Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Granit P***** ‑ soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung ‑ dreier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/A) und der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (I/B) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I/A) jeweils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils auch mit Gewalt gegen eine Person, jeweils unter Verwendung einer silberfarbenen Faustfeuerwaffe (Pistole vom Kaliber 7,65 mm) Berechtigten verschiedener Tankstellen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar
1) am 30. September 2013 in G***** 630 Euro Bargeld, indem er vom Tankwart Siegfried K***** unter Vorhalten der Faustfeuerwaffe und durch die mehrfach getätigten sinngemäßen Äußerungen: „Göd!“ bzw „Göd her“ die Öffnung der Kassa forderte und anschließend den Bargeldbetrag entnahm;
2) am 8. Oktober 2013 in B***** 1.340 Euro Bargeld, indem er den Tankwart Werner S***** unter Vorhalten der genannten Faustfeuerwaffe mit den Worten „Überfall, Überfall“ in Richtung Kassa drängte, die Öffnung der Kassa forderte und anschließend den Bargeldbetrag entnahm;
3) am 16. Oktober 2013 in G***** 1.810 Euro Bargeld, indem er von der Tankstellenangestellten Irene L***** unter Vorhalten der genannten Faustfeuerwaffe durch die Äußerung: „Mach die Kassa auf und gib mir das ganze Geld“ die Öffnung der Kassa forderte, wobei er weiters Gewalt anwendete, indem er sie an beiden Schultern erfasste und zur Kassa drängte, sie mit den Händen an den Oberarmen festhielt, nachfolgend äußerte: „Moch sofort die Kassa auf, sonst schiaß i“, einen Schuss in Richtung Boden abgab, sodann mit der in einer Entfernung von ca 10 cm gegen die linke Schläfe der Irene L***** gerichteten Faustfeuerwaffe drohte: „Die nächste Kugel steckt in deinem Kopf“, und in der Folge den Bargeldbetrag aus der Kassa entnahm;
(I/B) während eines nicht näher bekannten Zeitraums bis zumindest 16. Oktober 2013 in G*****, B***** und G***** sowie anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig, ohne behördliche Bewilligung eine Schusswaffe der Kategorie B, nämlich die zu (I/A) näher beschriebene silberfarbene Pistole vom Kaliber 7,65 mm, unbefugt besessen und teilweise geführt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen der Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der einen Verstoß gegen das ‑ (bloß) die Abgrenzung der verurteilten Tat von anderen zur Vermeidung von Mehrfachverurteilungen bezweckende (Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 10 ff) ‑ Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO behauptenden Verfahrensrüge (
Z 3) zum Schuldspruch I/A/3 wurde diesem durch die im Spruch vorgenommene detaillierte Darstellung der Tatmodalitäten samt Nennung des Tatorts, des Tattages, der Geschädigten sowie der namentlichen Bezeichnung des Opfers
(US 2) entsprochen. Die im Referat der entscheidenden Tatsachen im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermisste exakte Tatzeit stellt keine entscheidende Tatsache dar (vgl zur über die bloße Individualisierung hinausgehenden Ordnungsfunktion des § 260 Abs 1 Z 1 StPO Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 288 ff, Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 11 f; RIS‑Justiz RS0120226) und wurde im Übrigen in den Entscheidungsgründen (US 6) ohnehin mit 19:00 Uhr präzisiert (zum Ganzen: RIS‑Justiz RS0117498, RS0098557, RS0116587).
Dem Standpunkt der weiteren Verfahrensrüge zuwider ist zur erfolgversprechenden Rüge aus Z 4 ein in der Hauptverhandlung (hier ‑ wie die Beschwerde einräumt ‑ nicht) gestellter Antrag oder ein nach Art von Anträgen substantiierter Widerspruch stets unabdingbare Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099400, RS0099112, RS0099250 [T2 f, 10], RS0099244; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302, 304). Der Einwand eines ‑ durch die über Anordnung der Staatsanwaltschaft schon vor der Hauptverhandlung erfolgte Löschung (vgl § 139 Abs 4 StPO) der Ergebnisse der „Rufdatenrückerfassung“ (Auskunft über Daten einer Nachtrichtenübermittlung) bezüglich des ursprünglich hinsichtlich des Raubes vom 30. September 2013 (Schuldspruch I/A/1) anstelle des Beschwerdeführers als Täter in Frage kommenden Gerald K***** bewirkten ‑ Verstoßes gegen Art 6 MRK, weil dem Beschwerdeführer durch diese Vorgangsweise möglicherweise entlastendes Material entzogen wurde, sodass ein „zweckentsprechender Antrag“ nicht mehr gestellt „bzw“ ein Widerspruch „sinnvollerweise nicht mehr erhoben“ und dieses Beweisergebnis nicht hinterfragt werden konnte, geht damit aus dem in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund ins Leere.
