European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00085.16B.0524.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 392,76 EUR (darin enthalten 65,46 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Erstgerichts nach § 55 EheG mit der Wirkung geschieden, dass sie mit Rechtskraft des Urteils aufgelöst wird, wobei die Rechtskraft des Scheidungsurteils erst nach Schluss der Verhandlung des gegenständlichen Unterhaltsverfahrens eintrat. Beide Streitteile beziehen eine Alterspension.
Die Klägerin begehrte gemäß § 94 ABGB zuletzt 15.000 EUR an rückständigem Unterhalt für den Zeitraum Juli 2010 bis Dezember 2012 und 500 EUR monatlich an laufendem Unterhalt ab Jänner 2013. Der Beklagte schulde ihr 50 % des Gesamteinkommens abzüglich ihres Einkommens.
Der Beklagte vertrat, dass dem schlechter verdienenden Unterhaltsberechtigten nur 40 % des Familieneinkommens abzüglich seines Eigeneinkommens zustehe.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten rechtskräftig zur Zahlung eines rückständigen Unterhalts von 8.700 EUR sowie eines laufenden Unterhalts von 290 EUR für das Jahr 2013 und von 317 EUR ab 1. 1. 2014. Das – den Gegenstand der Revision bildende – Mehrbegehren wies es ab. Bei der Ermittlung der Höhe des Unterhaltsanspruchs sei aus Billigkeitsgründen von 45 % des Gesamtfamilieneinkommens auszugehen; ein darüber hinausgehender Prozentsatz erscheine nicht gerechtfertigt. Der Klägerin sei auf ihren Unterhaltsanspruch wegen des grundlosen Auszugs des Beklagten aus der Ehewohnung (nur) ein Viertel des fiktiven Mietwerts der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Liegenschaft als Naturalunterhalt anzurechnen. Zusätzlich rechnete das Erstgericht auch tatsächliche Zahlungen des Beklagten (anteilige Betriebskosten, Stromkosten) auf den Geldunterhaltsanspruch an.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an, so etwa bei der Anrechnung eines fiktiven Mietzinses. Zu den tatsächlichen Aufwendungen zur Bestreitung der Wohnungskosten der Unterhaltsberechtigten führte das Zweitgericht aus, dass diese als Naturalleistung vom angemessenen Unterhalt und nicht von der Bemessungsgrundlage abzuziehen seien. Es bestehe auch kein Anlass, die vom Erstgericht vorgenommene Ausmittlung des Unterhaltsanspruchs mit 45 % des Familieneinkommens zu erhöhen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob dem besser verdienenden Ehegatten der sogenannte „Rekreationsbonus“ auch für die Zeit nach dem Pensionsantritt zustehe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine vollständige Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Weder die Ausführungen im Zulassungsausspruch noch im Rechtsmittel zeigen eine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Prozentwert bei Alterspension:
1.1 Nach ständiger Rechtsprechung stehen dem unterhaltsberechtigten Ehepartner, der selbst über ein Einkommen verfügt, rund 40 % des Familieneinkommens unter Abzug der eigenen Einkünfte zu (RIS-Justiz RS0009722; RS0012492, RS0111994). Das gilt auch dann, wenn sich der Unterhaltspflichtige bereits in Pension befindet (zB 10 ObS 64/92; 10 ObS 205/94; 1 Ob 231/10t; 4 Ob 86/11t; RIS-Justiz RS0012492 [T5]). Die vom Zweitgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage wurde somit bereits durch mehrere Entscheidungen hinreichend geklärt und kann daher die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen. Schließlich wirft auch der von den Vorinstanzen hier vorgenommene Zuspruch von 45 % des Gesamteinkommens (statt der von der Rechtsprechung vertretenen Orientierungsgröße von 40 %) schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die Klägerin dadurch nicht beschwert ist.
