European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00105.15B.0628.000
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.376,90 EUR (darin 669,15 EUR USt und 1.362 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind die Kinder der am 23. 3. 2012 in Pisek (Tschechische Republik) 85‑jährig verstorbenen J***** F***** (in der Folge: Erblasserin). Die Erblasserin war tschechisch-österreichische Doppelstaatsbürgerin. Ab April 2004 hatte sie ihren Wohnsitz in der Tschechischen Republik. Sie litt unter Morbus Alzheimer und anderen Erkrankungen.
Mit Beschluss vom 1. 2. 2005 hatte das Bezirksgericht Salzburg die von der Beklagten angeregte Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens in Österreich abgelehnt, wobei es sich auf § 110 Abs 2 JN bezog. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig. Mit Beschluss vom 22. 11. 2005 erklärte das Amtsgericht Prag 1 die Erblasserin für geschäftsunfähig. Mit weiterem Beschluss vom 30. 3. 2006 bestellte das Amtsgericht Prag 1 die Beklagte zur Pflegerin der Erblasserin. Sie wurde dazu verpflichtet, den Pflegling in sämtlichen Alltagsangelegenheiten zu vertreten, das Vermögen des Pfleglings zu verwalten und auf dessen gesundheitlichen Zustand aufzupassen; ferner das Gericht über sämtliche eintretende Änderungen in Kenntnis zu setzen und ihm über ihre Tätigkeit regelmäßige Jahresberichte zu erstatten; schließlich nach Beendigung der Vertretung Rechenschaft bezüglich der Vermögensverwaltung abzulegen.
Mit Beschluss vom 3. 10. 2013 genehmigte das Bezirksgericht in Pisek eine Vereinbarung, welche die nunmehrigen Streitteile als gesetzliche Erben „über die Eigentumsregelung der Verlassenschaft“ geschlossen hatten. Gemäß dieser Vereinbarung übernahmen sie das in die Verlassenschaft fallende – konkret bezeichnete – Eigentum (an ausschließlich in Tschechien gelegenen Vermögenswerten) zu gleichen Teilen. In der Begründung dieses Beschlusses wurde festgehalten, dass die Erblasserin hinsichtlich des im Ausland befindlichen Vermögens einen letzten Willen hinterlassen habe. Hinsichtlich des in der Tschechischen Republik befindlichen Besitzes sei kein letzter Wille errichtet worden, hier trete die gesetzliche Erbfolge ein.
Bei der Todesfallaufnahme in Österreich wurde an Vermögenswerten ua ein Sparbuch mit einem Guthaben von 11.963,08 EUR und ein Girokonto mit einem Stand per 6. 11. 2013 von 62,26 EUR angeführt. Erbantrittserklärungen wurden nicht abgegeben. Das Verlassenschaftsverfahren wurde mit Beschluss des Abhandlungsgerichts vom 7. 2. 2014 rechtskräftig eingestellt. Begründet wurde dies (unstrittig) im Wesentlichen damit, dass die Erblasserin Doppelstaatsbürgerin sei und ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland gehabt habe. Im anschließenden Ausfolgungsverfahren (§ 150 AußStrG) entschied das Bezirksgericht Salzburg mit Beschluss vom 16. 7. 2014, die erwähnten Vermögenswerte je zur Hälfte an die Streitteile auszufolgen. Das Ausfolgungsverfahren ist rechtskräftig beendet.
Der Kläger begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, 1. ihm für den Zeitraum 30. 3. 2006 bis 23. 3. 2012 über alle von ihr vorgenommenen Transaktionen mit in Österreich befindlichen Wertsachen und Vermögensgegenständen der Erblasserin, insbesondere betreffend Bankkonten, Bankdepots, Sparbücher, Wertpapiere, Versicherungsverträge, Versicherungsguthaben, Bargeld, Schmuck und Einrichtungsgegenstände udgl mehr, Rechnung zu legen einschließlich einer Inventarisierung aller von ihr verbrachten, verwahrten und/oder liquidierten Wertsachen unter Angabe der jeweiligen Verwahrungsorte und/oder Verwertungserlöse; hilfsweise über die Höhe und den Verbleib des von ihr eigenmächtig verwalteten Vermögens der Erblasserin zum Stichtag 23. 3. 2012 eine eidliche Vermögensangabe zu leisten; hilfsweise unter Eid anzugeben, welche Vermögenswerte sie verschwiegen bzw verheimlicht habe und was sie mit diesen Vermögenswerten gemacht habe, insbesondere betreffend Zahlungen von dem auf die Erblasserin lautenden Girokonto Nr ***** sowie Vermögenswerte betreffend den Bausparvertrag Nr ***** und die Lebensversicherungen bei der S***** AG, Polizze Nr ***** und Polizze Nr *****, und 2. die sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Guthabens‑, Schadenersatz‑ und Rückforderungsbeträge im Ausmaß der Erbquote von 50 % zu bezahlen sowie alle sich aus dem Inventar und der eidlichen Vermögensangabe ergebenden Wertsachen herauszugeben, wobei die Bezifferung des Zahlungsbegehrens und die Konkretisierung des Herausgabebegehrens bis zur erfolgten Rechnungslegung samt Inventarvorlage und der eidlichen Vermögensangabe vorbehalten bleibe.
