Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung von
S 16.339,20 s.A. Der Beklagte habe sich als selbständiger Handelsvertreter zur Übernahme der inzwischen von der Klägerin bezahlten Kosten der Reparatur des ihm zur Verfügung gestellten Fahrzeuges verpflichtet.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Reparaturen seien immer von der Klägerin bezahlt worden. Er habe zur Reparatur des Fahrzeuges keinen Auftrag gegeben. Im übrigen bestreite er auch seine Eigenschaft als selbständiger Handelsvertreter.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in der Hauptsache statt.
Es stellte - zusammengefaßt dargestellt folgendes fest:
Nach einem drei Monate dauernden Angestellten-Dienstverhältnis des Beklagten bei der Klägerin im Jahre 1984 war der Beklagte als selbständiger Handelsvertreter tätig und unterfertigte die Vereinbarung vom 20.Februar 1984 (Blg./A). Gemäß dieser Vereinbarung hat er für sämtliche anfallenden Kosten und Reparaturen des ihm zur Verfügung gestellten LKWs aufzukommen. Eine gegenteilige mündliche Vereinbarung war nicht zustandegekommen. Die Klägerin bezahlte bisweilen aus Kulanzgründen oder auch aus sozialen Erwägungen Autoreparaturen freiwillig. Im Jahr 1985 brachte der Beklagte den ihm zur Verfügung gestellen LKW zweimal zur Reparatur, ohne die Reparaturkosten zu bezahlen. Die Klägerin bezahlte die Reparaturkosten in Höhe des eingeklagten Betrages.
Aus diesem festgestellten Sachverhalt schloß das Erstgericht auf die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung des Klagebetrages. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge. Es hob das erstgerichtliche Urteil sowie das vorangegangene Verfahren ab der mündlichen Verhandlung vom 15.Jänner 1987 als nichtig auf und überwies die Rechtssache an das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht. Es sprach aus, daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses aufzunehmen sei.
Das Gericht zweiter Instanz ergänzte den Sachverhalt wie folgt:
Ab Juli 1984 war der Beklagte als Handelsvertreter für die Klägerin tätig. Er bezog kein Fixum und kein Gehalt, sondern wurde ausschließlich auf Provisionsbasis honoriert. Die Provisionsabrechnung erfolgte mehrmals monatlich. Der Beklagte hatte kein eigenes Unternehmen und keine eigene Betriebsstätte. Er arbeitete ausschließlich für die Klägerin. Seinen Lebensunterhalt bestritt er nur aus deren Provisionszahlungen. Der Beklagte war nur insofern an eine Arbeitszeit gebunden, als er Messen und Volksfeste zu besuchen hatte, um Leitern zu verkaufen. Welche Veranstaltungen er besuchen sollte, wurde dem Beklagten von der Klägerin vorgeschlagen. Die Klägerin verpflichtete den Beklagten jedoch nicht zum Besuch bestimmter Veranstaltungen, sondern hätte im Falle einer Ablehnung durch den Beklagten einen anderen Vertreter dorthin geschickt. Der Beklagte konnte den Kunden Preisnachlässe gewähren, die jedoch auch seine Provision entsprechend verringerten. Es wäre dem Beklagten jederzeit freigestanden, auch für andere Unternehmer Verkaufstätigkeiten zu entfalten. Die Klägerin wies dem Beklagten als das von ihm zu betreuende Gebiet das Mühlviertel zu. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, daß zur Zeit der Klagseinbringung noch das Arbeitsgerichtsgesetz in Geltung stand. Nach dessen § 4 hatte das Arbeitsgericht seine Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die Bestimmung über die Heilung der Unzuständigkeit (§ 104 Abs 3 JN) habe auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren gegolten. Gemäß § 1 Abs 1 ArbGG seien die Arbeitsgerichte unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmern und Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis zuständig gewesen. Beschäftigte im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes waren gemäß dessen § 2 Abs 1 die Arbeiter und Angestellten sowie die arbeitnehmerähnlichen Personen, die im Auftrag und auf Rechnung bestimmter anderer Personen und in wirtschaftlicher Unselbständigkeit Arbeit leisten. Der Beklagte sei als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Es komme wesentlich darauf an, daß er von der Klägerin wirtschaftlich abhängig und ihr untergeordnet war; er habe seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus den Einkünften bestritten, die er aus dem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur Klägerin bezog. Der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person sei bei sozialer Schutzbedürftigkeit nicht eng auszulegen. Somit sei für das vorliegende Verfahren das Arbeitsgericht zuständig gewesen. Eine Heilung der Unzuständigkeit des Erstgerichtes gemäß § 104 Abs 3 JN komme nicht in Betracht, weil der Beklagte im Verfahren erster Instanz unvertreten war und eine entsprechende Rechtsbelehrung über die Möglichkeit der Einrede der Unzuständigkeit nicht erteilt wurde. Auch aus § 45 JN könne keine Heilung der Unzuständigkeit abgeleitet werden, weil eine Entscheidung des Erstgerichtes über die sachliche Zuständigkeit nicht vorliege. Das Erstgericht habe sich mit der Zuständigkeitsfrage überhaupt nicht befaßt. Da die Rechtssache seit dem Inkrafttreten des ASGG in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz als Arbeits- und Sozialgericht falle und die Unzuständigkeit des Erstgerichtes nicht geheilt sei, liege der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO vor. Unter Anwendung des § 38 ASGG sei die Rechtssache an das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes zu überweisen gewesen.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der Klägerin, in welchem sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt in der gemäß § 521 a ZPO zulässigen Rekursbeantwortung (Fasching, Zivilprozeßrecht, RZ 1981), dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zwar mit Rücksicht auf den Rechtskraftvorbehalt zulässig (JBl 1955, 604; RZ 1984/60 S. 183 ua), aber nicht berechtigt.