1.2 Die Vorinstanzen haben sich auch nicht in Widerspruch zu 7 Ob 80/13k gesetzt. In dieser Entscheidung wurden die von der Rechtsprechung entwickelten Prozentsätze ohnedies angewandt, zumal die dortige unterhaltsberechtigte Klägerin kein darüber hinausgehendes Begehren stellte. Vielmehr war nur zu prüfen, ob bei exorbitant hohen Einkommensverhältnissen der Prozentsatz zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen zu reduzieren ist. Insoweit in der genannten Entscheidung auf § 89 ABGB – als Ausgangspunkt für eine Teilung des Familieneinkommens – abgestellt wurde, ist daraus für den Standpunkt der Klägerin nichts abzuleiten. Der Oberste Gerichtshof sah zu 7 Ob 80/13k vielmehr die aus § 89 ABGB abzuleitenden Wertungen mit dem herrschenden Prozentwert wegen der anerkannten Abzüge des Unterhaltspflichtigen als umgesetzt an und wandte diesen Prozentwert auch bei exorbitant hohen Einkommensverhältnissen an.
2. Anrechnung eines fiktiven Mietzinses:
2.1 Nach der gefestigten jüngeren Rechtsprechung ist der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten überlassenen Liegenschaft wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen (4 Ob 41/05s; 4 Ob 142/06w; 6 Ob 5/08s; 4 Ob 42/10w; 2 Ob 246/09d; 4 Ob 203/10x; 6 Ob 61/13h). Anerkannt ist die Anrechnung einer fiktiven Mietersparnis auch dann, wenn der Unterhaltsschuldner nur Miteigentümer der dem Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Wohnung ist (RIS-Justiz RS0121283). Auch wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte bei aufrechter Ehe grundlos aus der Ehewohnung auszieht, kommt es zur Anrechnung der Naturalleistung auf den Geldunterhaltsanspruch des in der Wohnung zurückbleibenden anderen Ehegatten, wenngleich nur zur Hälfte (RIS-Justiz RS0114742).
Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen dieser Rechtsprechung; eine korrekturbedürftige Fehlentscheidung liegt daher nicht vor, zumal es auch entscheidend von den Umständen im Einzelfall abhängt, in welchem konkreten Ausmaß Naturalunterhalt anzurechnen ist (4 Ob 42/10w mwN).
2.2 Die Ausführungen der Klägerin zur rechtlichen Situation vor und nach der Ehescheidung werfen keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die Scheidung erst nach Schluss der Verhandlung rechtskräftig wurde und daher ausschließlich § 94 ABGB als Grundlage des Unterhaltsanspruchs zu prüfen war. Davon abgesehen gilt die referierte Rechtsprechung über die Anrechnung des Naturalunterhalts ganz allgemein im Unterhaltsverfahren. Diese Judikatur findet sowohl bei aufrechter Ehe (vgl zB 4 Ob 203/10x; 4 Ob 42/10w; 5 Ob 50/12g; 6 Ob 43/12k), nach Scheidung (zB 2 Ob 246/09d; 8 Ob 64/13i) und auch für den Kindesunterhalt (zB 6 Ob 5/08s; 6 Ob 90/11w; 1 Ob 143/12d) Anwendung.
3. Anrechnung von tatsächlich geleisteten Wohnkosten:
Schließlich kann die Klägerin auch mit ihrer Argumentation, die relevante Bemessungsgrundlage (Einkommen) ergebe sich erst nach Abzug von Fixkosten (Betriebskosten, PKW-Kosten etc), die Zulässigkeit ihrer Revision nicht stützen. Nach gesicherter Rechtsprechung reduzieren derartige Ausgaben des täglichen Lebens die Bemessungsgrundlage nämlich nicht (RIS-Justiz RS0085255; RS0123403). In mit der hier vorliegenden Rechtssache vergleichbaren Konstellationen wurde mehrfach judiziert, dass Leistungen zur Wohnversorgung nicht bereits die Bemessungsgrundlage (Familieneinkommen) mindern, sondern (angemessen) auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen sind (zB 9 Ob 64/05k; 4 Ob 55/07b; 3 Ob 44/08d; RIS-Justiz RS0047254 [T4]; idS auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht7 223).
4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Kostenentscheidung waren allerdings nur 2.196 EUR als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen. Der strittige Unterhaltsrückstand ist nach § 9 Abs 3 RATG unbeachtlich (RIS-Justiz RS0121989).
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