Der Kläger brachte vor, die Erblasserin habe etwa seit 2001 auf eigenen Wunsch teilweise allein in Prag gelebt, ehe sie sich im Sommer 2003 endgültig entschieden habe, nach Prag zu übersiedeln. Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch in der Lage gewesen, selbständig zu agieren. Im März 2004 habe man bei ihr Morbus Alzheimer diagnostiziert. Sie habe in Prag über beträchtliches Vermögen verfügt, ihre Betreuung sei durch eine Vereinbarung mit dem Erzbistum Prag sichergestellt worden. Der Beschluss des Amtsgerichts Prag 1 vom 30. 3. 2006, mit dem die Beklagte zur Sachwalterin für die Erblasserin bestellt worden sei, sei nicht anerkennungsfähig und habe in Österreich keine Wirkung entfaltet. Dennoch habe die Beklagte „vollmachtslos“ und ohne jedwede pflegschaftsbehördliche Genehmigung und Kontrolle über das in Österreich vorhandene Vermögen der Erblasserin verfügt. Insbesondere habe sie von einem Girokonto der Erblasserin, auf welches auch die Pensionszahlungen eingegangen seien, teils in eigenem Namen, teils im Namen der Erblasserin hohe Zahlungen geleistet, die nicht im Interesse der Erblasserin gelegen seien. Sie hätten vor allem der Renovierung der Salzburger Wohnung der Erblasserin gedient, welche der Beklagten bereits mit Schenkungsvertrag auf den Todesfall übertragen worden sei. Im Zuge der Todesfallaufnahme habe die Beklagte zunächst nur das Sparbuch angegeben und erst später auch das Girokonto genannt. Der außergerichtlichen Aufforderung zur Rechnungslegung sei die Beklagte nicht nachgekommen. Sie sei aufgrund der nachweisbaren Ungereimtheiten sowohl als Miterbin als auch als Geschäftsführerin ohne Auftrag zur Rechnungslegung verpflichtet. Es liege ein „klarer Fall“ von Verschweigung und Verheimlichung eines der Beklagten bekannten Vermögens der Erblasserin vor.
Die Beklagte erhob die Einreden der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs sowie der sachlichen und internationalen Unzuständigkeit. In der Sache wandte sie ein, der Bestellungsbeschluss des Amtsgerichts Prag 1 sei auch in Österreich wirksam. Dies folge aus den im Abschnitt 9a des Außerstreitgesetzes enthaltenen Bestimmungen, die zwar erst mit 1. 11. 2013 in Kraft getreten, nach der Übergangsvorschrift des § 207j AußStrG aber auch auf die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung von früheren Entscheidungen anzuwenden seien. Davon abgesehen habe der Auftrag des tschechischen Pflegschaftsgerichts die Verwaltung des gesamten, wo auch immer befindlichen Vermögens der Erblasserin umfasst. Die Beklagte habe von Beginn ihrer Tätigkeit als Sachwalterin bis zum Tod der Erblasserin dem tschechischen Pflegschaftsgericht laufend und lückenlos Rechnung gelegt. Eine gleichartige Verpflichtung gegenüber dem Kläger bestehe nicht. Die Voraussetzungen des ersten und zweiten Falles des Art XLII EGZPO lägen nicht vor. Der Kläger sei zur Klage nicht aktiv legitimiert. Er sei nicht Erbe, weil ihm der Nachlass nicht eingeantwortet worden sei. Im Übrigen sei der Kläger erbunwürdig. Er habe die betagte und kranke Erblasserin im Jahr 2004 „zwangsweise“ nach Prag verbracht, sie dort allein und hilflos zurückgelassen und sich anschließend gemeinsam mit seiner Ehefrau die in der Salzburger Wohnung der Erblasserin verbliebenen Vermögenswerte widerrechtlich angeeignet. Die Beklagte habe vor dem Landesgericht Salzburg mit vom tschechischen Pflegschaftsgericht genehmigter Klage namens der Erblasserin gegen den Kläger die Rückzahlung von 45.000 EUR erwirkt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte im Wesentlichen den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und erörterte rechtlich:
Eine Anerkennung der Sachwalterbestellung durch das Amtsgericht Prag 1 könne weder aus europäischen Rechtsakten hergeleitet werden, noch existiere ein entsprechendes Abkommen mit der Tschechischen Republik. Entscheidungen über die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen seien vom Geltungsbereich des EuGVÜ und der EGVVO ausdrücklich ausgenommen. Das Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, zu dessen Vertragsstaaten auch Österreich und die Tschechische Republik zählten, sei in Österreich erst am 1. 2. 2014 in Kraft getreten und zufolge seines Art 50 auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Dasselbe gelte – trotz der die rückwirkende Anwendung anordnenden Übergangsnorm des § 207j – für den Abschnitt 9a des Außerstreitgesetzes. Die in § 131b Abs 2 AußStrG geregelte „Entscheidung über die Sachwalterschaft für behinderte Personen“ beziehe sich nämlich nur auf Entscheidungen eines Staats, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens sei. Mangels einer qualifiziert verbürgten Gegenseitigkeit im Verhältnis zwischen Österreich und der Tschechischen Republik sei eine Anerkennung der Entscheidung des Amtsgerichts Prag 1 auch auf der Grundlage des § 79 EO nicht möglich. Eine analoge Anwendung der §§ 112 ff AußStrG komme ebenfalls nicht in Betracht. Die Entscheidung des Amtsgerichts Prag 1 über die Bestellung der Beklagten zur Sachwalterin der Erblasserin sei daher in Österreich nicht anzuerkennen, weshalb auch die von der Beklagten angenommene Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs nicht vorliege.
