Spruch:
Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Umfang der Zurückweisung des Rekurses der viertbeklagten Partei unbekämpft blieb, wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über die Rekurse der erst-, zweit- und fünftbeklagten Parteien unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrte vor dem Landesgericht Innsbruck von den fünf Beklagten zur ungeteilten Hand 929.244,75 EUR sA und die Feststellung, dass ihr die Beklagten allfällige, die Klagsforderung übersteigende Beträge, die ihr an Provisionen aus Versicherungsverträgen des Ö***** vorenthalten worden seien, zu ersetzen hätten. Der Erstbeklagte sei bis zum 7. 3. 2008 alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der einzigen Komplementärin der Klägerin gewesen, die sie seit ihrer Gründung selbständig vertrete. Im Jänner 2007 habe er auch die alleinige Geschäftsführung der Viertbeklagten übernommen, an der die Zweitbeklagte - seine Ehefrau - die Mehrheit der Geschäftsanteile halte. Der Drittbeklagte sei zunächst Angestellter, später Prokurist und zuletzt Geschäftsführer der Klägerin gewesen. Die erst- bis drittbeklagten Parteien hätten durch rechtswidriges Zusammenwirken die der Klägerin gehörenden Provisionen aus Versicherungsverträgen des Ö***** auf ein Vermittlerkonto der Viertbeklagten ausgeschüttet. Die Viertbeklagte habe an diesen offenkundig kriminellen Zwecken dienenden Handlungen mitgewirkt. Die Fünftbeklagte sei für das Handeln ihres ehemaligen Landesdirektors verantwortlich, der tatkräftig daran mitgewirkt habe, der Klägerin zustehende Provisionsansprüche wissentlich an ihr vorbeizuschleusen.
Der Drittbeklagte wandte in seiner Klagebeantwortung die „Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts“ ein. Nach dem Vorbringen der Klägerin sei er zum angeblichen „Tatzeitpunkt“ ihr Dienstnehmer gewesen, weshalb eine arbeitsrechtliche Streitigkeit vorliege. Das Erstgericht sei daher sachlich unzuständig und es werde die Überweisung an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht beantragt. Die weiteren Beklagten beantragten in ihren Klagebeantwortungen die Abweisung des Klagebegehrens.
Die Klägerin äußerte sich zu der vom Drittbeklagten erhobenen „Unzuständigkeitseinrede“ nicht. Die erst-, zweit- und viertbeklagten Parteien sprachen sich gegen eine Überweisung an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht aus und machten geltend, dass die Ansprüche nicht im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis stünden, sondern es sich um schadenersatzrechtliche Ansprüche handle. Auch die Fünftbeklagte beantragte, dem Antrag auf Überweisung an das Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht nicht Folge zu geben.
Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 25. 6. 2012 aus, dass das Landesgericht Innsbruck in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht zuständig sei. Gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG sei dieses Gericht zumindest hinsichtlich des Drittbeklagten in dieser Besetzung zuständig. Aufgrund der begehrten Verurteilung zur gesamten Hand aller beklagten Parteien sei eine Teilung des Verfahrens hinsichtlich einzelner Beklagter unzweckmäßig.
Das Rekursgericht wies die dagegen erhobenen Rekurse der erst-, zweit-, viert- und fünftbeklagten Parteien zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs (gemäß § 528 Abs 1 ZPO) für zulässig. Rechtlich führte es aus, der Oberste Gerichtshof vertrete in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass Beschlüsse nach § 37 Abs 3 ASGG über die Besetzung des Gerichts - abgesehen vom Wert des Streitgegenstands - keinen Rekursbeschränkungen unterlägen (RIS-Justiz RS0085574), sodass von der Zulässigkeit der Rekurse auszugehen wäre. Dagegen vertrete G. Kodek (in Fasching/Konecny² § 260 ZPO Rz 66 ff) die Rechtsansicht, dass § 45 JN analog auch auf Verstöße gegen die Geschäftsverteilung und auf Besetzungsfehler anzuwenden sei. Zentrales Argument für die von G. Kodek befürwortete Gleichbehandlung von Verstößen gegen die Zuständigkeitsordnung und solchen gegen die Geschäftsverteilung (in die er auch Verstöße gegen Besetzungsfehler einbeziehe) sei, dass sowohl die Bestimmungen über die Zuständigkeit als auch diejenigen über die Geschäftsverteilung letztlich das gleiche Rechtsgut, nämlich das Recht auf den gesetzlichen Richter, schützen wollten. Ein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung wiege in der Regel weniger schwer und sei für die Parteien mit weniger schwerwiegenden Konsequenzen verbunden; so komme es im Fall der Unzuständigkeit zur Zurückverweisung bzw zur Überweisung an ein anderes Gericht, hingegen bleibe im Fall eines Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung das Verfahren beim angerufenen Gericht anhängig. Eine Gleichbehandlung von Verstößen gegen die Geschäftsverteilung bzw die Gerichtsbesetzung und solchen gegen die Zuständigkeitsordnung sei durchaus auch mit den Intentionen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen, weil nach den ErläutRV zur ZVN 1983 (669 BlgNR 15. GP 53) ein Verstoß gegen die Besetzungsvorschriften nur „zumindest“ keine weiteren Rechtsfolgen haben sollte als eine unprorogable Unzuständigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien sei nicht abzuleiten, dass die Folgen eines Verstoßes gegen die Besetzungsvorschriften oder gegen die Geschäftsverteilung stets denen der unprorogablen Unzuständigkeit zu entsprechen hätten. Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Einführung des § 260 Abs 4 ZPO nur einen eklatanten Wertungswiderspruch zu § 104 Abs 3 JN vermeiden wollen, ohne jedoch zur Einstufung und Schwere von Besetzungsmängeln und Verstößen gegen die Geschäftsverteilung abschließend Stellung zu nehmen.
