Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt mit seiner an das "Arbeits- und Sozialgericht Salzburg" (gemeint: an das Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht) gerichteten Klage den Zuspruch von S 1,751.934,62 sA an ausständigen Provisionen und Ausgleichsanspruch iSd § 24 HVertrG. Zur Frage der Besetzung des angerufenen Gerichtes als Arbeits- und Sozialgericht berief sich der Kläger auf § 50 Abs 1 Z 1 iVm § 51 Abs 3 Z 2 ASGG: Wenngleich er selbständiger Handelsvertreter sei, sei seine Tätigkeit für die Beklagte als arbeitnehmerähnlich zu beurteilen, weil er in deren Auftrag und für deren Rechnung Arbeiten geleistet und dabei wirtschaftlich unselbständig, nämlich sowohl persönlich als auch wirtschaftlich von der beklagten Partei abhängig, gewesen sei. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ergebe sich aus § 4 Abs 1 lit a ASGG, weil der Kläger während der gesamten Tätigkeit seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg gehabt habe.
Das angerufene Gericht verhandelte in der im § 11 Abs 1 ASGG vorgesehenen Zusammensetzung.
Die beklagte Partei erhob die Einrede der örtlichen und sachlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht ausschließlich mit der Begründung, dass der Kläger nicht in arbeitnehmerähnlicher Stellung für sie tätig gewesen sei und bestritt im Übrigen das Klagebegehren.
Nach Erörterung der Unzuständigkeitseinreden in der Tagsatzung vom 24. 8. 2000 zog die beklagte Partei den Einwand der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurück und erklärte, die unrichtige Gerichtsbesetzung und die örtliche Zuständigkeit einzuwenden. Das Vorbringen, dass es sich um keine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 ASGG handle, weil der Kläger für die Beklagte nicht im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG tätig geworden sei, blieb genauso unverändert, wie das angestrebte Ziel, die Rechtssache in anderer Besetzung vor das Landesgericht Wiener Neustadt zu bringen.
Nach abgesonderter Verhandlung fasste das Erstgericht den Beschluss,
1. dass das Verfahren in der Gerichtsbesetzung nach §§ 11 Abs 1 und 12 ASGG fortzuführen ist; 2. erklärte sich das Landesgericht Salzburg zur Durchführung des Verfahrens für zuständig; die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes wurde zurückgewiesen.
Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger auf Grund seiner für die beklagte Partei ausgeübte Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich (§ 51 Abs 3 Z 2 ASGG) zu beurteilen sei. Damit sei das Verfahren in der Gerichtsbesetzung nach §§ 11 Abs 1 und 12 ASGG durchzuführen. Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 lit a ASGG sei auch die örtliche Zuständigkeit gegeben, weil der Kläger während der gesamten Dauer seiner Vertretertätigkeit bis dato seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Salzburg gehabt habe.
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs der beklagten Partei zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.