Der Kläger könne sich allerdings nicht auf sein Erbrecht berufen. In Österreich sei nur ein Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG durchgeführt worden, nicht aber ein Verlassenschaftsverfahren mit Abgabe einer Erbantrittserklärung und Erlassung eines Einantwortungsbeschlusses. Der Beschluss des Bezirksgerichts in Pisek vom 3. 10. 2013 sei in Österreich weder anerkennungsfähig noch vollstreckbar. Vom Anwendungsbereich der EuGVVO werde das Erbrecht einschließlich des Testamentsrechts ausdrücklich ausgenommen. Österreich sei nicht Partei von multilateralen Staatsverträgen, welche die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen des Erbrechts vorsehen würden. Mit der Tschechischen Republik bestünden auch keine entsprechenden bilateralen Vereinbarungen. Auch fehlten einschlägige Bestimmungen im Außerstreitgesetz. Mangels Erbenstellung in Österreich habe der Kläger keinen Anspruch gegenüber der Beklagten, auf den die Klage nach Art XLII Abs 1 erster oder zweiter Fall EGZPO gestützt werden könnte. Dies treffe auch auf das Eventualbegehren zu.
Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht verwarf die Einreden der sachlichen und inländischen Unzuständigkeit (1.), ebenso die Berufung wegen Nichtigkeit (2.). Im Übrigen gab es der Berufung Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (3.). Zum Aufhebungsbeschluss sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig sei.
Zunächst führte es zu den Prozesseinreden aus, das Erstgericht habe die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs – wenn auch nicht im Spruch, so doch in den Entscheidungsgründen – ausdrücklich bejaht. Mangels Anfechtung durch die Beklagte sei diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen, sie unterliege keiner weiteren Überprüfung. Die weiteren Prozesseinreden habe das Erstgericht nicht ausdrücklich erörtert, weshalb das Berufungsgericht darüber zu entscheiden habe. Das angerufene Gericht sei international und örtlich zuständig, auch seine sachliche Zuständigkeit sei zu bejahen.
In der Sache vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, durch die Verschweigung oder Verheimlichung von Nachlassvermögen seien Erben unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt. Jeder Erbe, so auch der Kläger, könne daher sein Recht auf Vermögensangabe durchsetzen. Die Fragen des Erbschaftserwerbs richteten sich dabei gemäß § 28 Abs 1 iVm § 9 Abs 1 Satz 2 IPRG nach österreichischem Recht. Mit dem Ausfolgungsbeschluss vom 16. 7. 2014 habe das Verlassenschaftsgericht die Stellung des Klägers als Erben anerkannt. Die Manifestationsklage des Erben sei nach der Rechtsprechung auch zulässig, wenn es nicht zur Einantwortung gekommen, sondern der Nachlass armutshalber abgetan oder an Zahlungsstatt überlassen worden sei. Nichts anderes könne gelten, wenn in einem Ausfolgungsbeschluss gemäß § 150 AußStrG das Erbrecht einer durch eine ausländische Entscheidung legitimierten Person anerkannt werde. Allerdings billige die Rechtsprechung einem Erbunwürdigen kein rechtliches Auskunftsinteresse zu. Über die Erbunwürdigkeit habe nicht das Verlassenschaftsgericht, sondern der Streitrichter zu entscheiden. Folglich hindere der Beschluss des tschechischen Gerichts, selbst wenn man diesem die Rechtswirkungen eines Einantwortungsbeschlusses beimesse, die Beklagte nicht an der Geltendmachung der Erbunwürdigkeit des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit. Denn die durch eine rechtskräftige Einantwortung geschaffene Rechtsscheinwirkung könne im streitigen Rechtsweg mittels Erbschaftsklage nach § 824 ABGB beseitigt werden. Es seien daher Feststellungen zur eingewandten Erbunwürdigkeit des Klägers erforderlich. Sollte danach die Erbunwürdigkeit nicht erwiesen sein, bedürfe es auch noch der Klärung der Voraussetzungen des Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO. Das Berufungsgericht teile zwar die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass der Beschluss des Amtsgerichts Prag 1, mit dem die Beklagte zur Pflegerin ihrer Mutter bestellt wurde, für die Vertretungshandlungen der Beklagten in Österreich keine Wirkung entfalte. Es stehe jedoch noch nicht fest, welche Vertretungshandlungen die Beklagte in Österreich für die Erblasserin gesetzt habe und ob bzw was sie in diesem Zusammenhang vor dem österreichischen Verlassenschafts-gericht verschwiegen habe.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob ein Ausfolgungsbeschluss gemäß § 150 AußStrG die Anerkennung der ausländischen Entscheidung bedeute. Es sei auch denkbar, dass nach Inkrafttreten des AußStrG BGBl I 2003/111 nur das Abhandlungsgericht über die Erbunwürdigkeit entscheide und der gegenteilige Rechtssatz (auf den sich das Berufungsgericht gestützt hatte) überholt sei.
