Spruch:
Der Antrag, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass
1. allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs (längstens jedoch ab Vollendung der Schulpflicht) liegenden, in § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) und in § 3 der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BO) vorgesehenen Vordienstzeiten, nunmehr geregelt in § 53a BBG idF BGBl I 2015/64, welche bei Berechnung des Vorrückungsstichtags anzurechnen sind, und einer sich daraus ergebenden neuen Einstufung der betroffenen Mitarbeiter nach dem 1. 7. 2004 im Verhältnis zum bisher ausbezahlten Gehalt der Mitarbeiter ergeben, betreffend alle jene Arbeitnehmer, die
2.1 in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des ÖBB‑Konzerns stehen, die vom Fachverband der Schienenbahnen vertreten werden, und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen, im Hinblick auf den von der ÖBB‑Holding AG am 4. 11. 2011 abgegebenen Verjährungsverzicht noch nicht verjährt sind, es sei denn, diese Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts am 4. 11. 2011 dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt;
2.2 die bereits am 4. 11. 2011 einen Ruhegenuss nach den Bestimmungen des Bundesbahn‑Pensionsgesetzes (BB‑PG) bezogen haben, in der Zeit nach dem 4. 11. 2008 jedoch noch in einem aktiven Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des ÖBB‑Konzerns, die vom Fachverband der Schienenbahnen vertreten werden, gestanden sind, im Hinblick auf den von der ÖBB‑Holding AG am 4. 11. 2011 abgegebenen Verjährungsverzicht noch nicht verjährt sind, es sei denn, die Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts am 4. 11. 2011 dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt;
2.3 in einem aufrechten (aktiven) Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des ÖBB‑Konzerns stehen, die vom Fachverband der Schienenbahnen vertreten werden, und auf welche die Bestimmungen der AVB zur Anwendung kommen, und deren unter 1. angeführten anzurechnenden Vordienstzeiten in einem Dienstverhältnis zu einer Gesellschaft des ÖBB‑Konzerns zurückgelegt wurden, im Hinblick auf den von der ÖBB‑Holding AG am 1. 9. 2011 abgegebenen Verjährungsverzicht noch nicht verjährt sind, es sei denn, diese Differenzen waren bereits am Tag der Abgabe des Verjährungsverzichts am 1. 9. 2011 dem Grunde oder der Höhe nach bereits verfallen oder verjährt,
wird abgewiesen.
Begründung
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind kollektivvertragsfähige Körperschaften. Vom zugrunde liegenden Antrag sind jene ÖBB‑Bediensteten betroffen, auf die die AVB bzw die BO 1963 zur Anwendung gelangen.
Für die bis zum 31. 12. 1995 eingestellten Dienstnehmer der ÖBB war das Vorrückungssystem nach den Bestimmungen der BO 1963 (BGBl 1963/170), für jene Dienstnehmer die zwischen 1. 1. 1996 und 31. 12. 2004 eingestellt wurden, jenes der AVB maßgebend. Diese Vorrückungssysteme wurden durch § 53a BBG idF BGBl I 2011/129 modifiziert; hinsichtlich der anzurechnenden Vordienstzeiten wurde in § 53a Abs 1 Z 2 BBG idF BGBl I 2011/129 (unter anderem) auf die BO 1963 (§ 3) und die AVB (§ 35) verwiesen. Diese Novelle verfolgte das Ziel, die unionsrechtswidrige Diskriminierung wegen des Alters infolge Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr zu beseitigen. Die Rechtslage nach dieser Novelle war Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH. Der EuGH beantwortete die vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 20/13v vorgelegten Fragen mit Urteil vom 28. Jänner 2015, C‑417/13, Starjakob , wie folgt:
„1) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 2 und Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG […] ‑ ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung die vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt, aber zugleich eine tatsächlich nur für Bedienstete, die Opfer dieser Diskriminierung sind, geltende Bestimmung enthält, die den für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert und damit eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festschreibt.
2) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 16 der Richtlinie 2000/78/EG ‑ ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, nicht zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat. Gleichwohl bedeutet die Herstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, solange kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt worden ist, dass den Bediensteten, die ihre Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben, hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten, aber auch hinsichtlich der Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren sind, wie sie den Bediensteten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben, zuteil geworden sind.
3) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 16 der Richtlinie 2000/78/EG ‑ ist dahin auszulegen, dass es den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, für die Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten eine Mitwirkungsobliegenheit zu begründen, aufgrund deren der Bedienstete diese Zeiten gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen hat. Es stellt indessen keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn ein Bediensteter die Mitwirkung bei der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verweigert, die eine gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet, und wenn er auf Zahlung eines Geldbetrags zur Herstellung der Gleichbehandlung mit den Bediensteten klagt, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben.
