European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00005.15T.0428.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Verfolgungsvorbehalt nach § 263 StPO enthält, wurde Gerhard B***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall und 15 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von August 2008 bis 14. Dezember 2008 in Wien im einverständlichen Zusammenwirken mit gesondert verfolgten Mittätern (§ 12 StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in 284 Angriffen andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich darüber, dass sie bereits sichere Gewinner eines hohen ausgelobten Bargeldbetrags in einem von einer dem Angeklagten zuzurechnenden Gesellschaft veranstalteten Gewinnspiel seien, dass die Überweisung oder Einzahlung von „Expresszahlungs‑“, „Expressausfolgungs‑“, „Sofortzuweisungs‑“, „Sofortbearbeitungs‑“, „Bearbeitungs‑“ und ähnlich bezeichneten Gebühren zur (früheren) Erlangung oder zur Sicherung dieses bereits feststehenden Gewinns notwendig sei, dass die betreffende Gesellschaft sämtliche in den jeweiligen Gewinnzusendungen angeführten Gewinnbeträge auch tatsächlich und in voller Höhe an die jeweiligen Empfänger der Gewinnzusendungen auszahlen würde sowie, dass jene Gewinnspiele, bei denen jedem einzelnen Gewinnspielteilnehmer eine Gewinnchance von 1:1.000.000 zugesagt wurde („MIO‑Gewinnspiele“), den Teilnahmebedingungen entsprechend abgewickelt werden würden, obwohl die den Gewinnspielteilnehmern übermittelten Teilnahmebedingungen tatsächlich nicht eingehalten wurden und die Durchführung der Spiele manipuliert wurde, sodass die Gewinnspielteilnehmer keine Chance auf einen Gewinn hatten, zu Handlungen, die sie in folgender Höhe am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, nämlich zur Überweisung von Beträgen in der Höhe von jeweils 10 Euro bis 100 Euro auf ein Konto der vom Angeklagten geführten W***** GmbH, wobei er durch die Tat einen insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er „Gewinnbenachrichtigungen“ entsprechenden Inhalts konzipierte, verfasste und sodann im Namen der jeweiligen Gesellschaft an eine - insgesamt eine Million übersteigende - Vielzahl von Personen aussandte oder aussenden ließ, aufgrund welcher Gewinnzusendungen insgesamt 15.391 Überweisungen von Geldbeträgen in Höhe von zusammen 761.523,80 Euro geleistet wurden,
(I) verleitet, nämlich durch die wie folgt datierten ‑ im Ersturteil durch Angabe der jeweiligen „Kampagnennummer“ näher bezeichneten ‑ Gewinnzu-sendungen, aufgrund derer jeweils zahlreiche Personen Überweisungen von Geldbeträgen leisteten, Nachgenannte jeweils zur Einzahlung von 50 Euro, und zwar
(1) mit 24. September 2008 unter anderem Christa H*****;
(2) mit 10. Oktober 2008 unter anderem Maria He*****;
(3) mit 15. Oktober 2008 unter anderem Klothilde Ho***** und Berta U*****;
(4) mit 22. Oktober 2008 unter anderem Berta U*****;
(5) mit 31. Oktober 2008 unter anderem Berta U*****;
(6) mit 4. November 2008 unter anderem Christa H*****, Theresia M***** und Berta U*****;
(7) mit 6. November 2008 unter anderem Klothilde Ho*****;
(8) mit 25. November 2008 unter anderem Marianne Bu*****;
(9) mit 27. November 2008 unter anderem Christa H*****;
(10) mit 2. Dezember 2008 unter anderem Klothilde Ho*****;
(11) mit 4. Dezember 2008 unter anderem Josef Hei*****;