Nach ständiger Rechtsprechung sei die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeitsgericht oder in einer anderen Funktion zu entscheiden habe (ausgenommen im Verhältnis zwischen Arbeits- und Sozialgericht Wien und dem Handelsgericht Wien), nicht eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine solche der Gerichtsbesetzung des jeweiligen Spruchkörpers (EvBl 1990/90; WBl 1992, 195, EvBl 2000/43; RIS-Justiz RS0085489; Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 7 JN ua). Eine - unter diesen Voraussetzungen - verfehlte Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes werde dann als Geltendmachung eines Besetzungsmangels im Sinne des § 37 Abs 1 ASGG verstanden (RIS-Justiz RS0046268), worüber, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten sei, das Gericht gemäß § 37 Abs 3 ASGG mit Beschluss auszusprechen habe, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen sei (EvBl 1990/90; EvBl 2000/43). Ein solcher Beschluss unterliege nach der Rechtsprechung aber nicht der Anfechtungsbeschränkung des § 45 JN (EvBl 2000/43; RIS-Justiz RS0046274). Somit sei (von den besonderen Wiener Verhältnissen abgesehen) entscheidend, ob die Einrede des Beklagten darauf abziele, dass ein anderer Spruchkörper des angerufenen (also desselben) Gerichtshofes zu entscheiden habe. Werde dagegen die Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes (8 ObA 205/94) oder eines anderen als des angerufenen Gerichtshofes - auch wenn dieser ansonsten in der jeweils anderen Besetzung entscheiden könnte - mit der Begründung geltend gemacht, dass keine Arbeitsrechtssache vorliege, handle es sich um einen Zuständigkeitsstreit, welcher nicht auf den Streit über die örtliche Zuständigkeit zwischen mehreren örtlich als Arbeits- und Sozialgericht in Betracht kommenden Gerichtshöfen beschränkt sei, sondern (zumindest auch) die sachliche Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes als solche betreffe. Vorliegendenfalls habe die Beklagte zwar die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zurückgezogen, die aufrechterhaltene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit aber ausschließlich damit begründet, dass es sich um keine Arbeitsrechtssache handle. Die beklagte Partei habe daher sowohl mit dem ursprünglichen als auch mit den modifzierten Einreden jeweils ausschließlich die Entscheidung durch einen anderen Gerichtshof erster Instanz (nämlich das Landesgericht Wiener Neustadt als Handelsgericht) - in Wahrheit die Zurückweisung der Klage wegen Unzuständigkeit - und nicht die Entscheidung des Landesgerichtes in anderer Gerichtsbesetzung angestrebt. Mit dem angefochtenen Beschluss habe das Erstgericht letztlich nicht über einen speziell strittigen Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit eines von mehreren örtlich in Betracht kommenden Landesgerichten als Arbeits- und Sozialgerichte, sondern ausschließlich darüber entschieden, dass es sich um eine Arbeitsrechtssache handle und sich deshalb zur Durchführung des Verfahrens (in der Gerichtsbesetzung nach dem ASGG) für zuständig erklärt. Gestützt auf Fasching (Lehrbuch2 Rz 2255) vermeinte das Rekursgericht, dass der Fall, in dem die Zuständigkeit eines Bezirksgerichtes anstelle eines Landes- als Arbeits- und Sozialgerichtes (8 ObA 205/94) eingewendet werde, demjenigen gleichzuhalten sei, wenn statt der Zuständigkeit eines Landes- als Arbeits- und Sozialgerichtes diejenige eines anderen Landesgerichtes in anderer Besetzung eingewendet werde. Die beklagte Partei habe somit - entgegen dem Wortlaut ihres Vorbringens - die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes bestritten, welches diese aber inhaltlich bejaht habe. Damit sei der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN gegeben.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gründete das Rekursgericht darauf, dass einerseits die Möglichkeit einer weitgehenden Umdeutung der Einreden der beklagten Partei und des Verständnisses der erstgerichtlichen Entscheidung nicht auf den Einzelfall beschränkt sei; zudem werde in ständiger Rechtsprechung betont, dass - außer im Verhältnis ASG Wien - HG Wien - die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof als Arbeits- und Sozialgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden habe, eine Frage der unrichtigen Gerichtsbesetzung sei, wogegen sich die vorliegende Entscheidung Fasching (aaO) folgend darauf gründe, dass es sich auch dann um keinen darauf beschränkten Streit handle, wenn die bei einem bestimmten Gerichtshof anhängig gemachte Rechtssache vor einem (anders besetzten) anderen Gerichtshof erster Instanz gehören würde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, auszusprechen, dass das Landesgericht Salzburg zur Durchführung des Verfahrens örtlich unzuständig sei, hilfsweise mit einem Aufhebungsantrag.