Gegen den zweitinstanzlichen Beschluss (inhaltlich nur gegen dessen Spruchpunkt 3.) richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag mit Zurückverweisung an die erste Instanz (gemeint ist offenbar die Überbindung einer anderen Rechtsansicht an das Erstgericht) oder die zweite Instanz gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil es in mehrfacher Hinsicht klarstellender Ausführungen durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Er ist auch berechtigt.
Die Beklagte macht geltend, der Kläger hätte im anhängig gewesenen Verlassenschaftsverfahren einen Einantwortungsbeschluss erwirken müssen, um sich auf seine Erbenstellung berufen zu können. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen der §§ 797 und 799 ABGB sowie § 28 IPRG könnten nicht dadurch umgangen werden, dass man den Ausfolgungsbeschluss nach § 150 AußStrG als Anerkennung des ausländischen Titels verstehe. Dem Kläger fehle es daher an der aktiven Klagslegitimation. Im Hinblick auf die mit § 110 Abs 2 JN begründete Ablehnung der Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens in Österreich sei die Beklagte aufgrund des Bestellungsbeschlusses des Amtsgerichts Prag 1 auch zur Vertretung der Erblasserin in Österreich legitimiert gewesen. Aus § 131b Abs 2 AußStrG, der nach der Übergangsvorschrift des § 207j AußStrG auch auf vor dem Inkrafttreten des Abschnitts 9a getroffene Entscheidungen anzuwenden sei, folge überdies die Anerkennung des Bestellungsbeschlusses in Österreich.
Hierzu wurde erwogen:
I. Vorbemerkungen:
1. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
2. Die seit 17. 8. 2015 in Geltung stehende Verordnung (EU) 650/2012 findet auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17. 8. 2015 oder danach verstorben sind (Art 83 Abs 1
EuErbVO). Sie ist auf den gegenständlichen Sachverhalt daher noch nicht anwendbar.
3. Der am 10. 11. 1961 unterzeichnete Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen, über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften samt Schlussprotokoll (BGBl 1962/309), der gegenüber der Tschechischen Republik weiter anzuwenden ist (BGBl III 1997/123), enthält keine Regelungen über die internationale Zuständigkeit (vgl auch Potyka/Traar in Burgstaller/Neumayr, IZVR, Verlassenschaftssachen [2014] Rz 39 ff; Nademleinsky, Das internationale Erbrecht Österreichs – kurz und mit Beispielen, EF‑Z 2012/35, 61 [FN 29]) oder über die Vollstreckung von Entscheidungen in Verlassenschaftssachen (vgl auch Potyka/Traar aaO Rz 126).
II. Zur Bedeutung des Beschlusses des Bezirksgerichts in Pisek vom 3. 10. 2013:
1. Vorauszuschicken ist, dass in der Tschechischen Republik mit 1. 1. 2014 ein neues Privatrecht in Kraft getreten ist. Die Neuregelungen umfassten auch das Erbrecht und das internationale Privatrecht (Kurzböck/Ropkova, Das Erbrecht nach der Rekodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Tschechien, WiRO 2015, 193 ff und 233 ff). Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die hier relevante Rechtslage vor dieser Novelle.
2. Die Zuständigkeit tschechischer Gerichte im Nachlassverfahren richtete sich bei internationalem Bezug gemäß §§ 44 f des Gesetzes über das internationale Privat- und Prozessrecht von 1963 (MPSaP) nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers und der Belegenheit des Nachlasses (Rombach in Süß, Erbrecht in Europa² [2007], Erbrecht in Tschechien Rz 8). Bei doppelter (auch tschechischer) Staatsangehörigkeit war aus tschechischer Sicht die tschechische Staatsangehörigkeit entscheidend, sodass die Zuständigkeit der tschechischen Gerichte gegeben war. Bezüglich Vermögens, das sich im Ausland befand, wurde das Nachlassverfahren aber nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt (Rombach aaO Rz 2 und Rz 8).
