OGH 4Ob1/03f

OGH4Ob1/03f25.3.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** reg.Gen.mbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Christian W*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OEG in St. Pölten, wegen Unterlassung, Widerruf, Urteilsveröffentlichung und 59.634,75 EUR sA (Gesamtstreitwert 109.634,75 EUR), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. September 2002, GZ 3 R 114/02k-10, womit der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 19. April 2002, GZ 4 Cg 50/02g-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit ihrer beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin - gestützt auf die §§ 1 und 7 UWG sowie § 1330 ABGB - die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung näher dargestellter wettbewerbswidriger/kreditschädigender Äußerungen über sie, ferner den - ebenfalls vorformulierten - Widerruf dieser Äußerungen und dessen Anschlag am "schwarzen Brett" eines näher bezeichneten Hauses in H*****, ferner die Ermächtigung zur Veröffentlichung des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils und die Zahlung eines Geldbetrags aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Beklagte sei bei der Klägerin als Hausverwalterin beschäftigt gewesen. Als die Klägerin erfahren habe, dass der Beklagte ohne ihr Einverständnis ein Konkurrenzunternehmen betreibe, dessen Betriebsgegenstand ua Immobilienverwaltung sei, habe sie mit Schreiben vom 18. 7. 2001 seine Entlassung bzw seine Kündigung zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen. Am 17. 9. 2001 habe sie erfahren, dass der Beklagte am 13. 9. 2001 ohne ihr Einverständnis eine Hausversammlung in einem von ihr verwalteten Haus in H***** einberufen habe, wobei er die beanstandeten unrichtigen und kreditschädigenden Äußerungen über die Klägerin abgegeben habe. Damit habe der Beklagte bezweckt, die Wohnungseigentümer dazu zu bewegen, die Hausverwaltung durch die Klägerin aufzukündigen und zu seinem Unternehmen zu wechseln. Neben dem beschriebenen Fall habe der Beklagte auch in mehreren anderen von der Klägerin verwalteten Objekten die Wohnungseigentümer zur Aufkündigung des Hausverwaltungsvertrags mit der Klägerin bewegt. In seiner Klagebeantwortung erhob der Beklagte zunächst die Einrede der unrichtigen Gerichtsbesetzung, weil der geltend gemachte Anspruch eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 ASGG sei. Darüber habe das Erstgericht in einem Senat mit Laienbeteiligung bzw mit dem Beisatz "als Arbeits- und Sozialgericht" und unter Anwendung der in den §§ 39 ff ASGG geregelten Verfahrensbesonderheiten zu verhandeln. Eine Verletzung dieser Besetzungsvorschrift begründe eine prorogable sachliche Unzuständigkeit. Im Zweifel habe das Erstgericht gemäß § 37 Abs 3 ASGG, sofern noch keine Heilung eingetreten sei, mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen sei. Er beantrage daher, das Erstgericht wolle aussprechen, dass es das Verfahren in der Besetzung nach der Geschäftsverteilung für Arbeits- und Sozialrechtssachen, somit in Senatsbesetzung, fortsetze.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 19. 4. 2002 aus, dass es in gegenständlicher Rechtssache als Handelsgericht in der Gerichtsbesetzung gemäß § 7a Abs 1 JN zuständig sei. Es begründete seine Entscheidung damit, die Zuständigkeitsprüfung habe auf Grund der Angaben des Klägers zu erfolgen; die Klage richte sich gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Unternehmer, der mit seinem Unternehmen in einem Konkurrenz- und Wettbewerbsverhältnis zur klagenden Partei stehe. Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs gehörten kraft Eigenzuständigkeit vor die Handelsgerichte. Die Ausnahmebestimmung des § 51 Abs 2 Z 10 JN für Arbeitsrechtssachen komme nicht in Betracht, weil sich im vorliegenden Fall aus dem Klagevorbringen keine hinreichenden Anhaltspunkte ergäben, dass eine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vorliege.

