OGH 9ObA113/14d

OGH9ObA113/14d18.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Gerda Höhrhan‑Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei (richtig:) Bundesarbeitskammer, 1041 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20‑22, vertreten durch Dr. Thomas Juen, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (30.500 EUR) und Veröffentlichung (3.500 EUR), über die „Revision“ und den „Revisionsrekurs“ (richtig: den Rekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungs- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Juli 2014, GZ 15 Ra 29/14y‑17 und GZ 15 Ra 30/14w‑17, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 12. Dezember 2013, GZ 16 Cga 118/13b‑7, und infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 26. Februar 2014, GZ 16 Cga 118/13b‑11, aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts in der Fassung des als Ergänzungsurteil zu behandelnden Beschlusses vom 26. Februar 2014 einschließlich der Kostenentscheidungen wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.313,74 EUR (darin 385,62 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.377,36 EUR (darin 229,56 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die klagende Bundesarbeitskammer ist eine nach § 29 Abs 1 KSchG klageberechtigte Interessenvertretung.

Mit der vorliegenden Verbandsklage nach den §§ 28‑30 KSchG begehrt sie, die Beklagte, ein Unternehmen, das zahlreiche Arbeitnehmer beschäftigt, schuldig zu erkennen, die Verwendung ‑ im Klagebegehren näher - bestimmter Klauseln in Vertragsformblättern für Arbeitnehmer/innen zu unterlassen und sich auf diese Klauseln, soweit diese den mit Arbeitnehmer/innen bereits geschlossenen Verträgen zugrunde gelegt worden seien, nicht zu berufen. Weiters begehrt sie die ‑ ebenfalls im Klagebegehren näher konkretisierte ‑ Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Gegenstand der Klage seien die als „Spielregeln im Hause F*****“ bezeichneten Vertragsformblätter der Beklagten, die integrierte Bestandteile der von der Beklagten abgeschlossenen Dienstverträge bildeten und eine Benachteiligung der Dienstnehmer bezüglich ihrer Entgeltfortzahlungsansprüche und urlaubsrechtlichen Ansprüche bedeuteten. Die Beklagte sei trotz Aufforderung nicht bereit, zu anderen als diesen in den Vertragsformblättern genannten, im Entscheidungsantrag zitierten Bedingungen zu kontrahieren. Bei diesen Vertragsformblättern handle es sich um solche im Sinn des § 28 KSchG.

Die Beklagte bestritt und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, in eventu die Klage zurückzuweisen. Die Klägerin sei zur Klagsführung nicht aktiv legitimiert, weil die einschlägigen Bestimmungen des KSchG über Verbandsklagen auf Arbeitsrechtssachen nicht anzuwenden seien. Die Klagebegehren seien aber auch inhaltlich nicht berechtigt. Für den Fall der gänzlichen oder teilweisen Klagsabweisung werde die Ermächtigung der Beklagten zur ‑ ebenfalls näher konkretisierten - Urteilsveröffentlichung beantragt.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 12. 12. 2013 sowohl das Unterlassungs- als auch das Veröffentlichungsbegehren der Klägerin ab. Verbandsklagen gemäß §§ 28‑30 KSchG seien im Bereich des Arbeitsrechts nicht zulässig.

Über Antrag der Beklagten, auch über ihren Urteilsveröffentlichungsantrag zu entscheiden (ON 10), wies das Erstgericht mit Beschluss vom 26. 2. 2014 den Veröffentlichungsantrag der Beklagten ab. Die Bestimmungen des KSchG und des UWG kämen in der vorliegenden Arbeitsrechtssache nicht zur Anwendung.

Das Berufungsgericht verwarf die von der Klägerin gegen das klagsabweisende Urteil erhobene Berufung wegen Nichtigkeit. Im Übrigen gab es der Berufung der Klägerin Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Eine Verbandsklage nach den §§ 28‑30 KSchG sei auch in Arbeitsrechtssachen zulässig, weil § 1 Abs 4 KSchG Arbeitsverhältnisse nur vom Anwendungsbereich des I. Hauptstücks des KSchG (§§ 1‑27) ausnehme. Das Erstgericht habe daher nach Verfahrensergänzung in der Sache zu entscheiden. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei mangels Vorliegens einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zulässig.