3. Auch das anzuwendende materielle Recht knüpfte das Erbstatut an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an. Gemäß § 17 MPSaP unterlagen die erbrechtlichen Rechtsbeziehungen der Rechtsordnung, deren Staatsangehöriger der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes war, bei doppelter (auch tschechischer) Staatsangehörigkeit unterlagen sie tschechischem Recht (§ 33 Abs 1 MPSaP; vgl Rombach aaO Rz 2).
4. Die Streitteile waren als Kinder der Erblasserin gesetzliche Erben der ersten Gruppe (§ 473 Abs 1 ZGB; vgl Rombach aaO Rz 14). Ihr Erbrecht entstand ipso iure mit dem Tod der Erblasserin (§ 460 ZGB), sie traten unmittelbar im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in alle Rechte und Pflichten der Erblasserin ein. Das Institut des liegenden (ruhenden) Nachlasses ist dem tschechischen Erbrecht seit 1950 fremd (vgl Rombach aaO Rz 88; Kurzböck/Ropkova, Das Erbrecht nach der Rekodifikation des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Tschechien, WiRO 2015, 193).
5. § 482 ZGB sah vor, dass mehrere Erben grundsätzlich im Rahmen des Nachlassverfahrens eine Erbauseinandersetzungsvereinbarung treffen sollten, die zu ihrer Wirksamkeit der gerichtlichen Genehmigung bedurfte. Diese war zu erteilen, wenn die Vereinbarung nicht gegen das Gesetz oder gegen die guten Sitten verstieß (Rombach aaO Rz 91). Nur wenn zwischen den Erben keine Vereinbarung zustande kam, wurde ihr Erbrecht entsprechend den Erbquoten bestätigt (§§ 483 f ZGB; Rombach aaO Rz 92).
6. Das Nachlassverfahren endete bei nur einem Erben mit der gerichtlichen Bestätigung des Erbrechts, ansonsten mit der vom Gericht zu genehmigenden Auseinandersetzung der Miterben bzw – wenn eine solche nicht zustande kam – mit der Bestätigung der Erbquoten. Während die Bestätigung der Erbschaft eines Erben oder der Quoten einzelner Miterben lediglich deklaratorische Wirkung hatte, kam dem Genehmigungsbeschluss konstitutive ex‑tunc‑Wirkung zu. Jeder der Miterben wurde damit von Anfang an Erbe der ihm in der Auseinandersetzung zugeteilten Gegenstände (Rombach aaO Rz 110).
7. Bei dem aktenkundigen Beschluss des Bezirksgerichts in Pisek vom 3. 10. 2013 – weitere Feststellungen zum tschechischen Nachlassverfahren liegen nicht vor – handelt es sich um die gerichtliche Genehmigung der Vermögensauseinandersetzung der gesetzlichen Erben, mit der das tschechische Nachlassverfahren rechtskräftig beendet wurde. Dem Inhalt des Genehmigungsbeschlusses lässt sich eindeutig entnehmen, dass sich die Vereinbarung ausschließlich auf Vermögenswerte in Tschechien bezog. Ausländisches Vermögen, somit jenes, über welches die Erblasserin in Österreich verfügte, war von diesem Beschluss hingegen nicht umfasst. Daraus ist zu schließen, dass nur das in Tschechien befindliche Vermögen der Erblasserin in das tschechische Nachlassverfahren einbezogen war (idS übrigens ausdrücklich die im österreichischen Verlassenschaftsakt erliegende Bestätigung der tschechischen Gerichtskommissärin vom 6. 8. 2013).
III. Das Verfahren vor dem österreichischen Verlassenschaftsgericht:
1. Ob Österreich die internationale Zuständigkeit zur Verlassenschaftsabhandlung in Anspruch nimmt, richtete sich gemäß § 106 Abs 1 JN in der hier noch maßgeblichen Fassung des AußStr‑BegleitG, BGBl I 2003/112, primär danach, ob das Vermögen der verstorbenen Person im Inland oder im Ausland gelegen war und ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelte. Die inländische Gerichtsbarkeit für eine Verlassenschaftsabhandlung war für das im Inland gelegene unbewegliche Vermögen stets gegeben (§ 106 Abs 1 Z 1 JN). Über im Inland gelegenes bewegliches Vermögen war in Österreich abzuhandeln, wenn der Verstorbene zuletzt österreichischer Staatsbürger war (lit a) oder seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte (lit b) oder wenn die Durchsetzung aus dem Erbrecht, Pflichtteilsrecht oder einer letztwilligen Erklärung abgeleiteter Rechte im Ausland unmöglich war (lit c).
