OGH 12Os106/13z

OGH12Os106/13z14.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Sol und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Buchner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sefa H***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 4. Juli 2013, GZ 13 Hv 172/12s-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sefa H***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. April 2012 in W***** - außer dem Fall des § 206 StGB - eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich an der am 5. Juni 1999 geborenen Jasmin K***** vorgenommen, indem er sie zunächst von hinten über der Kleidung an ihrem Gesäß zwickte, sich sodann vor sie stellte, mit seiner Hand gezielt unter ihr Kleid an ihre Scheide griff und für kurze Zeit mit seinen Fingern ihre Scheide über der Strumpf- und Unterhose solange betastete, bis es Jasmin K***** gelang, seine Hand wegzustoßen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf die Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Urteilsfeststellungen undifferenziert als „undeutlich“ (erster Fall), „aktenwidrig“ (fünfter Fall) und unzureichend begründet (vierter Fall) kritisiert, im Weiteren jedoch lediglich eigene Beweiswerterwägungen zur subjektiven Tatseite im Hinblick auf das äußere Erscheinungsbild des Opfers und dessen tatsächliches Alter anstellt, verfehlt sie die gebotene Auseinandersetzung mit der Gesamtheit der Erwägungen des Erstgerichts (vgl US 6), und unternimmt den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in Zweifel zu ziehen.

Gleiches hat für die Wiederholung der Kritik im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) zu gelten, zumal der kritisch-psychologische Vorgang der freien richterlichen Beweiswürdigung basierend auf dem in der Hauptverhandlung durch die Tatrichter gewonnenen persönlichen Eindruck sowohl der Anfechtung nach Z 5 als auch nach Z 5a des § 281 Abs 1 StPO entzogen ist (vgl RIS-Justiz RS0099419).

Dass aus den Beweismitteln auch für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich waren und jene des Urteils nicht zwingend sind, vermag Nichtigkeit nicht zu begründen (RIS-Justiz RS0098471, RS0099455). Mit der Behauptung, die Umstände der Identifizierung des Angeklagten seien „bedenklich“, „fragwürdig“ und „unwahrscheinlich“ und die ursprüngliche Täterbeschreibung passe hinsichtlich mehrerer Körpermerkmale weder auf den Angeklagten noch auf die für die Identifizierung herangezogenen Lichtbilder, verlässt die Tatsachenrüge prozessordnungswidrig den Anfechtungsrahmen des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes. Denn Z 5a verlangt, aus dem in der Hauptverhandlung vorgekommenen - deutlich und bestimmt zu bezeichnenden - Beweismaterial erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu entwickeln (RIS-Justiz RS0119583; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 471, 481).

Insgesamt werden von der Tatsachenrüge jedoch neuerlich bloß eigene Auffassungen und Erwägungen des Beschwerdeführers den umfassenden Urteilsgründen (vgl US 3 ff) entgegengestellt, somit unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichts angegriffen.

Die pauschale Behauptung im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Erstgericht habe sich in Ansehung der subjektiven Tatseite mit einer „Scheinbegründung“ unter Heranziehung der verba legalia begnügt, unterlässt den gebotenen Hinweis, welcher weiteren Konstatierungen es aus Beschwerdesicht bedurft hätte (RIS-Justiz RS0099620, RS0095939). Die darauf bezogenen Feststellungen (US 3) blieben - der Beschwerde zuwider (inhaltlich Z 5 vierter Fall) - auch nicht unbegründet, sondern wurden - logisch und empirisch einwandfrei (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882) - aus dem gezeigten äußeren Verhalten des Angeklagten und dem persönlichen Eindruck von der Zeugin im Rahmen der Hauptverhandlung erschlossen (US 6).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810). Der Beschwerdeführer muss von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarstellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§ 259, § 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Diesen Erfordernissen wird die weitere Rechtsrüge jedoch nicht gerecht; einerseits übergeht sie die Feststellungen, wonach der Angeklagte dem Opfer zuerst auf das Gesäß griff und den nachfolgenden Griff direkt an die Vagina erst beendete, nachdem ihn die Unmündige aufgefordert hatte aufzuhören und seine Hand wegdrücken konnte (US 3), andererseits versucht sie unter isolierter Betrachtung der unmittelbaren Berührung an der Scheide über Strumpf- und Unterhose für „einige Sekunden“ diese als „flüchtig und oberflächlich“ darzustellen.

Soweit im Übrigen die Judikatur flüchtige Berührungen zur Tatbestandsverwirklichung nicht genügen lässt, wird damit lediglich in verschiedenen Lebensbereichen anzutreffenden, immer wieder ungewollten Berührungskontakten zwischen Menschen Rechnung getragen, welche von so geringer Intensität und Dauer sind, dass darin eine Beziehung zum Geschlechtsleben oder doch eine einem geschlechtlichen Missbrauch entsprechende Betätigung zum Nachteil der geschützten Sexualsphäre einer Person nicht zum Ausdruck kommt (RIS-Justiz RS0102141). Bei Berührung spezifisch weiblicher Körperpartien kommt es jedoch nicht nur auf die zeitliche Dauer, sondern auch auf Intensität, Präzision und Zielsicherheit an, wobei einige Sekunden der Berührung durchaus genügen können (RIS-Justiz RS0102142; vgl auch 14 Os 1/05m).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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