Als Rekursgericht gab das Rechtsmittelgericht dem Rekurs der Beklagten gegen die Abweisung ihres Urteilsveröffentlichungsantrags nicht Folge, hob den angefochtenen Beschluss jedoch aus Anlass des Rechtsmittels der Beklagten ersatzlos auf und trug dem Erstgericht die Entscheidung über den Veröffentlichungsantrag der Beklagten gemeinsam mit dem Urteil über die Hauptsache auf. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Rekursentscheidung in untrennbarem Zusammenhang mit der Berufungsentscheidung stehe.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich die „Revision“ der Beklagten aus dem „Revisionsgrund“ der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, die Berufung der Klägerin ab‑ bzw zurückzuweisen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts, mit dem es über ihren Urteilsveröffentlichungsantrag entschied, richtet sich der „Revisionsrekurs“ der Beklagten aus dem „Revisionsrekursgrund“ der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Antragsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer „Rekurs‑ und Revisionsrekursbeantwortung“, dem als „Revision“ bezeichneten Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben und den „Revisionsrekurs“ der Beklagten als unzulässig zurückzuweisen, in eventu dem „Revisionsrekurs“ nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

I. Das Erstgericht sprach in seinem Urteil zunächst nicht über den schon zuvor gestellten Urteilsveröffentlichungsantrag der Beklagten ab. Erst über den Urteilsergänzungsantrag (§ 423 ZPO) der Beklagten entschied das Erstgericht mit Beschluss. Richtigerweise hätte es dann aber, weil es die bisher unterbliebene Entscheidung über einen noch nicht erledigten Sachantrag nachholte, mit Ergänzungsurteil entscheiden müssen (Rechberger in Rechberger 4 §§ 423‑424 ZPO Rz 5; Bydlinski in Fasching/Konecny² § 423 ZPO Rz 16). Auch über den Urteilsveröffentlichungsantrag der Beklagten ist im Urteil zu entscheiden (vgl 10 Ob 28/14m). Das Vergreifen in der Entscheidungsform ‑ hier Beschluss statt (Er-gänzungs‑)Urteil ‑ beeinflusst aber weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS‑Justiz RS0036324). Für die Beurteilung, ob letztlich ein Urteil oder ein Beschluss vorliegt, ist also nicht die tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend (RIS‑Justiz RS0036324 [T7]). Das dem Ergänzungsantrag stattgebende Urteil ist ein völlig selbständiges Urteil mit allen Urteilswirkungen, das mit Berufung und gegebenenfalls mit Revision anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0041425; Rechberger in Rechberger 4 §§ 423‑424 ZPO Rz 5; Bydlinski in Fasching/Konecny² § 423 ZPO Rz 16).

Das als „Rekurs“ gegen den „Beschluss“ des Erstgerichts von der Beklagten erhobene Rechtsmittel wäre daher vom Rechtsmittelgericht (als Berufungsgericht) als Berufung gegen das Ergänzungsurteil zu behandeln gewesen. Das Vergreifen in der Entscheidungsform schadet aber auch hier nicht. Die einheitliche Entscheidung des „Berufungs‑ und Rekursgerichts“ über die Berufung der Klägerin und den „Rekurs“ der Beklagten ist daher als eine Entscheidung über die Berufungen beider Parteien anzusehen. Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts kann nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO das Rechtsmittel des Rekurses erhoben werden, wenn das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt hat. Dies ist hier der Fall.

II. Die als ein Rekurs zu behandelnden Rechtsmittel der Beklagten sind aus den vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; der Rekurs ist auch berechtigt (hinsichtlich des Veröffentlichungsbegehrens der Beklagten aber nur insoweit, als es nicht einer Aufhebung und Zurückverweisung bedarf).