Bestand nach § 106 JN keine inländische Abhandlungsgerichtsbarkeit und war deshalb das im Inland gelegene bewegliche Vermögen nicht abzuhandeln, sah § 150 AußStrG (idF BGBl I 2003/111) auf Antrag die Durchführung eines Ausfolgungsverfahrens vor (vgl 3 Ob 240/14m). Dieses war ein eigenständiges Verfahren, für das die internationale Zuständigkeit stets gegeben war (§ 107 JN idF BGBl I 2003/112), und das auch nach der Ablehnung einer Abhandlung mangels internationaler Zuständigkeit eingeleitet werden konnte (9 Ob 23/06g).
2. Die Todesfallaufnahme ergab nach den Feststellungen der Vorinstanzen an Vermögenswerten im Inland ein Sparbuch mit einem Guthaben von 11.963,08 EUR und ein Girokonto mit einem Stand per 6. 11. 2013 von 62,26 EUR, somit ausschließlich bewegliches Vermögen. Die Erblasserin war tschechisch‑österreichische Doppelstaatsbürgerin, sie hatte daher auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang in mehreren, noch zu § 21 AußStrG (aF) ergangenen Entscheidungen klargestellt, dass die – allein aufgrund der Verfahrensgesetze zu beurteilende – internationale Zuständigkeit auch dann gegeben ist, wenn ein österreichischer Staatsbürger daneben auch noch eine andere Staatsbürgerschaft besessen hat (7 Ob 633/92 [dazu Lurger, Doppelstaatsbürgerschaft im deutsch-österreichischen Spaltnachlass und Beschränkung durch Nacherbschaft, IPRax 1994, 235]; 6 Ob 558/93; 7 Ob 309/03x; RIS‑Justiz RS0007340; eingehend Bajons, Die OGH‑Judikatur zur internationalen Nachlassabwicklung des neuen AußStrG und AußStr‑BegleitG: Die sachlichen und persönlichen Grenzen der inländischen Abhandlungsjurisdiktion Teil I, NZ 2004/82, 289 [294 ff]). Diese Rechtsprechung ist auch für die hier relevante Rechtslage maßgeblich (vgl Traar in Fasching/Konecny³ I § 106 JN Rz 21; Mayr in Rechberger, ZPO4, §§ 106‑107 JN Rz 3/4; Nademleinsky, Das internationale Erbrecht Österreichs – kurz und mit Beispielen, EF‑Z 2012/35, 61 [FN 22]; Bajons aaO Teil III, NZ 2005/20 [FN 98]; vgl auch Simotta in Fasching/Konecny³ I § 76 JN Rz 19).
3. Demnach wäre die internationale Zuständigkeit des österreichischen Gerichts zur Abhandlung des beweglichen Nachlasses im Inland zu bejahen gewesen. Die Gefahr konkurrierender internationaler Zuständigkeiten hätte nicht bestanden, weil das tschechische Nachlassgericht die internationale Zuständigkeit für das in Österreich belegene bewegliche Vermögen der Erblasserin nicht in Anspruch genommen hat (vgl Bajons aaO Teil I, NZ 2004/82, 296). Das österreichische Verlassenschaftsgericht hat jedoch seine internationale Zuständigkeit verneint, deshalb das Verlassenschaftsverfahren eingestellt und auf Antrag des nunmehrigen Klägers das Ausfolgungsverfahren nach § 150 AußStrG durchgeführt. Sowohl der Einstellungs‑ als auch der Ausfolgungsbeschluss sind rechtskräftig.
4. Das Berufungsgericht hat auf eine Lehrmeinung verwiesen, wonach der Ausfolgungsbeschluss die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bedeuten kann (Loewe in FS Wagner [1987], Internationale Zuständigkeit in Nachlasssachen, 259 [262]; diesem folgend Gumpoltsberger, Das Verlassenschaftsverfahren bei Erbfällen mit Auslandsbezug [insb zu Deutschland], ecolex 2006, 197 [199] sowie Bittner/Hawel in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge [2010] § 10 Rz 74 [FN 165]). Diese Ansicht mag auf bestimmte Fälle zutreffen. Aus ihr ist aber für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen, weil sich die Entscheidung der tschechischen Nachlassbehörde (des Bezirksgerichts in Pisek) – wie oben erörtert – nur auf das in Tschechien belegene Vermögen der Erblasserin bezieht. Für die „Erbenstellung“ des Klägers in Bezug auf das in Österreich belegene Nachlassvermögen hat sie hingegen keine Aussagekraft. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
IV. Zum anzuwendenden materiellen Recht:
1. Dieses richtet sich noch nach § 28 IPRG, der mit Inkrafttreten der EuErbVO aufgehoben wurde (vgl § 50 Abs 7 IPRG idF BGBl I 2015/87). Gemäß § 28 Abs 1 IPRG war die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes zu beurteilen. Diese Verweisung war eine Gesamtverweisung, sie umfasste daher auch die Verweisungsnormen des verwiesenen Rechts (RIS‑Justiz RS0076673). Dem Erbstatut unterlagen – vorbehaltlich gesetzlicher Sonderanknüpfungen – alle materiellen Erbrechtsfragen, darunter auch die Frage der Erbunwürdigkeit (Schwimann in Rummel, ABGB³ II/6 § 28 IPRG Rz 2 mwN; Neumayr in KBB4 § 28 IPRG Rz 2), der Erbschaftserwerb (3 Ob 303/04m mwN; RIS‑Justiz RS0076660) oder der Manifestationsanspruch nach Art XLII EGZPO (2 Ob 316/02p; 10 Ob 19/14p [Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB]).