Die Klägerin stellt sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß der Beklagte selbständiger Handelsvertreter gewesen sei, sodaß im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichtes für die Rechtssache das ordentliche Zivilgericht sachlich zuständig war.
Dem kann jedoch nicht gefolgt werden:
Das Berufungsgericht hat zutreffend zunächst auf § 104 Abs 3 JN verwiesen, wonach ein an sich sachlich unzuständiges Gericht auch dadurch zuständig wird, daß eine unvertretbare Person vorher durch den Richter über die Möglichkeit der Einrede der Unzuständigkeit und deren Wirkung belehrt und diese Belehrung im Verhandlungsprotokoll beurkundet worden ist. Wurde eine solche Belehrung, wie im vorliegenden Fall, nicht vorgenommen, so muß es dem Beklagten unbenommen bleiben, die sachliche Unzuständigkeit des Gerichtes im Rechtsmittel gegen dessen Entscheidung geltend zu machen. § 45 JN, der seit der Zivilverfahrensnovelle 1983 auch im Verhältnis zwischen Arbeitsgerichten und den allgemeinen Zivilgerichten Anwendung findet (Fasching, Zivilverfahrensrecht, Rz 231; 4 Ob 146/85; 14 Ob 25/86 ua), kommt hier von vornherein nicht zum Tragen, weil das Erstgericht keine Zuständigkeitsentscheidung fällte. Auch die Rechtsprechung daß in der Sachentscheidung eine "schlüssige" Zuständigkeitsentscheidung liegt, ändert hieran nichts, denn sie setzt die Erhebung der Unzuständigkeitseinrede voraus. Durch § 45 JN ist hier die Anwendung des § 104 Abs 3 letzter Halbsatz JN somit keinesfalls ausgeschlossen.
§ 2 Abs 1 Satz 2 des zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch geltenden ArbGG stellte den Arbeitern und Angestellen Personen gleich, die, ohne in einem Arbeitsvertragsverhältnis zu stehen, im Auftrag und für Rechnung bestimmter anderer Personen Arbeit leisten und wegen wirtschaftlicher Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnlich anzusehen sind. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen in einem bestimmten Fall gegeben sind, müssen die Umstände, die für und wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis sprechen, in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Entscheidend für die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses ist in erster Linie die wirtschaftliche Unselbständigkeit der im Auftrag und für Rechnung einer anderen arbeitenden Person. Nach diesem Kriterium ist auch die Arbeitnehmerähnlichkeit von selbständigen Handelsvertretern zu beurteilen. Nach ständiger Rechtsprechung können nichtangestellte Vertreter, die sich vom angestellten Vertreter im wesentlichen nur dadurch unterscheiden, daß sie keinen Anspruch auf ein Fixum haben und daß ihnen keine bestimmte Einteilung der Arbeit nach Zeit und Ort der Ausübung sowie keine Pflicht zur Berichterstattung auferlegt ist, nicht als Unternehmer gewertet werden (SZ 22/66, Arb. 8.102, EvBl 1974/85 ua). Wesentlich ist also die faktische wirtschaftliche Abhängigkeit von bestimmten, wenn auch mehreren, nicht aber von einer unbegrenzten, ständig wechselnden Anzahl von Unternehmern. Eine solche Abhängigkeit ist vor allem dann anzunehmen, wenn es sich um eine gewisse Regelmäßigkeit der Arbeitsleistung handelt und der Handelsvertreter auf das für diese Tätigkeit geleistete Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes angewiesen ist (Stanzl, Arbeitsgerichtliches Verfahren 94 f; Arb. 7.641; EvBl 1974/85; Arb. 9.400; Arb. 10.310 ua).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Im Vordergrund steht hiebei, daß der Beklagte ausschließlich für die Klägerin arbeitete und seinen Lebensunterhalt nur aus deren Provisionszahlungen bezog. Sie war es auch, die ihm das von ihm zu betreuende Gebiet zuwies und die ihm vorschlug, welche Veranstaltungen er zur Erzielung von Verkaufsabschlüssen besuchen sollte. Der Beklagte war wirtschaftlich ausschließlich von der Klägerin abhängig. Bei dieser Sachlage ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß der Beklagte als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne der dargestellten Literatur und Judikatur anzusehen ist. Demnach fiel das vorliegende Klagebegehren in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte und gehört gemäß § 98 ASGG seit 1.Jänner 1987 in die Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz als Arbeits- und Sozialgericht.
Der Rekurs erwies sich daher nicht als stichhältig, weshalb ihm der Erfolg zu versagen war.
Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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