4) Der Grundsatz der Effektivität ist dahin auszulegen, dass er es in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht verbietet, dass eine im nationalen Recht bestimmte Frist für die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen vor dem Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs, das die Rechtslage auf dem betreffenden Gebiet klärt, zu laufen beginnt.“
In der dazu ergangenen Folgeentscheidung zu 8 ObA 11/15y (vgl auch 9 ObA 19/15g) gelangte der Oberste Gerichtshof zu folgendem Ergebnis:
„Aufgrund der Vorabentscheidung steht fest, dass die Verlängerung des Vorrückungszeitraums nach § 53a Abs 2 Z 1 BBG idF BGBl I 2011/129 nur die vom früheren System benachteiligte Gruppe der Bediensteten betrifft, die ihre Berufserfahrung (ganz oder teilweise) vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben. Der Gesetzgeber hat damit eine Bestimmung eingeführt, nach der die vom früheren System benachteiligten Bediensteten und die von diesem System begünstigten Bediensteten in Bezug auf ihre Einstufung in das Gehaltsschema und das entsprechende Gehalt weiterhin unterschiedlich behandelt werden. Diese Regelung begründet weiterhin eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt ist. Da (solange) kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters eingeführt wurde, bleibt das für die vom früheren System begünstigten Bediensteten geltende System das einzig gültige Bezugssystem auch für die benachteiligte Gruppe.“
Als Folge dieses unionsrechtlichen Ergebnisses erließ der Gesetzgeber für die hier betroffenen Dienstnehmer eine neue Regelung zur Berechnung des Vorrückungsstichtags unter Anrechnung der Vordienstzeiten. Diese findet sich nunmehr in § 53a BBG idF BGBl I 2015/64. Diese Bestimmung normiert auch die anrechenbaren Zeiten; eine Bezugnahme auf § 3 BO 1963 bzw auf § 35 AVB erfolgt nicht mehr. Aufgrund der Novelle BGBl I 2015/64 sind im gegebenen Zusammenhang folgende Bestimmungen zum Inkrafttreten relevant:
„§ 56 BBG
[...]
(18) § 53a in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 gilt für jene Bediensteten, die bis zum 31. Dezember 2004 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), einem ihrer Rechtsvorgänger oder ab Rechtswirksamkeit der angeordneten Spaltungs- und Umwandlungsvorgänge bei der ÖBB-Holding AG, den im 3. Teil dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 138/2003 angeführten Gesellschaften, deren Rechtsnachfolgern und Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangen sind, sowie den Unternehmen, auf die die Dienstverhältnisse der am 31. Dezember 2003 bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigten Bediensteten infolge eines (auch mehrmaligen) Betriebsüberganges oder vertraglich übergegangen sind, eingetreten sind.
(19) § 53a Abs. 1 bis 3 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 , tritt für Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 3 Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BO 1963) berechnet wurde, mit dem 1. April 1963 in Kraft.
[...]
(23) § 53a Abs. 1 bis 3 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 , tritt für Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) berechnet wurde, mit dem 1. Jänner 1996 in Kraft.
(24) § 53a Abs. 4 bis 7 in der Fassung des Bundesgesetzes http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
Die BBG-Novelle BGBl I 2015/64 wurde am 17. 6. 2015 kundgemacht.
Der Antragsteller begehrt die aus dem Spruch ersichtliche Feststellung gemäß § 54 Abs 2 ASGG. Der Antrag sei auf die Feststellung gerichtet, dass allfällige Gehaltsdifferenzen, die sich aus einer Neuberechnung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der vor Vollendung des 18. Lebensjahrs (längstens jedoch ab Vollendung der Schulpflicht) liegenden, in § 35 AVB bzw in § 3 BO 1963 vorgesehenen Vordienstzeiten ergeben, noch nicht verjährt seien. Dazu seien das rechtskräftige Feststellungsurteil (§ 54 Abs 1 ASGG) des Landesgerichts Innsbruck als ASG zu 43 Cga 112/10i (13 Ra 21/11b OLG Innsbruck) sowie der Beschluss des Obersten Gerichtshofs (§ 54 Abs 2 ASGG) zu 9 ObA 16/15s ergangen. Im Hinblick auf das genannte Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck habe die ÖBB-Holding AG mit Schreiben vom 1. 9. 2011 einen sämtliche Konzernarbeitnehmer betreffenden Verjährungsverzicht abgegeben. Mit Schreiben vom 4. 11. 2011 sei dieser Verjährungsverzicht verlängert und erweitert worden.
