Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Ehe der Streitteile wurde aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden. Dieser wurde mit strafgerichtlichem Urteil vom 29. 1. 2007 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen und am 23. 4. 2010 unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren aus dieser Maßnahme bedingt entlassen. Unter einem wurde die Bewährungshilfe angeordnet und dem Entlassenen die Weisung erteilt, seinen Aufenthalt und tagesstrukturierende Beschäftigung in einem bestimmten Seniorenheim zu nehmen, die dortigen Regeln und das bestehende Setting zu respektieren und sich (weiterhin) der gebotenen psychiatrischen Therapie zu unterziehen. Dieser Weisung leistet der Beklagte Folge.
Die Klägerin begehrt nachehelichen Unterhalt gemäß § 66 EheG. Sie beziehe eine Alterspension von 832,86 EUR netto im Monatsdurchschnitt, während sich das Nettoeinkommen des Beklagten auf durchschnittlich 2.271,76 EUR monatlich belaufe. Ihr stünden daher 410 EUR monatlich ab 1. 5. 2010 zu. In eventu beantragte die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte ihr gegenüber dem Grunde nach zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei.
Der Beklagte hielt dem Klagebegehren durch seinen Sachwalter entgegen, dass er aufgrund Gerichtsbeschlusses 80 % seiner Pensionseinkünfte zur Abdeckung der Kosten seiner Unterbringung und Behandlung an das Seniorenheim zu leisten habe, sodass ihm im Durchschnitt nur 444,85 EUR monatlich zur freien Verfügung verblieben. Die Unterbringung im Seniorenheim stelle einen krankheitsbedingten Mehraufwand dar.
Das Erstgericht schloss sich dieser Sichtweise an und wies das Unterhaltsbegehren zur Gänze ab. Der Beklagte habe ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.224,27 EUR. Von diesem Betrag seien aufgrund eines Beschlusses des Landesgerichts St. Pölten 80 % an das Seniorenheim als Anteil zur Abdeckung der Kosten zur Anweisung zu bringen. Daher verblieben dem Beklagten im Durchschnitt monatlich 444,85 EUR zur freien Verfügung. Da es sich um einen verpflichtenden Aufenthalt im Seniorenheim handle, sei in der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht nur die Pflegekomponente, sondern auch die Hotelkomponente angemessen zu berücksichtigen. Ausgehend von den vom Beklagten getragenen monatlichen Unterbringungs- und Verpflegungskosten (Hotelkomponente) von monatlich 1.087,05 EUR werde ein Betrag von 300 EUR in Abzug zu bringen sein, da bei eigenständiger Wohnversorgung und Verpflegung jedenfalls mit 787,05 EUR monatlich das Auslangen zu finden wäre. Die Pflegekomponente von monatlich 745,75 EUR sei als krankheitsbedingter Mehraufwand zur Gänze von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Es verbliebe daher eine monatliche Unterhaltsbemessungsgrundlage von 1.178,52 EUR. Das gemeinsame Einkommen der Streitteile betrage somit 2.011,38 EUR, hievon 40 % seien 804,55 EUR, wovon das eigene Einkommen der Klägerin in Höhe von 832,86 EUR in Abzug zu bringen wäre, sodass kein Unterhaltsbetrag verbleibe.
Das eventualiter erhobene Feststellungsbegehren wies das Erstgericht wegen Fehlens eines rechtlichen Interesses ab.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung (die Abweisung des Eventualbegehrens blieb unbekämpft) und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Einflusses der Kostentragungsverpflichtung eines bedingt Entlassenen auf dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage fehle.
Der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff stelle auf tatsächlich erzielte Einnahmen des Unterhaltspflichtigen ab, über die er verfügen könne oder die zumindest seine Bedürfnisse verringern. Soweit die Kosten der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung und der psychotherapeutischen Behandlung aufgrund einer strafgerichtlichen Weisung vom Unterhaltspflichtigen zu tragen seien, handle es sich um einen ihm unvermeidbar erwachsenden Aufwand. Vergleichbar mit jener Situation, in der ein Pensionsanspruch des Unterhaltspflichtigen gemäß § 89 Abs 1 Z 1 ASVG während der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ruhe und nicht als Bemessungsgrundlage für Unterhaltsansprüche zur Verfügung stehe, befinde sich der Unterhaltspflichtige hier auf Anordnung eines Strafgerichts zur Resozialisierung und zum Schutz der Allgemeinheit in einer therapeutischen Wohneinrichtung, wodurch zwangsläufig von ihm zu tragende Kosten entstünden. Die dem Beklagten tatsächlich nicht zufließenden Pensionsanteile seien in die Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen. Die bloße Heranziehung des Taschengeldanteils der Pension des Beklagten erscheine jedoch unbillig, weil mit dem an sich abzugsfähigen Aufwand für Unterbringung und Therapie auch die Wohn- und Verpflegungsbedürfnisse des Unterhaltspflichtigen gedeckt würden. Analog etwa zu Sachbezügen eines Dienstnehmers in Form freier Kost und Logis sei daher ein entsprechender Wert für die insoweit verminderten Bedürfnisse des Beklagten anzusetzen. Angemessen sei hier die Heranziehung des Ausgleichszulagenrichtsatzes von rund 800 EUR. Unter Berücksichtigung des Taschengeldanteils