OGH 13Os42/12v

OGH13Os42/12v18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Mag. Martin M***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG (aF) und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Mag. Martin M*****, Lucie H*****, Franz S***** und Markus K***** sowie die Berufungen der Finanzstrafbehörde und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1. Dezember 2010, GZ 23 Hv 62/08m-125, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I, demzufolge auch in den Strafaussprüchen wegen der Finanzvergehen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihren auf diesen Schuldspruch bezogenen Teilen ihrer Nichtigkeitsbeschwerden werden die Angeklagten, mit ihren Berufungen, soweit sie die Strafaussprüche wegen der Finanzvergehen betreffen, werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf den aufhebenden Teil dieser Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden im Übrigen werden zurückgewiesen.

Die Berufung der Finanzstrafbehörde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wegen der Strafaussprüche nach dem StGB werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mag. Martin M*****, Lucie H*****, Franz S***** und Markus K***** jeweils zu I (richtig - vgl RIS-Justiz RS0124712) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit b, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (Franz S***** iVm § 11 dritter Fall FinStrG) und zu II des Verbrechens des betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungs-beiträgen nach § 153d Abs 1 und Abs 2 StGB (Mag. Martin M*****, Lucie H***** und Markus K***** iVm § 153d Abs 3 SGB, Franz S***** iVm § 12 dritter Fall StGB), Mag. Martin M***** (zu III) und Markus K***** (zu V) jeweils des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB sowie Markus K***** des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach haben

(I) im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Innsbruck gewerbsmäßig Mag. Martin M*****, Lucie H***** und Markus K***** in einverständlichem Zusammenwirken sowie Franz S***** als Beitragstäter, der die Anmeldung von Arbeitnehmern des Unternehmens G***** bei der gesetzlichen Sozialversicherung als geringfügig Beschäftigte durchführte, für die Jahre 2005 und 2006 sowie die Monate Jänner bis März 2007 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG 1988 entsprechenden Lohnkonten Verkürzungen an Lohnsteuer um 94.478,61 Euro und an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um 37.072,57 Euro bewirkt;

(II) von 2005 bis 31. März 2007 in Innsbruck Mag. Martin M*****, