OGH 6Ob49/08m

OGH6Ob49/08m10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Nicolas, geboren am 14. Dezember 2000, und Sebastian O*****, geboren am 14. November 2002, vertreten durch die Mutter Mag. Irina W*****, alle *****, diese vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in Wien, über den Revisionsrekurs des Vaters Dr. Karl Rainer O*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Johannes Hock jun, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Stallburggasse 4, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Juli 2007, GZ 45 R 266/07m-U50, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. März 2007, GZ 6 P 229/05d-U40, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Minderjährigen auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die beiden Minderjährigen entstammen der am 13. 7. 2005 gemäß § 51 EheG geschiedenen Ehe des Dr. Karl Rainer O***** und der Mag. Irina W*****. Die Obsorge kommt der Mutter zu, bei der die Minderjährigen auch leben; der Vater leistete monatlich 306 EUR bzw 240 EUR an Geldunterhalt, ohne allerdings dazu gerichtlich verpflichtet zu sein.

Der Vater, den sonst keine weiteren Sorgepflichten treffen, war vor Eintritt seiner Behinderung aufgrund einer Gehirnblutung und mehrerer Schlaganfälle, die auch zur Bestellung eines Sachwalters führte, bis September 2003 als Rechtsanwalt tätig und Gesellschafter einer Rechtsanwälte GmbH in W*****. Er bezieht seit März 2006, befristet auf 15 Jahre, von dieser eine monatliche „Gewinnausschüttung" in Höhe von 1.125 EUR als „Gegenleistung für die durch die den anderen Gesellschaftern erteilte Vollmacht bewirkte Übertragung der Stimmrechte" hinsichtlich der Gesellschaft. Darüber hinaus erhält er eine monatliche Durchschnittsnettopension in Höhe von 2.219 EUR einschließlich Sonderzahlungen sowie Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.148,70 EUR; schließlich hat er noch Zinseinkünfte in Höhe von 138 EUR monatlich. Er ist Eigentümer einer Eigentumswohnung in W*****, lebt jedoch seit November 2006 - voraussichtlich für die Dauer von zwei Jahren - in einer Wohngruppe für Menschen mit Schädelhirnverletzungen in A***** in Oberösterreich, wofür er monatlich 2.437 EUR aufzuwenden hat.

Die Minderjährigen begehren die Festsetzung einer monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Vaters in Höhe von 522,50 EUR für Nicolas und von 410 EUR für Sebastian seit 1. 8. 2005.

Der Vater tritt dem unter Hinweis auf seine Behinderung und die damit verbundenen insbesondere Betreuungskosten entgegen; diese seien durch das Pflegegeld nicht gedeckt, was zu einem angemessenen Abzug von der Unterhaltsbemessungsgrundlage führen müsse.

Das Erstgericht setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters für Nicolas mit 425 EUR vom 1. 3. bis 31. 10. 2006, mit 310 EUR vom 1. 11. bis 31. 12. 2006 und mit 349 EUR ab 1. 1. 2007 sowie für Sebastian mit 256 EUR vom 1. 8. 2005 bis 28. 2. 2006, mit 410 EUR vom 1. 3. bis 31. 10. 2006 und mit 310 EUR ab 1. 11. 2006 fest; das Mehrbegehren wies es ab. Dieser Unterhaltsbemessung legte es den Pensionsbezug des Vaters von monatlich 2.219 EUR, die Zinseinkünfte von monatlich 138 EUR und ab 1. 3. 2006 die „Gewinnausschüttung" von monatlich 1.125 EUR zugrunde. In der Zeit vom 1. 8. 2005 bis 31. 10. 2006 berücksichtigte es zugunsten des Vaters an „zusätzlichem Pflegeaufwand" neben dem Pflegegeld monatlich 600 EUR, ab 1. 11. 2006 hingegen die Differenz zwischen dem Pflegegeld und den Betreuungskosten in A***** in Höhe von monatlich 1.288,30 EUR. Es ging von einem Anspruch der Minderjährigen in Höhe von jeweils 15 %, ab 1. 1. 2007 von 17 % hinsichtlich Nicolas, der jeweiligen Unterhaltsbemessungsgrundlage aus.

Das Rekursgericht bestätigte die Unterhaltsfestsetzung, hob jedoch die Abweisung des Mehrbegehrens auf und sprach - aufgrund einer Zulassungsvorstellung des Vaters - letztlich aus, dass der Revisionsrekurs hinsichtlich des bestätigenden Teils zulässig sei; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob sich der Vater die „Gewinnausschüttungen" trotz des Umstands in seine Bemessungsgrundlage einrechnen lassen müsse, dass sein behinderungsbedingter Aufwand nicht zur Gänze durch das Pflegegeld gedeckt wird. In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, bei den monatlichen „Gewinnausschüttungen" handle es sich zwar um Vermögenssubstanz, doch ziehe er sie selbst zur Deckung seiner Bedürfnisse heran; auch wenn diese infolge seiner Krankheit erhöht seien, seien die Zahlungen doch in seine Bemessungsgrundlage einzurechnen. Die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung begründete das Rekursgericht damit, dass der krankheitsbedingte Mehraufwand des Vaters ab Herbst 2005 nicht ausreichend erhoben worden sei; insbesondere seien Zahlungen der privaten Zusatzkrankenversicherung des Vaters sowie ab November 2006 eine Eigenersparnis des Vaters aufgrund seines Heimaufenthalts nicht berücksichtigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Vater strebt die Abweisung der monatlichen Unterhaltsbegehren der Minderjährigen insoweit an, als Nicolas vom 1. 3. bis 31. 10. 2006 mehr als 298,69 EUR und ab 1. 11. 2006 mehr als 181,68 EUR sowie Sebastian vom 1. 3. bis 31. 10. 2006 mehr als 263,55 EUR und ab 1. 11. 2006 mehr als 160,30 EUR zugesprochen wurden. Mit diesen Beträgen seien die Minderjährigen angemessen alimentiert, weshalb eine Heranziehung seiner Vermögenssubstanz nicht in Betracht komme; im Übrigen verwende er die „Gewinnausschüttungen" nicht für einen luxuriösen Lebensstandard, sondern zur Abdeckung seines behinderungsbedingten Aufwands, der nicht zur Gänze vom Pflegegeld gedeckt werden könne.

1. Zwischen den Parteien ist - jedenfalls im Revisionsrekursverfahren - nicht mehr strittig, dass die vom Vater bezogenen „Gewinnausschüttungen" einen Gegenwert für die Überlassung/Übertragung seines Anteils an der Rechtsanwälte GmbH an die übrigen Gesellschafter darstellen. Sie sind daher mit Ratenzahlungen vergleichbar, die der Unterhaltspflichtige für die Veräußerung von Vermögen bezieht. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind derartige Ratenzahlungen aber unterhaltsrechtlich wie der Vermögensstamm und nicht wie Vermögenserträgnisse zu behandeln (1 Ob 98/03y = EvBl 2003/183), weil es sich lediglich um eine Vermögensumschichtung handelt, die für sich eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung nicht begründen kann (1 Ob 14/04x). Der Vermögensstamm ist bei der Unterhaltsbemessung regelmäßig nicht zu berücksichtigen (stRsp, s 2 Ob 84/97k = EFSlg 85.876; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, EheG [2008] § 94 ABGB Rz 97 mwN).

2. Greift der Unterhaltspflichtige hingegen selbst sein Vermögen an, um damit die Kosten der von ihm gewählten Lebensführung zu decken, dient dieses Maß der Inanspruchnahme (auch) als Grundlage für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs (6 Ob 625/91 = EFSlg 65.008, 65.009; s RIS-Justiz RS0117850; Gitschthaler, aaO Rz 98); dies gilt insbesondere auch für Verkaufserlöse (1 Ob 98/03y). Dass eine solche Berücksichtigung - wie der Vater in seinem Revisionsrekurs meint - die Finanzierung eines luxuriösen Lebensstandards zur Voraussetzung haben würde, lässt sich der Rechtsprechung so nicht entnehmen (vgl etwa 6 Ob 625/91 und 1 Ob 14/04x); maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche Realisierung des Vermögens und dessen Heranziehung zur Unterhaltsdeckung (in diesem Sinne erst jüngst 10 Ob 93/07k = EF-Z 2008/34; ausführlich auch Gitschthaler, EF-Z 2008, 61 [Entscheidungsanmerkung]).

Dem steht die vom Vater erwähnte Entscheidung 1 Ob 98/03y nur scheinbar entgegen („um sich einen höheren Lebensstandard zu schaffen und ihn zu genießen"); tatsächlich führt ja die Einbeziehung von Vermögensverwertungserlösen in die tägliche Lebensführung regelmäßig insofern zu einem „höheren Lebensstandard", als damit Bedürfnisse abgedeckt werden können, die sonst möglicherweise nicht befriedigt werden könnten. Ob dies freiwillig geschieht oder etwa durch sonstige Umstände erzwungen wird, kann dabei keine Rolle spielen. Von einem „luxuriösen Lebensstandard" ist im Übrigen in der erwähnten Entscheidung gar nicht die Rede.

Damit haben aber die Vorinstanzen die „Gewinnausschüttungen" zu Recht der Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters hinzugerechnet. Einer Auseinandersetzung mit der vom Vater aufgeworfenen Frage, ob den Minderjährigen nicht bereits aufgrund des sonstigen Einkommens des Vaters angemessener Unterhalt geleistet werden könnte, bedarf es somit nicht.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verringert krankheitsbedingter Mehraufwand des Unterhaltspflichtigen dessen Unterhaltsbemessungsgrundlage; ein ihm aus einer Behinderung entstandener Sachaufwand wird dabei durch das zur pauschalen Abgeltung von Pflegeleistungen erhaltene Pflegegeld nicht gedeckt und ist daher abzugsfähig (s die Nachweise bei Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 201, 202).

Das Erstgericht hat für den Zeitraum ab 1. 11. 2006 die Differenz zwischen den Betreuungskosten des Vaters in A***** und dem von ihm bezogenen Pflegegeld in Höhe von monatlich 1.288,30 EUR von der Unterhaltsbemessungsgrundlage in Abzug gebracht; für den Zeitraum davor ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass den Vater zusätzlicher Pflegeaufwand in einem das Pflegegeld übersteigenden Gesamtbetrag getroffen habe, und hat daher 600 EUR monatlich in Abzug gebracht. Ob diese Abzüge der Höhe nach gerechtfertigt sind, ist Gegenstand der vom Rekursgericht angeordneten Verfahrensergänzung durch das Erstgericht und entzieht sich mangels Zulassung eines Rekurses an den Obersten Gerichtshof dessen Beurteilung (§ 64 Abs 1 AußStrG).

Dem Revisionsrekurs des Vaters war damit insgesamt der Erfolg zu versagen.

4. Da die beiden Unterhalt begehrenden Kinder noch minderjährig sind, kommt ein Kostenersatz im Sinne des § 78 Abs 2 AußStrG nicht in Betracht (§ 101 Abs 2 AußStrG).

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