OGH 11Os14/15s

OGH11Os14/15s13.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andrzej S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall; 15 StGB, AZ 31 HR 543/14v des Landesgerichts Innsbruck (im Ermittlungsverfahren AZ 10 St 294/14m der Staatsanwaltschaft Innsbruck), über die Grundrechtsbeschwerden des Andrzej S***** vom 26. Jänner 2015 (ON 119 und 120 der Ermittlungsakten) gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2015, AZ 11 Bs 1/15g und 11 Bs 8/15m (ON 55 und 56), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Andrzej S***** wurde

1./ durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2015, AZ 11 Bs 8/15m (ON 55) im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

2./ durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2015, AZ 11 Bs 1/15g (ON 56) im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde zu Punkt 2./ wird abgewiesen.

Die angefochtenen Beschlüsse werden nicht aufgehoben.

Dem Bund wird zu Punkt 1./ der Ersatz der Beschwerdekosten von 800 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Am 6. Dezember 2014 wurde der polnische Staatsangehörige Andrzej S***** bei S***** mit einem Anfang August 2014 in Deutschland gestohlenen PKW betreten, in welchem er sich durch Flucht einer polizeilichen Verkehrskontrolle zu entziehen trachtete. Die Polizeibeamten nahmen ihn aus eigener Macht fest. Durch einen im Fahrzeug aufgefundenen Mietvertrag wurde bekannt, dass der Genannte Mieter einer Garage in Niederösterreich war. Im Fahrzeug und in der Garage wurde eine große Menge an augenscheinlichem Diebsgut und spezialisiertem Einbruchswerkzeug gefunden. Ein Teil dieser Gegenstände konnte in Österreich begangenen Einbruchsdiebstählen zugeordnet werden. Aufgrund einer Personenfahndung zur Festnahme wegen „Rückkehr nach vorläufigem Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbots“ für das Vollzugsgericht Salzburg wurde S***** nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft von der Polizei gemäß § 133a Abs 5 letzter Satz StPO zum Zweck der Fortsetzung der Strafhaft zum Verfahren AZ 34 Hv 42/09t (AZ 46 BE 106/10t) des Landesgerichts Salzburg in die Justizanstalt Innsbruck eingeliefert und von dort in die Justizanstalt Salzburg überstellt.

In dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck inzwischen zu AZ 10 St 294/14m geführten Ermittlungsverfahren wurde Andrzej S***** am 18. Dezember 2014 unmittelbar im Anschluss an die zum oben bezeichneten Verfahren des Landesgerichts Salzburg vollzogene Strafhaft aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 17. Dezember 2014 durch die Justizwache der Justizanstalt Salzburg festgenommen und weiter angehalten. Nach Überstellung in die Justizanstalt Innsbruck wurde über ihn aufgrund eines Antrags der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 19. Dezember 2014 aus den Haftgründen der Flucht‑, Verdunkelungs‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt.

Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 12. Jänner 2015 (ON 55 und 56) erkannte das Oberlandesgericht Innsbruck über einen Schriftsatz samt (innerhalb der Beschwerdefrist nachgereichter; vgl RIS‑Justiz RS0114487 [T21]) Ergänzungen (ON 27, 28, 37), soweit er als Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung und damit verbundener, vom Beschwerdegericht zu erledigender (§ 106 Abs 2 StPO) Einspruch gegen deren Anordnung und Durchführung am 18. Dezember 2014 einerseits und als Beschwerde gegen die Verhängung der Untersuchungshaft am 19. Dezember 2014 (§ 87 StPO) andererseits aufzufassen war (ON 55 S 1, 6; ON 56 S 1, 3).

Der Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung vom 17. Dezember 2014 (ON 10 in ON 11) gab es nicht Folge, dem Einspruch gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft vom selben Tag an die Justizwache der Justizanstalt Salzburg und gegen die Durchführung dieser Anordnung am 18. Dezember 2014 durch die Justizwache gab es teilweise dahin statt, dass eine Verletzung im Grundrecht auf persönliche Freiheit durch Verletzung der §§ 18 Abs 2 und 3, 101 Abs 4 zweiter Satz, 102 Abs 1 erster Satz, 171 Abs 1 StPO festgestellt wurde, weil der Vollzug einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung nach dem Gesetz ausschließlich der Kriminalpolizei zukomme (vgl implizit schon 14 Os 150/01). Im Übrigen gab es dem Einspruch hinsichtlich weiterer behaupteter Gesetzesverletzungen im Zusammenhang mit der Verhaftung nicht Folge (AZ 11 Bs 8/15m, ON 55).