von monatlich 445 EUR belaufe sich die Bemessungsgrundlage auf Seiten des Beklagten auf 1.245 EUR, das gemeinsame Einkommen der Parteien somit auf 2.078 EUR. Der der Klägerin davon zustehende Anteil von 40 % übersteige nicht ihr Eigeneinkommen, sodass kein Unterhaltsanspruch übrig bleibe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Klägerin macht geltend, der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug von der Unterhaltsbemessungsgrundlage führe zu einer Bevorzugung der Öffentlichen Hand gegenüber dem Unterhaltsberechtigten (hier der Klägerin). Dies widerspreche der Stellung des Unterhalts in der Rechtsordnung. So sei ein Unterhaltsanspruch, wenn er exekutionsweise geltend gemacht werde, gegenüber sonstigen Ansprüchen entsprechend privilegiert. Selbst das Existenzminimum werde im Zusammenhang mit Unterhaltsverbindlichkeiten geringer angesetzt als bei sonstigen urteilsmäßig festgestellten Verpflichtungen. Die gegenständliche Unterbringung des Beklagten sei auch nicht mit der Verbüßung einer Freiheitsstrafe, sondern eher mit der freiwilligen Wohnungsnahme in einem Pensionistenheim vergleichbar. Die Berücksichtigung des Ehegattenunterhalts führe im Übrigen zu keiner Verschlechterung der Situation des Beklagten, zumal er ja durch den Heimaufenthalt mit den Dingen des täglichen Bedarfs versorgt sei und lediglich ein geringerer Teil an Taschengeld nach Pensionsteilung zur Auszahlung gelange. Die Berechnung des Unterhaltsanspruchs erfolge immer aufgrund des vom Unterhaltsschuldner erzielten oder erzielbaren Nettoeinkommens. Andernfalls könnte der Anspruch durch Umstände, die vom Unterhaltsgläubiger nicht beeinflusst werden könnten, verkürzt werden, was unbillig wäre.
Dazu ist auszuführen:
1. Bei Scheidung wegen Verschuldens hat der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte dem anderen, soweit dessen Einkünfte aus Vermögen und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann, nicht ausreichen, den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren (§ 66 EheG).
Der unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegattin, die über eigene Einkünfte verfügt, stehen rund 40 % des Familieneinkommens unter Abzug der eigenen Einkünfte zu, und zwar auch dann, wenn beide Partner Alterspensionen beziehen (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 712 Z 6-7).
2. Als Unterhaltsbemessungsgrundlage dient in der Regel (soweit nicht Anhaltspunkte für schuldhaftes Mindereinkommen vorliegen) das nach spezifisch unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelte tatsächliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht5, 5 mwN). Entscheidend ist die tatsächliche Verfügbarkeit (3 Ob 89/97b). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vermindert etwa ein krankheitsbedingter Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage (6 Ob 49/08m), ebenso Kreditkosten zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen (2 Ob 587/93).
3. Die Kosten der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung und jene der psychotherapeutischen oder medizinischen Behandlung aufgrund einer strafgerichtlichen Weisung hat gemäß § 179a Abs 2 StVG der bedingt Entlassene zu tragen. Nur soweit diese Kosten nicht durch Leistungen der Sozialversicherung gedeckt sind und das Fortkommen des bedingt Entlassenen erschweren, hat der Bund subsidiär die Kosten des Aufenthalts oder der Behandlung zu übernehmen.
Wie die vom bedingt Entlassenen getragenen Kosten im Unterhaltsfestsetzungsverfahren bei Berechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu behandeln sind, ist dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Insoweit sind die oben (Pt. 2.) dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung heranzuziehen.
Die Privilegierung von Unterhaltsansprüchen gegenüber sonstigen Ansprüchen im Exekutionsverfahren ändert nichts daran, dass nur tatsächlich verfügbares Einkommen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist.
4. Die aus der Betreuung resultierenden ärztlichen Behandlungskosten und - damit im Zusammenhang stehend - teilweise auch die Unterbringungskosten stellen für den unterhaltspflichtigen Beklagten (soweit er sie zu tragen hat) einen notwendigen und unvermeidbaren Aufwand dar. Er kann über den zur Abdeckung der Kostenersatzpflicht verwendeten Teil seines Pensionseinkommens nicht verfügen. Sein Aufwand geht auch nicht auf ein schuldhaftes Verhalten zurück, weil die strafgerichtliche Weisung aufgrund einer psychischen Erkrankung erlassen wurde.
5. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die dem Unterhaltspflichtigen aufgrund der strafgerichtlichen Weisung entstandenen Kosten der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung (zum Teil) und jene der psychotherapeutischen bzw medizinischen Behandlung (zur Gänze) nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen.
Die konkrete Berechnung des (hypothetischen) Unterhaltsanspruchs der Klägerin durch das Berufungsgericht ist nicht zu beanstanden.
Die Revision der Klägerin musste erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.
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