OGH 10ObS5/16g

OGH10ObS5/16g11.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 2015, GZ 10 Rs 64/15b‑53, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 14. April 2015, GZ 5 Cgs 221/13w‑48, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00005.16G.1011.000

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am 18. Juni 1963 geborene Kläger hat in Bosnien bis 1982 den Beruf des Maurers mit Abschlussprüfung erlernt. Zu dieser Zeit stand die Vermittlung von EDV-Kenntnissen weder in Bosnien noch in Österreich auf dem Lehrplan. Die vom Kläger erworbene Ausbildung wurde im Jahr 2013 mit der österreichischen Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf „Maurer“ gleichgesetzt.

In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. Juli 2013) war der Kläger als Maurer beschäftigt und erwarb dabei 128 Beitragsmonate. Insgesamt erwarb der Kläger in Österreich bis zum Stichtag 259 Versicherungsmonate, davon 206 Beitragsmonate zur Pflichtversicherung aus einer Erwerbstätigkeit.

Der Kläger, der im Jahr 1991 nach Österreich gekommen war, spricht für den alltäglichen Gebrauch ausreichend Deutsch, die Verständigung in fachlicher Hinsicht ist allerdings schwierig.

Mit der ihm verbliebenen medizinischen Leistungsfähigkeit kann der Kläger den Beruf eines Maurers nicht mehr ausüben. Rein aufgrund des medizinischen Kalküls wäre dem Kläger noch die (berufsschutzerhaltende) Verweisungstätigkeit als Fachmarktberater im Baustoffspezialhandel möglich. In diesem Beruf gibt es in Österreich jedenfalls mehr als 100 Arbeitsstellen. Für diese Tätigkeit wird eine kaufmännische oder üblicherweise eine einschlägige handwerkliche Ausbildung gefordert.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit in Fachgeschäften des Baustoffhandels liegt in der fachkundigen Beratung. Dabei werden Informationen über bestimmte Eigenschaften der geforderten Artikel, wie beispielsweise Verarbeitung, Handhabung, unterschiedliche Qualitätsmerkmale, Haltbarkeitsdauer, Menge, Preis etc erteilt. Es werden Bestellungen aufgenommen, Materialmengenberechnungen durchgeführt und ein Lieferschein erstellt. Neben der Beratung und dem Verkauf gehören zum Aufgabenbereich unter anderem auch die Kontrolle des Wareneingangs, Durchsicht und Bestandsaufnahmen, Entgegennahme und Abwicklung von Reklamationen, die fachgerechte Lagerhaltung, die Kontrolle von Qualitätsmerkmalen usw.

Für die Ausübung des Berufs eines Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel bedürfen Maurer üblicherweise nur einer Einweisung in der Dauer von durchschnittlich drei Monaten in das Bestellwesen, die innere Organisation und EDV. Dies setzt allerdings zumindest Grundkenntnisse in der Bedienung eines Computers voraus.

Als Grundvoraussetzung für die Tätigkeit eines Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel fordern Arbeitgeber User‑Kenntnisse am Computer. Berater müssen Eingaben und Ausdrucke machen sowie Veränderungen an den Daten vornehmen. Eine Einschulung in diesem Bereich wird von den Arbeitgebern nur in die spezielle betriebliche Software durchgeführt. Um sich die nötigen Grundkenntnisse in der Bedienung eines Computers (vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses und der Einschulung durch den Arbeitgeber) anzueignen, müsste der Kläger einen dreimonatigen Kurs (zum Beispiel an der Volkshochschule) besuchen. Durch die beim Kläger vorliegenden Sprachschwierigkeiten kann die genannte Kursdauer von drei Monaten überschritten werden.

