OGH 10ObS20/98h

OGH10ObS20/98h9.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Weinke (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mate G*****, vertreten durch Dr.Helmut Cronenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Oktober 1997, GZ 7 Rs 178/97v-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.Februar 1997, GZ 34 Cgs 210/95a-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6.8.1948 geborene Kläger kann leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Einhaltung der üblichen Arbeitszeiten und Ruhebedingungen verrichten, wobei diese Tätigkeiten im Sitzen, Gehen und Stehen, im Freien sowie in geschlossenen Räumen durchgeführt werden können und auch Tätigkeiten mit Fingergeschicklichkeit einschließen.

Überkopfarbeiten, Bück- und Hebearbeiten sind um ein Drittel eines Arbeitstages zu verkürzen und gleichmäßig auf diesen zu verteilen. Arbeiten an exponierten Stellen sind zumutbar. Arbeiten in Nässe, Kälte, mit atemtraktreizenden Substanzen sind zu vermeiden. Akkord- und Fließbandarbeiten scheiden aus. Einem forcierten und normalen Arbeitstempo ist der Kläger ganztägig gewachsen. Der Kläger ist in der Lage, sich neue Kenntnisse zu Anlernzwecken anzueignen. Ortswechsel und Pendelverkehr sind zumutbar. Mit vermehrten Krankenständen ist nicht zu rechnen.

Außer Streit steht, daß der Kläger war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend als Maurer beschäftigt. Diesen Beruf kann er aufgrund seiner krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen nicht mehr verrichten, er kann jedoch als Fachmarktberater/Fachmarktverkäufer in einem Baumarkt tätig sein. Hiefür wird eine kaufmännische oder handwerkliche Ausbildung gefordert, wie zB als Maurer. Maurer bedürfen nur einer Einweisung von durchschnittlich drei Monaten in das Bestellwesen, die innere Organisation und EDV. Der Schwerpunkt der Tätigkeit in Baumärkten oder Fachgeschäften des Baustoffhandels liegt in der fachkundigen Beratung und im Verkauf. Dabei werden Informationen über bestimmte Eigenschaften der geforderten Artikel, wie beispielsweise Verarbeitung, Handhabung, unterschiedliche Qualitätsmerkmale, Haltbarkeitsdauer, Menge, Preis etc erteilt. Es werden Bestellungen aufgenommen, die gewünschte Ware zu Komissionen zusammengerichtet, verpackt und ein Lieferschein oder im Einzelfall eine Rechnung erstellt. Neben der Beratung und dem Verkauf und allfälligen Kassiertätigkeiten gehört zum Aufgabenbereich unter anderem auch die Kontrolle des Wareneingangs, Durchsicht und Bestandsaufnahmen, Entgegennahme und Abwicklung von Reklamationen, die fachgerechte Lagerhaltung, die Kontrolle von Qualitätsmerkmalen usw.

Nach Ablehnung seines Antrages auf Gewährung der Invaliditätspension mit Bescheid der Beklagten vom 1.Juni 1995 begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage die Zuerkennung der Invaliditätspension ab 1.5.1994.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß dem Kläger, ausgehend davon, daß er überwiegend den Beruf eines Maurers in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübt habe und ihm daher Berufsschutz zukomme, die Tätigkeit eines Baufachmarktberaters zumutbar sei. Diese Tätigkeit liege innerhalb seiner Berufsgruppe. Infolge ausreichend vorhandener Arbeitsplätze sei er nicht invalid im Sinne des § 255 Abs 1 und 2

ASGG.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Rechtlich führte es aus, daß die Frage, ob dem Kläger Berufsschutz als Maurer zukomme, nicht von entscheidender Bedeutung sei, weil er nicht nur als gelernter Maurer verweisbar sei, sondern auch ohne Berufsschutz eine Verweisbarkeit in noch weiterem Umfang gegeben sei. Die Unkenntnis der deutschen Sprache sei kein Verweisungshindernis. Als gelernter Maurer könne der Kläger aber auch noch auf die Tätigkeit des Nachbehandlers in der Fertigteilerzeugung verwiesen werden. Invalidität bestehe daher nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ob der Kläger den weiteren Verweisungsberuf als Nachbehandler in der Fertigteilerzeugung ausüben kann, kann dahingestellt bleiben, weil ausgehend von der Qualifikation als gelernter Maurer er ohnehin den Beruf des Fachberaters in einem Baufachmarkt verrichten kann.