1. Vorab sei erwähnt, dass die Beklagte im Verfahren weder die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts noch den Einwand der unrichtigen Gerichtsbesetzung erhob, sodass ein allfälliger Zuständigkeits‑ oder Besetzungsmangel geheilt ist (§ 38 Abs 1 ASGG iVm § 104 Abs 3 JN; § 37 Abs 2 ASGG iVm § 260 Abs 4 ZPO).

2. Zur Frage, ob eine Verbandsklage im Sinne der §§ 28‑30 KSchG auch in Arbeitsrechtssachen zulässig ist, besteht keine höchstgerichtliche Rechtsprechung. Das Berufungsgericht und die Klägerin stützen sich für ihre ‑ die Anwendbarkeit der Verbandsklage nach § 29 KSchG bejahende ‑ Rechtsansicht im Wesentlichen auf die Abhandlung von Kodek, Die Verbandsklage nach § 29 KSchG im Arbeitsrecht, DRdA 2007, 356, und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 18. 1. 2010, 9 Ra 129/09w (ARD 6051/6/2010). Das Erstgericht und die Beklagte treten einer Anwendung der §§ 28 ff KSchG in Arbeitsrechtssachen vorrangig unter Berufung auf Graf‑Schimek, KSchG-Verbandsklage im Arbeitsrecht?, ZAS 2011/37, entgegen.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

3.1. Das Konsumentenschutzgesetz (KSchG), eingeführt mit 1. 10. 1979 durch BGBl 1979/140, enthält in seinem I. Hauptstück (§§ 1‑27a KSchG) besondere Bestimmungen für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern sowie ‑ in Kraft seit 1. 7. 2004, BGBl I 2004/12 ‑ Regelungen für Verträge zwischen Heimträgern und ‑bewohnern (§§ 27b‑27i KSchG). Die Verbandsklage ist im II. Hauptstück in den §§ 28‑30 KSchG normiert. Das III. Hauptstück (§§ 31 ff KSchG) enthält ‑ hier nicht relevante ‑ ergänzende Bestimmungen.

3.2. Nach § 1 Abs 4 KSchG gilt „dieses Hauptstück“, also das I. Hauptstück, nicht für Verträge, die jemand als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person (§ 51 Abs 3 ASGG) mit dem Arbeitgeber schließt. In den Gesetzesmaterialien wird diese Ausnahmeregelung damit begründet, dass für Arbeitsverträge spezielle, viel eingehendere Schutzbestimmungen bestehen (RV 744 BlgNR 14. GP 17). Die Anwendung des § 28 KSchG ist zwar nicht auf bedenkliche Bestimmungen beschränkt, die einem Verbrauchergeschäft im Sinne des § 1 KSchG zugrunde gelegt wurden; § 28 KSchG dient aber doch in erster Linie der Unterbindung gewisser, für Verbrauchergeschäfte als ebenso typisch wie nachteilig angesehener Praktiken (RIS‑Justiz RS0065713). Für die im II. Hauptstück des KSchG normierte Verbandsklage scheint somit nach dem reinen Gesetzeswortlaut die Ausnahmeregelung des § 1 Abs 4 KSchG nicht zu gelten. In der Folge wird aber dargelegt werden, dass Arbeitsverträge auch nicht dem Anwendungsbereich des II. Hauptstücks des KSchG unterfallen:

4.1. Nach § 28 Abs 1 KSchG kann, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrunde legt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt, auf Unterlassung geklagt werden. Dieses Verbot schließt auch das Verbot ein, sich auf eine solche Bedingung zu berufen, soweit sie unzulässigerweise vereinbart worden ist. Der Anspruch kann nach § 29 Abs 1 KSchG von der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Landarbeiterkammertag, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, dem Verein für Konsumenteninformation und dem Österreichischen Seniorenrat geltend gemacht werden.