Unter dem Aspekt einer Aufklärungsrüge (Z 5a; vgl dazu Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 477 ff) kommt dem Vorbringen ebenso wenig Berechtigung zu, weil dem Erstgericht ‑ zufolge von der Beschwerde zugestandener Undurchführbarkeit der vermissten Beweisaufnahme ‑ ein unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommener Mangel in der Sachverhaltsermittlung nicht vorgeworfen werden kann.
Nur der Vollständigkeit halber bleibt daher anzumerken, dass die Ergebnisse der in Rede stehenden Auskunft über Daten einer Nachrichtenübermittlung vor deren Löschung ausgewertet wurden und die Tatrichter unter ausführlicher Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen ‑ in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 114 S 16) und erörterten ON 91 S 31, 35 ff) ‑ Bericht der Kriminalpolizei (ON 18) und weiteren dazu aufgenommenen Kontrollbeweisen umfassend dargelegt haben, aus welchen Gründen sie eine Täterschaft des Gerald K***** ‑ auch unabhängig von den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung ‑ für ausgeschlossen erachteten (US 15 f), sodass eine Beeinflussung der Fairness des Verfahrens nicht vorliegt (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0121319).
Die Angaben der Zeugin Christine Sa***** hat das Erstgericht ‑ dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider ‑ in seine Überlegungen einbezogen und mängelfrei ausgeführt, weshalb daraus keine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen zu gewinnen war (US 20). Im Übrigen standen deren Depositionen, wonach sie zur Mittagszeit (vgl zur Tatzeit [21:40 Uhr] US 5) in einem Kaffeehaus in Tatortnähe einen jungen, sportlichen Burschen wahrgenommen hatte, der die gleiche Trainingsjacke der Marke P***** trug wie ‑ nach einem Zeitungsbericht ‑ der Täter des Raubüberfalls vom 30. September 2013 (Schuldspruch I/A/1) nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zur Überzeugung der Tatrichter von der Schuld des Angeklagten.
Die vermisste Auseinandersetzung mit den in der Beschwerde hervorgehobenen Angaben des Zeugen Gottfried Sam***** findet sich ‑ von der Rüge (erneut Z 5 zweiter Fall) prozessordnungswidrig übergangen ‑ auf US 21 f.
Die weiters als unberücksichtigt geblieben monierten Bekundungen des Vaters des Angeklagten, Islam P*****, betreffen ‑ von der Beschwerde zugestanden ‑ nur das Motiv des Angeklagten für die Taten (Geldmangel) und damit keine entscheidende Tatsache (RIS‑Justiz RS0088761). Im Übrigen haben die Tatrichter ohnehin als erwiesen angenommen, dass sich der Genannte in einer „finanziell guten Situation“ befand und seinen Sohn ‑ wenn auch nicht ausreichend ‑ finanziell unterstützte, und auch dessen darüber hinausgehende Aussage berücksichtigt (US 20). Zu einer gesonderten Erörterung sämtlicher
Details seiner Depositionen waren sie ‑ dem Gebot zu
gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht verpflichtet.
