Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revisionsbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der am 5.1.1949 geborene Kläger war bis zu seinem Lungeninfarkt im Jahre 1990 sowie nach einem Krankenstand zwischen 1991 und 1992 für 5 Monate jeweils im qualifizierten Facharbeiterberuf eines Wasser- und Heizungsinstallateurs tätig.
Dem Kläger sind - aufgrund seines im einzelnen näher beschriebenen körperlichen und geistigen Zustandes - nunmehr nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen im Freien sowie in geschlossenen Räumen unter Einhaltung der üblichen Ruhepausen zumutbar, wobei auch Tätigkeiten mit Fingergeschicklichkeit eingeschlossen sind. Arbeiten in und aus gebückter sowie in vorgeneigter, stehender und sitzender Zwangshaltung müssen bei gerechter Verteilung auf ein Drittel eines Arbeitstages beschränkt bleiben. Das Heben und Tragen leichter Lasten ist in vollem Umfang möglich, von mittelschweren Lasten bei gerechter Verteilung für die Hälfte eines Arbeitstages. Arbeiten an exponierten Stellen wie Leitern und anderen Arbeitsbehelfen sind nur bis zu einer Höhe von 2 m über den Erdboden aus Sicherheitsgründen wegen einer bestehenden Höhenangst zumutbar. Akkord- und Fließbandarbeiten scheiden aus, der Kläger kann aber Arbeiten unter einem durchschnittlichen Zeitdruck (forciertes Arbeitstempo) über den ganzen Arbeitstag leisten. Tätigkeiten, die das Lenken eines Kraftfahrzeuges erfordern, sind nicht ausgeschlossen. Tagsüber ist das Tragen einer Kompression je nach Hautverträglichkeit erforderlich. Aus orthopädischer Sicht sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Krankenstände in der Dauer von zwei Wochen pro Jahr zu erwarten.
Der Kläger entspricht damit nicht mehr allen (vom Erstgericht im einzelnen festgestellten) Anforderungen an einen Installateur. Als Verweisungstätigkeit kommt die eines Fachberaters (für Installationsbedarf) in einem Baumarkt nach einer Produktschulung von einem Monat in Betracht. Für einen derartigen Berater sind kaufmännische Grundkenntnisse erforderlich, wobei dieser Fachberater mit dem Einkauf und auch mit dem Inkasso nichts zu tun hat. Auch die Preisgestaltung liegt nicht in seinem Bereich. Baumarktberater bzw Fachberater auf Baumärkten werden nach dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten in der Beschäftigungsgruppe 2 eingestuft.
Mit Bescheid vom 23.6.1994 wies die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension mangels Invalidität ab.
In der Klage begehrte er die Zuerkennung einer solchen in der gesetzlichen Höhe ab dem 1.3.1994.
Das Erstgericht sprach aus, daß der Anspruch auf Invaliditätspension ab 1.3.1994 dem Grunde nach zu Recht besteht und verpflichtete die beklagte Partei zur Erbringung einer vorläufigen Zahlung von S 7.500,-- ab diesem Datum unter Abzug sämtlicher anrechenbarer Vorausleistungen bis zur Festsetzung der zuerkannten Leistung durch Bescheid. In rechtlicher Hinsicht beurteilte es den eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Sachverhalt dahingehend, daß dem Kläger im Hinblick auf seine im Beobachtungszeitraum der letzten 15 Jahre überwiegend in angelernter Berufsausübung verrichtete Tätigkeit als Installateur Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG zukomme. Die Verweisbarkeit auf den Beruf eines Baumarktfachberaters scheide jedoch aus, weil es sich hiebei zufolge Einstufung nur in der Beschäftigungsgruppe 2 um einen dem Kläger nicht zumutbaren sozialen und tatsächlichen Abstieg handle.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte - zur einzig erhobenen Rechtsrüge - noch ergänzend aus, daß nach dem für Wasser- und Heizungsinstallateure geltenden Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe der Mindeststundenlohn im Stichtagsjahr 1994 für Spitzenfacharbeiter bei S 116,80, für qualifizierte Facharbeiter bei S 103,50 und für Facharbeiter mit abgeschlossener Berufsausbildung und der Befähigung, berufseinschlägige Arbeiten nach Anweisung verantwortungsbewußt zu verrichten, bei S 90,20 gelegen sei, während jener für Handelsangestellte in der Beschäftigungsgruppe 2 nur rund S 70,-- betrage. Da der Kläger aufgrund seiner langjährigen Berufsausübung zumindest als qualifizierter Facharbeiter einzustufen sei und ihm nach Handels-Kollektivvertrag diese Berufsjahre nicht angerechnet werden könnten, müßte er eine Lohneinbuße von 30 % nicht hinnehmen, da seine wirtschaftliche Sicherheit ansonsten gefährdet erscheine.