(II) zu verleiten versucht, nämlich in 273 weiteren, nicht vom Schuldspruch I erfassten Angriffen, in Ansehung derer entweder keiner der Empfänger der betreffenden Gewinnzusendungen eine Zahlung leistete oder ein für daraufhin geleistete Zahlungen kausaler, täuschungsbedingter Irrtum nicht feststellbar war.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Der bereits im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beigezogene Sachverständige aus dem Fach der Informationstechnik wurde auch (im Hauptverfahren) durch das Schöffengericht bestellt, wovon der Angeklagte eingangs der Hauptverhandlung am 26. Mai 2014 durch Ausfolgung einer Ausfertigung der Bestellung (§ 126 Abs 3 letzter Satz StPO idF BGBl I 2009/52) an seinen Verteidiger in Kenntnis gesetzt wurde (ON 3218 S 2). Nachdem umfangreiche Beweisaufnahmen im Beisein des Sachverständigen durchgeführt worden waren (ON 3218, ON 3219, ON 3221) und dieser sein Gutachten bereits erstattet hatte (ON 3454 S 3 ff), beantragte der Angeklagte ‑ während der Erörterung des Gutachtens ‑ in der Hauptverhandlung am 10. Oktober 2014 die „Weiterbestellung [sic!] des SV durch das Gericht, weil der SV von der StA beauftragt wurde“ und es „nach neuester Rechtsprechung des OGH“ „nicht mehr zulässig“ sei, „den SV vom Gericht zu nehmen“ (ON 3454 S 10). Diesen „Antrag auf Befangenheit des SV“ hielt der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung am 13. Oktober 2014 mit der (weiteren) Begründung „aufrecht“, es liege ein „Naheverhältnis zur StA“ vor, das einer objektiven Gutachtenserstattung entgegenstehe (ON 3460 S 43).
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4), die sich (inhaltlich) auf Befangenheit des Sachverständigen aus dem sinngemäß geltenden (§ 126 Abs 4 erster Satz StPO) Grund des § 47 Abs 1 Z 3 StPO beruft, wurden durch die Abweisung dieses Antrags Verteidigungsrechte nicht geschmälert:
Das Vorkommen eines Beweismittels kann ‑ abgesehen von hier nicht relevanten Fällen des § 281 Abs 1 Z 2 und 3 StPO ‑ nur nach rechtzeitiger Antragstellung an das Schöffengericht, die Beweisaufnahme zu unterlassen, erfolgversprechend aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO gerügt werden (RIS-Justiz RS0113618). Rechtzeitig ist ein solcher Antrag nur, wenn er vor Beginn der Beweisaufnahme gestellt wird, es sei denn, der Antragsteller wäre daran gehindert gewesen (vgl [zur Rügeobliegenheit der Z 2] Ratz , WK-StPO § 281 Rz 191). Im Fall der Beiziehung eines Sachverständigen zur Hauptverhandlung besteht die Beweisaufnahme - außer dem Fall des § 252 Abs 1 StPO - in dessen Vernehmung (RIS‑Justiz RS0115712 [T7]).
Ein ‑ wie hier ‑ erst nach Beginn der Befragung des Sachverständigen gestellter, auf den Anschein von Befangenheit gestützter Enthebungsantrag könnte daher - unabhängig von der im Rechtsmittel aufgeworfenen Frage der Verfassungsgemäßheit des § 126 Abs 4 letzter Satz StPO idF BGBl I 2004/19 unter dem Aspekt des Art 6 Abs 3 lit d zweiter Fall MRK (dazu VfGH 10. 3. 2015, G 180/2014, G 216/2014, G 232/2014, G 42/2015, G 77/2015) ‑ die (weitere) Beweisaufnahme nur dann hindern, wenn er nicht früher hätte erhoben werden können (15 Os 52/14g [15 Os 53/14d]; siehe auch Hinterhofer , WK-StPO § 126 Rz 64; vgl RIS-Justiz RS0115712, RS0106259).
Diesem Erfordernis aber wird der vorliegende „Befangenheitsantrag“ nicht gerecht, stützt er sich doch bloß auf solche tatsächlichen Umstände (Vorbefasstheit im Ermittlungsverfahren im Auftrag der Staatsanwaltschaft), die schon vor der (keineswegs unangekündigten) Beiziehung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung bekannt waren.
