OGH 7Ob22/12d

OGH7Ob22/12d28.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** OG, *****, vertreten durch Cabjolsky & Otto Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2011, GZ 1 R 222/11s‑12, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Juli 2011, GZ 11 Cg 5/11i‑8, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0070OB00022.12D.0628.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hierbei verwendeten Vertragsformblättern im Zusammenhang mit von ihr ausgegebenen Gutscheinen die Verwendung der Klausel

„6) Gültigkeit

a) GUTSCHEINHEFTE

Die im Gutscheinheft befindlichen Wertgutscheine sind nur in Verbindung mit dem Gutscheinheft gültig und müssen vom Partnerbetrieb aus dem Gutscheinheft herausgelöst werden. Bereits abgetrennte Wertgutscheine sind ungültig. Jedes Gutscheinheft ist mit einem Datum, bis zu dem die einzelnen Wertgutscheine gültig sind, versehen (seit Oktober 2008: 2 Jahre ab Zustellung)“

sowie der Klausel

„a) TICKETS

Jedes Ticket ist mit einem Ausstellungsdatum versehen und ist 2 Jahre ab Ausstellungsdatum gültig (Ausstellungsdatum plus 2 Jahre = Gültigkeitsdatum).

Nach Erreichen des Gültigkeitsdatums verlieren die Thermengutscheine ihre Gültigkeit und können nicht mehr eingelöst werden“

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten oder auf sinngleiche Klauseln zu berufen.

Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils einmal in einer Samstagsausgabe des redaktionellen Teils der „Kronen‑Zeitung“ für das gesamte Bundesgebiet auf Kosten der beklagten Partei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruckumrandung in Normallettern zu veröffentlichen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 14.848,14 EUR (darin enthalten 1.508,63 EUR an USt und 5.796 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte tritt regelmäßig in rechtsgeschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern in ganz Österreich. Über ihre Website „w*****“ vertreibt sie sogenannte „Thermengutscheine“ á 10 EUR zu fünf oder zehn Stück. Damit kann man Leistungen ihrer Partnerbetriebe in ganz Österreich (derzeit 118) in Anspruch nehmen. Die Partnerbetriebe sind nach Bundesländern geordnet auf der Website aufzufinden. Jeder Partner gibt an, für welche Leistungen er Gutscheine der Beklagten einlösen wird. Die angebotenen Leistungen reichen von Thermeneintritten und damit im Zusammenhang stehenden Leistungen bis zur Nächtigung und Verpflegung in Hotels.

Die Beklagte verwendet dabei Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die zumindest bis November 2010 auch die im Spruch ersichtlichen Klauseln enthielten. Nachdem sie vom Kläger zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert wurde, gab sie diese nur hinsichtlich dieser Klauseln, nicht aber hinsichtlich sinngleicher Klauseln ab und gab gleichzeitig bekannt, in Zukunft andere Klauseln zu verwenden, nach denen die Thermengutscheine weiterhin eine Gültigkeit von zwei Jahren haben würden.

Nunmehr verwendet die Beklagte folgende Klauseln:

„6. Gültigkeit

a) GUTSCHEINHEFTE

Die im Gutscheinheft befindlichen Wertgutscheine sind nur in Verbindung mit dem Gutscheinheft gültig und müssen vom Partnerbetrieb aus dem Gutscheinheft herausgelöst werden. Bereits abgetrennte Wertgutscheine sind ungültig, können jedoch an den Aussteller retourniert werden, der nach einer positiven Überprüfung der Echtheit des Wertgutscheins die Gültigkeit des Wertgutscheins bis zum ursprünglichen Gültigkeitsdatum wiederherstellt. Jedes Gutscheinheft ist mit einem Datum, bis zu dem die einzelnen Wertgutscheine gültig sind, versehen (= Gültigkeitsdatum). Seit Oktober 2008 sind die Wertgutscheine zwei Jahre ab Zustellung gültig.

a) TICKETS

Jedes Ticket wird im Zuge des Kaufs mit einem Ausstellungsdatum versehen und ist 2 Jahre ab Ausstellungsdatum gültig (Ausstellungsdatum plus 2 Jahre = Gültigkeitsdatum). Nach Erreichen des Gültigkeitsdatums verjährt der Anspruch auf Einlösung der Thermengutscheine, dh sie können nicht mehr eingelöst werden. Ein Anspruch auf Rückerstattung des Gutscheinbetrags besteht nicht.“

Auf den Gutscheinen selbst wird auf die Befristung wie folgt hingewiesen: Ungefähr in der Mitte des Gutscheins befindet sich der Stempelaufdruck: „Gutschein gültig bis“ samt Datum. Darunter ist mit etwas kleinerer Schrift gedruckt: „Wertgutscheine sind nur im Zusammenhang mit dem Gutscheinheft gültig und können nicht in bar abgelöst werden. Die Gültigkeit der Wertgutscheine endet mit oben angeführtem Datum (dies entspricht 2 Jahre ab Ausstellung)“. Auch auf der Website der Beklagten wird auf die Befristung der Gutscheine auf zwei Jahre deutlich hingewiesen.

