European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00064.14Y.0826.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0106298) und begründet ‑ von Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ die Zulässigkeit der Revision nicht. Eine solche zeigt die außerordentliche Revision der Beklagten nicht auf.
1. Die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist eine Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0084726). Arbeitsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit nicht oder nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlechtern, in der Lage ist, seine bisher ausgeübte Erwerbstätigkeit zu verrichten (RIS‑Justiz RS0084726; RS0106774). Ob ein Arbeitnehmer wegen Krankheit an der Verrichtung seiner Dienste verhindert ist, richtet sich nach der konkreten Arbeitspflicht des Arbeitnehmers bzw der Verhinderung an derselben (8 ObA 2302/96d; 9 ObA 66/13s mwN; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 8 Rz 2, 10). Dies kann naturgemäß nur bezogen auf den konkreten Arbeitgeber und nicht auf die berufliche Tätigkeit in einem anderen Unternehmen beurteilt werden. Hätte doch die gegenteilige, von der Beklagten vertretene Rechtsansicht zur Folge, dass der Kläger, bei dem zwar keine allgemeine Arbeitsunfähigkeit vorlag, der aber aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitstätigkeit bei der Beklagten nicht wieder aufnehmen konnte, sein Fernbleiben von der Arbeit nicht mit Krankheit rechtfertigen könnte. Den Kläger in diesem Fall als „arbeitsunwillig“ und nicht als arbeitsunfähig anzusehen, entbehrt jeglicher sachlichen und rechtlichen Grundlage. Soweit die Beklagte entgegen dem festgestellten Sachverhalt davon ausgeht, dass es dem Kläger zumutbar gewesen wäre, wenigstens einen Arbeitsversuch zu unternehmen, versucht sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen anzufechten (RIS‑Justiz RS0043371).
2. Die in der außerordentlichen Revision als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage, ob ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber aufgrund seiner Treuepflicht darüber aufklären muss, dass er beabsichtigt, nach Beendigung seines Krankenstands nicht mehr im Unternehmen des Arbeitgebers zu arbeiten und sogar bereits eine andere Berufsausbildung begonnen hat, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Die Vorinstanzen konnten nämlich nicht feststellen, ob der Kläger noch vor der Entlassung entschieden hatte, nicht an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Beweislast für das Vorliegen eines Entlassungsgrundes trifft aber den Arbeitgeber (RIS‑Justiz RS0029127). Mit der Behauptung, diese Negativfeststellung sei von den Tatsacheninstanzen aktenwidrig erfolgt, wird inhaltlich wieder eine im Revisionsverfahren unzulässige Beweisrüge erhoben (RIS‑Justiz RS0117019; vgl RS0043240).
3. Auf die Ausführungen der Beklagten zur Rechtzeitigkeit der Entlassung ist nicht einzugehen, weil das Berufungsgericht mit seinen Rechtsausführungen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entlassung die vom Erstgericht angenommene Rechtzeitigkeit der Entlassung nicht in Frage gestellt hat.
4. Die Gebote allgemein üblicher Verhaltensweisen im Krankenstand dürfen nicht offenkundig oder betont verletzt werden (RIS‑Justiz RS0029337). Ein im Krankenstand befindlicher Arbeitnehmer verwirklicht einen Entlassungsgrund, wenn er gegen die auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit abzielenden Anordnungen des Arztes so schwerwiegend verstößt, dass der Krankheitsverlauf negativ beeinflusst beziehungsweise der Heilungsverlauf verzögert wird (RIS‑Justiz RS0029337 [T9]). Das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten muss dem Arbeitnehmer auch subjektiv vorwerfbar sein (RIS‑Justiz RS0029337 [T13]). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der an einem „Burn‑Out Syndrom“ erkrankte Kläger habe durch die begonnene Ausbildung zum Physiotherapeuten die gebotenen Verhaltensweisen im Krankenstand nicht ganz offenkundig oder betont verletzt, ist insbesondere angesichts der festgestellten Tatsache, dass der Hausarzt des Klägers diese Ausbildung befürwortete, jedenfalls vertretbar. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger hätte entsprechend der ihn nach dem ABGB treffenden Schadensminderungspflicht entgegen der Empfehlung seines Arztes von der Ausbildung Abstand nehmen müssen, weil mit ihr eine ähnliche Belastung verbunden wäre, wie mit der Berufstätigkeit, findet keine Deckung im festgestellten Sachverhalt.
5. Das Berufungsgericht hat auch die immer nur aufgrund des Einzelfalls (vgl RIS‑Justiz RS0029336; 9 ObA 41/13i) vorzunehmenden Frage des Vorliegens des von der Beklagten erst im Prozess und eventualiter vorgebrachten Entlassungsgrundes des § 27 Z 2 AngG in vertretbarer Weise beantwortet. Mit den Ausführungen in der Zulassungsbegründung ihrer außerordentlichen Revision, die überdies keinen Niederschlag in den Revisionsausführungen finden, vermag die Beklagte keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung der insofern eingehenden Begründung des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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