OGH 9ObA106/03h

OGH9ObA106/03h5.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und ADir. RegRat Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Telekom Austria AG, 2. Telekom Austria Personalmanagement GmbH, beide 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 3, beide vertreten durch Dr. Christoph Wolf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Personalausschuss Telekom Kärnten, 9020 Klagenfurt, Josef Mickl Gasse 2, vertreten durch Dr. Norbert Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Zustimmung zur Versetzung (Streitwert EUR 21.800,-), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. April 2003, GZ 7 Ra 23/03m-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. Oktober 2002, GZ 34 Cga 32/02k-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.308,38 (darin EUR 218,06 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem Poststrukturgesetz (PTSG) wurde die Ausgliederung und Umwandlung der staatlichen Post- und Telegraphenverwaltung in eine Aktiengesellschaft mit der damaligen Firma "Post und Telekom Austria AG", nunmehr "Telekom Austria AG", angeordnet. Durch § 17 Abs 1 PTSG wurde ein großer Teil der Beamten zunächst der Erstklägerin zur Dienstleistung zugewiesen. Diese hatte den gesamten Aufwand der Aktivbezüge der ihr zugewiesenen Beamten zu ersetzen und weiters monatlich einen Beitrag zur Deckung des Pensionsaufwandes zu leisten (§ 17 Abs 1 PTSG). Zur Neustrukturierung des Personalmanagements wurde in weiterer Folge die Zweitklägerin als 100 %ige Tochter der Erstklägerin gegründet. Auf diese Tochtergesellschaft wurde im Wege der Abspaltung zur Aufnahme gemäß § 17 Spaltungsgesetz der gesamte Personalbereich sowie das gesamte Personal übertragen. Dies führte zur Zuweisung der zuvor der Erstklägerin zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten an die Zweitklägerin. Als Konsequenz ergibt sich ein "gespaltenes Dienstverhältnis" der öffentlich rechtlichen Bediensteten: Formeller Dienstgeber ist nach wie vor der Bund; vom Gesetz vorgesehener Empfänger der Dienstleistungen der Beamten ist aber nicht mehr der Bund, sondern der im Gesetz genannte private Rechtsträger. Neben das formelle Dienstverhältnis zum Bund tritt somit ein gesondertes "Zuweisungsverhältnis" des Beamten zu dem Unternehmen, dem er laut PTSG zur Dienstleistung zugewiesen ist (Floretta/Wachter in FS Cerny, 604). § 19 Abs 2 PTSG sieht vor, dass die Personalvertretung der im Post- und Telekombereich beschäftigten Bediensteten einschließlich der zur Dienstleistung zugewiesenen Beamten unter Berücksichtigung der betrieblichen Besonderheiten durch besonderes Bundesgesetz zu regeln ist. Diese Regelung wurde - was die Beamten betrifft - durch den II. Teil des Post-Betriebsverfassungsgesetzes (PBVG) getroffen. § 72 Abs 1 PBVG normiert unter anderem, dass das dritte Hauptstück des II. Teiles des ArbVG mit Ausnahme seiner §§ 113 und 114 anzuwenden ist.

Ausgehend von dieser Gesetzeslage gelangte die für Angelegenheiten der Versetzung und Verwendungsänderung zuständige Berufungskommission nach § 41a BDG in ständiger Rechtsprechung zur Auffassung, dass - ungeachtet der Art des Dienstverhältnisses (Beamte, Vertragsbedienstete oder sonstige privatrechtlich Bedienstete) - bei Unternehmen nach dem PTSG die Zustimmung des Personalvertretungsorgans Voraussetzung für eine "verschlechternde Versetzung" sei. Bei nicht rechtmäßiger Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrates habe daher nicht die Berufungskommission, sondern ausschließlich das Gericht, und zwar auf Klage des Betriebsinhabers, die sachliche Rechtfertigung der Versetzung gemäß § 101 ArbVG zu überprüfen und - im Falle einer stattgebenden Entscheidung - rechtsgestaltend zu entscheiden (zusammenfassend Germ in DRdA 2003, 88 f).