Infolge der Außerstreitstellung der Beschäftigung des Klägers als Maurer in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ist davon auszugehen, daß der Berufsschutz des Klägers als Maurer nicht strittig ist.

Die Verweisbarkeit eines Tischlers auf Wohn- und Verkaufsberater in Einrichtungshäusern (10 ObS 2088/96y) oder eines Installateurs auf die Tätigkeit eines Baumarktberaters für Installationsbedarf (10 ObS 2339/96k) oder eines Karosseurs auf die Tätigkeit eines Kundendienstberaters (SSV-NF 8/84) wurde von der Rechtsprechung bejaht. Daß daher ein Maurer nach dem diesbezüglich irrevisiblen auf das Gutachten des Sachverständigen für Berufskunde beruhenden Feststellungen für einen Fachmarktberater nach einer durchschnittlich dreimonatigen Einweisung in das Bestellwesen, die interne Organisation und EDV, sohin nach einer üblicherweise zumutbaren Nachschulung (SSV-NF 7/6) qualifiziert ist, liegt auf dieser Linie.

Daß diese Einweisung eine Umschulung in einen neuen Beruf bildet, läßt sich aus den Feststellungen nicht ableiten. Daß ein Erstgericht (SVSlg 40.798) einem Maurer, der seinen linken Arm nicht mehr einsetzen konnte, Invalidität ohne weitere Verweisungsmöglichkeit zubilligte, kann kein Argument gegen die höchstgerichtliche Rechtsprechung bilden.

Auf die von der Revision vorgenommene Unterscheidung "einfacher" Maurer oder "normale" Deutschkenntnisse zu einem höher qualifizierten Maurer oder zu "überdurchschnittlichen" Deutschkenntnissen ist nicht abzustellen. Entscheidend ist nämlich nur das diese Unterscheidung nicht enthaltende Berufsbild des Lehrberufes Maurer.

Ein solcher muß sich daher der von der Rechtsprechung als zumutbar angesehenen Einweisung zur Anpassung an die Berufsanforderungen, die seinem Leistungskalkül entsprechen, unterziehen (SSV-NF 7/6, 8/75; 10 ObS 2339/96k). Diese Verweisungstätigkeit wird von solchen Facharbeitern auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise verrichtet. Unter Zugrundelegung der festgestellten Anforderungen im Verweisungsberuf Fachmarktberater/Fachmarktverkäufer bilden die handwerkliche Ausbildung des Kläger als Maurer und die dabei erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten ein Anstellungs- und Ausübungskriterien des Verweisungsberufes. Daher handelt es sich bei diesem Verweisungsberuf um eine qualifizierte Teiltätigkeit des Lehrberufes Maurer. Die Verweisung auf Teiltätigkeiten ist aber zulässig, weil damit der bereits erworbene Berufsschutz nicht verloren geht (SSV-NF 7/6 ua).

Wenn die Revision darauf verweist, daß der Fachmarktberater ein typischer Beratungsberuf sei, der die überdurchschnittliche Fähigkeit voraussetze, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, so kommt es darauf nicht an. Der Kläger kann nämlich nicht anders als ein die deutsche Staatsprache beherrschender Arbeitnehmer behandelt werden. Die mangelnde Beherrschung deutscher Sprache bzw die Kenntis von nur "normalen" Deutschkenntnissen ist daher kein Kriterium, das gegen die Verweisbarkeit auf einen bestimmten Arbeitsplatz vorgebracht werden kann (SSV-NF 1/22 ua). Der Revision ist sohin keine Folge zu geben.

Der Kostenausspruch beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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