Die von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens angebotene und für den Kläger kostenlose berufliche Rehabilitationsmaßnahme in Form eines Kurses zum Erwerb von EDV-Grundkenntnissen im Ausmaß von einer Woche und einem Tag beim WiFi sowie 113 Unterrichtseinheiten beim BFI zum Erwerb des ECDL‑Standard (= Europäischer Computerführerschein) inklusive Übung, ist grundsätzlich ausreichend, um die am Arbeitsmarkt geforderten Kenntnisse bzw den fachgerechten Umgang mit dem PC als User (Anwender) zu gewährleisten. In der Zusammenschau mit den mangelnden Deutschkenntnissen des Klägers und den fachlichen Defiziten im arbeitstechnischen und fachtheoretischen Bereich ist eine Vermittlungschance (bzw Wiedereingliederung) des Klägers auf den Beruf des Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel auf Dauer alleine durch eine positive Absolvierung des ECDL‑Computerführerscheins in absehbarer Zeit als nicht realistisch zu beurteilen. Im Wettbewerb mit fachgelernten österreichischen Maurern mit umfassender Berufserfahrung wird der Kläger am Bewerbermarkt nicht konkurrieren können. Es ist nicht realistisch, dass der Kläger eine entsprechende Beschäftigung findet.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers vom 14. Juni 2013 auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger ab 1. Juli 2013 unbefristet die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, und trug ihr die Erbringung einer vorläufigen Zahlung auf.

Der von der beklagten Partei angebotene Kurs zur Erlangung des Computerführerscheins sei als Maßnahme der beruflichen Rehabilitation zu qualifizieren. Eine solche müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer geeignet sein, Invalidität zu beseitigen (oder zu vermeiden) und eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen. Der versicherten Person sei sie nur dann zumutbar, wenn sie unter Berücksichtigung ihrer Neigung, ihrer physischen und psychischen Eignung, ihrer bisherigen Tätigkeit sowie der Dauer und des Umfangs ihrer bisherigen Ausbildung (Qualifikationsniveau) sowie ihres Alters, ihres Gesundheitszustands und der Dauer eines Pensionsbezugs festgesetzt und durchgeführt werde. Somit sei nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie nach den Chancen am Arbeitsmarkt zu beurteilen, ob die vorgeschlagene Rehabilitation für den Kläger zweckmäßig und zumutbar sei. Nach den Feststellungen werde der Kläger auch nach positiver Absolvierung des von der beklagten Partei angebotenen Computerkurses keine Anstellung als Fachmarktberater finden. Die Rehabilitation sei somit vor allem nicht zweckmäßig. Auf die Frage, ob eine etwaige Verlängerung der PC‑Ausbildung durch Sprachschwierigkeiten zugunsten des Klägers zu berücksichtigen sei oder nicht, müsse hier nicht weiter eingegangen werden.

Da eine kalkülsrelevante Besserung des Gesundheitszustands des Klägers auszuschließen sei, sei die Invaliditätspension unbefristet zuzusprechen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, dass es das Klagebegehren abwies.

Im Sinne der Entscheidung 10 ObS 146/14i handle es sich bei der von der beklagten Partei angebotenen externen Ausbildungsmöglichkeit um eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation, weshalb das Vorliegen der Voraussetzungen des § 253e ASVG zu prüfen sei. Nach dem hier noch anzuwendenden § 253e Abs 2 ASVG seien Maßnahmen nach § 253e Abs 1 ASVG nur solche, durch die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer Invalidität im Sinne des § 255 ASVG beseitigt oder vermieden werden könne und die geeignet seien, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt auf Dauer sicherzustellen. Hinsichtlich der Frage der Möglichkeit der Erlangung eines Arbeitsplatzes nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme sei in § 253e Abs 2 ASVG die bisherige Rechtsprechung und herrschende Lehre umgesetzt worden, wonach nicht erforderlich sei, dass ein Arbeitsplatz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Verfügung stehen müsse, sondern dass es ausreiche, dass eine Wiedereingliederung mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich sei bzw nach der Umschulung eine realistische Chance auf einen Arbeitsplatz bestehe.