Vom vorliegenden Verfahren ist der Beamte Bernhard F***** betroffen, dem von den klagenden Parteien mit Schreiben vom 12. 3. 2001 mitgeteilt wurde, dass er von seiner bisherigen Verwendung abberufen werde und ihm eine neue Verwendung nicht zugeteilt werden könne. Der Beamte ist seit April 2001 dienstfreigestellt und erhält sein bisheriges Gehalt, allerdings keine Aufwandsentschädigung.

Die klagenden Parteien begehren vom Personalausschuss (§ 19 PBVG) letztlich die Zustimmung zur künftigen Versetzung des Beamten Bernhard F***** (Abberufung von seinem Arbeitsplatz - Dienstfreistellung) gemäß § 72 PBVG iVm § 101 ArbVG, hilfsweise, die Zustimmung zur Versetzung des Beamten zum Zeitpunkt 22. 3. 2001. Beide klagende Parteien seien aktiv klagelegitimiert, weil sie beide Inhaber eines gemeinsam geführten Betriebes seien. Sie seien gezwungen, den Personalstand zu reduzieren, wovon vornehmlich Beamte, die nunmehr der Zweitklägerin zur Dienstleistung zugewiesen seien, betroffen seien. Diese könnten weder gekündigt noch an Dienststellen des Bundes rücküberstellt werden. Auch der Arbeitsplatz des hier betroffenen Beamten sei aufgelassen worden. Ein Ersatzarbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung. Im Hinblick auf die (von den Klägerinnen nicht geteilte) Rechtsauffassung der Berufungskommission, die in derartigen Fällen von einer verschlechternden Versetzung ausgehe, die der Zustimmung des Personalausschusses bedürfe, sei es daher notwendig, den Personalausschuss auf Zustimmung zu klagen. Die Dienstfreistellung des betroffenen Beamten sei keine verschlechternde Versetzung, weil sie keine Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz bedinge und zu keiner Verschlechterung der Entgeltbedingungen führe.

Die beklagte Partei beantragte die Zurückweisung des Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges, hilfsweise die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ersetzung ihrer Zustimmung durch das Gericht widerspreche dem Grundsatz der Gewaltentrennung. Die Versetzung sei im Übrigen verschlechternd, sachlich nicht gerechtfertigt und durch die Bestimmungen des BDG nicht gedeckt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte die Zulässigkeit des Rechtsweges und ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass eine Kumulierung des öffentlich-rechtlichen und des privatrechtlichen Versetzungsschutzes nicht möglich sei und dass § 101 ArbVG daher nicht zur Anwendung kommen könne. Die begehrte Ersetzung der Zustimmung der beklagten Partei zur Versetzung sei somit nicht erforderlich, sodass das darauf gerichtete Begehren abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es sich bei der hier zu klärenden Frage um eine wesentliche Rechtsfrage handle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig. Der Oberste Gerichtshof hat sich zwar in seiner Entscheidung 9 ObA 56/03f mit der hier zu lösenden Rechtsfrage auseinandergesetzt; diese Entscheidung, die erst in allerjüngster Zeit ergangen ist, ist aber noch nicht veröffentlicht und konnte den Parteien und den Vorinstanzen zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Urteils noch nicht bekannt sein.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Mit Art 27 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl I Nr 71/2003 ("Änderung des Poststrukturgesetzes"), wurde (mit Wirkung vom 20. August 2003) in § 17a PTSG nach dessen Absatz 9 folgender Absatz 9a eingefügt:

"9a Bei einer Versetzung oder der einer Versetzung gleichzuhaltenden Abberufung von nach § 17 Abs 1a zugewiesenen Beamten von ihrer bisherigen Verwendung (§§ 38 und 40 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979) hat das Personalvertretungsorgan nicht gemäß § 72 Abs 1 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes iVm § 101 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl Nr 22/1974, sondern gemäß § 72 Abs 3 des Post-Betriebsverfassungsgesetzes mitzuwirken. Der Abschluss von Betriebsvereinbarungen ist in diesen Angelegenheiten nicht zulässig."