Der Kläger begehrt wie im Spruch ersichtlich. Die von der Beklagten in ihren AGB vorgesehene Gültigkeitsdauer der Gutscheine bewirke, dass sie nach Ablauf der Frist leistungsfrei werde und auch nicht zur Rückzahlung des Entgelts verpflichtet sei. Die Verkürzung der im ABGB normierten Verjährungsfrist sei sachlich nicht gerechtfertigt. Da Gutscheine in den vielen Partnerbetrieben der Beklagten praktisch für Bargeld eingelöst werden könnten, bestehe kein Grund, vom dispositiven Recht zum Nachteil des Konsumenten abzugehen. Gutscheine anderer Unternehmen seien unbefristet gültig. Die Klausel sei aufgrund eines Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB sittenwidrig. Da die Beklagte ein unzureichendes Anbot zur Abgabe einer Unterlassungserklärung abgegeben habe, bestehe die Wiederholungsgefahr weiter. Die betroffenen Verbraucherkreise hätten ein berechtigtes Interesse an einer Aufklärung über das gesetzwidrige Verhalten der Beklagten. Es werde daher auch die Urteilsveröffentlichung begehrt.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Es handle sich bei der Befristung nicht um eine Nebenbestimmung, sondern um die Hauptleistung der Beklagten. Schon aus diesem Grund sei § 879 Abs 3 ABGB nicht anzuwenden. Es bestehe weder eine Notwendigkeit noch ein Zwang, die Thermengutscheine der Beklagten zu erwerben. Sämtliche Leistungen könnten auch direkt bei den einzelnen Partnerbetrieben zum selben Preis und Wert ohne jeglichen Unterschied bezogen werden. Der Vorteil der Thermengutscheine liege darin, dass trotz eines nicht monetären Geschenks dem Beschenkten eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten nach seinen Interessen verbleibe. Die Thermengutscheine würden nahezu ausschließlich zu Geschenkzwecken (in geringfügiger Weise aus demselben Motiv auch als Prämie oder Belohnung für Mitarbeiter) erworben. Die Beklagte habe deutlich auf die Befristung der Gültigkeitsdauer der Gutscheine sowohl auf der Website als auch auf den Gutscheinen selbst hingewiesen, sodass diese vom Käufer akzeptiert werde. Der Käufer der Thermengutscheine (unabhängig ob er Verbraucher sei oder nicht) könne aufgrund der Tatsache, dass faktisch sämtliche Gutscheine verschenkt würden, nicht verkürzt werden. Für den zahlenden Käufer erfülle sich Sinn und Zweck des Erwerbs der Gutscheine bereits mit der Schenkung. Der Inhaber werde auch nicht verkürzt, weil er keine Leistung erbracht habe. Die Gegenleistung der Beklagten bestehe in der Bereitstellung der Einlösbarkeit der Gutscheine gegenüber (ihr unbekannten) Dritten in einer Vielzahl von Partnerbetrieben für einen Zeitraum von zwei Jahren. Sie werde mit Ausstellung der Gutscheine und Übermittlung an den Käufer erfüllt. Da es sich um eine Verjährungsfrist handle, sei die Verkürzung auf Grund einer Vereinbarung zulässig. Eine sittenwidrige Verkürzung liege nicht vor; die zweijährige Gültigkeitsdauer entspreche der ausdrücklichen Parteienabsicht beim Kauf der Thermengutscheine. Die Wiederholungsgefahr sei auf Grund der Unterlassungserklärung und Verwendung nicht sinngleicher Klauseln weggefallen. Das Veröffentlichungsbegehren bestünde auch dann nicht zu Recht, wenn die Klauseln eine Gesetzesverletzung darstellen sollten. Die Beklagte verzeichne auf ihrer Website im Monat ca 20.000 Zugriffe, auf ihre „thermenaffinen“‑Websites gebe es insgesamt ca 100.000 Zugriffe. Darüber hinaus habe die Beklagte ca 60.000 Abonnenten für ihre Newsletter. Eine Veröffentlichung auf der Website der Beklagten und in ihren Newsletter würde daher der Information der beteiligten Kreise in einem weitaus höheren Maß dienen als eine Veröffentlichung in der „Kronen-Zeitung“. Eine bundesweite Veröffentlichung sei unangemessen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beanstandeten Klauseln beträfen den vereinbarten Leistungszeitpunkt bei einem synallagmatischen Geschäft. Es werde die Erbringung der Dienstleistung hinausgeschoben und dem Erwerber des Gutscheins ein Optionsrecht auf Abruf der Leistung während eines bestimmten Zeitraums eingeräumt. Dieses Optionsrecht sei befristet, was keinen zwingenden Normen widerspreche. Der Dienstleistungsempfänger werde dadurch nicht gröblich benachteiligt, weil eine übermäßig lange Bindung an die Leistungszusage den Gepflogenheiten des Geschäftslebens widerspräche und für den Anbieter der Dienstleistung unzumutbar wäre. Dem gegenüber sei dem Erwerber des Gutscheins ausreichend klar, wie lange er den Gutschein einlösen könne und dass er nach Ablauf der Frist keinen Anspruch mehr auf Leistung habe. Dies möge im Einzelfall ‑ nämlich bei Ablauf der Frist ‑ zu einer Äquivalenzstörung führen, eine „verdünnte Willensfreiheit“ liege aber nicht vor. Die AGB der Beklagten seien zwar für den Gutscheinerwerber unbeeinflussbar, der Erwerb des Gutscheins könne jedoch auch bei Verwendung als Geschenk leicht durch Geldhingabe an den Beschenkten ersetzt werden. Der Erwerber des Gutscheins, der erkenne, dass der Gutschein nicht unbefristet sei, nehme die Befristung bewusst und privatautonom in Kauf.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil. Im Gegensatz zu einem Unternehmen, das Gutscheine für Eigenleistungen verkaufe, erziele die Beklagte mit dem Verkauf der Gutscheine keinen wirtschaftlichen Vorteil des Inhalts, dass sie die Leistung des Verbrauchers vorab erhalte, ohne ihre eigene Leistung sofort erbringen zu müssen. Das Berufungsgericht halte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, auf die verwiesen werde, für überzeugend. Es sei nicht zu erkennen, weshalb der Kunde für die Disposition über sein Guthaben mehr als zwei Jahre benötigen solle. Es würde einen nicht zu rechtfertigenden Wertungswiderspruch darstellen, im Gegensatz zur arbeitsrechtlichen Rechtslage eine zweijährige Verfallsfrist generell für unzulässig zu halten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen in der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität zu lösen seien.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag.

In der vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Auf die Kritik der Lehre, die auf die in Deutschland vertretene Meinung ( Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeifer , AGB‑Recht 5 § 5 UKlaG Rz 25 mwN) verweist, nach der der Abgemahnte im Fall einer „Übermaßabmahnung“ seine Unterwerfungserklärung eigenverantwortlich „umformulieren“ darf ( Kellner , Die Rechtsnatur der Unterlassungserklärung nach § 28 Abs 2 KSchG, ÖBA 2010/1658, 674 ff [680] Punkt 7.1. und 7.2.; Bollenberger , Die gefahrlose Wiederholungsgefahr nach § 28 Abs 2 KSchG, ÖBA 2010/1620, 304 ff; Bollenberger , Abmahnung von AGB nach § 28 Abs 2 KSchG: Wie können einsichtige Unternehmer noch reagieren? RdW 2010/480, 442; Riss , Verbandsklage: Einschränkende Unterlassungserklärung und Wegfall der Wiederholungsgefahr, Anmerkungen zur E des OGH 3. 9. 2009, 2 Ob 153/08a, RdW 2009/713, 695 ff; Pöchhacker/Riede , Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr, wbl 2010, 217) an der Rechtsprechung (1 Ob 81/09g, 1 Ob 131/09k, 2 Ob 153/08a, 4 Ob 227/06w; RIS‑Justiz RS0125395; auch RS0111638 [T3, T4, T7], RS0111640 [T11, T13], RS0111637 [T9, T10]), dass selbst der Vorbehalt von nicht sinngleichen zulässigen Ersatzklauseln Wiederholungsgefahr begründe, ist hier mangels Relevanz nicht weiter einzugehen:

Die nun verwendeten Klauseln sind im hier streitrelevanten Umfang sinngleich (praktisch ident) mit den bisherigen, weil auch sie eine nur zweijährige Geltungsdauer der Gutscheine/Tickets vorsehen. Dass diese Frist nunmehr ausdrücklich als „Verjährungsfrist“ bezeichnet wird, ändert daran nichts, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt. Die Wiederholungsgefahr ist hier schon deshalb nicht weggefallen.

Im Gegensatz zur jeweiligen Vertragsauslegung im Individualprozess kann auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Bedingungen nicht Rücksicht genommen werden. Es kann keine geltungserhaltende Reduktion stattfinden (RIS‑Justiz RS0038205).

Eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beidseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt (§ 879 Abs 3 ABGB). Durch diese Bestimmung wurde ‑ wie in den einschlägigen Entscheidungen formuliert wird ‑ ein eine objektive Äquivalenzstörung und „verdünnte Willensfreiheit“ berücksichtigendes „bewegliches System“ geschaffen (RIS‑Justiz RS0016914). Sie wendet sich vor allem gegen den Missbrauch der Privatautonomie durch das Aufbringen benachteiligender vertraglicher Nebenbestimmungen durch den typischerweise überlegenen Vertragspartner bei Verwendung von AGB und Vertragsformblättern. Das Motiv des Gesetzgebers, insbesondere auf AGB und Vertragsformblätter abzustellen, liegt in der zwischen den Verwendern von AGB und deren Vertragspartnern typischerweise anzutreffenden Ungleichgewichtslage. Der mit den AGB konfrontierte Vertragspartner ist in seiner Willensbildung eingeengt, muss er sich doch zumeist den AGB fügen oder in Kauf nehmen, dass ihm der Verwender den Vertragsabschluss verweigert (7 Ob 173/10g mwN). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Sie ist jedenfalls anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition im auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RIS‑Justiz RS0016914). Bei der Beurteilung, ob eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt wird, hat sich der Rechtsanwender daher am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren (RIS‑Justiz RS0014676).

Die Ausnahme von der in § 879 Abs 3 ABGB verankerten Inhaltskontrolle ‑ die Festlegung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten ‑ ist möglichst eng zu verstehen und soll auf die individuelle, zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen beschränkt bleiben, sodass vor allem auch die im dispositiven Recht geregelten Fragen bei der Hauptleistung, also auch Ort und Zeit der Vertragserfüllung, nicht unter diese Ausnahme fallen. Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen, unterliegen ebenfalls der Inhaltskontrolle (RIS‑Justiz RS0016908). Dies gilt auch für eine in AGB enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist (7 Ob 75/11x mwN).

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Beklagten unterliegt demnach sowohl die Vereinbarung einer „Verfallsfrist“ als auch einer (nun von der Beklagten ausdrücklich so bezeichneten) „Verjährungsfrist“ der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB.

Grundsätzlich endet das Recht, mit einem Gutschein aus dem Warensortiment des Ausstellers Waren zu beziehen, innerhalb von 30 Jahren ( Eccher , Zur Rechtsnatur des Gutscheins in ÖJZ 1974, 337 [342]; Binder in Schwimann ³, § 904 ABGB Rz 63). Die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist wird in ständiger Rechtsprechung zwar für zulässig erachtet (RIS‑Justiz RS0034782, RS0034404). Uneingeschränkt zulässig soll aber die Fristverkürzung nur dann sein, wenn sie zwischen zumindest annähernd gleich starken Vertragspartnern individuell vereinbart wurde. Verfallsklauseln sind dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS‑Justiz RS0016688). Je kürzer die Verfallsfrist sein soll, desto triftiger muss der Rechtfertigungsgrund sein (7 Ob 75/11x mwN). Jedenfalls ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (7 Ob 75/11x, 4 Ob 227/06w, 9 Ob 40/06g, 4 Ob 279/04i, 1 Ob 1/00d). Im Arbeitsrecht wird in ständiger Rechtsprechung zu kollektiv‑ und auch einzelvertraglichen arbeitsrechtlichen Ansprüchen ausgesprochen, dass eine vereinbarte Verfallsfrist in der Dauer von drei Monaten als übliche Frist und damit nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen sei (RIS‑Justiz RS0016688 [T4, T10, T15, T19, T22, T28, T30 und T34]) und Verfallsklauseln den Zweck haben, dem Beweisnotstand zu begegnen, in welchem sich der Arbeitgeber bei späterer Geltendmachung befinden würde (RIS‑Justiz RS0034417).