Das Verfahren vor dem Landesgericht Innsbruck sei durch Zurückziehung der außerordentlichen Revision durch die ÖBB-Personen AG am 10. 4. 2012 beendet worden. Daraufhin sei innerhalb der Dreimonatsfrist des § 54 Abs 5 ASGG der Feststellungsantrag gemäß § 54 Abs 2 ASGG zu 9 ObA 16/15s eingebracht worden (richtig: am 10. 7. 2012 damals zu 9 ObA 77/12g). Dies sei zur Verhinderung des Eintritts der Verjährung somit rechtzeitig erfolgt. Trotz der durchgehenden Kette von Verjährungsverzichten bzw der Verjährungshemmung nach § 54 Abs 5 ASGG stelle die ÖBB‑Konzernvertretung bzw die für diese handelnde Personalabteilung der ÖBB-***** GmbH nunmehr die Behauptung auf, dass alle Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor dem 10. 7. 2009 fällig geworden seien, verjährt seien. Tatsächlich sei Verjährung jedoch nicht eingetreten, es sei denn, die Ansprüche der Arbeitnehmer seien bereits am 1. 9. 2011 verfallen oder verjährt gewesen, sofern die anzurechnenden Vordienstzeiten in einem ÖBB‑Konzernunternehmen erworben worden seien, in allen anderen Fällen dann, wenn die Ansprüche am 4. 11. 2011 bereits verfallen oder verjährt gewesen seien.
Den genannten Verfahren zu 43 Cga 112/10i des Landesgericht Innsbruck und zu 9 ObA 16/15s liege derselbe anspruchsbegründende Sachverhalt zugrunde. Es sei stets um die Frage der Altersdiskriminierung gegangen. Daran vermöge auch die Änderung der Gesetzeslage durch die BBG-Novelle BGBl I 2015/64 nichts zu ändern, weil dem Gesetzgeber bewusst gewesen sei, mit dieser Änderung der Rechtslage auf die Rechtssachen Hütter und Starjakob reagiert zu haben. Diese Gesetzesänderung sei vom ÖBB‑Konzern initiiert worden. Es wäre daher unbillig, die Gesetzesänderung zum Anlass dafür zu nehmen, den Verjährungsverzicht als obsolet zu betrachten.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
1.1 Gegenstand des zugrunde liegenden Antrags nach § 54 Abs 2 ASGG ist die Frage der Verjährung in Bezug auf ‑ von den betroffenen Dienstnehmern ‑ geltend zu machende Gehaltsdifferenzen aus der altersdiskriminierenden Regelung zur Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr und der dadurch bedingten Neuberechnung des Vorrückungsstichtags für ÖBB‑Bedienstete im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑417/13, Starjakob . Aus dieser Entscheidung des EuGH (Bejahung der Altersdiskriminierung) vom 28. 1. 2015 folgte, dass der Vorrückungsstichtag nach § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB neu berechnet werden musste, und zwar unter Anrechnung der Vordienstzeiten auch vor dem 18. Lebensjahr, jedoch ohne Verlängerung des Vorrückungszeitraums gemäß § 53a Abs 2 Z 1 BBG. Dieser ‑ vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 20/13v initiierten ‑ Vorabentscheidung des EuGH und den Folgeentscheidungen des Obersten Gerichtshofs (8 ObA 11/15y; siehe auch 9 ObA 19/15g; 9 ObA 16/15s; 9 ObA 15/15v) liegt die Rechtslage gemäß § 53a BBG idF BGBl I 2011/129 zugrunde. Auf diese Rechtslage zielt auch der zugrunde liegende Feststellungsantrag ab. Demnach wird im Begehren und im zugrundeliegenden Vorbringen ausdrücklich auf die in § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB vorgesehenen Vordienstzeiten (siehe dazu den Verweis auf diese Bestimmungen in § 53a Abs 1 BBG idF BGBl I 2011/129) Bezug genommen.
1.2 Diese Rechtslage ist allerdings nicht mehr aktuell. Der Gesetzgeber hat mit der BBG‑Novelle BGBl I 2015/64 in § 53a BBG ein neues System der Anrechnung von Vordienstzeiten geschaffen. Nach der neuen Rechtslage des § 53a BBG idF BGBl I 2015/64 kommt es auf die Bestimmungen des § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB nicht mehr an. Auch die anrechenbaren Zeiten ergeben sich nunmehr aus § 53a BBG idF BGBl I 2015/64.