Mangelnde Deutschkenntnisse seien aber weder bei der Dauer einer erforderlichen Nachschulung noch bei der Frage der zu erwartenden Einsatzfähigkeit am Arbeitsmarkt zu berücksichtigen; dieser Umstand sei in den persönlichen Bereich des Klägers einzuordnen. Auch die beim Kläger vorhandenen fachlichen Defizite im arbeitstechnischen und fachtheoretischen Bereich seien seiner Sphäre zuzuordnen und könnten daher für die Frage der Wiedereingliederungsmöglichkeit keine Rolle spielen. Letztlich gehe es im Rahmen der beruflichen Rehabilitation darum, dass nur solche Maßnahmen durchgeführt werden sollen, die geeignet seien, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Die von der beklagten Partei angebotenen konkreten Maßnahmen seien grundsätzlich dazu geeignet und hier lediglich aufgrund der persönlichen Umstände des Klägers nicht erfolgversprechend.

Verfahrensrechtlich sei das Pensionsbegehren abzuweisen, da der qualifiziert vertretene Kläger trotz Thematisierung in erster Instanz kein Rehabilitationsbegehren erhoben habe.

Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht darüber entschieden habe, inwieweit im Rahmen des § 253e ASVG individuell nicht vorhandene ausreichende Kenntnisse, die üblicherweise von Berufsträgern in einem bestimmten Beruf verlangt werden können, zu berücksichtigen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei beantwortete Revision des Klägers ist zur Klarstellung zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In seiner auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn gerichteten Revision macht der Kläger zusammengefasst geltend, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation eine konkrete Einzelfallprüfung unerlässlich sei, ob der Kläger nach der Umschulung im dadurch erweiterten Verweisungsfeld voraussichtlich einen Arbeitsplatz finden werde. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung seien nur solche Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zumutbar, nach deren Absolvierung eine realistische Chance bestehe, nach der Umschulung im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz zu finden. Unrichtigerweise gehe das Berufungsgericht davon aus, dass das Fehlen einer realistischen Chance nur auf fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache und Qualifikationsmängel zurückzuführen sei. Ebenso sei unrichtig, dass die beklagte Partei wirksam eine berufliche Rehabilitation angeboten habe, weil sie immer davon ausgegangen sei, dass der Kläger im Rahmen seines Berufsschutzes verweisbar sei. Außerdem reiche das Angebot zur Absolvierung eines Computerführerscheins nicht aus, dass der Kläger als Bauproduktefachberater tätig werden könne. In eventu werde das Klagebegehren auf Gewährung einer Maßnahme der beruflichen Rehabilitation umgestellt.

Dazu ist auszuführen:

1. Stichtag ist im vorliegenden Fall der 1. Juli 2013. Der 1963 geborene Kläger hat am 1. Jänner 2014 das 50. Lebensjahr bereits vollendet, weshalb für ihn (auch) die mit dem SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 aufgehobene Bestimmung des § 253e ASVG idF BGBl I 2010/111 (§ 669 Abs 2 ASVG) gemäß § 669 Abs 5 ASVG weiterhin anwendbar bleibt.

2. Der Kläger genießt Berufsschutz als Maurer. Von den – ausgehend vom Berufsschutz – in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten ist ihm unter Bedachtnahme auf die verbliebene Leistungsfähigkeit die Tätigkeit eines Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel möglich.

Nach ständiger Rechtsprechung führt der Wechsel eines qualifizierten Arbeiters in eine Angestelltentätigkeit zu keinem Verlust des Berufsschutzes, wenn eine entsprechende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf besteht (10 ObS 106/09z; RIS‑Justiz RS0084541 [T35]). So weist die Angestelltentätigkeit eines Baustofffachmarktberaters in Misch- bzw Kombimärkten eine entsprechende Nahebeziehung zum Lehrberuf eines Maurers auf (10 ObS 101/10s, SSV‑NF 25/51 = DRdA 2011/52, 555 [ Weissensteiner ]; RIS‑Justiz RS0084541 [T37]).

3. Nach den Feststellungen fehlt es dem Kläger an den für die Tätigkeit als Fachmarktberater im Baustoffspezialhandel geforderten User-Kenntnissen am Computer. Allerdings ist „die von der Beklagten im Laufe des Verfahrens angebotene und für den Kläger kostenlose berufliche Rehabilitationsmaßnahme, nämlich ein Kurs zum Erwerb von EDV‑Grundkenntnissen im Ausmaß von einer Woche und einem Tag beim WiFi sowie 113 Unterrichtseinheiten beim BFI zum Erwerb des ECDL Standard (= Europäischer Computerführerschein) inklusive Übung, ... grundsätzlich ausreichend, um die am Arbeitsmarkt geforderten Kenntnisse bzw den fachgerechten Umgang mit dem PC als User (Anwender) zu gewährleisten“.