Im Übrigen entsprach das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung (Antrag auf „Weiterbestellung“ des Sachverständigen mit der Begründung dessen behaupteter Befangenheit) ohnedies nicht den Kriterien prozessordnungskonformer Antragstellung, weil es gar kein deutlich und bestimmt formuliertes Begehren enthält (RIS-Justiz RS0118060; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 311), das eine Entscheidungspflicht des Gerichts hätte auslösen können.
Auch die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf (gemeint: Vernehmung von) „2.200 Zeugen“, die „als Beilage ./7 zur schriftlichen Gegenäußerung zur Anklageschrift angeführt sind“, „im Tatzeitraum an Gewinnspielen teilgenommen“ und „Werbemittel eindeutig dahingehend verstanden“ haben, „Gewinnchancen zu erhalten“ (ON 3353 S 10 f), sowie auf „Einvernahme sämtlicher in der Faktentabelle von der StA angeführten Zeugen“ zum Beweis dafür, dass „niemand getäuscht wurde“ und sie „niemals geglaubt“ haben, einen Geldbetrag zu erhalten, wenn sie „eine Expressgebühr bezahlen“ oder „an einem Gewinnspiel nur teilnehmen dürfen, wenn sie die 50 Euro einzahlen“ (ON 3400 S 62), verfielen zu Recht der Ablehnung. Denn diese (teils ohnedies befragten) Personen hätten - auch nach dem Antragsvorbringen - nur darüber Auskunft geben können, welchen Bedeutungsgehalt sie (selbst) den ihnen zugegangenen Aussendungen unterlegten und ob sie (selbst) dadurch in die Irre geführt wurden; ein ‑ mangels Erfordernisses des Gelingens der Täuschung für die Strafbarkeit nach (§ 15 iVm) § 146 StGB keineswegs offenkundiger ‑ Konnex des genannten Beweisthemas zu einem für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 321) wurde damit nicht hergestellt.
Ebensowenig konnte - entgegen der weiteren Rüge - die Abweisung des Antrags auf „ein Gutachten über die Branchenüblichkeit von Werbemitteln“ zum Beweis dafür, „dass die vom Angeklagten eingesetzten Werbemittel keine Täuschung beinhalten und branchenüblich sind“ (ON 3353 S 9 f), Verteidigungsrechte verkürzen. Dass nämlich das Ergebnis des angestrebten Vergleichs von Aussendungen des Angeklagten mit „Konkurrenzwerbemitteln“ geeignet gewesen wäre, den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache zu beeinflussen (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321, 340 f), wurde im Antrag nicht einmal behauptet. Über die Beurteilung der Täuschungstauglichkeit der betreffenden „Gewinnzusendungen“ hinwieder hatte von vornherein keine Beweisaufnahme stattzufinden, weil es sich dabei um eine Rechtsfrage handelt (RIS-Justiz RS0099342).
Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung der Anträge sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).
Mit Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und an der Begründung des die Anträge abweisenden Beschlusses orientiert sich das Rechtsmittel gleichfalls nicht am Prüfungsmaßstab des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0116749; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 318).
Die von der Beschwerde (nominell insoweit Z 5a, inhaltlich auch Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite finden sich auf US 76 bis 78. Die Tatrichter stützten sie (unter Verwerfung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten als unglaubwürdig) ‑ ohne Verstoß gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte, sohin willkürfrei ‑ auf eine vernetzte Betrachtung der Verfahrensergebnisse (US 114 bis 142).
Den (zudem ohne konkreten Aktenbezug; vgl RIS‑Justiz RS0124172) als unerörtert (Z 5 zweiter Fall) reklamierten ‑ indes Rechtsfragen betreffenden ‑ Schluss-folgerungen verschiedener vom Angeklagten beauftragter Privatgutachter maß das Erstgericht zu Recht keine strafprozessuale Bedeutung bei ( Hinterhofer , WK-StPO § 125 Rz 18 f und 25 ff; Kirchbacher , WK-StPO § 252 Rz 40 f; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 351, je mit Verweisen auf die ständige Rechtsprechung).