Der Antragsteller weist selbst darauf hin, dass die Vordienstzeiten „nunmehr in § 53a BBG idF BGBl I 2015/64 geregelt“ seien. Er übergeht dabei allerdings, dass sich die Rechtslage geändert hat und die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Starjakob zur Frage der Altersdiskriminierung nach der neuen Rechtslage keine Beurteilung enthält. Dazu wird angemerkt, dass die Mitgliedstaaten nach der genannten EuGH-Entscheidung verpflichtet sind, ein diskriminierungsfreies System der Anrechnung von Vordienstzeiten vorzusehen, dies aber nicht zwingend mit einem finanziellen Ausgleich verbunden sein muss.
1.3 Die Novelle BGBl I 2015/64 wurde am 17. 6. 2015 kundgemacht. In § 56 Abs 18 bis Abs 24 wurden Anordnungen über den persönlichen und zeitlichen Geltungsbereich („Inkrafttreten“) der Novelle getroffen. Danach (§ 56 Abs 19 und Abs 23) wurden die neuen Bestimmungen des § 53a Abs 1 bis Abs 3 und Abs 8 BBG für die vom zugrunde liegenden Antrag betroffenen Bediensteten (deren Vorrückungsstichtag bisher nach § 3 BO 1963 bzw nach § 35 AVB berechnet wurde) rückwirkend mit 1. 4. 1963 bzw 1. 1. 1996 in Kraft gesetzt.
Es stellt sich daher die Frage, ob auf dem zugrunde liegenden Antrag diese neue Rechtslage anzuwenden ist.
2.1 Nach § 5 ABGB wirken Gesetze im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (4 Ob 57/10a; 3 Ob 234/12a), außer der besondere Charakter einer zwingenden neuen Norm verlangt deren rückwirkende Anwendung (6 Ob 41/14t). Diese Bestimmung wird als Zweifelsregel verstanden, die durch eine (verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossene) Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann (RIS‑Justiz RS0015520). Die allgemeine Regel des § 5 ABGB steht also spezielleren gesetzlichen Übergangsbestimmungen nicht entgegen (8 ObA 64/06d). Eine Rückwirkungsanordnung muss allerdings die verfassungsrechtlichen bzw im Anwendungsbereich des Unionsrechts die unionsgrundrechtlichen Grenzen, die sich aus dem Vertrauensschutz ergeben, einhalten (vgl 8 ObA 63/10p; 8 ObA 85/13b).
2.2 Demnach muss auf eine Änderung der Rechtslage immer dann Bedacht genommen werden, wenn die neuen Bestimmungen nach dem maßgebenden Übergangsrecht oder sonst bei Änderungen des zwingenden Rechts nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis bzw den anhängigen Rechtsstreit anzuwenden sind (9 ObA 106/03h; 7 Ob 212/12w).
Durch die bloße Regelung des Inkrafttretens eines neuen Gesetzes wird im Allgemeinen nur festgelegt, ab welchem Zeitpunkt das Gesetz grundsätzlich normative Wirkungen entfaltet. Davon ist die Frage zu unterscheiden, auf welche Sachverhalte im Detail das neue Gesetz ab seinem Inkrafttreten tatsächlich angewendet werden soll (vgl 3 Ob 127/14v). Diese Aussage gilt allerdings grundsätzlich nur für eine Regelung, die das Inkrafttreten zeitnah zur Erlassung bzw Kundmachung des Gesetzes anordnet.
2.3 Im Anlassfall wird für die vom Klagebegehren erfassten ÖBB-Bediensteten in § 56 Abs 19 und Abs 23 BBG idF BGBl I 2015/64 bestimmt, dass die neue Regelung über die Berechnung des Vorrückungsstichtags nach § 53a Abs 2 BBG idF BGBl I 2015/64 mit 1. 4. 1963 bzw 1. 1. 1996 in Kraft tritt. Zudem findet sich in § 56 Abs 18 leg cit die Anordnung, dass § 53a idF BGBl I 2015/64 für jene Bediensteten gilt, die bis zum 31. 12. 2004 in ein relevantes Dienstverhältnis eingetreten sind.
Aufgrund dieser Rückwirkungsanordnung wird deutlich, dass die Berechnung des Vorrückungsstichtags für alle Bediensteten, die bisher unter § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB gefallen sind, neu, das heißt von Anfang an (§ 53a Abs 1 BBG), zu erfolgen hat. Damit liegt eine echte Rückwirkungsanordnung vor, die sich auf alle vom zugrunde liegenden Antrag betroffenen Dienstverhältnisse in ihrer Gesamtheit bezieht. Für alle diese Dienstverhältnisse wird somit eine Neuberechnung des Vorrückungsstichtags angeordnet.