Die Argumente von G. Kodek seien überzeugend. Für seine Rechtsansicht spreche auch die Überlegung, dass letztlich sowohl die Bestimmungen über die Zuständigkeit als auch diejenigen über die Geschäftsverteilung bzw die Gerichtsbesetzung das Recht auf den gesetzlichen Richter schützen wollten und vor dem Hintergrund einer zu erzielenden Verfahrensbeschleunigung kein Grund ersichtlich sei, zwischen der Anfechtbarkeit von Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts oder solchen über die Gerichtsbesetzung zu differenzieren, zumal die analoge Anwendung des § 45 JN auf Fragen der Gerichtsbesetzung auch zu einer Gleichbehandlung zwischen Wien und den Bundesländern führen würde. Die Behandlung in einer anderen Gerichtsabteilung des gleichen Gerichts bringe für die Parteien weniger spürbare Konsequenzen mit sich als die Behandlung an einem auch örtlich an anderer Stelle befindlichen Gericht, wie dies innerhalb von Wien der Fall sein könne.
Da nach § 260 Abs 4 ZPO Fehler in der Gerichtsbesetzung heilen könnten, worunter nach der Judikatur auch eine zahlenmäßig falsche Senatsbesetzung falle, könne das Argument der unterschiedlichen Gerichtsbesetzung einer analogen Anwendung des § 45 JN nicht entgegenstehen, weil es im Ergebnis keinen Unterschied mache, ob ein Gericht in der richtigen Besetzung zu entscheiden habe, weil qualifiziert vertretene Parteien diesen Verstoß nicht geltend gemacht hätten, oder, weil eine - allenfalls auch unrichtige - Entscheidung über die Gerichtsbesetzung nicht weiter anfechtbar sei.
Damit seien die Rekurse aufgrund der analogen Anwendung des § 45 JN auf die Entscheidung über die Gerichtsbesetzung zurückzuweisen, weil nach dieser Bestimmung nach Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine Unzuständigkeit ausspreche, nur dann anfechtbar seien, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde habe, was hier nicht zutreffe.
Der ordentlichen Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht mit seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweiche.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Revisionsrekurse der erst-, zweit- und fünftbeklagten Parteien mit dem Antrag, ihre Rekurse gegen die erstinstanzliche Entscheidung für zulässig zu erklären; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in den Revisionsrekursbeantwortungen, die Rechtsmittel der Prozessgegner zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse sind aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und auch berechtigt.
1. Voranzustellen ist, dass das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht seit der Zivilverfahrens-Novelle 2009 zweiseitig ist (9 Ob 23/10p mwN; RIS-Justiz RS0098745 [T21, T22]; RS0125481 [T8]). Nach §§ 521, 521a ZPO idF der ZVN 2009, BGBl I 2009/30, sind Rekurse gegen nach Streitanhängigkeit gefasste Beschlüsse grundsätzlich zweiseitig. Ausgenommen sind nur noch prozessleitende oder verfahrensleitende Beschlüsse, soweit im Einzelnen nicht die Zweiseitigkeit angeordnet ist. Prozessleitende Beschlüsse dienen der notwendigen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens, haben also keinen Selbstzweck und vermögen auch kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben zu entfalten. Ein Beschluss, mit dem ein Rechtsmittel zurückgewiesen wird, hat demgegenüber verfahrensbeendende Wirkung und ist daher nicht als bloß prozessleitend zu qualifizieren (9 Ob 23/10p mwN; RIS-Justiz RS0125481 [T5]). Der für die alte Rechtslage geltende Grundsatz, dass das (Revisions-)Rekursverfahren gegen einen Beschluss gemäß § 37 Abs 3 ASGG einseitig sei (RIS-Justiz RS0043996; zuletzt 9 Ob 40/05f; Neumayr in ZellKomm² § 37 ASGG Rz 9; Adamovic, HB ASG-Verfahren [2010] 218), ist auf die neue Rechtslage seit der ZVN 2009 daher nicht zu übertragen. Auch der (Revisions-)Rekurs gegen einen Beschluss gemäß § 37 Abs 3 ASGG ist nunmehr zweiseitig.