2. Sollte das Erbstatut auf ausländisches Recht verweisen, wäre § 28 Abs 2 IPRG beachtlich, der eine Ausnahme von der Regelung des Abs 1 enthielt. Wurde nämlich eine Verlassenschaftsabhandlung in Österreich durchgeführt, so waren der Erbschaftserwerb und die Haftung für Nachlassschulden jedenfalls nach österreichischem Recht zu beurteilen. Der Grund für diese Ausnahmeregelung wurde darin gesehen, dass bei manchen Fragen, wie etwa dem Erwerb der Erbschaft und der Beschränkung der Erbenhaftung für die Nachlassschulden eine Loslösung des materiellen Rechts vom Verfahrensrecht „geradezu unmöglich“ war (2 Ob 81/03f ZfRV 2003/44 [Hoyer]; 1 Ob 98/12m; 10 Ob 19/14p; RIS‑Justiz RS0076678). Es gilt daher in einem solchen Fall nach § 28 Abs 2 IPRG für Erbschaftserwerb und Nachlassschuldenhaftung österreichisches Recht als lex fori, selbst wenn für das Erbrecht im Übrigen ausländisches Recht anzuwenden war (10 Ob 19/14p). Unter „Erbschaftserwerb“ war die Art und Weise des Übergangs von Nachlassvermögen auf den Rechtsnachfolger zu verstehen. War also nach § 28 Abs 2 IPRG österreichisches Recht anzuwenden, so ging das hievon erfasste Nachlassvermögen erst durch Erbantrittserklärung und Einantwortung über (2 Ob 81/03f ZfRV 2003/44 [Hoyer]; 1 Ob 98/12m; 10 Ob 19/04p).
3. Im gegenständlichen Fall wäre zwar in Ansehung des inländischen beweglichen Nachlassvermögens die österreichische Abhandlungszuständigkeit gegeben gewesen. Die Zuständigkeit wurde jedoch mit dem Einstellungsbeschluss rechtskräftig verneint. Eine Verlassenschaftsabhandlung wurde infolge dessen nicht durchgeführt. Im Hinblick auf den Zweck der Regelung des § 28 Abs 2 IPRG, einen Gleichlauf von Gerichtszuständigkeit und anwendbarem Recht zu erzielen, könnte § 28 Abs 2 IPRG daher keine Anwendung finden (vgl Heiss in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge [2010] § 40 Rz 29 f). Auch der Erbschaftserwerb und die Nachlassschuldenhaftung sind daher an das Erbstatut anzuknüpfen. Dies ist aber deshalb nicht entscheidend, weil auch danach österreichisches Recht zur Anwendung gelangt.
4. Das Erbstatut verweist auf das Personalstatut der Erblasserin. Nach § 9 Abs 1 IPRG ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staats, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staats maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.
Die Erblasserin war tschechisch-österreichische Doppelstaatsbürgerin. Maßgebend ist somit die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Vorinstanzen haben diese kollisionsrechtliche Vorfrage im Einklang mit den inländischen Kollisionsnormen (vgl RIS‑Justiz RS0040031) und der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst (vgl 2 Ob 521/95; 4 Ob 112/02b SZ 2002/74; 5 Ob 79/05m; 3 Ob 259/09y; 2 Ob 19/11z; 2 Ob 211/11k; auch Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht [2013] Rz 1/26; Potyka/Traar in Burgstaller/Neumayr, IZVR, Verlassenschaftssachen [2014] Rz 77 [FN 140]). Die Parteien stellen diese Rechtsansicht auch gar nicht in Frage, sie pflichten ihr im Rechtsmittelverfahren vielmehr ausdrücklich bei (AS 91, AS 135).
5. Das bedeutet zunächst, dass der Erbschaftserwerb österreichischem Recht unterliegt. Die Streitteile haben im österreichischen Verlassenschaftsverfahren weder eine Erbantrittserklärung abgegeben, noch wurde das Verfahren durch Einantwortung beendet. Den Einstellungsbeschluss ließen sie unbekämpft. Wie in den Fällen des § 153 AußStrG („Unterbleiben der Abhandlung“) besteht daher der ruhende Nachlass weiter (vgl Sailer in KBB4 § 797 Rz 8), woran das Ausfolgungsverfahren nichts ändert. Die Streitteile sind – aus österreichischer Sicht – nicht Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin.