Daraus folgt, dass die neue Rechtslage auf die Dienstverhältnisse der vom zugrunde liegenden Antrag betroffenen Bediensteten der ÖBB anzuwenden ist.
3.1 Der Antragsteller beruft sich auf die Entscheidungen des Landesgerichts Innsbruck zu 43 Cga 112/10i (13 Ra 21/11b OLG Innsbruck) und des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 16/15s. Auch diese Verfahren betrafen die Rechtslage nach § 53a BBG idF BGBl I 2011/129.
Diesen besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 und 2 ASGG liegt der Gedanke des kollektiven Klagerechts zugrunde. Dieses beruht auf der Überlegung, dass es den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und den kollektivvertragsfähigen Körperschaften möglich sein soll, Verfahren selbst führen zu können, die im Interesse einzelner oder mehrerer Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gelegen sind. Dies hat zur Folge, dass der über den Feststellungsantrag gefassten Entscheidung nur zwischen den Parteien des Verfahrens (inter partes) bindende Wirkung zukommt. Die Entscheidung wirkt aber weder zum Vorteil noch zum Nachteil der betroffenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer (RIS‑Justiz RS0085545); diese kann nur auf faktischer Ebene für sie von Bedeutung sein (siehe dazu 7 Ob 208/13h; 8 ObA 14/13m; 9 ObA 113/14d).
3.3 Die vom Antragsteller ins Treffen geführten Gerichtsentscheidungen begründen somit keine Rechte im Hinblick auf Zahlungsansprüche der betroffenen ÖBB‑Bediensteten nach Maßgabe der (nicht mehr anzuwendenden) alten Rechtslage. Sie haben auf die im vorliegenden Verfahren anzuwendende (neue) Rechtslage keine Auswirkungen (vgl dazu 8 ObA 11/15y).
4.1 Der zugrunde liegende Antrag ist nach dem Vorbild des § 228 ZPO gestaltet. Nach dieser Bestimmung kann das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten oder Rechtsverhältnissen mit Feststellungsklage (hier Feststellungsantrag) dann geltend gemacht werden, wenn ein rechtliches Interesse an der Feststellung besteht. Aus diesen Überlegungen folgt, dass das besondere Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG nach seiner Zweckbestimmung zur Beantwortung konkreter arbeitsrechtlicher Fragen des materiellen Rechts führen und durch Klärung der zwischen den Verfahrensparteien strittigen Rechtslage der Prävention und der Prozessökonomie dienen soll.
Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Beurteilung des rechtlichen Interesses für den Feststellungsantrag. Ist der geltend gemachte (Rechts‑)Anspruch, der den Gegenstand des Verfahrens bildet, zwischen den Parteien nicht strittig, so fehlt es am rechtlichen Interesse (siehe dazu 8 ObA 14/13m). Das rechtliche Interesse muss sich unmittelbar aus dem strittigen Rechtsverhältnis ergeben. Der verfolgte Rechtsanspruch muss tatsächlich geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Antragsgegner zu vermeiden oder zu beenden.
4.2 Mit Bezug auf den Anlassfall bedeuten diese Grundsätze vor allem, dass der geltend gemachte Anspruch im Verhältnis zwischen den Parteien strittig sein muss und sich aus einer konkreten Rechtsgrundlage nach der konkret anzuwendenden Rechtslage ableiten lassen muss.
Wie schon dargelegt, bezieht sich der zugrunde liegende Antrag auf § 53a BBG idF BGBl I 2011/129. Diese alte Rechtslage ist aber nicht mehr maßgebend und auf den Rechtsstreit nicht anzuwenden. Nach der relevanten neuen Rechtslage des § 53a BBG idF BGBl I 2015/64 kommt es auf die im Antrag genannten Bestimmungen des § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB nicht mehr an. Da sich der geltend gemachte Anspruch aus der nunmehr anzuwendenden Rechtslage nicht ableiten lässt, mangelt es am Feststellungsinteresse.
4.3 Das Fehlen des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen und führt zur Abweisung des Feststellungsantrags (RIS‑Justiz RS0039123; RS0085712). Aus diesem Grund und weil die Antragsgegnerin nicht beschwert ist, musste dieser keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
5. Insgesamt liegen die Voraussetzungen für den Feststellungsantrag nach § 54 Abs 2 ASGG nicht vor. Der Antrag war daher abzuweisen.
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