Der Beschwerde gegen den Beschluss auf Verhängung der Untersuchungshaft (ON 14) gab es mit der Maßgabe nicht Folge, dass der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 2 StPO zu entfallen habe. Gleichzeitig setzte das Oberlandesgericht seinerseits die über Andrzej S***** verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO fort (AZ 11 Bs 1/15g, ON 56).

Nach den Annahmen des Oberlandesgerichts Innsbruck im Haftfortsetzungsbeschluss (ON 56) steht Andrzej S***** im dringenden Verdacht, er habe nachgenannten Geschädigten fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und dabei in der Absicht gehandelt, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Diebstählen und Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen und zwar

1. am 21. Mai 2014 in H***** Gewahrsamsträgern der Firma T***** Wertgegenstände, wobei er Fenster aufzubrechen versuchte und die Tat infolge Entdeckung beim Versuch blieb;

2. zwischen 13. und 16. Juni 2014 in St. P***** Gewahrsamsträgern der Österreichischen M*****mbH (H***** St. P*****) Bargeld (2.250 Euro) und Sachen im Wert von insgesamt 2.540 Euro, wobei er ein Fenster und eine Tür zu einem Lagerraum aufbrach und einen vorgefundenen Tresor mittels eines mitgebrachten Schneidbrenners aufschnitt;

3. am 5. August 2014 in O***** Gewahrsamsträgern des G***** Bargeld, zwei „Apple I‑Pads“, eine externe Festplatte, einen Laptop, Sonnenbrillen, eine Wanduhr und Zigaretten im Gesamtwert von ca 5.410 Euro, wobei er mehrere Schubladen im Thekenbereich aufbrach;

4. in der Nacht zum 11. September 2014 in W***** Gewahrsamsträgern des H***** Bargeld, Schlüssel sowie eine „Mautkarte noch unbekannten Werts“, wobei er im Bereich der Rezeption Behältnisse aufbrach;

5. in der Nacht zum 13. September 2014 in Maierhof Gewahrsamsträgern des Go***** Golfkleidung, Bargeld, Schlüssel, Alkoholika und Sparbücher in Gesamtwert von ca 60.000 Euro, wobei er einen Schlosszylinder abdrehte sowie mehrere Türen und Behältnisse aufzwängte;

6. in der Nacht zum 17. September 2014 in St. U***** am P***** Gewahrsamsträgern des Ho***** eine digitale Spiegelreflexkamera, eine Digitalkamera, ein Beschriftungsgerät und weitere Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von ca 4.000 Euro, wobei er Schlosszylinder mehrerer Türen abdrehte und Schubladen aufbrach;

7. am 13. Oktober 2014 in E***** Gewahrsamsträgern des Gol***** Kleidung und Schuhe im Gesamtwert von ca 14.000 Euro, wobei er ein Fenster aufzwängte und mehrere Türen und Behältnisse aufbrach;

8. am 20. Oktober 2014 in W***** Gewahrsamsträgern der F***** F***** Glasschneider, Hebekissen, Pedalschneider und eine Wärmebildkamera im Gesamtwert von 40.000 Euro, wobei er dazu ein Fenster aufbrach und in das Gebäude einstieg.

In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses als hafttragend erachtete Verhalten dem Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall; 15 StGB.

Mit gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 12. Jänner 2015 (ON 55 und 56) gerichteten (sich inhaltlich teils überschneidenden) Grundrechtsbeschwerden vom 26. Jänner 2015 (ON 119 und 120) macht der Beschuldigte geltend, in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt worden zu sein.

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht dem Betroffenen wegen Verletzung dieses Grundrechts durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung nach Erschöpfung des Instanzenzugs (RIS‑Justiz RS0114487) die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu, wobei gemäß § 1 Abs 2 GRBG die Verhängung und der Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen vom Anwendungsbereich dieses Rechtsbehelfs ausgenommen sind. Das Grundrecht auf persönliche Freiheit ist nach § 2 Abs 1 GRBG insbesondere dann verletzt, wenn die Verhängung oder Aufrechterhaltung einer Haft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer einer Haft unverhältnismäßig geworden ist, die Voraussetzungen einer Haft, wie Tatverdacht oder Haftgründe, unrichtig beurteilt wurden oder sonst bei einer Festnahme oder Anhaltung das Gesetz unrichtig angewendet wurde (vgl 13 Os 88/08b).