Indem der Beschwerdeführer aus den angesprochenen Beweisergebnissen andere, für ihn günstigere Schlüsse zieht als das erkennende Gericht, zeigt er einen Begründungsmangel im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Z 5) nicht auf (für viele: RIS‑Justiz RS0099455; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) stellt den von den Tatrichtern auf eine vernetzte Betrachtung einer Vielzahl von
Indizien gestützten und unter (entgegen dem Beschwerdestandpunkt im Rahmen freier Beweiswürdigung zulässiger) Berücksichtigung der (wechselnden, vorgehaltenen Beweismitteln widersprechenden und in der Folge jeweils der Beweislage angepassten) Verantwortung des Beschwerdeführers angestellten ‑ Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechenden ‑ Überlegungen zur Täterschaft des Angeklagten (US 8 bis 22) jeweils isoliert eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und bestreitet die
Eignung der zur Fundierung der Feststellungen herangezogenen Verfahrensergebnisse als Basis der bekämpften Schuldsprüche mit eigenen (großteils spekulativen) Plausibilitäts‑ und Beweiswerterwägungen. Solcherart wird ‑ trotz gegenteiliger Beteuerung in der Beschwerde ‑ bloß unzulässig die
(äußerst sorgfältige und sämtliche für und wider den Angeklagten sprechenden Beweise einer ausführlichen Erörterung unterziehende) Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung angegriffen, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken oder gar einen ohne Substanz behaupteten Verstoß gegen Art 6 MRK aufzuzeigen. Die dazu ins Treffen geführten Entscheidungen des EGMR (EGMR
23. 9. 2008 Grayson und Barnham gegen das Vereinte Königreich, Nr 19955/05 und 15085/06;
EGMR 7. 8. 1996 Ferrantelli und Santangelo gegen Italien, Nr 19874/92; vgl dazu RIS-Justiz RS0120958) vermögen diese Beschwerdeauffassung im Übrigen ebenfalls nicht zu stützen.
Vorgesagtes gilt gleichermaßen für den erneuten ‑ ein weiteres Mal die dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter (US 21 f) prozessordnungswidrig übergehenden ‑ Hinweis auf die Angaben des Zeugen Gottfried Sam*****, welche nach Ansicht des Beschwerdeführers „im unüberbrückbaren Widerspruch mit dem vom Erstgericht herangezogenen Zeit‑Weg‑Diagramm“ stehen soll, und die Bezugnahme auf eine am 28. Februar 2014 anonym an die Polizei übermittelte und mit Beschimpfungen versehene E‑Mail (nach der der anonyme Absender und nicht der Angeklagte die Raubüberfälle zu den Schuldspruchfakten A begangen hätte; ON 40 S 11), mit der sich das erkennende Gericht ebenso ausführlich auseinandergesetzt hat (US 19). Die dazu angestellten ‑ von der Rüge unsubstantiiert als „völlig falsch“ bezeichneten ‑ Überlegungen begegnen keinen Bedenken.
Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf eine angebliche ‑ zudem schon nach dem Rechtsmittelvorbringen keine entscheidenden Tatsachen betreffende ‑ Aussage des Zeugen Dr. Franz F***** stützt, welcher als Zeuge vernommen worden, „in seinem bürgerlichen Dasein jedoch als EDV-Sachverständiger für den forensischen Bereich“ tätig sei, entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie (trotz umfangreichen Aktenmaterials) die
Fundstelle in den Akten nicht bezeichnet (RIS-Justiz RS0124172). Davon abgesehen kann ‑ selbst dann, wenn ein Privatgutachten zum Akt genommen wird ‑ nur ein Befund und nicht ein ‑ hier indes von der Beschwerde angesprochener ‑ daraus gezogener Schluss eines Privatgutachters zu erheblichen Bedenken im Sinn der Z 5a Anlass geben. Da nämlich das Ziehen von Schlüssen in der Hauptverhandlung gerichtlich beigezogenen Gutachtern vorbehalten ist, das Verfahrensrecht solcherart nur diese als Sachverständige begreift, sind vernommene Privatgutachter nichts anderes als Zeugen, deren subjektive Meinungen, Ansichten, Wertungen, Schlussfolgerungen, rechtliche Beurteilungen und ähnliche intellektuelle Vorgänge aber grundsätzlich nicht Gegenstand einer
Zeugenaussage sein können (vgl RIS‑Justiz RS0097540, RS0118421, RS0115646, RS0098139, RS0097292; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351).
Zur auch unter diesem Nichtigkeitsgrund geäußerten Kritik an der Vernichtung der Ergebnisse der Rufdatenrückerfassung des Mobiltelefons des Gerald K***** wird auf die Ausführungen zur Verfahrensrüge (Z 4) verwiesen.
Soweit der Beschwerdeführer nach Art einer Aufklärungsrüge (erneut Z 5a) auch die im Ermittlungsverfahren unterbliebene Untersuchung des zum Schuldspruchfaktum I/A/3 sichergestellten Projektils rügt, legt er nicht dar, wodurch er an einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung
gehindert gewesen sein soll (RIS‑Justiz RS0115823).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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