Nach der Rechtsprechung und Lehre ist generell darauf abzustellen, ob die Verkürzung zu einer weitgehenden Verhinderung oder erheblichen Behinderung der Durchsetzung berechtigter Ansprüche führt, was immer dann der Fall ist, wenn die Zeit zur Prüfung der Sach‑ und Rechtslage unangemessen verkürzt wird oder wenn die verbleibende Frist die Zeit nicht abdeckt, in der Mängel gewöhnlicherweise auftreten. Zu berücksichtigen ist, welche Zeit üblicherweise erforderlich ist, um bestimmte Ansprüche geltend machen zu können. Benachteiligungen eines Vertragspartners können durch ein besonderes Interesse der Verwenderseite an einer Verkürzung aufgewogen werden, etwa wenn die Zeit zur Entdeckung der Mängel beim entsprechenden Vertragstyp generell nicht erforderlich ist (7 Ob 15/11x, 4 Ob 279/04i mwN).

Das Argument der Vorinstanzen, es liege hier gar kein Fall einer „verdünnten Willensfreiheit“ vor, weil der Verbraucher die Gutscheine nicht erwerben müsse, geht von der dargelegten Judikatur ab. Die typischerweise anzutreffende Ungleichgewichtslage ergibt sich daraus, dass die Beklagte als Unternehmerin AGB verwendet und diese jedem Vertrag zugrunde legt, ohne dass ihr Vertragspartner typischerweise Gestaltungsmöglichkeiten hat.

Da die Parteien Gutscheine und Tickets im Verfahren gleich behandeln und keine Differenzierung vorgenommen haben, ist dem ohne weitere Erörterung zu folgen.

Bei der vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung ist Folgendes zu bedenken:

Die Leistung der Beklagten besteht darin, dass sie mit sogenannten Partnerbetrieben Verträge abschließt, in denen sich diese bereit erklären, gegen Ausfolgung von Gutscheinen, die die Beklagte auf einen bestimmten vom Erwerber bezahlten Geldbetrag ausstellt, bestimmte Leistungen (hier im Zusammenhang mit Thermalbesuchen) an den Inhaber zu erbringen. Der Inhaber hat die Wahl, bei welchem der im Zeitpunkt der Abrufung vorhandenen Partnerbetriebe er den Gutschein für welche Leistung einlösen will. Die Beklagte verpflichtet sich also mit dem Gutschein nicht, die dem Gutscheininhaber zukommende Leistung im Zusammenhang mit Thermalbesuchen selbst zu erbringen, sie bietet nur die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Partnerbetrieben und Leistungen zu wählen. Einen anderen Vorteil bietet der Gutschein nicht. Die geschuldete Leistung der Beklagten ist also nicht mit der Ausstellung des Gutscheins erbracht, sondern beinhaltet auch die Verpflichtungen des Bereitstellens von Wahlmöglichkeiten zur Realisierung einer Gegenleistung im Wert der Höhe der erworbenen Gutscheine und der Verwaltung eines Verzeichnisses der Partnerbetriebe. Die Beklagte erbringt ihre vertragliche Leistung auch, wenn kein Vertrag zwischen Partnerbetrieb und Gutscheininhaber zustande kommt. Es handelt sich hier um einen Vertrag sui generis. Die Beklagte bietet aber nicht nur ihre Dienste beschränkt auf zwei Jahre gegen Entgelt an, sondern erklärt die Gutscheine selbst, also die Möglichkeit der Abrufung gegenüber den Partnerbetrieben, nach Ablauf von zwei Jahren für „ungültig“ oder „verjährt“, was bedeutet, dass der Geldbetrag vom Erwerber in diesem Fall ohne durchsetzbare Gegenleistung hingegeben wurde.

Zu bedenken ist nun, dass der Beklagten der dem Gutschein entsprechende Geldbetrag vom Erwerber sofort übergeben wird, während sie an ein konkretes Partnerunternehmen naturgemäß erst zahlen kann, wenn sie weiß, bei welchem die Leistung abgerufen, dh der Gutschein eingelöst, wurde. Die Beklagte muss keine Kapitalreserven bereitstellen, weil sie die verbrieften Leistungen im Zusammenhang mit Thermenbesuchen nicht selbst erbringt. Dass für die Partnerbetriebe finanzielle Vorsorge getroffen werden müsste, wurde nicht vorgebracht. Für die Partnerbetriebe ist es von vornherein nicht absehbar, ob bei ihnen Gutscheine eingelöst werden. Die Situation ist für sie nicht anders als bei Durchführung von Werbemaßnahmen. Es besteht nur die Möglichkeit, den Umsatz zu steigern. Das Entgelt der Beklagten selbst für ihre Leistungen ist aus dem Gutschein nicht ersichtlich und ergibt sich offenbar im Fall einer Einlösung von Gutscheinen aus der Verrechnung mit dem Partnerbetrieb. Ihr Entgelt ist damit auch bei einer längeren als zweijährigen Einlösefrist gesichert.

