OGH 1Ob542/94

OGH1Ob542/9430.5.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****-AG, ***** vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Karl S*****, ***** vertreten durch Dr. Alexander und Dr. Wolfgang Puttinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen S 1,353.211,20 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 16. März 1994, GZ 3 R 53/94-12, womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels vom 12. Jänner 1994, GZ 6 Cg 332/93-8, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluß des Rekursgerichtes, der hinsichtlich der Zurückweisung der Rekursbeantwortung als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird im übrigen, somit in Ansehung der Zurückweisung des Rekurses der beklagten Partei aufgehoben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung aufgetragen.

Die Rekurskosten sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt vom Beklagten für Warenlieferungen den Betrag von S 1,353.211,20. Dem Beklagten wurde die Klage am 1. Juni 1993 zugestellt. In der erstatteten Klagebeantwortung wendete der Beklagte unter anderem die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Linz ein. Zum Einwand der sachlichen Unzuständigkeit führte er aus, es habe das Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht einzuschreiten, weil der Beklagte als arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG anzusehen sei.

Das Landes- als Handelsgericht Linz erklärte sich mit Beschluß vom 11. Oktober 1993 für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landes- als Handelsgericht Wels. Dieses wies mit Beschluß vom 12. Jänner 1994 die vom Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit ab. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beklagte auf Grund verschiedener Umstände im Verhältnis zur Klägerin nicht als arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 51 Abs 3 ASGG anzusehen sei. Das Landesgericht Wels habe den vorliegenden Rechtsstreit daher nicht in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht zu entscheiden.

Dagegen erhob der Beklagte Rekurs, in welchem er vor allem ausführte, daß seine Tätigkeit von wirtschaftlicher Unselbständigkeit gezeichnet gewesen und er daher als arbeitnehmerähnlich anzusehen sei. Er beantragte, seiner Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Wels stattzugeben und die Klage zurückzuweisen.

Die Klägerin erstattete Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs des Beklagten nicht Folge zu geben.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Rekursgericht den Rekurs des Beklagten und die Rekursbeantwortung der Klägerin zurück. Den ordentlichen Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Gemäß § 45 JN seien nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejahe, nicht anfechtbar. Seit der Zivilverfahrensnovelle 1983 sei die Unzuständigkeit auch im Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten heilbar, § 45 JN also auch im Verhältnis dieser Zuständigkeit anzuwenden. Der Beklagte habe zwar "sachliche Unzuständigkeit" eingewendet, diese Einrede aber ausschließlich damit begründet, daß das Erstgericht in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht einzuschreiten habe. Für diesen Fall sehe § 37 Abs 3 ASGG vor, daß das angerufene Gericht mit Beschluß auszusprechen habe, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen sei; in diesem Sinne sei auch der erstinstanzliche Beschluß zu verstehen. Das Rekursgericht teile die Ansicht des Obersten Gerichtshofes, wonach ein Beschluß nach § 37 Abs 3 ASGG - abgesehen vom Wert des Streitgegenstandes - keinen Rekursbeschränkungen unterliege, nicht. Der Rekurs sei vielmehr gemäß § 45 JN unzulässig. Das Rekursverfahren sei selbst nach den die Zulässigkeit des Rekurses bejahenden Entscheidungen einseitig, sodaß die Rekursbeantwortung der Klägerin unzulässig sei. Der ordentliche Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 37 Abs 3 ASGG abgewichen sei.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß seinem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes stattgegeben werde; hilfsweise wird die Aufhebung und Rückverweisung "an die Unterinstanz" zur neuerlichen Entscheidung begehrt.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, daß nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen das Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nach § 45 JN nicht anfechtbar sind. Seit der ZVN 1983 ist die Unzuständigkeit im Verhältnis zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten heilbar. Auch im Verhältnis dieser Zuständigkeit sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, unanfechtbar (JBl 1986, 333; 14 Ob 25/86; 9 ObA 135/91; 9 ObA 257, 1014/90; 9 ObA 69/87; RZ 1993/26; 8 Ob 501/88). Die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeitsgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden hat, ist (ausgenommen im Verhältnis zum Arbeits- und Sozialgericht Wien und zum Handelsgericht Wien) nicht eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine Frage der Gerichtsbesetzung des jeweiligen Spruchkörpers (EvBl 1990/90; WBl 1992, 195; 9 Ob 901/93; 9 ObA 94, 95/90; 9 ObA 41/88; 9 ObA 248/93; Fasching, Lehrbuch**2 Rz 2254 f). Der Unzuständigkeitseinrede des Beklagten kommt folglich nur insoweit Beachtlichkeit zu, als mit ihr implicite auch ein Besetzungsmangel im Sinne des § 37 Abs 1 ASGG geltend gemacht wird. Eine unrichtige Gerichtsbesetzung durch Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers ist ein Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Wird die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung von einer Partei bezweifelt, dann hat das Gericht, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten ist - dies ist hier nicht der Fall -, gemäß § 37 Abs 3 ASGG mit Beschluß auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist (EvBl 1990/90; 9 ObA 41/88, 9 ObA 248/93; 9 Ob 901/93; Kuderna, ASGG 171 ff; Feitzinger-Tades, ASGG, Anm 9 zu § 37). Dieser Beschluß nach § 37 Abs 3 ASGG unterliegt - abgesehen vom Wert des Streitgegenstandes, der hier S 50.000,-- übersteigt - keinen Rekursbeschränkungen (9 ObA 248/93; EvBl 1992/60).

Diese Rechtsansicht widerspricht, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes, nicht der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN, denn die Frage der Unzuständigkeit ist von der Frage der unrichtigen Besetzung eines bestimmten Gerichtes zu trennen, wenngleich ein gewisser Zusammenhang der beiden Fragen besteht. Bei einem Gericht, das zugleich in allgemeinen Zivilrechtsstreitigkeiten, aber auch in Arbeits- und Sozialrechtsstreitigkeiten tätig werden kann, liegt es in der Natur der Sache, daß es als bestimmtes Gericht für den Fall der ganz allgemein bestehenden Zuständigkeit nicht unzuständig sein kann, wenn lediglich die Gerichtsbesetzung eine verschiedene ist (vgl. Fasching aaO; 9 ObA 94, 95/90 mwH).

Der Rekurs des Beklagten gegen den nicht nur die Zuständigkeit des Landesgerichtes Wels allgemein bejahenden, sondern auch die Gerichtsbesetzung festsetzenden Beschluß vom 12. Jänner 1994 ist sohin, entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes, zulässig, sodaß die lediglich die Zulässigkeit dieses Rekurses betreffende Entscheidung des Rekursgerichtes aufzuheben und diesem die Sachentscheidung aufzutragen ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Stichworte