Dass sich der Beschwerdeführer von zahlreichen rechtskundigen Personen beraten ließ, die sein Verhalten als nicht tatbildlich im Sinn des § 146 StGB beurteilten, hinwieder hat das Erstgericht ‑ entgegen der darauf bezogenen Rechtsmittelkritik (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) ‑ gar wohl erwogen und eingehend begründet, weshalb es dennoch davon ausging, dass der Angeklagte sich der Unrechtmäßigkeit seiner Taten bewusst war und solche Maßnahmen bloß ergriff, um sich den Anschein der Seriosität und Gesetzestreue zu verleihen und dadurch einer Strafverfolgung zu entgehen (US 124 bis 135).
Indem der Nichtigkeitswerber aufgrund ‑ losgelöst vom Akteninhalt ‑ eigenständig entwickelter Beweiswerterwägungen („kann […] nicht vorgeworfen werden“; „kein taugliches Argument“) davon abweichende Schlüsse zieht, greift er nur unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts an. Damit gelingt es ihm weder, einen formellen Begründungsmangel (Z 5) aufzuzeigen, noch, auf Aktenbasis beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (Z 5a) zu wecken.
Welche konkreten ‑ vom Erstgericht nicht ohnehin berücksichtigten (siehe US 125 f, 133 f) ‑ Teile der Aussagen der Zeugen Dr. Michael Wu***** und Univ.‑Prof. Dr. Peter Sch***** welchen Feststellungen über entscheidende Tatsachen aus welchem Grund erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstünden und inwiefern letztere zudem „aktenwidrig“ (Z 5 letzter Fall) referiert worden sein soll, sagt die Beschwerde nicht.
Die unter dem Aspekt der Z 5 dritter Fall geübte Kritik an (bloß) für die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung maßgeblichen (vgl Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 17, 46), demnach nur Strafzumessungstatsachen betreffenden (RIS-Justiz RS0122138; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 398) Konstatierungen zum Gelingen einer Täuschung von im Urteilstenor (Schuldspruch I) nicht namentlich genannten Opfern versäumt das Herstellen eines Bezugs zu einer entscheidenden, nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen Tatsache ‑ nur dann könnte der geltend gemachte (formelle) Nichtigkeitsgrund vorliegen ( Fabrizy , StPO 12 § 281 Rz 48).
Zwischen den ‑ im Urteil wiedergegebenen (US 38 bis 70) ‑ Texten von Aussendungen des Beschwerdeführers und der Feststellung, mit deren Schriftbild, deren „offizieller Aufmachung“ sowie deren „Sicherheit vermittelnder Formulierung“ unter „mehrfacher Betonung der hohen Geldbeträge“ sollte ‑ vom Vorsatz des Angeklagten getragen (US 25) ‑ dem Leser wahrheitswidrig „suggeriert“ werden, er „müsse bzw solle die Gebühr auf Grund eines bereits eingetretenen Gewinns zahlen“ und würde diesen „dann (früher) erhalten“ (US 71), besteht ebensowenig ein Widerspruch (Z 5 dritter Fall) wie zwischen dieser und der Annahme, nicht alle Adressaten hätten sich davon täuschen lassen (US 76).
Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht (auch) die Bekundungen der Zeugen Manfred E*****, Claudia V*****, Mariola L*****, Camilla Ma*****, Brunhilde Qu*****, Franz Mü***** und Klaus K***** einer ‑ eingehenden ‑ Würdigung unterzogen (US 89 bis 100). Soweit der Beschwerdeführer einzelne Passagen dieser Aussagen isoliert hervorkehrt und auf deren Grundlage die ‑ vom Schöffengericht jedoch mängelfrei (schon) aus Erscheinungsbild und Wortlaut der betreffenden Texte abgeleiteten (US 89 f) ‑ Feststellungen zum Bedeutungsgehalt der Aussendungen des Angeklagten bezweifelt, nimmt er nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370), sondern bekämpft (abermals) die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet sich gegen die (rechtliche) Annahme der Täuschungstauglichkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Aussendungen. Indem sie dabei von den zu deren Bedeutungsinhalt getroffenen Feststellungen (US 71 f) abweicht und diese beweiswürdigend durch eigene Auffassungen ersetzt, bringt sie den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0099810).
Für den Täuschungsbegriff des § 146 StGB ist es im Übrigen nicht von Bedeutung, inwieweit ein zur Irreführung abstrakt geeignetes Verhalten vom Getäuschten durch entsprechende und allenfalls sogar gebotene Aufmerksamkeit durchschaubar gewesen wäre. Tatbildlich ist vielmehr jede unwahre Behauptung. Weder (allfällige) Erkennbarkeit der wahren Sachlage noch Nachlässigkeit oder Leichtgläubigkeit des Tatopfers schließen eine Täuschung aus ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 17; RIS-Justiz RS0106200, zuletzt 11 Os 108/13m in dieser Strafsache).
Nach den Feststellungen des Schöffengerichts enthielt ein Teil der von den Schuldsprüchen erfassten Aussendungen die Erklärung einer „Geld-zurück-Garantie“. War dies der Fall, so erstattete der Angeklagte einem Adressaten, der daraufhin Zahlung geleistet hatte, den entsprechenden Betrag in der Regel ‑ aber nicht immer ‑ zurück, wenn er vom betreffenden Opfer dazu aufgefordert worden war (US 79, 122 f, 143 ff). Außerdem übersandte der Angeklagte Personen, die aufgrund seiner „Gewinnzusendungen“ Einzahlungen geleistet hatten, in der Regel - aber nicht immer - einen Gutschein für eine Reise im angegebenen Wert von 400 oder 500 Euro. Diese Reisegutscheine, zu deren Einlösung noch weitere Gebühren zu zahlen und zahlreiche Buchungsschritte vorzunehmen gewesen wären, waren - vom Willen des Angeklagten umfasst ‑ nicht nur schwierig als solche zu erkennen, sondern auch für nur wenige der Empfänger von Nutzen (US 25, 77, 78 f, 116 ff).
Weshalb diese Umstände den Eintritt eines Vermögensschadens im Sinn des § 146 StGB ausgeschlossen haben sollten, macht die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar.
Hinzugefügt sei, dass auch eine vorübergehende - hier schon mit Zahlung der jeweiligen „Gebühr“ entstandene ‑ Vermögensminderung dieses Tatbestandsmerk-mal erfüllt (RIS-Justiz RS0094383), deren späterem Ausgleich daher nur der Charakter einer Schadensgutmachung zukommt, und ein Schaden in voller Höhe der irrtumsbedingten Leistung auch dann eintritt, wenn der Täter zwar eine ‑ im (hier überdies gar nicht gegebenen) Austauschverhältnis dazu stehende ‑ Gegenleistung erbringt, diese jedoch unter Beachtung opferbezogener Faktoren aus wirtschaftlicher Sicht wertlos ist (RIS-Justiz RS0119371; zum Ganzen Kirchbacher in WK 2 StGB § 146 Rz 74, 82).
Im Übrigen bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass tätige Reue (§ 167 StGB) vorliegend schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Faktenmehrheit nach den Urteilskonstatierungen (US 25 f, 151) auf einem einheitlichen Willensentschluss des Angeklagten beruhte (dazu Kirchbacher in WK 2 StGB § 167 Rz 68 ff) und eine Gutmachung des Gesamtschadens nicht erfolgte (US 145).
