OGH 7Ob633/92

OGH7Ob633/9221.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach Edith S*****, infolge Revisionsrekurses des Dr.Ludwig P*****, als Kollisionskurator für die mj. Michaela S*****, und als Posterioritätskurator für die noch nicht geborenen Kinder der erblasserischen Tochter Elke S***** gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wr.Neustadt als Rekursgericht vom 3.September 1992, GZ R 275/92-41, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 17. April 1992, GZ 1 A 779/90-34, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der Beschluß des Erstgerichtes, soweit er nicht in seinem Punkt 2 als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, in seinem Punkt 1 mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß er zu lauten hat:

"1. Der Akt wird nach Rechtskraft dieses Beschlusses dem Gerichtskommissär Dr.Erhard P*****, ***** mit dem Auftrag übermittelt, binnen 4 Monaten ein Inventar über das in Österreich befindliche Vermögen der Erblasserin zu errichten."

Text

Begründung

Edith S***** verstarb am 24.2.1990 in München unter Hinterlassung folgenden Testaments: "Hiemit setze ich meine einzige Tochter Elke S*****, geb. S*****, zu meiner Alleinerbin ein. Direkte Nacherben nach ihrem Ableben können einzig und allein ihre Kinder sein. Edith S*****, geb. H*****". Die Erblasserin war deutsch-österreichische, sohin Doppelstaatsbürgerin. Die Testamentserbin hat zwei Kinder, und zwar den am 4.12.1972 geborenen Manfred S***** und die am 30.9.1979 geborene Michaela S*****. Neben dem Nachlaß in Deutschland hinterließ die Erblasserin in Österreich laut Todfallsaufnahme die Liegenschaft EZ 303 der KG Mitterberg Grundbuch Baden sowie 3/32-stel Anteile an der EZ 1376 der KG Leopoldstadt Grundbuch Donaustadt. Sie war auch persönlich haftende Gesellschafterin der Hotel Nordbahn J. S***** Eben OHG (HRA 5082 des Handelsgerichtes Wien). Diese Beteiligung wurde von der Testamentserbin als mit 18,75 % am Firmenvermögen beziffert.

Die von Elke S***** aufgrund des Testaments abgegebene unbedingte Erbserklärung in dem von ihr beantragten Verlassenschaftsverfahren hinsichtlich des Liegenschaftsvermögens in Österreich wurde vom Erstgericht angenommen (ON 9). Ihr im folgenden vertretener Standpunkt, daß die letztwillige Verfügung ihrer Mutter nicht als Anordnung einer Nacherbschaft zu verstehen sei, wurde nicht geteilt. Die Bestellung des Rechtsanwaltes Dr.P***** zum Kollisionskurator für die Nacherbin Michaela S***** (zufolge der Volljährigkeit Manfred S***** konnte eine solche Bestellung für ihn unterbleiben) und zum Posterioritätskurator für die noch nicht geborenen Nacherben Elke S***** erwuchs letztlich in Rechtskraft (ON 26). Zwischenzeitig wurde Elke S***** am 4.3.1992 zu 66-VI-3327/90 vom Amtsgericht München nach ihrer Mutter ein Erbschein als Alleinerbin mit der Einschränkung ausgestellt, daß Nacherbfolge angeordnet ist, die mit dem Tod der Vorerbin eintritt. Als Nacherben werden ihre Kinder genannt. Die Vorerbin wurde von den gesetzlichen Beschränkungen, soweit dies zulässig ist, befreit. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß dieser Erbschein nicht für das in Österreich gelegene unbewegliche Vermögen gilt (ON 29).