Das vom Beklagten angerufene Rekursgericht sprach in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses aus, dass das Erstgericht das Verfahren als Arbeits- und Sozialgericht in der gemäß §§ 11, 12 ASGG erforderlichen Gerichtsbesetzung fortzusetzen habe, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rekurs des Beklagten sei zulässig, weil trotz der Bestimmung des § 45 Abs 1 JN - zumindest was die Gerichte außerhalb Wiens betreffe - die Anfechtbarkeit des erstinstanzlichen Beschlusses zu bejahen sei, weil es hier nicht um eine Zuständigkeits-, sondern um eine Besetzungsfrage gehe, die in weiterer Folge auch Auswirkungen auf das anzuwendende Verfahren(srecht) habe. Es sei daher die Vorschrift des § 40a JN analog anzuwenden bzw die Anfechtbarkeit nach § 261 ZPO, § 37 ASGG zu bejahen (OLG Innsbruck EvBl 1994/82; Ballon in Fasching I2 Rz 5 zu § 45 JN). Für Streitigkeiten wegen unlauteren Wettbewerbs sehe § 51 Abs 2 Z 10 JN die Eigenzuständigkeit der Handelsgerichte vor, sofern es sich nicht um eine Arbeitsrechtssache handelt. § 50 Abs 1 ASGG definiere Arbeitsrechtssachen als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder mit dessen Anbahnung. Nach der alten Rechtslage (§ 1 Abs 2 Z 2 ArbGG vor 1985) sei das Arbeitsgericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Beschäftigten aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen zuständig gewesen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang standen. Diesen "Zusammenhang" habe der Oberste Gerichtshof bejaht (Arb 10.023), wenn ohne die gemeinsame Arbeit keine Gelegenheit oder kein Anlass zur Begehung der unerlaubten Handlung bestanden hätte; die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts sei auch dann gegeben, wenn die unerlaubte Handlung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden sei, sofern nur der innere Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gegeben sei; bezögen sich fortkommensschädigende Äußerungen eines ehemaligen Arbeitnehmers auf sein früheres Arbeitsverhältnis und sein Verhältnis zu seinen damaligen Vorgesetzten, um dadurch ein eigenes Verhalten während dieses früheren Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, dann liege ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Äußerungen und dem Arbeitsverhältnis vor. In Anwendung dieser Grundsätze zeige sich, dass ungeachtet der geltend gemachten Anspruchsgrundlage nach den §§ 1, 7 UWG bzw § 1330 ABGB jedenfalls ein innerer Zusammenhang zu dem früheren Arbeitsverhältnis des Beklagten bestehe. Sowohl die Gelegenheit, die Hausversammlung einzuberufen und dort die beanstandeten Äußerungen zu machen, als auch der Anlass für diese Vorgangsweise (vorausgehende Kündigung bzw Entlassung wegen Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot) seien ohne das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis nicht denkbar. Somit sei der "Zusammenhang", den § 50 Abs 1 ASGG verlange, selbst nach den Klageangaben zu bejahen (Simotta in Fasching I2 § 51 JN Rz 143). Werde die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung bezweifelt, dann habe das Gericht nach § 37 Abs 3 ASGG, sofern nicht bereits eine Heilung (im Sinne des sinngemäß anzuwendenden § 260 Abs 4 ZPO) eingetreten sei, mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen sei. Da der Beklagte die unrichtige Gerichtsbesetzung rechtzeitig gerügt habe, sei eine solche Heilung des "Besetzungsmangels" nicht eingetreten. Da Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die zweitinstanzliche Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt:

Zunächst ist auf die dargelegte, zutreffende Begründung der vorinstanzlichen Entscheidung zu verweisen, gegen die im Rechtsmittel keine stichhältigen Gründe aufgezeigt werden können (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

Entgegen der Meinung der Klägerin ist die Anfechtbarkeit der gemäß § 37 Abs 3 ASGG gefassten Beschlüsse über die Besetzung des Gerichts unzweifelhaft zu bejahen (Ballon, Die Gerichtsorganisation der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit JBl 1987, 349 ff [352]; Kuderna,

Die Entwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Österreich, DRdA 1997, 341 ff [345]). Der Wertungswiderspruch, der sich aus der Anwendung des § 45 JN auf das Verhältnis zwischen dem ASG Wien und den anderen ordentlichen Gerichten in Wien daraus ergibt, dass dann die in Wien getroffenen Entscheidungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 ASGG unanfechtbar sind (Ballon aaO; Kuderna aaO), könnte zwar vom Gesetzgeber dahin gelöst werden, dass er auch für Besetzungsstreitigkeiten eine Rechtsmittelbeschränkung schafft (so Kuderna aaO), führt aber nicht zur Verfassungswidrigkeit der für den Rechtsschutz großzügigeren Regelung; vielmehr stellt sich die Frage, ob nicht § 45 JN verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass er im Verhältnis zwischen dem ASG Wien und anderen Wiener Gerichten nicht heranzuziehen ist (vgl Mayr in Rechberger, ZPO2 § 45 JN Rz 4; Fasching, Die Bedeutung des Gleichheitssatzes, FG 8). Ist die weitere Bekämpfung der von den Vorinstanzen unterschiedlich entschiedenen Frage der Gerichtsbesetzung aber zulässig, dann begegnet die Auffassung der Vorinstanz, die vorliegende Rechtssache stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Beklagten zur Klägerin bzw mit dessen Beendigung keinen Bedenken (vgl Kuderna, ASGG § 50 Rz 7 mwN). Gerade auch angesichts der im Revisionsrekurs der klagenden Partei erwähnten zwei bereits beim Erstgericht anhängigen Arbeitsgerichtsprozesse wird doch deutlich, dass die Gründe für die Beendigung des zwischen den Parteien bestandenen Arbeitsverhältnisses gerade auch wegen der im vorliegenden Verfahren von der klagenden Partei behaupteten Vorgangsweise des Beklagten den im § 50 Abs 1 ASGG geforderten Zusammenhang herstellt. Diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Beschlusses.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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