Wird aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung die Untersuchungshaft verhängt, so ist der Haftbeschluss, nicht aber auch die gerichtliche Bewilligung der Festnahme Gegenstand der Anfechtung im Grundrechtsbeschwerdeverfahren (vgl zum Haftbefehl nach altem Recht 14 Os 171/95; 13 Os 103/96).

Bezugspunkt der Bekämpfung mit Grundrechtsbeschwerde ist überdies nicht die Haft als solche, sondern die letztinstanzliche Entscheidung über die Haftverhängung oder Haftfortsetzung nach Erschöpfung des Instanzenzugs (Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 46 f; RIS‑Justiz RS0061004 [T5]; RS0061078).

I./ Zur Grundrechtsbeschwerde (ON 120) gegen den Beschluss AZ 11 Bs 8/15m (ON 55):

1./ Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Nichtanerkennung von behaupteten Gesetzesverstößen im Zusammenhang mit der eigenmächtigen Festnahme durch die Kriminalpolizei am 6. Dezember 2014, der Einlieferung in die Justizanstalt Innsbruck am 7. Dezember 2014 und während seiner Anhaltung bis zur gerichtlich bewilligten Festnahme am 18. Dezember 2014 verletzt erachtet, ist er ‑ wie schon vom Beschwerdegericht (ON 55 S 2, 6) ‑ darauf zu verweisen, dass die Festnahme vom 6. Dezember 2014 und spätere Einlieferung nicht auf einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung zum gegenständlichen Ermittlungsverfahren beruhten. Ebensowenig erfolgte die Einlieferung aufgrund einer Erklärung des Staatsanwalts gemäß § 172 Abs 3 StPO. Sie wurde vielmehr ‑ nach dessen Erklärung gegenüber der Kriminalpolizei, einen Antrag auf Untersuchungshaft nicht zu stellen (ON 55 S 2 iVm ON 2 und ON 9 in ON 11; ON 39), ‑ ausschließlich gemäß § 133 Abs 5 letzter Satz StVG zum Zweck der Fortsetzung des Strafvollzugs zu AZ 34 Hv 42/09t (AZ 46 BE 106/10t) des Landesgerichts Salzburg veranlasst. § 173 Abs 4 StPO kam im gegenständlichen Fall somit überhaupt nicht zur Anwendung.

Über die Kritik an der eigenmächtigen Festnahme durch die Kriminalpolizei am 6. Dezember 2014 (ON 28 Punkt 2; ON 37 S 5) hatte das Oberlandesgericht ‑ wie von ihm erkannt (ON 55 S 6) ‑ mangels originärer Entscheidungskompetenz als Beschwerdegericht (vgl §§ 106 Abs 1 und 2, 107 Abs 3 StPO) im angefochtenen Beschluss nicht zu befinden (Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170‑189 Rz 17 und § 171 Rz 3, 4; Koenig/Pilnacek, WK‑StPO § 106 Rz 8 f, 30 f, § 107 Rz 21).

Auf das Vorbringen im Zusammenhang mit den Vorgängen nach der Festnahme vom 6. Dezember 2014 bis zur Entlassung aus dem Strafvollzug am 18. Dezember 2015 (ON 55 iVm ON 1 S 7; ON 39), mit welchem Verstöße gegen den in § 174 Abs 1 StPO normierten „Vorführungs‑ und Vernehmungszwang“, gegen § 61 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StPO betreffend notwendige Verteidigung während der „Untersuchungshaft oder einer Anhaltung in Strafhaft gemäß § 173 Abs 4 StPO“, das Fehlen der Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Strafvollzugs gemäß § 133a Abs 5 StVG sowie eine verspätete und nicht gesetzeskonforme Entlassung aus dieser Strafhaft nach (am 16. Dezember 2014 erfolgter) Aufhebung des Aufenthaltsverbots (ON 55 S 2 iVm ON 7 f in ON 11) behauptet werden, ist nicht weiter einzugehen, weil eine Grundrechtsbeschwerde gegen eine Strafhaft nicht vorgesehen ist (§ 1 Abs 2 GRBG; vgl auch RIS‑Justiz RS0115901 [Punkt 2], RS0109299 [T9], RS0113684; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170‑189 Rz 24; prozessual anders gelagert 13 Os 90/14f, EvBl 2015/34, 233). Zu den Möglichkeiten der Beigebung eines Verteidigers nach § 61 Abs 2 StPO wurde der Beschuldigte im Übrigen von seiner polizeilichen Vernehmung am 7. Dezember 2014 belehrt (ON 42 S 7).