4.2. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre steht der Unterlassungsanspruch jedem Verband (§ 29 Abs 1 und 2 KSchG) als eigener materiell-rechtlicher Anspruch zu (2 Ob 215/10x mwN; RIS‑Justiz RS0110990; Krejci in Rummel, ABGB³ II/4 §§ 28‑30 KSchG Rz 4). Die Verbandsaktivitäten erfolgen nicht zur Förderung individueller oder gemeinsamer Interessen der Mitglieder, sondern zur Förderung eines „öffentlichen Interesses“, das darin besteht, gesetz‑ und sittenwidrige Vertrags-bestimmungen aus dem geschäftlichen Verkehr zu ziehen und die gesetzlichen Bestimmungen in der Geschäftspraxis effektiv durchzusetzen (2 Ob 215/10x mwN; RIS‑Justiz RS0110990; Kathrein/Schoditsch, KBB4 § 28 KSchG Rz 1). Maßstab für die Beurteilung einer Vertragsbestimmung ist die für den Kunden ungünstigste mögliche Auslegung (RIS‑Justiz RS0016590).

4.3. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KSchG am 1. 10. 1979 (§ 38 KSchG) bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung, Arbeitsverträge ausdrücklich auch vom Anwendungsbereich des II. Hauptstücks des KSchG auszunehmen. Zum damaligen Zeitpunkt wurden Arbeitsverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorwiegend noch mündlich abgeschlossen (vgl Kodek aaO 356 f). Erst die Entwicklung neuer Arbeitsformen und der daraus resultierenden Vielfalt der Arten von Arbeitsverhältnissen erforderten etwa Maßnahmen in Richtung einer gewissen Formbindung. Dieser Erwägungsgrund lag der Richtlinie 91/533/EWG des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom 14. 10. 1991 (Nachweisrichtlinie), umgesetzt im österreichischen Arbeitsrecht mit § 2 AVRAG (in Kraft getreten am 1. 1. 1994, § 19 Abs 1 AVRAG), zugrunde (vgl 9 ObA 328/00a; 9 ObA 86/01i; Reissner in ZellKomm² § 2 AVRAG Rz 1).

4.4. Der materiell‑rechtliche Unterlassungs-anspruch nach § 28 Abs 1 KSchG lässt sich aber auch unter keinen sachlichen Zuständigkeitstatbestand der Arbeitsrechtssachen im Sinne der §§ 50‑52 ASGG subsumieren (so auch Kodek aaO 361 f). Unzweifelhaft wollte aber der Gesetzgeber mit der Einführung des Arbeits‑ und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl 1985/104, die kaum noch durchschaubaren Kompetenzzersplitterungen auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts beseitigen und damit ua (alle) Arbeitsrechtssachen beim Arbeits‑ und Sozialgericht vereinigt wissen (vgl Kuderna, ASGG² 11). Dem Gesetzgeber kann daher keinesfalls unterstellt werden, dass gerade eine Verbandsklage in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten nicht vom Arbeits- und Sozialgericht, sondern vom Handelsgericht entschieden werden sollte. Davon geht auch Kodek aus, der versucht, mit teleologischer Reduktion des § 30 Abs 1 KSchG und Schließung der dadurch hervorgerufenen nachträglichen (wertungsmäßigen) Lücke durch analoge Anwendung des § 50 Abs 1 ASGG bzw § 51 Abs 1 Z 10 JN, dem seinerzeit mit dem ASGG verfolgten klaren Ziel der Konzentration aller Verfahren mit arbeitsrechtlichem Bezug bei den Arbeits- und Sozialgerichten Rechnung zu tragen (Kodek aaO 363 f).

5.1. Das Arbeits‑ und Sozialgerichtsgesetz regelt in § 54 ASGG selbst zwei Möglichkeiten, besondere Feststellungsverfahren in Arbeitsrechtssachen zu führen. Nach § 54 Abs 1 erster Satz ASGG können in Arbeitsrechtssachen nach § 50 Abs 1 ASGG die parteifähigen Organe der Arbeitnehmerschaft im Rahmen ihres Wirkungsbereichs sowie der jeweilige Arbeitgeber auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer ihres Betriebs oder Unternehmens betreffen, klagen oder geklagt werden. § 54 Abs 2 ASGG bietet kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (§§ 4 bis 7 ArbVG) die Möglichkeit, im Rahmen ihres Wirkungsbereichs gegen eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer bzw der Arbeitgeber beim Obersten Gerichtshof einen Antrag auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen anzubringen, die einen von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalt betreffen. Der Antrag muss eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG zum Gegenstand haben, die für mindestens drei Arbeitgeber oder Arbeitnehmer von Bedeutung ist.