Rechtliche Beurteilung
In der auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten, vom Kläger beantworteten und gemäß § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässigen Revision beantragt die beklagte Partei die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rechtsrüge läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der Kläger im weiten Verweisungsfeld eines Beraters in Sanitär- und Baumärkten weder einen sozialen Abstieg noch unzumutbare finanzielle Einbußen hinnehmen müsse, da zumindest 70 % der Entlohnung eines vergleichbar qualifizierten Facharbeiters erreicht werden könnten und § 255 Abs 3 (aber auch Abs 1) ASVG ausdrücklich nur das Erreichen einer "Lohnhälfte" verlangten.
Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt. Dies aus folgenden Erwägungen:
1.) Unbestritten ist, daß der Kläger Berufsschutz als Wasserleitungsinstallateur (so die richtige Bezeichnung des Lehrberufes: vgl BGBl 1974/210 idgF) im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG genießt. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß er im Hinblick auf das erhobene Leistungskalkül diesen Beruf (oder verwandte handwerkliche Berufe) nicht mehr ausüben kann. Strittig ist lediglich, ob er im Rahmen dieses Berufsschutzes auf die Tätigkeit eines Baumarktberaters (für Installationsbedarf) verwiesen werden kann.
2.) § 255 Abs 1 ASVG stellt dem Wortlaut nach darauf ab, daß die
Arbeitsfähigkeit des Versicherten auf weniger als die Hälfte
derjenigen eines gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und
gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. § 255
Abs 3 ASVG, welcher die Leistungsvoraussetzungen für eine
Invaliditätspension bei nicht überwiegend in erlernten (angelernten)
Berufen regelt, stellt hingegen auf die Fähigkeit ab, durch eine auf
dem Arbeitsmarkt noch bewertete und zumutbare Tätigkeit wenigstens
die Hälfte des Entgelts zu erzielen, das ein gesunder Versicherter
regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Während es
also bei überwiegend etwa als Hilfsarbeiter tätig gewesenen Arbeitern
nur auf die Erzielbarkeit der sog "Lohnhälfte" ankommt, ist bei
überwiegend in erlernten (angelernten) Berufen tätig gewesenen
Arbeitern (gleichermaßen aber auch Angestellten nach § 273 Abs 1
ASVG) nach dem Wortlaut der bezogenen Gesetzesstellen entscheidend,
ob ihre Arbeitsfähigkeit mindestens noch die Hälfte derjenigen eines
gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten erreicht. Der Senat hat hiezu allerdings
in der erst jüngst - SSV-NF 9/46 - veröffentlichten Entscheidung 10
Ob S 78/95 gezeigt und unter ausführlicher Darstellung der Genealogie
des § 255 ASVG (beginnend mit der Stammfassung über die insbesondere
9. Novelle), Hinweisen auf die vormalige Rechtsprechung des
Oberlandesgerichtes Wien (als in Leistungsstreitsachen letzter
Instanz) sowie eingehender Befassung und Bewertung des einschlägigen
sozialversicherungsrechtlichen Fachschrifttums nachweisen können, daß
der in § 255 Abs 3 ASVG ausdrücklich vorgeschriebene Maßstab der
"Lohnhälfte" auch nach Abs 1 der zitierten Gesetzesstelle (und
gleichermaßen auch nach § 273 Abs 1 leg cit) anzulegen ist. Es kommt
also auch bei dieser Versichertengruppe darauf an, ob die Einkünfte
aus dem Einsatz der verbliebenen Arbeitskraft weniger als die Hälfte
des (regelmäßigen) Einkommens eines voll belastbaren (vergleichbaren)
Versicherten betragen (in diesem Sinne auch schon SSV-NF 7/126 = JBl
1994, 425 = DRdA 1994/50 [mit zust Besprechung von Windisch-Graetz]).