2./ Mangels funktioneller Relevanz für das Grundrecht auf persönliche Freiheit (§§ 1 Abs 1, 2 Abs 1 GRBG; Art 5 MRK) ist auch jenes Vorbringen unbeachtlich, das angebliche Gesetzesverstöße im Zusammenhang mit während der Dauer dieser Strafhaft fortgesetzten Ermittlungsmaßnahmen zum gegenständlichen Verfahren durch die angebliche Vernachlässigung von Anhörungs‑, Bekanntmachungs‑ und Belehrungspflichten geltend macht (vgl RIS‑Justiz RS0060991 [T7, T8]; RS0109299).

3./ In seinen Ausführungen an das Oberlandesgericht betreffend die (zuvor gerichtlich bewilligte) Festnahme vom 18. Dezember 2014 (ON 27, 28, 39) hatte sich der Beschuldigte gegen die (auf Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgte) Durchführung derselben durch die Justizwache anstatt durch die (an sich zuständige) Kriminalpolizei beschwert, was vom Beschwerdegericht bereits als Grundrechtsverletzung anerkannt worden ist. Nunmehr in der Grundrechtsbeschwerde aufgestellte Behauptungen, durch Justizwacheorgane sei überhaupt nie eine Festnahme vorgenommen worden, sind unter dem Aspekt der (hier fehlenden) Ausschöpfung des Instanzenzugs unbeachtlich.

4./ Im Recht ist die Grundrechtsbeschwerde damit, dass die Unterlassung einer Belehrung des Festgenommenen über die Möglichkeit der Verständigung seiner konsularischen Vertretung (vgl § 171 Abs 4 Z 2 lit c iVm Art 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen [WÜK]; BGBl 1969/318) durch die Justizwache am 18. Dezember 2014 (ON 14 in ON 11) eine grundrechtsrelevante Rechtsverletzung darstellt, weil diese Bestimmung (ebenso wie jene nach § 171 Abs 4 Z 2 lit a StPO) ihrem Zweck nach (auch) die Unterstützung des Verhafteten bei allfälligen Bemühungen um (rasche) Freilassung im Auge hat. Indem das Oberlandesgericht diesen Umstand nicht als Gesetzesverletzung anerkannt hat, hat es seinerseits Andrzej S***** in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Allerdings war diese Versäumnis zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits behoben (vgl ON 56 S 10), weil der Genannte ‑ wie sich schon aus seinem eigenen Vorbringen ergibt (ON 37 S 15 f) ‑ nach dem Pflichtverhör am 19. Dezember 2014 vom Richter entsprechend belehrt wurde, damit seither über seine Rechte nach diesem Übereinkommen Bescheid weiß und bereits Kontakt mit seiner konsularischen Behörde aufgenommen hat, sodass ein Auftrag des Beschwerdegerichts zur Herstellung des gebotenen Rechtszustands nicht erforderlich gewesen wäre.

5./ Die im Hinblick auf die über deutsches Staatsgebiet hinweg erfolgte Überstellung von der Justizanstalt Salzburg in die Justizanstalt Innsbruck erhobene Kritik, der Beschuldigte sei am 18. Dezember 2014 gar kein „Häftling“ gewesen, weshalb seine Beförderung in die Justizanstalt Innsbruck gegen den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Durchgangsverkehr von Exekutivorganen und die Durchbeförderung von Häftlingen (vgl BGBl III 1998/58) verstoßen habe, verkennt, dass das Oberlandesgericht (ON 55 S 10 f) zutreffend von der Zulässigkeit der Beförderung einer nach Entlassung aus der Strafhaft auf Grund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung im Gewahrsam von Exekutivorganen der Justizwache befindlichen Person ausgehen durfte (Art 1 Abs 1 und Art 3 Abs 1 sowie Art 2 des genannten Vertrags).

6./ Auf jene Ausführungen, die sich (inhaltlich teils überdeckend mit jenen zu ON 119) gegen die Zulässigkeit der Verhängung der Untersuchungshaft wenden, ist im Hinblick auf die Beschränkung des Entscheidungsgegenstands des angefochtenen Beschlusses (ON 55) auf die Festnahmeanordnung vom 17. Dezember 2014 sowie deren Anordnung und Durchführung nicht weiter einzugehen.

Eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auf Grund der zu 4./ aufgezeigten Gesetzesverletzung ist nicht erforderlich (§ 7 GRBG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GRBG.

II. /Zur Grundrechtsbeschwerde (ON 119) gegen den Beschluss AZ 11 Bs 1/15g (ON 56):

1./ In Ansehung der Geltendmachung von Gesetzesverstößen durch die angebliche Vernachlässigung von Anhörungs‑, Bekanntmachungs‑ und Belehrungspflichten im Zusammenhang mit nach seiner Verhaftung am 6. Dezember 2014 während des Vollzugs der Strafhaft fortgesetzten Ermittlungsmaßnahmen zum gegenständlichen Verfahren ist der Beschuldigte auf die Ausführungen zu Punkt I./2./ zu verweisen, mit jenen, die einen gesetzmäßigen Vollzug dieser Strafhaft bestreiten, auf Punkt I./1/.

2./ Die Behauptung, der Beschuldigte sei (am 18. Dezember 2014) mangels (physischer) Entlassung aus der Strafhaft, Einschaltung der Kriminalpolizei und Belehrung über seine Rechte nach Art 36 Abs 2 WÜK „niemals festgenommen“ worden, weshalb ‑ aufgrund der Bezugnahme auf „festgenommene“ Beschuldigte in § 174 StPO ‑ die nachfolgende Verhängung der Untersuchungshaft unzulässig gewesen sei, macht nicht klar, weshalb aus der (bereits vom Oberlandesgericht als gesetzwidrig anerkannten) Festnahme durch die Justizwache, aber auch aus der (von letzterem nicht anerkannten) Verabsäumung der Belehrung nach dem erwähnten Übereinkommen eine Unzulässigkeit der (nachfolgenden) Verhängung einer Untersuchungshaft abzuleiten wäre.

Allein der Umstand, dass im Haftrecht der StPO die Situation nicht vorgesehen ist, dass sich die aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung in „Verwahrungshaft“ zu nehmende (weiter anzuhaltende) und ohne Aufschub in die Justizanstalt des zuständigen Gerichts einzuliefernde Person bereits (unmittelbar vor der Entlassung aus einer Strafhaft) in einer Justizanstalt befindet, und dass deshalb im gegenständlichen Fall ‑ über Veranlassung der Staatsanwaltschaft auf Grund einer dem Beschuldigten samt schriftlicher Rechtsbelehrung ausgefolgten gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung (ON 14 in ON 11; ON 39) ‑ die Übernahme aus der Strafhaft in eine „Anhaltung“ sowie die weitere Überstellung durch die Justizwache (vgl Vollzugsinformation in ON 11; ON 39 S 7‑13) ohne Zwischenschaltung der Kriminalpolizei (die den Betroffenen auf Grundlage der gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus der Strafhaft ohnedies lediglich in Verwahrung zu nehmen und in die zuständige Justizanstalt einzuliefern hätte) bewerkstelligt wurde, konnte ‑ ebenso wie die unterlassene Belehrung nach Art 36 Abs 2 WÜK ‑ keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der nachfolgenden, die „Verwahrungshaft“ (Anhaltung) jedenfalls beendenden (Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170‑189 Rz 6) Verhängung der Untersuchungshaft haben, weil die für eine solche geltenden Haftkriterien (§ 173 StPO; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 84; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO § 173 Rz 1) dadurch nicht berührt werden (vgl ON 55 S 10; mit Verweis darauf auch ON 56 S 3). Dem Beschwerdevorbringen zuwider kann auch über „nicht festgenommene“ Personen, sogar solche, die sich freiwillig zu Gericht begeben haben, die Untersuchungshaft verhängt werden (§ 173 Abs 1 StPO), soweit eben ein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft, ein dringender Tatverdacht hinsichtlich einer bestimmten Straftat, ein Haftgrund und Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft vorliegen, die Haftzwecke nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden können und der Beschuldigte vom Gericht zur Sache und zu den Voraussetzungen der Haft vernommen worden ist (vgl Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170‑189 Rz 7 und 9 und § 173 Rz 1).