4. Ist für die Verweisung eines qualifizierten Arbeiters erforderlich, dass er eine Schulungsmaßnahme absolviert, so muss dem Versicherten diese Schulung aus gesundheitlichen Gründen möglich sein und muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. In zeitlicher Hinsicht differenziert die Rechtsprechung dabei insbesondere zwischen Nachschulung und Umschulung (OGH 10 ObS 172/89, SSV‑NF 3/79; 10 ObS 53/02w, SSV‑NF 16/24 [dazu Smejkal , Grundsatz „Rehabilitation vor Pension“, DRdA 2006, 406]; Födermayr in SV‑Komm [Stand 1. 12. 2015] § 255 Rz 131 mwN).

4.1. Die Notwendigkeit einer Nachschulung kann sich insbesondere auch deswegen ergeben, weil bestimmte, aktuell auf dem Arbeitsmarkt erwartete Kenntnisse und Fertigkeiten zum Zeitpunkt der Berufsausbildung nicht Bestandteil des Ausbildungsinhalts waren (10 ObS 155/11h, SSV‑NF 26/6; 10 ObS 168/11w, SSV‑NF 26/15).

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung hindert die Notwendigkeit einer innerbetrieblich angebotenen Nachschulung in einem zeitlichen Ausmaß von bis zu sechs Monaten die Verweisbarkeit nicht (RIS‑Justiz RS0050891 [T20]; ausführlich zuletzt 10 ObS 146/14i). Auf der anderen Seite darf dem qualifizierten Arbeiter im Rahmen einer Verweisung nicht zugemutet werden, durch Umschulung– selbst wenn diese nur einen kurzen Zeitraum benötigt (10 ObS 157/07x, SSV‑NF 21/91) – Kenntnisse und Fähigkeiten eines fremden Berufs zu erwerben, da in Fällen einer Umschulung das Verweisungsfeld verlassen werden würde und diese als Maßnahme der beruflichen Rehabilitation (mit den dafür nötigen Voraussetzungen) zu qualifizieren wäre ( Födermayr in SV-Komm [Stand 1. 12. 2015] § 255 Rz 131; zur Unterscheidung zwischen Nachschulung und Umschulung siehe etwa 10 ObS 202/01f; RIS‑Justiz RS0050900 [T17]).

4.3. Generell wird vom Versicherten nicht verlangt, sich auf eigene Kosten die benötigten Kenntnisse in externen Ausbildungsmaßnahmen anzueignen; derartige mit Kosten verbundene Ausbildungsmaßnahmen sind dem Versicherten vom Pensionsversicherungsträger im Rahmen der beruflichen Rehabilitation zur Verfügung zu stellen (10 ObS 18/12p, SSV‑NF 26/38 mwN).

4.4. Damit der Kläger den mit der verbliebenen Leistungsfähigkeit vereinbaren Verweisungsberuf eines Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel ausüben kann, ist nicht eine Umschulung, sondern – weil das Verweisungsfeld nicht verlassen wird (siehe 2.) – eine Nachschulung notwendig. Die hier erforderliche Nachschulungsmaßnahme unterscheidet sich von den meisten der bisher entschiedenen Fälle dadurch, dass sie nicht innerbetrieblich durchgeführt, sondern extern angeboten wird (insofern ebenfalls nicht differenzierend etwa RIS‑Justiz RS0050900 [T6]).

4.5. Unabhängig von der Qualifikation als Nachschulungs‑ oder Umschulungsmaßnahme müssen im Hinblick darauf, dass die Maßnahme nicht betriebsintern angeboten wird, sondern vom Pensionsversicherungsträger zu gewähren ist, die von § 253e ASVG für den Anspruch auf berufliche Rehabilitation aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sein (vgl 10 ObS 53/02w, SSV‑NF 16/24; 10 ObS 167/04p). Auch die Richtlinien für die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Rehabilitation sowie von Leistungen im Rahmen der Festigung von Gesundheit und der Gesundheitsvorsorge (RRK 2005, verlautbart in avsv 2011/125) unterscheiden in ihrem § 14 Abs 1 Z 3 hinsichtlich der Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zwischen Ein‑, Um‑ und Nachschulung.