2. Das Rekursgericht erkannte zutreffend, dass nach ständiger Rechtsprechung die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeits- und Sozialgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden hat (ausgenommen im Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den anderen ordentlichen Gerichten in Wien), nicht eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine solche der Besetzung des jeweiligen Spruchkörpers ist (1 Ob 542/94; 9 ObA 5/01b, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0046314 [T3]; RS0085489 [T2, T4]). Wird die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung von einer Partei bezweifelt, hat das Gericht, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten ist, gemäß § 37 Abs 3 ASGG mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist. Ein solcher Beschluss unterliegt, weil er sich auf die Besetzung und nicht auf die Zuständigkeit bezieht, nicht den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (RIS-Justiz RS0046274; zuletzt 9 ObA 5/01b, mwN; RIS-Justiz RS0085574). Er ist gemäß § 40a JN selbständig anfechtbar (9 ObA 147/91 mwN). Für Beklagte gilt dies jedenfalls für Beschlüsse nach § 37 Abs 3 ASGG, die nach Streitanhängigkeit ergingen. Dagegen können nach jüngerer Rechtsprechung Besetzungsbeschlüsse nach § 37 ASGG, die vor Zustellung der Klage gefasst wurden, Beklagte - so wie Beschlüsse nach § 40a JN - nicht binden und von ihnen nicht angefochten werden (9 Ob 6/04d = SZ 2004/10; differenzierend noch 5 Ob 1/01k).
Während sich aus den §§ 61 ff JN eindeutig ergibt, dass Zivil- und Kausalsenat zueinander im Zuständigkeitsverhältnis stehen, behandelt § 37 ASGG das Verhältnis zwischen Zivil-/Handelssenat oder Einzelrichter einerseits und arbeits- und sozialgerichtlichem Senat desselben Gerichtshofs andererseits (und umgekehrt) - systemwidrig - als unrichtige Gerichtsbesetzung (4 Ob 223/99v = SZ 72/142 mwN). Da diese Sonderregelung im ASGG vorgesehen ist, haben auf Beschlüsse nach § 37 Abs 3 ASGG - ob sie nun wie hier von einem Berufsrichter(senat) oder einem arbeits- und sozialgerichtlichen Senat gefasst wurden und unabhängig vom Inhalt des Ausspruchs - die Verfahrens- und damit auch die Rechtsmittelbestimmungen des ASGG Anwendung zu finden (4 Ob 223/99v = SZ 72/142; RIS-Justiz RS0112481). Seit der ZVN 2002, BGBl I 2002/76, gelten für die Zulässigkeit von Rechstmitteln - § 517 ZPO ausgenommen - die Bestimmungen der ZPO (Zechner in Fasching/Konecny² Vor §§ 514 ff ZPO Rz 76).
Dass der Beschluss nach § 37 Abs 3 ASGG keinen Rekursbeschränkungen unterliegt, widerspricht, entgegen der Ansicht des Rekursgerichts, nicht der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN. Die Frage der (sachlichen) Unzuständigkeit ist von der Frage der unrichtigen Besetzung eines bestimmten Gerichts zu trennen, wenngleich ein gewisser Zusammenhang der beiden Fragen besteht. Bei einem Gericht, das (wie hier) zugleich in allgemeinen Zivilrechtsstreitigkeiten und in Arbeits- und Sozialrechtsstreitigkeiten tätig werden kann, liegt es in der Natur der Sache, dass es als bestimmtes Gericht für den Fall der ganz allgemein bestehenden Zuständigkeit nicht unzuständig sein kann, wenn lediglich die Gerichtsbesetzung eine verschiedene ist (1 Ob 542/94 mwN).
Dass der Beschluss über die Besetzung nach § 37 Abs 3 ASGG anfechtbar ist, entspricht auch der ganz herrschenden Lehre (Ballon, Die Gerichtsorganisation der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, JBl 1987, 349 [352]; Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz² [1996], § 37 ASGG Anm 11 f; Neumayr aaO; Adamovic aaO 217; Mayr in Rechberger, ZPO³ § 7 JN Rz 5 und 8; G. Kodek, Die Verbandsklage nach § 29 KSchG im Arbeitsrecht, DRdA 2007, 356 [363]).