Mit der Behauptung, weitere (außerhalb des hier angenommenen Tatzeitraums verschickte) Aussendungen des Angeklagten, derentwegen er in Deutschland mit dem Ergebnis des Freispruchs oder diversioneller Erledigung strafrechtlich verfolgt worden sei (US 79 unten f; US 137 ff, 152 ff), hätten mit den vom Schuldspruch erfassten inhaltlich „im Wesentlichen“ übereingestimmt und seien mit gleichlautenden Teilnahmebedingungen versehen gewesen wie diese, argumentiert das ‑ einen Verstoß gegen das Verbot wiederholter Strafverfolgung (Art 54 SDÜ) reklamierende ‑ weitere Beschwerdevorbringen (Z 9 lit b) nicht auf Basis der Feststellungen des Erstgerichts und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810, RS0118580 [T15]).
Der aus jener prozessordnungswidrigen Ergänzung des Urteilssachverhalts gezogene rechtliche Schluss, all diese Massenaussendungen des Angeklagten seien insgesamt als eine ‑ einzige ‑ Tat im Sinn des Art 54 SDÜ („ne bis in idem“) anzusehen, trifft im Übrigen nicht zu:
Eine idente Tat („idem“) liegt vor, wenn den Verfahren bzw Entscheidungen (nicht der gleiche, sondern) derselbe historische Lebenssachverhalt zugrunde liegt. Als Beurteilungskriterien sind Tatzeit, Tatort, Gegenstand der Tat, Tathandlung, Täter, Tatopfer sowie verursachter oder beabsichtigter Erfolg heranzuziehen. Dabei darf ein Komplex von Tatsachen, die ihrer Natur nach unlösbar miteinander verbunden sind und in räumlicher und zeitlicher Hinsicht übereinstimmen, nicht in künstlich voneinander getrennte Handlungen aufgeteilt werden. Die Beurteilung der Frage, ob es sich um einen identen Sachverhalt handelt, obliegt grundsätzlich den nationalen Behörden und Gerichten (EuGH 9. 3. 2006, C‑436/04, Van Esbroeck ; EuGH 28. 9. 2006, C‑467/04, Gasparini ua ; EuGH 28. 9. 2006, C-150/05 , Van Straaten ; EuGH 18. 7. 2007, C-288/05 , Kretzinger ; EuGH 18. 7. 2007, C-367/05 , Kraaijenbrink ; vgl RIS-Justiz RS0117954; 11 Os 73/13i).
Vorliegend wurden in einer Vielzahl von Angriffen „Gewinnbenachrichtigungen“ jeweils in ‑ zeitlich und sachlich klar voneinander abgrenzbaren ‑ Massen-sendungen verschickt. Durch diese wurde jeweils uno actu (oder in kurzer zeitlicher Abfolge) bei einheitlicher Motivationslage der Betrugstatbestand vielfach verwirklicht, sodass sie als tatbestandliche Handlungseinheiten im weiteren Sinn ( Ratz in WK 2 StGB Vor §§ 28 bis 31 Rz 88 f) und damit als jeweils eine (demnach auch von allen außerhalb des im Schuldspruch genannten Zeitraums begangenen, gleichartigen Handlungen des Angeklagten zu unterscheidende) Tat anzusehen sind ( Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 7; vgl 11 Os 108/13m).
Weshalb ein ‑ die Verfolgung wegen dieser (jedenfalls auch) im Inland begangenen Taten hindernder ‑ Strafanklageverbrauch dadurch eingetreten sein soll, dass der Angeklagte aus anderen Gründen (hier: Eintritt von Verjährung der Strafbarkeit nach deutschem Recht) als „rechtskräftiger Aburteilung“ (Art 54 SDÜ) wegen derselben im Ausland nicht (mehr) verfolgt werden darf, leitet die Rüge (Z 9 lit b) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).
Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass Art 54 SDÜ im Hinblick auf eine Verfahrenseinstellung ‑ wie das Erstgericht zutreffend erkannte ‑ dann keine Sperrwirkung entfaltet, wenn sie nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie erfolgte, kein Hindernis für eine neue Strafverfolgung wegen derselben Tat darstellt (RIS-Justiz RS0125413). Genau dies trifft auf das Absehen von der Verfolgung wegen Geringfügigkeit (§ 153 Abs 1 dStPO) und bei Auslandstaten (§ 153c dStPO), das teilweise Absehen von der Verfolgung bei mehreren Taten (§ 154 Abs 1 dStPO), die vorläufige Einstellung des Verfahrens bei Hindernissen in der Person des Beschuldigten (§ 154f dStPO), die Einstellung des Verfahrens (§ 170 Abs 2 dStPO) und die Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen (§ 205 dStPO) in verschiedenen, von deutschen Staatsanwaltschaften geführten Verfahren wegen einzelner (Teilakte) der vom Schuldspruch erfassten, (jedenfalls auch) im Inland begangenen (§ 62 StGB) Taten (US 79 f) zu ( Löwe-Rosenberg , GK-StPO 26 / Beulke § 153 Rn 88, § 153c Rn 35, § 154 Rn 51; Graalmann-Scheerer § 170 Rn 50; Stuckenberg § 205 Rn 40; Hannich , KK-StPO 7 / Diemer § 153 Rn 26; § 154f Rn 1; Moldenhauer § 170 Rn 23; Schneider § 205 Rn 20; Wolter , SK‑StPO 4 / Weßlau § 135 Rn 43; § 153c Rn 32; § 154 Rn 29; § 154f Rn 2; Wohlers § 170 Rn 61; SK-StPO 5 / Paeffgen § 205 Rn 2 je mwN). Die genannten Verfahrensschritte begründen daher keine Sperrwirkung, mag auch die Strafbarkeit des betreffenden Verhaltens nach deutschem Recht inzwischen verjährt sein (12 Os 23/04).
Indem das „zur Frage der Abschöpfung (§ 281 Abs 1 Z 5, Z 5a, Z 9 lit a)“ erstattete Rechtsmittelvorbringen den Eintritt eines Vermögensvorteils durch die Tatbegehung ‑ urteilskonträr ‑ bestreitet und den Abzug der „gesamten fixen und variablen Kosten des Unternehmens, die zur Erstellung der Werbemittel notwendig waren“, vom festgesetzten Abschöpfungsbetrag reklamiert, ohne die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage (Z 11) prozessförmig aufzuzeigen, macht es der Sache nach bloß Berufungsargumente geltend (vgl § 290 Abs 1 dritter Satz StPO).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Bleibt anzumerken, dass das auf § 20 StGB idF BGBl I 2002/134 gestützte Abschöpfungser-kenntnis ‑ abgesehen davon, dass Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit dieser vermögensrechtlichen Anordnung (§ 20a Abs 2 Z 3 StGB aF) im Ersturteil gänzlich fehlen ‑ gegen den Angeklagten erging, obwohl der betreffende Vermögensvorteil nach den Feststellungen unmittelbar (nicht dem Rechtsmittelwerber selbst, sondern) der W***** GmbH zugeflossen war (US 73; zur Abschöpfung bei Dritten nach alter Rechtslage Fuchs/Tipold in WK 2 StGB [2007] § 20 Rz 112 ff; 11 Os 13/11p). Amtswegiger Wahrnehmung darin gelegener Nichtigkeit (Z 11; RIS-Justiz RS0114233) bedarf es jedoch nicht, weil die Behebung des in der rechtsfehlerhaften Abschöpfung bestehenden Nachteils für den Angeklagten dem - zur Erledigung der (auch gegen den Ausspruch der Abschöpfung der Bereicherung angemeldeten, ON 3468) Berufung des Angeklagten sowie jener der Staatsanwaltschaft zuständigen (§ 285i StPO) ‑ Oberlandesgericht überlassen bleiben kann ( Ratz , WK-StPO § 285i Rz 6, § 290 Rz 29).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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