OGH 7Ob74/07v

OGH7Ob74/07v16.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Edith K*****, 2. Karl Heinz K*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 21.764 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 12. Dezember 2006, GZ 2 R 139/06k-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. Mai 2006, GZ 20 Cg 6/05v-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 1.239,28 (darin enthalten EUR 206,55 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Den Zulassungsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass zur Qualifikation einer Fernbedienung bzw eines „falschen" Ultraschallgerätes „im Zusammenhang mit Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen" [zur Frage, ob ihre Verwendung die Qualifikation eines Einbruchsdiebstahls, nämlich des Eindringens „mit Werkzeugen oder schlossfremden und/oder widerrechtlich nachgemachten Schlüsseln", erfüllt] noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die von der Klägerin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Der von den Klägern bei der Beklagten abgeschlossenen Haushaltsversicherung liegen die „Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen Fassung 1996" (im Folgenden ABH 1996) zu Grunde, die auszugsweise lauten wie folgt:

„Artikel 1

Welche Schäden sind versichert?

1. Feuerschäden

...

2. Einbruchdiebstahl und Beraubungsschäden

...

2.1 Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Täter in die Versicherungsräumlichkeiten

a) durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen eindringt;

b) durch Öffnungen einsteigt, die nicht zum Eintritt bestimmt sind und ein erschwerendes Hindernis darstellen;

c) heimlich einschleicht und aus den abgeschlossenen Räumlichkeiten Sachen entwendet;

d) mit Werkzeugen oder schlossfremden und/oder widerrechtlich nachgemachten Schlüsseln eindringt;

e) mit richtigen Schlüsseln eindringt, die er sich durch Einbruch in andere als die Versicherungsräumlichkeiten oder durch Beraubung angeeignet hat."

Dazu vertritt das Erstgericht den Standpunkt, bei „funkbetriebenen" Garagentoren erfülle der Fall des „illegalen Funkabhörens" jedenfalls den Tatbestand des Eindringens mit „schlossfremden und/oder widerrechtlich nachgemachten Schlüsseln" nach Art 1 Punkt 2.1 lit d) ABH 1996.

Dieser Auffassung hat sich das Berufungsgericht angeschlossen und ausgeführt, im Fall von Garagentoren, die für Fernbedienung durch Ultraschall eingerichtet sind, handle es sich bei einem Ultraschall-Bedienungsgerät in Verbindung mit einem Frequenzprüfgerät (Martin, Sachversicherungsrecht³, 522) oder mit einem „falschen" Ultraschallgerät (Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, Rz 24 zu § 33) auch um ein „Werkzeug" im Sinn der zitierten Klausel, die somit durch das hier festgestellte „Abfangen" oder „illegale Überwinden" des Funksignals zur Öffnung des Garagentors erfüllt sei.

Dem Standpunkt der Beklagten, wonach nur dann ein als „Einbruchsdiebstahl" versichertes Ereignis vorliege, wenn jene Mittel (Werkzeuge/Schlüssel), mit denen der Täter in die versicherte Baulichkeit eindringe, eine „Körperlichkeit" aufwiesen, die dann auch als „Spuren" die Annahme gestatteten, dass sich ein versichertes Ereignis verwirklicht habe, sei hingegen nicht zu folgen. Hinsichtlich Funktion und Zweckwidmung bestehe nämlich keinerlei Unterschied zwischen einem herkömmlichen Schlüssel und einer elektronischen Öffnungsvorrichtung. Es liege somit jedenfalls ein „Eindringen mit Werkzeugen oder schlossfremden und/oder widerrechtlich nachgemachten Schlüsseln" vor.

Mit dieser Beurteilung ist das Berufungsgericht den in ständiger gesicherter Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen gefolgt, dass bei der Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren hat, die einzelnen Klauseln objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen sind, wobei stets der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0050063; RIS-Justiz RS0008901).

Zwar ist die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen - wie hier - nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert, im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel. Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies allerdings nicht, wenn die betreffende Bestimmung so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung in Betracht kommt (7 Ob 59/06m ua). Letzteres trifft auch im vorliegenden Fall zu:

Die Einschränkung der Begriffe „Werkzeug" und „Schlüssel" auf eine „gewisse Körperlichkeit" erscheint schon angesichts der technischen Entwicklung überholt. Werden doch heutzutage bereits derartig viele Schließsysteme nicht mehr durch „körperliche" Einwirkung eines Schlüssels, sondern ohne jegliche Berührung elektronisch geöffnet, dass diesem - auch in der Revision aufrecht erhaltenen - Standpunkt der Beklagten die Grundlage entzogen ist. Davon, dass nach dem Verständnis eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers das Öffnen eines funkgesteuerten Garagentores mit (abgefangenen) Funksignalen weder als Eindringen in die versicherte Räumlichkeit mit Werkzeugen, noch als solches mit schlossfremd und/oder widerrechtlich nachgemachten Schlüsseln anzusehen sei, weil „diese Vorgangsweisen die zitierten Begriffe nicht verwirklichen", kann keine Rede sein; entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hat sich die Auslegung nämlich nicht auf ein „strafrechtliches Verständnis" zu beschränken, sondern - wie bereits ausgeführt - am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren.

Es ist aber auch nicht zu beanstanden, dass sich das Berufungsgericht auf die zitierte deutsche Lehre gestützt hat, weil die angesprochene Formulierung in den deutschen Versicherungsbedingungen von der österreichischen Bedingungslage in diesem Punkt nur unwesentlich abweicht:

Wenn dort (§ 1 Nr. 2 AERB) jeweils vom Eindringen „mittels falscher Schlüssel oder anderer Werkzeuge" die Rede ist (wozu grundsätzlich jedes Werkzeug zählt, mit dem bestimmungswidrig auf den Schließmechanismus des Schlosses eingewirkt wird, also zB auch ein [falscher] „Ultraschallöffner in Verbindung mit einem Frequenzprüfgerät" [Kohlhosser in Prölss/Martin27 § 1 AERB 81 Rn 26; Martin, Sachversicherungsrecht³, 522; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 33 Rn 24]), kann darin kein gravierender Unterschied zu der hier maßgebenden Klausel erblickt werden. Dass sich angesichts der dortigen Formulierung zumindest unter Anwendung der Unklarheitenregelung die Ansicht vertreten lässt, auch ein „Funkgerät" stelle ein „anderes Werkzeug" (zum Öffnen) dar, gesteht die Revision ohnehin zu.

Auf die weitere, in der Revision angesprochene Frage, ob ein „heimliches Einschleichen" anzunehmen sei, kommt es daher nicht mehr an.

Zur Frage der Neuwertentschädigung hält die Revision selbst fest, dass es bei der Frage der Sicherstellung der Wiederbeschaffung nach ständiger Rechtsprechung stets auf die Umstände des Einzelfalles ankommt (RIS-Justiz RS0111471 [T2]). Eine gravierende Fehlbeurteilung, die der Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf, ist hier jedoch - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - nicht zu erkennen; in diesem Zusammenhang ist nämlich davon auszugehen, dass sich die beiden Kläger als „ausgesprochene Schmuckliebhaber" um die Versicherungsleistung „sofort wiederum" Schmuck kaufen werden, „insbesondere der Zweitkläger eine neue Uhr". Die (neuerliche) Bekämpfung dieser vom Berufungsgericht überprüften Feststellungen im Revisionsverfahren ist ausgeschlossen, weshalb auch insoweit keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist. Mangels der Voraussetzungen des § 502 ZPO ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin ausdrücklich hingewiesen.

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