V. Folgerungen für das Manifestationsbegehren:
1. Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, ist nach Art XLII Abs 1 EGZPO zur beeideten Angabe des Vermögens oder der Schulden verpflichtet. Der erste Fall schafft keinen eigenen Anspruch auf Angabe eines Vermögens oder von Schulden, sondern setzt vielmehr eine zivilrechtliche Verpflichtung des Beklagten dazu voraus (RIS‑Justiz RS0034986). Im Gegensatz dazu normiert der zweite Fall einen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Angabe eines Vermögens (RIS‑Justiz RS0034834). Für beide Fälle fordert Art XLII Abs 2 EGZPO ein privatrechtliches Interesse des Klägers.
2. Ein solches Interesse ist hier zu verneinen:
2.1 Bestand ein materiell‑rechtlicher Rechnungslegungs‑ oder Auskunftsanspruch der Erblasserin gegen die Beklagte (zur österreichischen Rechtslage vgl 3 Ob 19/11g; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG² § 134 Rz 1; Fucik/Kloiber, AußStrG §§ 134‑138 Rz 3), so stünde dieser nunmehr dem ruhenden Nachlass zu. Ein Rechtsübergang auf die Erben ist mangels Einantwortung nicht erfolgt. Davon abgesehen wird ein auf den ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO gestützter Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch gegen einen Miterben in ständiger Rechtsprechung abgelehnt (1 Ob 152/98d; 7 Ob 147/06b; 5 Ob 225/12t; RIS‑Justiz RS0034997).
2.2 Im zweiten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO setzt die Klagslegitimation voraus, dass der Kläger selbst durch die Verheimlichung oder Verschweigung des Vermögens unmittelbar in seinen aus dem Gesetz oder einer Vereinbarung abgeleiteten Privatrechten beeinträchtigt wird (4 Ob 2376/96g; RIS‑Justiz RS0034852). Erben werden durch die Verheimlichung oder Verschweigung von Nachlassvermögen unmittelbar in ihren Rechten beeinträchtigt, weshalb jeder Erbe sein Recht auf Vermögensangabe – für sich allein – durchsetzen kann (4 Ob 2376/96g; 1 Ob 152/98d; 5 Ob 225/12t; RIS‑Justiz RS0034984, RS0034997). Dies wird dem Erben allerdings erst nach der Einantwortung zugestanden (5 Ob 225/12t mwN). Ausnahmen wurden nur zugelassen, wenn die Verlassenschaft armutshalber abgetan (1 Ob 255/53, SZ 26/137) oder an Zahlungsstatt überlassen (7 Ob 176/06b) wurde und es deshalb nicht zur Einantwortung kam.
Der Kläger ist weder eingeantworteter Erbe, noch liegt einer der erwähnten Ausnahmefälle vor. Auch die eine Nachlassabhandlung ersetzenden Verfahren nach den §§ 153 ff AußStrG sind Verlassenschaftsverfahren (iwS) und setzen die internationale Zuständigkeit des damit befassten Gerichts gemäß § 106 Abs 1 JN idF BGBl I 2003/112 voraus. Ist diese zu bejahen, bestünde bei nachträglichem Auftauchen von Vermögen auch die verfahrensrechtliche Voraussetzung für eine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts nach § 183 Abs 3 AußStrG, aufgrund deren das Abhandlungsverfahren nachträglich eingeleitet werden kann. An dieser fehlt es jedoch, wenn die Verlassenschaftsabhandlung nicht aus den Gründen der §§ 153 ff AußStrG, sondern aufgrund eines rechtskräftigen Beschlusses wegen internationaler Unzuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts unterblieb. Ein Ausfolgungsbeschluss nach § 150 AußStrG ist entgegen der Meinung des Berufungsgerichts mit den Fällen der §§ 153 ff AußStrG daher nicht vergleichbar. Ein privatrechtliches Interesse des Klägers iSd Art XLII Abs 2 EGZPO ist daraus nicht ableitbar.
VI. Ergebnis und Kosten:
Somit ist aber das Verfahren im Sinne einer Abweisung des gesamten Klagebegehrens spruchreif, ohne dass es noch einer Verfahrensergänzung bedürfte. Die zur behaupteten Erbunwürdigkeit des Klägers formulierte Rechtsfrage kann auf sich beruhen. Ebenso erübrigt sich eine Prüfung der Befugnisse der Beklagten, die dieser als vom tschechischen Gericht bestellter Pflegerin der Erblasserin in Ansehung deren Vermögenswerte in Österreich zukamen. Das Urteil des Erstgerichts ist in Stattgebung des berechtigten Rekurses wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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