Bei der Frage der Fälschungssicherheit und Beweisbarkeit der Echtheit der Gutscheine ist zu bedenken, dass die Beklagte nicht etwa ein Massenverkehrsunternehmen ist (vgl 7 Ob 75/11x ‑ ÖBB‑Gutscheine mit nicht vergleichbaren Verfallsklauseln). Die Fälschungsgefahr ist naturgemäß bei einem Gutschein, der einen eingeschränkten Geschäftsbereich, hier den Wellnessbereich, bedient, wesentlich geringer als bei einem in ganz Österreich tätigen Massenverkehrsunternehmen. Eine allfällige Fälschungs‑/Beweisgefahr rechtfertigt jedenfalls nicht eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre.

Soweit die Beklagte einwendet, sie schließe selber mit ihren Partnerunternehmen nur einjährige Verträge, es müsse ihr möglich sein, ihren Betrieb (jederzeit) einzustellen, ist ihr zu erwidern, dass es ihr freisteht, entsprechend andere vertragliche Dispositionen zu treffen oder etwa durch das Vorsehen einer Rückzahlungsmöglichkeit eine Benachteiligung des Gutscheininhabers zu verhindern.

Der vom Erwerber bezahlte Geldbetrag deckt das Entgelt für die verbriefte Leistung und die Tätigkeit der Beklagten ab. Wird nun die Leistung des Partnerbetriebs innerhalb von zwei Jahren nicht abgerufen, so kommt der Beklagten bereits am der Verfallsfrist folgenden Tag der Gesamtbetrag zugute. Sie ist um das Entgelt für die verbriefte Leistung (des Partnerbetriebs) bereichert, ohne dass es dafür einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt. Durch die in den Klauseln vorgesehene Verfallsfrist tritt eine gröbliche Benachteiligung des Vertragspartners ein.

Demgegenüber bestehen durchaus berechtigte Interessen des Gutscheinerwerbers, dass der Gutschein länger als während zweier Jahre eingelöst werden kann. Das Argument, der Gutschein werde ohnedies verschenkt und damit der Erwerber nicht verkürzt, ist nicht überzeugend. Der Vertragswille beider Parteien ist ja nicht auf den Erwerb eines Gutscheins, also eines bloßen Papiers, gerichtet, sondern darauf, dass der Beschenkte oder jedenfalls der Inhaber des Gutscheins die Leistungen bei den Partnerbetrieben der Beklagten konsumieren kann, also eine geldwerte Gegenleistung erhält. Es kann eine Vielzahl von (auch unbeeinflussbaren) Gründen auf Seiten des Gutscheininhabers geben, die ihn daran hindern, die Gutscheine innerhalb von zwei Jahren einzulösen.

Da die Benachteiligung des Gutscheininhabers nicht durch ein besonderes Interesse der Beklagten aufgewogen wird, sind die beiden Klauseln nichtig.

Der Kläger hat auch Anspruch auf die begehrte Urteilsveröffentlichung. Anspruchsvoraussetzung ist das „berechtigte Interesse“ (§ 30 Abs 1 KSchG iVm § 25 Abs 3 UWG). Dieses liegt bei der Verbandsklage nach dem KSchG darin, dass die Verbraucher als Gesamtheit das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden, dass bestimmte Geschäftsbedingungen gesetz‑ und/oder sittenwidrig sind. Gemessen an diesem Zweck ist über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen ‑ also nicht nur den unmittelbar betroffenen Geschäftspartnern, wie die Beklagte meint ‑ Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS‑Justiz RS0121963). Die begehrte Veröffentlichung ist daher angemessen, zumal die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit in ganz Österreich entfaltet.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Der ERV‑Zuschlag gemäß § 23a RATG gebührt nur für verfahrenseinleitende, nicht jedoch für fortgesetzte Schriftsätze, unter denen nicht nur Rechtsmittel, sondern auch weitere Rechtsmittelbeantwortungen zu verstehen sind (RIS‑Justiz RS0126594).

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