OGH 14Os1/05m

OGH14Os1/05m5.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. April 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt W***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB aF über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 8. September 2004, GZ 11 Hv 17/04m-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Sochor zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt W***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 schuldig erkannt. Danach hat er am 30. Dezember 2003 in Kematen an der Krems die 14jährige Eva S***** mit Gewalt, indem er sich hinter das am Boden sitzende Mädchen setzte, es mit seinen Beinen am Becken umklammerte, an einer Hand festhielt und es gegen seinen Willen über der Jeanhose an der Scheide betastete, zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch gerichtete, auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht. Die Rechtsrüge beruft sich auf Schick in WK2 § 202 Rz 13 und vertritt die Auffassung, bei voller Bekleidung müssten beischlafsähnliche Bewegungen hinzutreten, damit von einer geschlechtlichen Handlung gesprochen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof beurteilte zwar mit der von Schick zitierten Entscheidung 13 Os 20/92 das Drücken des männlichen Geschlechtsteils gegen eine voll bekleidete Person unter gleichzeitigem Vollführen beischlafsähnlicher Bewegungen als geschlechtliche Handlung, doch ist aus dieser Entscheidung keineswegs das generelle Erfordernis derartiger Bewegungsformen bei voller Bekleidung des Tatopfers abzuleiten.

Bei Berührung spezifisch weiblicher Körperpartien kommt es nicht nur auf die zeitliche Dauer, sondern auch auf Intensität, Präzission und Zielsicherheit an, wobei einige Sekunden der Berührung durchaus genügen können. Im Hinblick auf die zielgerichtete Fixierung des Tatopfers und des anschließend eindeutig sexuallbezogenen, „ein paar Sekunden lang" dauernden Greifens auf die Scheide (US 3) kann vorliegend selbst unter Berücksichtigung der Bekleidung des Opfers von einer bloß flüchtigen Berührung nicht gesprochen werden. Wenn die Rechtsprechung flüchtige Kontakte zur Tatbestandsverwirklichung nicht genügen lässt, dann in jenen Fällen, in denen eine ausreichende Beziehung zum Geschlechtlichen im Sinne eines deutlichen Eingriffs in die sexuelle Integrität eines anderen nicht gegeben ist (vgl Mayerhofer in StGB5 § 207 E 7c).

Unbeachtlich ist der Beschwerdehinweis, nach den (angeblichen) herrschenden Moralvorstellungen in der Altersgruppe des Opfers hätten Berührungen sexuellen Charakters über der Kleidung nicht jene Bedeutung, die ihr im gegenständlichen Urteil beigemessen werde. Dass Eva S***** das Verhalten des Beschwerdeführers sehr wohl als massiven Eingriff in ihre sexuelle Integrität empfunden hat, verdeutlicht schon ihre Reaktion durch Hilferufe.

Wenn das Rechtsmittel auf geänderte, nämlich nicht so strenge Moralvorstellungen seit Inkrafttreten der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen verweist, übersieht es, dass gerade der Strafsatz des § 202 Abs 1 StGB kurz nach der Tat durch BGBl I 2004/15 wesentlich verschärft wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators - zu verwerfen. Das Schöffengericht verhängte über Kurt W***** nach § 202 Abs 1 StGB aF eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten und eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen. Die Höhe des Tagessatzes bestimmte es mit 5 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe setzte es eine Freiheitsstrafe von 180 Tagen fest. Den Vollzug der Freiheitsstrafe sah es gemäß § 43a Abs 2 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde Kurt W***** verpflichtet, der Privatbeteiligten Eva S***** 500 Euro zu bezahlen.

Gegen den Strafausspruch und gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit welcher er einerseits eine schuld- und tatangemessene Herabsetzung der Strafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB, andererseits die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg anstrebt.

Der Berufung kommt in keinem Punkt Berechtigung zu. Der zudem reklamierte Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB liegt nicht vor, weil der Berufungswerber nur durch die Hilferufe des Opfers von weiteren Tathandlungen abgehalten wurde. Da Kurt W***** trotz zweier einschlägiger Verurteilungen neuerlich eine die Geschlechtssphäre betreffende Tat begangen hat, trifft ihn ein erhebliches Verschulden, sodass für die begehrte Herabsetzung der ausgesprochenen Strafe kein Anlass besteht. Es bedarf aber auch des Vollzuges der Geldstrafe, um ihn von der Begehung weiterer, insbesondere einschlägiger Straftaten abzuhalten.

Keine Berechtigung kommt auch der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche zu. Unrichtig ist zunächst der Einwand, der Angeklagte sei zu den Ansprüchen der Privatbeteiligten nicht gehört worden. Wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, hat der Verteidiger im Anschluss an den Antrag des Privatbeteiligtenvertreters die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg ausdrücklich begehrt. Der Berufungswerber hat sich den Worten seines Verteidigers angeschlossen (S 101). Im Rahmen der Strafbemessung des angefochtenen Urteiles hat das Erstgericht lediglich ausgeführt, „beim Opfer selbst sind keine weiteren Folgen" eingetreten. Die konstatierten „psychischen Unbilden", welche Eva S***** erlitten hat, bleiben davon jedoch unberührt und rechtfertigen den zugesprochenen Betrag von 500 Euro. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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