Der Rekurs ist wegen der aufgezeigten Problematik einer Bekämpfung der Entscheidung im Sinne des § 37 Abs 3 ASGG berechtigt; er ist im Umfang des Aufhebungsantrages auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie das Rekursgericht richtig erkannte, ist nach ständiger Rechtsprechung die Frage, ob ein bestimmter Gerichtshof in einer Rechtssache als Arbeitsgericht oder in anderer Funktion zu entscheiden hat (ausgenommen in dem - hier nicht vorliegenden - Verhältnis zwischen ASG Wien und HG Wien), nicht eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine solche der Gerichtsbesetzung des jeweiligen Spruchkörpers (stRsp EvBl 2000/43, WBl 1992, 195, EvBl 1990/90 uva). Wird die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung von einer Partei bezweifelt, hat das Gericht, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs 1 ASGG eingetreten ist, gemäß § 37 Abs 3 ASGG mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist (EvBl 1990/90; Kuderna ASGG2 § 37 Anm 10, Feitzinger-Tades, ASGG § 37 Anm 9). Ein solcher Beschluss unterliegt, da er sich auf die Besetzung und nicht auf die Zuständigkeit bezieht, nicht den Anfechtungsbeschränkungen des § 45 JN (RIS-Justiz RS085574, zuletzt 4 Ob 223/99v = EvBl 2000/43).
Während sich aus den §§ 61 ff JN eindeutig ergibt, dass Zivil- und Kausalsenat zueinander im Zuständigkeitsverhältnis stehen, behandelt § 37 ASGG das Verhältnis zwischen Zivil- bzw Handelssenat oder Einzelrichter einerseits und Arbeits- und Sozialgericht im Senat desselben Gerichtshof andererseits (nach Meinung mancher Autoren systemwidrig: Mayr in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu §§ 61 ff JN; Kuderna DRdA 1989, 17; derselbe DRdA 1997, 341, 345) als unrichtige Gerichtsbesetzung.
Demgegenüber vertritt das Rekursgericht die Ansicht, dass in dem Fall, dass die Unzuständigkeit eines Landes- als Arbeits- und Sozialgerichtes eingewendet und diejenige eines anderen Landesgerichtes in anderer Besetzung behauptet werde, ein Fall der der Rechtsmittelbeschränkung des § 45 JN unterliegenden sachlichen Unzuständigkeit sei. Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass zunächst aus der E 8 ObA 205/94 für den Standpunkt des Rekursgerichtes nichts Wesentliches zu gewinnen ist. Dort ging es nämlich darum, dass ein Landes- als Arbeits- und Sozialgericht seine Zuständigkeit für eine Räumungsklage wegen des Zusammenhanges mit einem Dienstverhältnis bejahte, während die beklagte Partei, von einem einfachen Bestandvertrag ausgehend, die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für gegeben erachtete. Damit ging es aber eindeutig nicht nur um die Besetzung, sondern auch um die Frage, ob ein Gerichtshof oder ein Bezirksgericht zuständig ist, was zweifelsohne eine Frage der sachlichen Zuständigkeit ist. Auch die übrigen, unter dem Rechtssatz, wonach der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN auch für das Verhältnis ordentliches Gericht-Arbeitsgericht gelte, zusammengefassten Entscheidungen (RIS-Justiz RS0046314), vermögen den Standpunkt des Rekursgerichtes nicht zu belegen. Zum Einen handelt es sich bei den früheren Entscheidungen um solche zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des ASGG, als Gerichtshöfe und Arbeitsgerichte verschiedene Gerichtstypen waren; zum Anderen betreffen diese Entscheidungen entweder das Verhältnis des Arbeitsgerichtes Wien zu ordentlichen Gerichten oder aber den (zu 8 ObA 205/94 abgehandelten) Fall, dass sich die Zuständigkeitsfrage zwischen einem Gerichtshof als Arbeits- und Sozialgericht einerseits und einem Bezirksgericht stellte.