Die von den Vorinstanzen - insbesondere vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Stundengehälter aus den maßgeblichen Kollektivverträgen - vorgenommene Abstellung auf die beim Kläger beim vorgesehenen Verweisungsberuf eines Baumarktfacharbeiters zu erwartende Lohneinbuße ist daher für den Zuspruch der begehrten Invaliditätspension nicht tragfähig. Trotz Herabsinkens seiner (neuen) Tätigkeit auf jene der Beschäftigungsgruppe 2 ist er nämlich jedenfalls weiterhin in der Lage, zumindest die Hälfte (nach den - von ihm in der Revisionsbeantwortung gar nicht bestrittenen - Erhebungen des Berufungsgerichtes sogar rund 70 %) des Einkommens eines gesunden Arbeitnehmers im Verweisungsberuf zu erzielen. Daß durch diese Verweisung auf die Tätigkeit eines solchen Beraters der Berufsschutz erhalten bleibt, bildet zwischen den Parteien ebenfalls keinen Streitpunkt (vgl hiezu etwa auch 10 Ob S 131/93, wo die Frage des Berufschutzerhaltes ebenfalls eines auf den Beruf eines Verkaufsberaters für Fliesen und Sanitärprodukte in einem Großmarkt verwiesenen Installateurs Gegenstand der Entscheidung war).
3.) Bereits in den Entscheidungen SSV-NF 2/122, 7/6 und 8/75 hat der Senat ausgesprochen, daß einem Versicherten eine Nachschulung zumutbar ist, um seine Kenntnisse an die sich im Verweisungsberuf ändernden Berufsanforderungen anzupassen - zumal dann, wenn eine solche Produktschulung wie im vorliegenden Fall ohnedies bloß ein Monat dauern wird.
4.) Ob die Beschäftigung in diesem Verweisungsberuf die Zugehörigkeit zu einem Angestelltenberuf begründen würde, stellt an sich kein Hindernis dar; dies wurde bereits für nicht überwiegend in erlernten oder angelernten Arbeiterberufen stehende Versicherte ausgesprochen (SSV-NF 5/45 = SZ 64/44) und muß daher umsomehr für solche in einem erlernten (angelernten) Geltung haben (SSV-NF 8/84; 10 Ob S 2088/96y bei der Verweisung eines Tischlers auf Wohn- und Verkaufsberater in Einrichtungshäusern). Diesbezüglich hat bereits das Berufungsgericht - zutreffend - kein Verweisungshindernis erblickt.
5.) Auf den vom Berufungsgericht für wesentlich erachteten "sozialen Abstieg" wird in der Rechtsprechung (vgl SSV-NF 4/17, 8/38, 10 ObS 2240/96a) nur bei Versicherten Rücksicht genommen, die - anders als der Kläger hier - als Angestellte beschäftigt waren. Darauf kommt es daher im vorliegenden Verfahren nicht weiter an.
6.) Unerhoben geblieben ist allerdings die Zahl der auf dem österreichischen Arbeitsmarkt vorhandenen Arbeitsplätze für in Groß- und Baumärkten als Fachberater eingesetzte gelernte Installateure. Mangels Offenkundigkeit steht diese Zahl auch nicht annäherungsfähig fest (SSV-NF 7/6). Dies ist jedoch für eine Verweisung unabdingbare Voraussetzung (SSV-NF 3/29, 4/140, 10 Ob S 2088/96y), wobei als Mindestzahl grundsätzlich (österreichweit) 100 derartige Arbeitsplätze in einem Verweisungsberuf zur Verfügung stehen müssen (SSV-NF 7/37). Dazu liegen derzeit auch keine Beweisergebnisse vor (siehe die Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen ON 11, 15, 17 und 19).
Da diese für die abschließende Beurteilung wesentliche Frage ungeklärt blieb, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens in diesem Punkt aufzuheben.
7.) Der Vorbehalt der Entscheidung über den Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung des Klägers beruht auf dem gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch in Sozialrechtssachen anzuwendenden § 52 Abs 1 ZPO.
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