5.2. Diesen besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 und 2 ASGG liegt der Gedanke des „kollektiven Klagerechts“ zu Grunde. Dieses beruht auf der Überlegung, dass es den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und den kollektivvertragsfähigen Körperschaften möglich sein soll, Verfahren selbst führen zu können, die im Interesse einzelner oder mehrerer Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gelegen sind (vgl 8 ObA 14/13m ua; Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 1), von diesen aber nicht geführt werden, weil sie Nachteile ‑ insbesondere die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses ‑ fürchten (8 ObA 31/09f; Kuderna, ASGG² § 54 Anm 1; Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 4). Mit diesen besonderen Feststellungsverfahren wollte der Gesetzgeber somit zwei ‑ miteinander eng verknüpfte ‑ Wirkungen erzielen: eine Schutzwirkung für Arbeitnehmer, die es (abgesichert durch eine besondere Verjährungshemmung) vorziehen, den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten, bevor sie selbst die Klage einbringen, und eine streitvermindernde Wirkung der Testverfahren auf die Ansprüche der Betroffenen, die von der entschiedenen Streitfrage abhängen (Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 2 mwN). Steht beim besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG der Gedanke des „Testprozesses“ zwischen Arbeitgeber und den zuständigen Organen der Arbeitnehmerschaft im Vordergrund (Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 1 mwN), so handelt es sich beim besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG vor allem um ein Musterverfahren auf überbetrieblicher Ebene. Dadurch sollte die Möglichkeit eröffnet werden, arbeitsrechtliche Fragen aus privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, die für einen größeren Personenkreis von Bedeutung sind, in einem nach den Grundsätzen des Außerstreitgesetzes zwischen den betreffenden Interessenvertretungen geführten Verfahren aufgrund eines behaupteten Sachverhalts einer Klärung zuzuführen (8 ObA 14/13m).

5.3. Auch wenn das über eine besondere Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG ergehende Urteil nur zwischen den Prozessparteien wirkt, also zwischen den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und dem Arbeitgeber, hat es für die berechtigten Arbeitnehmer insofern faktische Wirkung, als der Arbeitgeber in aller Regel das Urteil in Bezug auf die berechtigten Arbeitnehmer beachten wird (RIS‑Justiz RS0085545; 8 ObA 31/09f mwN; 8 ObA 14/13m). Mit der besonderen Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG hat der Gesetzgeber daher eine für die speziellen Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse zugeschnittene Möglichkeit geschaffen, auf Betriebsebene unmittelbar aktuelle konkrete Rechtsfragen, die mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens betreffen, einer Klärung durch das Arbeits- und Sozialgericht zuzuführen. Auf überbetrieblicher Ebene besteht diese Möglichkeit durch den Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG. Damit wird dem im Arbeitsleben bestehenden besonderen Rechtsschutzbedürfnis von Arbeitnehmern (und Arbeitgebern) ausreichend Rechnung getragen. Dass der Rechtsschutz auf Feststellung und nicht auf Unterlassung/Veröffentlichung gerichtet ist, fiel bisher in der arbeitsrechtlichen Praxis nicht entscheidend ins Gewicht.