Im hier zu behandelnden Fall geht es aber ausschließlich darum, ob ein Landesgericht, und zwar in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht, oder ein anderes Landesgericht, welches in derselben Besetzung angerufen werden könnte, tätig werden soll. Damit stellt sich aber keine Frage der sachlichen, sondern allein der örtlichen Zuständigkeit als Folge der Besetzung. Der Umstand, dass ein gewisser Zusammenhang zwischen Besetzungs- und Zuständigkeitsfrage besteht, vermag an der Qualifikation als Besetzungsfrage nichts zu ändern (1 Ob 542/94). Soweit sich das Rekursgericht auf die Lehrmeinung Faschings (Lehrbuch2 Rz 2255) beruft, ist auszuführen, dass dort die Behandlung der Frage, ob ein Gerichtshof als Arbeits- und Sozialgericht oder ein anderer Gerichtshof einzuschreiten hat, ganz allgemein, ohne nähere Begründung als eine solche der sachlichen Unzuständigkeit angesehen wird. Soweit Fasching eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung des Verhältnisses zwischen Entscheidungstätigkeit in Arbeits- und Sozialrechtssachen einerseits und allgemeinen Zivilsachen beim selben Gerichtshof andererseits abweichend vom Verhältnis der Entscheidungstätigkeit in allgemeinen Zivilsachen und Handelssachen beim selben Gericht (s Fasching im BMJ Grund- und Freiheitsrechte in der gerichtliche Praxis, Richterwoche 1992, 339 = Fasching FS 1993, 3 ff, 8) vermisst, weil Letzteres in § 61 JN klar als Verhältnis der Zuständigkeit normiert würde, ist darauf hinzuweisen, dass hier wesentliche Unterschiede bestehen, welche eine sachliche Differenzierung auch wegen der Folgen, dh insbesondere im Bereich des Rechtsmittelverfahrens, rechtfertigen. Während sich nämlich allgemeine Zivil- und Handelsgerichtsbarkeit im Wesentlichen nur durch die Senatszusammensetzung (auch in zweiter Instanz) unterscheiden, knüpfen sich an die Unterscheidung zwischen arbeits- und sozialrechtlichem Senat einerseits und der Besetzung in allgemeinen Zivilsachen wesentlich gravierenderer Folgen, nämlich die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des ASGG mit den erheblich von der ZPO abweichenden Sonderregelungen. Es erscheint daher auch nicht erforderlich, die Rechtsmittelmöglichkeiten im Besetzungsstreit nach § 37 Abs 3 ZPO einzuschränken (so beispielsweise: Kuderna in DRdA 1997, 345). Sind aber - gegenüber der Bekämpfung der Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit - erweiterte Rechtsmittelmöglichkeiten grundsätzlich gerechtfertigt, braucht der von einigen Autoren (Fasching aaO; Ballon in Fasching, Kommentar2 I Rz 5 zu § 45 JN; derselbe JBl 1987, 352; Kuderna DRdA 1997; 345) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Rechtssituation in Wien, wo das ASG, HG und LG für ZRS zueinander im Verhältnis der sachlichen Zuständigkeit stehen, im Lichte des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes nicht mehr nähergetreten zu werden. Ob nämlich die dort eingeschränkten Rechtsmittelmöglichkeiten zu Bedenken Anlass geben oder eine aus der organisatorischen Notwendigkeit erfließende sachliche Rechtfertigung gegeben ist, ist keine Vorfrage für die hier gegebene erweiterte Rechtsmittelmöglichkeit.
Zusammenfassend stellt sich daher die Frage, ob ein außerhalb von Wien befindliches Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht oder aber ein anderes Landesgericht (wenn auch nicht als Arbeits- und Sozialgericht) tätig werden soll, nicht als eine der sachlichen Zuständigkeit, sondern als eine solche der Besetzung im Sinne des § 37 Abs 3 ASGG und damit eine Frage der solcherart verbundenen örtlichen Zuständigkeit dar.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 iVm § 58a Abs 4 ASGG.
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