Der Wertungswiderspruch, der sich aus der Anwendung des § 45 JN auf das Verhältnis zwischen dem Arbeits- und Sozialgericht Wien und den anderen ordentlichen Gerichten in Wien daraus ergibt, dass die in Wien getroffenen Entscheidungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 ASGG unanfechtbar sind, könnte zwar vom Gesetzgeber dahin gelöst werden, dass er auch für Besetzungsstreitigkeiten eine Rechtsmittelbeschränkung schafft, führt aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der für den Rechtsschutz großzügigeren Regelung des § 37 Abs 3 ASGG (4 Ob 1/03f).
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Verfassungsgesetzgeber in Art 83 Abs 1 B-VG die Zuständigkeitsregeln nicht näher determiniert, sondern die Festlegung der Zuständigkeit dem einfachen Bundesgesetzgeber überlässt. Demgegenüber ist in Art 87 Abs 3 B-VG der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung verankert, womit die Verfassung selbst eine Präzisierung des gesetzlichen Richters vornimmt. Der hohe Stellenwert der Wahrung der richtigen Zuständigkeit und Gerichtsbesetzung in Arbeits- und Sozialrechtssachen zeigt sich in der Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG.
Dass G. Kodek (in Fasching/Konecny² § 260 ZPO Rz 36 und 68) - wie vom Rekursgericht angenommen - die Ansicht vertrete, § 45 JN sei im hier zu beurteilenden Fall analog anzuwenden und damit die Anfechtbarkeit des Beschlusses nach § 37 Abs 3 ASGG überhaupt verneine, kann nicht angenommen werden (arg „könnte“ in RZ 36 aE). Er geht nämlich, der herrschenden Ansicht folgend, davon aus, dass der Beschluss über die Besetzung nach § 37 Abs 3 ASGG (abgesehen vom Wert des Streitgegenstands) keinen Rekursbeschränkungen unterliegt und diese großzügigere Regelung damit begründet werden kann, dass auch sonst das arbeits- und sozialgerichtliche Verfahren im Vergleich zum ordentlichen Verfahren weitergehende Anfechtungs- möglichkeiten eröffnet. Lediglich wegen des Umstands, dass die Sonderregelung des § 37 Abs 3 ASGG im Hinblick auf § 45 JN wertungsmäßig nicht konsequent sei, erörtert er die Frage der analogen Anwendung des § 45 JN (in diesem Sinn G. Kodek, DRdA 2007, 363 FN 75).
Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorhandensein einer Gesetzeslücke, das heißt einer „planwidrigen“, nicht gewollten Unvollständigkeit voraus. Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine echte Lücke liegt vor, wenn man von einem bestimmten Standpunkt aus die konkrete Regelung eines Sachverhalts erwartet, eine solche aber fehlt. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht. Genauso bedeutet es noch keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke, wenn der Gesetzgeber eine Regelung nicht vorgenommen hat, die ein Autor als wünschenswert empfindet. Den Gerichten kommt nämlich nicht die Aufgabe zu, im Wege einer allzu weitherzigen Interpretation rechtspolitische Aspekte zu berücksichtigen, die den Gesetzgeber bisher (bewusst oder unbewusst) nicht veranlasst haben, eine Gesetzesänderung vorzunehmen. Analogie ist daher ausgeschlossen, wenn ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolge nur eintreten lassen will, wenn gerade die Voraussetzungen des geregelten Tatbestands erfüllt sind, also die Nichtregelung dem Plan des Gesetzes entspricht (7 Ob 215/11k mwN).
Das Rekursgericht bleibt eine hinreichende Begründung schuldig, warum die vom Gesetzgeber bewusst gewählte Form der Beschlussfassung über die Gerichtsbesetzung nach § 37 Abs 3 ASGG eine Analogie mit § 45 JN rechtfertigen sollte. Nach der Gesetzessystematik ist dieser Beschluss gemäß § 40a JN selbständig anfechtbar. Hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, dass der Besetzungsbeschluss nicht den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN - mit Ausnahme des Verhältnisses zwischen dem ASG Wien und den anderen ordentlichen Gerichten in Wien - unterliegt, führt der daraus resultierende Wertungswiderspruch nicht zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf diesen Beschluss.
3. Der Rekurs der erst-, zweit- und fünftbeklagten Parteien gegen den erstgerichtlichen Beschluss über die Gerichtsbesetzung ist somit entgegen der Ansicht des Rekursgerichts zulässig. Die die Zulässigkeit dieser Rekurse verneinende Entscheidung des Rekursgerichts ist daher aufzuheben und diesem die Sachentscheidung aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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