In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (59 BlgNR 22. GP 93) wird dazu ausgeführt: "Das Post-Betriebsverfassungsgesetz sieht in seinem §§ 72 Abs 2 lit l (gemeint: Z 6 lit l) auch bei Versetzungen und Verwendungsänderungen von Beamten ein Zustimmungsrecht des Personalvertretungsorganes nach § 72 Abs 1 iVm § 101 ArbVG zur Wahrung der Belegschaftsinteressen vor. Die mangelnde Zustimmung des Personalvertretungsorganes zu verschlechternden Versetzungen und Verwendungsänderungen muss im Einzelfall nach § 101 ArbVG durch Urteil des Gerichts ersetzt werden, was eine erhebliche Verlängerung der Verfahrensdauer zur Folge hat. Da die den Unternehmen zur dauernden Dienstleistung zugewiesenen Beamten im Unterschied zu Arbeitnehmern der ausgegliederten Unternehmen absoluten Kündigungsschutz genießen und daher im Fall der Unmöglichkeit von Versetzungen nicht der Gefahr einer betriebsbedingten Kündigung ausgesetzt sind, soll dieses Zustimmungsrecht der Personalvertretung durch eine bei Versetzungen und Verwendungsänderungen von Beamten in der Bundesverwaltung vergleichbare Mitwirkung abgelöst werden. Die anstelle der Mitwirkung nach § 72 Abs 1 iVm § 101 ArbVG vorgesehene Anwendung des § 72 Abs 3 Post-Betriebsverfassungsgesetz soll bewirken, dass künftig beabsichtigte Versetzungen und Verwendungsänderungen von Beamten daher vor ihrer Durchführung rechtzeitig und eingehend mit der Personalvertretung zu verhandeln sein werden. Damit sollen in Hinkunft derartige Mobilitätsmaßnahmen bei Beamten unter Berücksichtigung der Belegschaftsinteressen in angemessener Zeit durchgeführt werden können. Um zu vermeiden, dass das neue Mitwirkungsrecht bei Versetzungen und Verwendungsänderungen von Beamten durch Abschluss einer nach § 72 Abs 3 Post-Betriebsverfassungsgesetz erzwingbaren Betriebsvereinbarung verändert wird, sollen Betriebsvereinbarungen in diesen Angelegenheiten gesetzlich ausgeschlossen werden."

Nach ständiger Rechtsprechung hat das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Insbesondere sind Änderungen des zwingenden Rechts, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von amtswegen seiner Entscheidung zugrunde zu legen, selbst wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor In-Kraft-Treten des neuen Rechts verwirklicht wurde (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 zu § 482; RIS-Justiz RS0031419; RIS-Justiz RS0106868; zuletzt 8 Ob 25/03i). Nach dieser Rechtsprechung ist auch auf die während des Revisionsverfahrens erfolge Änderung der Rechtslage durch das Budgetbegleitgesetz 2003 Bedacht zu nehmen, was für das Klagehauptbegehren (zum Eventualbegehren siehe unten) umso mehr gelten muss, als sich dieses Begehren auf die Zustimmung zu einer erst bevorstehenden Kündigung bezieht. Nach § 101 vorletzter Satz ArbVG wird mit der rechtsgestaltenden Entscheidung des Gerichts (Strasser/Jabornegg ArbVG3 Anm 22 zu § 101) nur die vom Betriebsrat nicht erteilte Zustimmung ersetzt. Daraus folgt aber, dass im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung durch das Gericht ein solches Zustimmungsrecht des Betriebsrates bestehen muss. Diese Möglichkeit ist im Hinblick auf die Einführung des Absatzes 9a in § 17a PTSG nicht mehr gegeben, weil die von den klagenden Parteien beabsichtigte Maßnahme nicht mehr der Mitwirkung iSd § 101 ArbVG unterliegt. Damit entbehrt das auf Ersetzung der Zustimmung des Personalausschusses zur zukünftigen Versetzung eines Beamten gerichtete Klagebegehren einer Rechtsgrundlage. Auf die (mittlerweile überholten) Argumente der Revisionswerberinnen ist daher nicht mehr einzugehen ist (so bereits 9 ObA 56/03f).

Das Eventualbegehren ist in jedem Fall - selbst auf der Grundlage der alten Rechtslage - verfehlt, weil die nachträgliche Zustimmung der Belegschaftsvertretung zu einer bereits vollzogenen Versetzung jedenfalls unwirksam wäre (SZ 70/62; Cerny in ArbVG III2, 249 mwN), sodass auch die Ersetzung einer Zustimmung zu einer bereits vollzogenen Versetzung nicht in Frage kommt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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