4.6. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargestellt hat, sind die Voraussetzungen des § 253e ASVG erfüllt. Die von der beklagten Partei angebotene, unter Punkt 3. angeführte zweckmäßige Nachschulung ist dem Kläger möglich und zumutbar.

Die Zumutbarkeit einer Ausbildungsmaßnahme ist umso eher anzunehmen, je mehr die Merkmale der bisherigen Berufstätigkeit erhalten bleiben. Selbst die (nun in § 303 Abs 4 ASVG nicht mehr erwähnte) „Neigung“ ist nicht als Freibrief für die Durchsetzung aktueller persönlicher Vorlieben zu sehen, sondern (auch) in einem objektiven Zusammenhang mit der bisher ausgeübten Berufstätigkeit, weil andernfalls jede Verweisung auf einen bisher nicht ausgeübten Beruf ausgeschlossen werden könnte. Eine Verringerung des Qualifikationsniveaus ist mit einer Tätigkeit als Fachmarktberater im Baustoffspezialhandel nicht verbunden, weshalb die Tätigkeit zumutbar ist.

4.7. Die angebotene Maßnahme muss geeignet sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sicherzustellen (§ 253e Abs 2 ASVG). Nach der Rechtsprechung muss auch eine realistische Chance bestehen, dass der konkrete Umgeschulte nach Ende der Schulungsmaßnahme im neuen Beruf voraussichtlich einen Arbeitsplatz findet (RIS‑Justiz RS0113667 [T1]).

4.8. Nach den Feststellungen des Erstgerichts ist „in der Zusammenschau mit den mangelnden Deutschkenntnissen des Klägers und den sich aus dem Qualifikationstest des Sachverständigen … ergebenden fachlichen Defiziten im arbeitstechnischen und fachtheoretischen Bereich eine Vermittlungschance bzw Wiedereingliederung des Klägers in absehbarer Zeit auf Dauer alleine durch eine positive Absolvierung des ECDL‑Computerführerscheins auf den Beruf des Fachmarktberaters im Baustoffspezialhandel als nicht realistisch zu beurteilen“.

Der Oberste Gerichtshof hat allerdings bereits ausgesprochen, dass für die Frage der Arbeitsmarktchancen des Klägers eine mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache (vgl 10 ObS 146/14i; 10 ObS 20/98h, SSV‑NF 12/25 ua) ebenso wenig Berücksichtigung finden kann wie ein ebenfalls dem persönlichen Verantwortungsbereich zuzurechnendes Fehlen durchschnittlicher fachlicher Kenntnisse (vgl 10 ObS 271/92, SSV‑NF 7/6; 10 ObS 294/88, SSV‑NF 2/122 ua).

5. Sind angebotene, von der persönlichen Situation des Betroffenen abstrahierte Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation aber möglich, zweckmäßig und zumutbar, hindert deren Verweigerung das Entstehen des Anspruchs auf Invaliditätspension (10 ObS 107/12a, SSV‑NF 27/9 = ZAS 2014/7, 42 [ Beck ]). Von dieser Rechtsfolge kann sich der Versicherte nicht dadurch lösen, dass er (erst) im Revisionsstadium sein Einverständnis zu Schulungsmaßnahmen erklärt.

Der Umstand, dass die beklagte Partei trotz des Anbots, die Kosten einer externen Nachschulung zu übernehmen, bei ihrem Rechtsstandpunkt verblieb, kann weder dem Kläger zum Vorteil noch der beklagten Partei zum Nachteil gereichen. Es lag in der Entscheidung des Klägers, das Angebot anzunehmen oder auszuschlagen.

6. Ein Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ist daher zu verneinen.

Ein Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG kommt nicht in Betracht, weil Billigkeitsgründe weder dargelegt wurden noch aus dem Akt ersichtlich sind.

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