend erkannten – auch intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG, weil aus ihr nicht hervorgeht, welche konkreten Aktivitäten „qualifizierte Aktivitäten“ begründen, die zu einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Prämienmeilen führen. Auch gibt die Klausel keinen Hinweis darauf, in welchen der zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel die verlängernden Maßnahmen tatsächlich publiziert werden und ob diesbezüglich die Bedingungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder der Einlösung gelten sollen.

3. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage eines allfälligen bürokratischen Mehraufwands einer längeren Verfallsfrist auseinandergesetzt und gelangte zu dem Ergebnis, dass ein allfälliger bürokratischer Mehraufwand eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf 20 Monate nicht rechtfertige. Damit hat das Berufungsgericht die rechtliche Relevanz der vermissten Feststellung nachvollziehbar verneint.

4. Zusammenfassend bringt die Revision daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass sie spruchgemäß zurückzuweisen war.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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