5.4. Wäre der Gesetzgeber bei Einführung des ASGG zum 1. 1. 1987 davon ausgegangen, dass bereits den in § 29 Abs 1 KSchG genannten Verbänden auch in Bezug auf Arbeitsverträge ein Klagerecht nach § 28 KSchG zugekommen wäre, dann wäre zwingend zu erwarten gewesen, dass er auch für dieses Verbandsklagerecht eine ausdrückliche Zuständigkeitsbestimmung im ASGG normiert und zum Verhältnis der Verbandsklage nach dem KSchG zu den neu eingeführten besonderen Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 und 2 ASGG Stellung bezieht. Aus der Entstehungsgeschichte des § 54 ASGG (siehe dazu Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 4 und Kodek aaO 359) ist für die Möglichkeit der Verbandsklage nach dem KSchG in Bezug auf Arbeitsverträge aber nichts zu gewinnen.

6. Graf‑Schimek (aaO 222, 225) sieht zu Recht bei Anwendung der Verbandsklage des § 28 KSchG im Arbeitsrecht das „sensible Machtgefüge“ zwischen den parteifähigen Organen der Arbeitnehmerschaft und dem jeweiligen Arbeitgeber bzw zwischen den kollektivvertragsfähigen Körperschaften bedroht. Auch folgender Aspekt bestätigt, dass der Gesetzgeber nie die Absicht hatte, der Verbandsklage nach dem KSchG im Arbeitsrecht Geltung zu verschaffen: § 54 Abs 2 ASGG stellt auf die „kollektivvertragsfähigen“ Körperschaften im Rahmen ihres „Wirkungsbereiches“ im Sinne der §§ 4‑7 ArbVG ab. § 6 ArbVG statuiert den Vorrang freiwilliger Berufsvereinigungen (Gewerkschaften, AG‑Vereine) vor gesetzlichen Interessen-vertretungen (Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer etc) in der Kollektivvertragspolitik (Reissner in ZellKomm2 § 6 ArbVG Rz 1). Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht darauf, dass freiwillige Berufsvereinigungen besonderer Ausdruck gelebter Sozialautonomie sind, während die gesetzlichen Interessenvertretungen durch gesetzgeberischen Akt geschaffen wurden und auf dem Prinzip der Pflichtmitgliedschaft beruhen (Reissner in ZellKomm2 § 6 ArbVG Rz 2). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG der gesetzlichen Interessenvertretung im Arbeitsrecht einen Rechtsschutzvorrang gegenüber den freiwilligen Berufsvereinigungen einräumen wollte, deren Rolle durch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art 12 StGG, Art 11 EMRK) besonders definiert wird (vgl Reissner in ZellKomm2 § 6 ArbVG Rz 2), bestehen nirgends.

7. Zusammengefasst sind also nicht die Zuständigkeitsbestimmungen des ASGG lückenhaft, sondern die Bestimmungen der Verbandsklage nach §§ 28‑30 KSchG zu weit gefasst. Sie sind daher teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie auf Arbeitsverhältnisse keine Anwendung finden. Damit wird der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung verschafft. Die (verdeckte) Lücke besteht hier im Fehlen einer nach der ratio legis notwendigen Ausnahme im II. Hauptstück des KSchG. Lediglich am Rande sei erwähnt, dass auch nach deutschem Recht das Arbeitsrecht vom Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts‑ und anderen Verstößen ausgenommen ist (§ 15 UklaG).

8. Dem Rekurs der Beklagten war daher Folge zu geben und sowohl das Begehren der Klägerin auf Unterlassung und Veröffentlichung als auch das Veröffentlichungsbegehren der Beklagten (vgl RIS‑Justiz RS0043939) abzuweisen. Für eine Urteilsveröffentlichung der klageabweisenden Entscheidung besteht hier ‑ außerhalb des UWG ‑ keine Rechtsgrundlage.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat letztlich betreffend das Klagebegehren (Unterlassung und Urteilsveröffentlichung) mit ihrer Berufungsbeantwortung im zweitinstanzlichen und ihrem Rekurs im drittinstanzlichen Verfahren obsiegt, die Klägerin betreffend das Veröffentlichungsbegehren der Beklagten mit ihrer Rekursbeantwortung im zweitinstanzlichen und ihrer „Revisionsrekursbeantwortung“ im drittinstanzlichen Verfahren. Die jeweiligen Kostenersätze waren gegeneinander aufzurechnen.

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