Das Erstgericht beauftragte daraufhin den Gerichtskommissär mit der Errichtung eines Inventars binnen 4 Wochen unter Beiziehung der Nacherben. Es begründete seine Entscheidung damit, daß die vom Amtsgericht München vertretene Ansicht, Elke S***** sei als Vorerbin von den gesetzlichen Beschränkungen soweit zulässig befreit, das österreichische Gericht nicht bindet. Im übrigen sei nach österreichischem Recht auch bei Anordnung einer Nacherbschaft auf den Überrest ein Inventar zu errichten.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs der Elke S***** gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge und trug dem Gerichtskommissär auf, das Inventar nur über das in Österreich befindliche unbewegliche Vermögen zu errichten. Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß die Bestimmung des § 9 Abs.1 zweiter Satz IPRG, der bei Österreichern, die auch eine andere Staatsbürgerschaft zusätzlich besitzen, die erstere für maßgeblich erklärt zu einem nicht wünschenswerten Ergebnis führe, weil in einem solchen Fall auch über das in Österreich gelegene bewegliche Nachlaßvermögen des Erblassers abgehandelt werden müsse, obwohl dies bereits die deutsche Abhandlungsbehörde getan habe. Vielmehr sei davon auszugehen, daß die Verstorbene aufgrund ihres langjährigen Wohnsitzes in Deutschland und ihrer dort bestehenden familiären Bindungen eine viel stärkere Bindung an Deutschland als zu Österreich gehabt habe. In einem solchen Fall trete die neuere Lehre dafür ein, daß auch bei Mehrstaatern mit österreichischer Staatsbürgerschaft die "effektive" Staatsbürgerschaft, im vorliegenden Fall sohin die deutsche, für das Abhandlungsrecht maßgebend sei. Dies sei auch wünschenswert, weil damit der Zweck des § 28 Abs.1 IPRG, Nachlaßspaltungen zu vermeiden, eher verwirklicht werden könne. Mangels entsprechender Staatsverträge komme daher den österreichischen Gerichten nur die Abhandlung über das in Österreich gelegene unbewegliche Vermögen zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Kollisions- und Posterioritätskurators ist berechtigt.

Gegenstand der Entscheidung ist nicht, welches Recht im Abhandlungsverfahren anzuwenden ist, sondern welche Vermögenswerte des Erblassers in das Verfahren einzubeziehen sind, also eine verfahrensrechtliche Frage. Das IPR ist grundsätzlich auf die Regelung von Privatrechtsfragen beschränkt (§ 1 Abs 1 IPRG), die Abgrenzung erfolgt nach dem Recht des Gerichtsortes (vgl. Schwimann, Grundriß des IPR, 6). Seine Normen haben im Rahmen des sog. "verweisenden" Rechtes nur die Aufgabe, die Privatrechtsordnung eines bestimmten Staates, des "verwiesenen" Rechtes, zu bezeichnen, aus der dann die Sachnormen zur Entscheidung des konkreten Falles zu entnehmen sind (Schwind, IPR, Rz 39). Regelungen über die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte sind dem IPR nicht zu entnehmen. Diese ergeben sich aus den entsprechenden Verfahrensgesetzen, hier dem Außerstreitgesetz. Erst wenn ein österreichisches Gericht zur Entscheidung berufen ist, stellt sich die nach dem IPR zu beurteilende Frage nach dem anzuwendenden Recht.

Gemäß § 21 AußStrG hat das Gericht, welchem nach dem Gesetz über die Zuständigkeit in bürgerlichen Rechtssachen die Abhandlung einer Verlassenschaft eines Inländers zukommt, dieselbe über alles, wo immer befindliche bewegliche Vermögen und die im Inland gelegenen unbeweglichen Güter des Verstorbenen zu pflegen. Die Zuständigkeit für solche Angelegenheiten betreffend einen im Ausland verstorbenen Inländer ergibt sich aus § 106 JN, sie trifft also hier das Erstgericht. Die Ausnahmsregelungen der §§ 22 f AußStrG gelten nur für Ausländer. "Inländer" ist eine Person österreichischer Staatsangehörigkeit. Da § 21 AußStrG schlechthin von Inländern ohne Ausnahme spricht, ergibt sich die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit für einen österreichischen Staatsbürger aus dieser Bestimmung auch dann, wenn diese Person daneben auch noch eine andere Staatsbürgerschaft besessen hat.

Die Entscheidung des Erstgerichtes erweist sich sohin im Ergebnis als richtig, weshalb sie wiederherzustellen war.

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