3./ Die ‑ zudem ohne die Angabe von Fundstellen in den umfangreichen Akten belegte ‑ Behauptung, der angefochtene Beschluss (ON 56) beruhe auf gesetzwidrig durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen, lässt nicht erkennen, aus welchem Grund welche konkreten in die Annahmen zum dringenden Tatverdacht eingeflossenen Beweisergebnisse nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht verwertet werden hätten dürfen (vgl Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170‑189 Rz 24b). Entsprechende Einwände gegen die Begründung des dringenden Tatverdachts waren im Übrigen auch im ordentlichen Beschwerdeverfahren nicht an das Oberlandesgericht herangetragen worden (ON 27, 28, 37), weshalb die Grundrechtsbeschwerde zudem an fehlender (inhaltlicher) Ausschöpfung des Instanzenzugs scheitert (vgl RIS‑Justiz RS0105902, RS0114487 [T20, T21]).

4./ Gleichfalls nicht berechtigt ist der Vorwurf einer Verletzung des Rechts auf Beiziehung eines Verteidigers bei dem am 19. Dezember 2014 durchgeführten Pflichtverhör (§ 174 Abs 1 StPO), weil dem Beschuldigten ‑ wie schon das Beschwerdegericht aufzeigte (ON 56 S 8 f) ‑ die telefonische Kontaktierung des anwaltlichen Journaldienstes ermöglicht worden war (ON 12 S 1 f) und er nach Belehrung über seine Rechte gemäß §§ 49, 164 StPO seine Bereitschaft erklärt hatte, auch ohne Verteidiger „jetzt kurz“ zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen (ON 12 S 3). Der Richter wäre angesichts des Gebots, binnen 48 Stunden nach der Einlieferung des Beschuldigten über den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft zu entscheiden (§ 174 Abs 1 letzter Satz StPO), auch gar nicht verpflichtet gewesen, mit der Vernehmung (§ 174 Abs 1 erster Satz StPO) bis zur Stelligmachung eines Verteidigers zuzuwarten (RIS‑Justiz RS0124551; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO § 173 Rz 20).

5./ Die Frage, ob das vor Verhängung der Untersuchungshaft durchgeführte Pflichtverhör (ON 12) zur Sache und zu den Haftgründen (§ 173 Abs 1 StPO) auch ohne Zustimmung des Beschuldigten auf Tonband diktiert werden durfte (§ 96 Abs 2 dritter Satz StPO) oder ob § 96 Abs 4 StPO entsprechend vorgegangen wurde (vgl dagegen die speziellere Regelung des § 96 Abs 5 letzter Satz StPO), lässt ‑ so schon treffend das Oberlandesgericht (ON 56 S 10) ‑ keine Grundrechtsrelevanz erkennen (vgl Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 27). Bleibt anzumerken, dass selbst die nach Aufforderung zur Unterfertigung des Protokolldeckblatts getätigte Äußerung des Beschuldigten, er wolle seine gesamte bereits getätigte Aussage zurückziehen, dokumentiert wurde (ON 12 S 19), die weitere Behauptung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs im Zuge des Pflichtverhörs somit nicht nachvollziehbar ist.

6./ Mit dem Vorbringen, „jene Beweisergebnisse, auf welche sich das Gericht in seiner Entscheidung stützt“ (in der Grundrechtsbeschwerde konkret angesprochen: Unterlagen über die Sicherstellung von Gegenständen in dem vom Beschuldigten benützten PKW [ON 4 und ON 42]), würden sich „als nicht den Tatsachen entsprechend“ darstellen, wendet sich der Beschwerdeführer der Sache nach abermals ohne deutliche und bestimmte Bezeichnung eines Begründungsmangels gegen die Annahmen des Beschwerdegerichts zum dringenden Tatverdacht, ohne insoweit den (sektoralen) Instanzenzug ausgeschöpft zu haben, wurde der dringende Tatverdacht doch in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss, der sich gleichfalls (unter anderem) auf die Zuordnung sichergestellter Gegenstände stützte, keiner Anfechtung unterzogen (RIS‑Justiz RS0114487 [T3, T10], RS0105902).

7./ Da der Haftrichter in seinem Zuständigkeitsbereich seiner Pflicht zur Belehrung über die Rechte nach Art 36 Abs 2 WÜK nach Verhängung der Untersuchungshaft nachgekommen ist (vgl Pkt I./4./), hat das Oberlandesgericht dem weiteren Vorbringen zuwider eine Grundrechtsverletzung in diesem Zusammenhang zu Recht verneint (ON 56 S 10).

Die Grundrechtsbeschwerde ON 119 war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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