European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00096.15X.0708.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
1. Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung die Zahlung von 14.158,18 EUR sA und erhob ein Feststellungsbegehren.
Der in der außerordentlichen Revision angestrebte Zuspruch von 14.958,18 EUR sA überschreitet das eingeklagte Zahlungsbegehren und verstößt gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO). Zur Berechtigung des Feststellungsbegehrens enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen, sodass darauf nicht eingegangen werden braucht.
Rechtliche Beurteilung
2. Im Amtshaftungsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0049955 [T2]; RS0050216 [T7]; vgl RS0049951 [T4]) nicht wie im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die Entscheidung richtig ist, sondern ob sie auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruht. Diese Prüfung begründet nur im Fall einer auffallenden Fehlbeurteilung eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0049955 [T10]). Ein solcher Fehler kann dem Berufungsgericht, das das Vorliegen einer unvertretbaren Rechtsauffassung verneinte, nicht vorgeworfen werden.
3. Im Anlassverfahren verpflichtete das Berufungsgericht die Klägerin und den Leiter ihrer Rechtsabteilung gegenüber einem Rechtsanwalt zum Widerruf und zur weiteren Unterlassung der Behauptung, die Klagsführung in einem bestimmten Gerichtsverfahren sei nicht im Rahmen der einzuhaltenden Sorgfaltspflicht erfolgt. Es gelangte unter Bezugnahme auf zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum Ergebnis, dass der vom Rechtsanwalt als Rechtsvertreter zum Zeitpunkt der Klagseinbringung eingenommene Rechtsstandpunkt mit guten Gründen vertretbar gewesen und der ihm gegenüber erhobene Vorwurf einer sorgfaltswidrigen Klagsführung unberechtigt sei.
Im Amtshaftungsverfahren ist unstrittig, dass sich der Vorwurf gegen den Rechtsanwalt richtete.
Die Beurteilung im nunmehr angefochtenen Urteil, dass diese Rechtsmeinung vertretbar sei, weil sie weder von einer klaren Rechtslage noch einer ständigen Rechtsprechung zur Vertretbarkeit anwaltlichen Handelns abgewichen sei, ist nicht zu beanstanden. Entgegen der (bloßen) Behauptung der Klägerin besteht zwischen Mit‑ und Wohnungseigentümern hinsichtlich des Begehrens auf Ersatz des Deckungskapitals für die Sanierung von Mängeln an allgemeinen Teilen eines Hauses keine unterschiedliche Rechtslage (vgl zur nunmehr gefestigten jüngeren Rechtsprechung RIS‑Justiz RS0013214 [T8, T10, T11]; RS0013213 [T12, T16]; RS0017118 [T4, T6, T8]).
4. Soweit die Klägerin darzulegen versucht, dass sie die Unwahrheit der Äußerung nicht kennen habe müssen und damit die fahrlässige Unkenntnis in Abrede stellt, übersieht sie, dass es darauf für den Unterlassungsanspruch im Anlassverfahren nicht ankam. Der Anspruch auf Unterlassung der weiteren Verbreitung einer herabsetzenden Äußerung ist verschuldensunabhängig, ist doch allein schon die Rufgefährdung durch objektiv unwahre Behauptungen von der Rechtsordnung verpönt (6 Ob 235/02f mwN; RIS‑Justiz RS0031666 [T1]). Hingegen ist der Anspruch auf Widerruf nach § 1330 Abs 2 Satz 2 ABGB verschuldensabhängig (RIS‑Justiz RS0031859; RS0107663 [T5]; 6 Ob 235/02f mwN; vgl RS0031775 [T1, T3]). Wenn das Berufungsgericht im Anlassprozess (implizit) davon ausging, dass die Klägerin und ihr Mitarbeiter als Verbreiter der unwahren Behauptung wissen mussten, dass diese unrichtig war, ist dies im Einzelfall vertretbar. Die kaum verständlichen Ausführungen zur angeblich fehlenden Deckung des Klagebegehrens im Eigentümerbeschluss hat der Oberste Gerichtshof im damaligen Verfahren mit näherer Begründung bereits als verfehlt bezeichnet (5 Ob 207/10t [Punkt 2.6.]). Dass der Rechtsanwalt die Neuerrichtungskosten „ohne nähere Erklärung“ eingeklagt hätte, wurde im Anlassverfahren gar nicht behauptet.
5. Die Klägerin erstattete die inkriminierte Äußerung als Verwalterin einer größeren Liegenschaft in einem an alle Miteigentümer gerichteten Schreiben. Grundsätzlich ist eine Mitteilung schon dann öffentlich, wenn sie nur einer einzigen vom Täter und vom Verletzten verschiedenen Person zur Kenntnis gelangt (6 Ob 50/01g = RIS‑Justiz RS0102047 [T1]) und keine Gewähr besteht, dass der Empfänger die Mitteilung vertraulich behandeln werde (RIS‑Justiz RS0032413 [T1]; vgl RS0031906). Die Klägerin vermag nicht aufzuzeigen, dass sie im Sinn des § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB ihre Mitteilung an sämtliche Miteigentümer nicht öffentlich vorbrachte.
6. Wenn sie letzlich eine Kreditschädigung des Rechtsanwalts in Abrede stellt, ist darauf zu verweisen, dass § 1330 Abs 2 ABGB nicht verlangt, dass eine tatsächliche Schädigung des Kredits, des Erwerbs oder des Fortkommens eingetreten ist, sondern es genügt die bloße „Gefährdung“ (RIS‑Justiz RS0031913 [T1]; 3 Ob 34/95 = RS0031804 [T2]; RS0032294). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Anlassfall, der erhobene Vorwurf sei geeignet, den Ruf des Rechtsanwalts zu gefährden, folgt dieser Rechtsprechung.
7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)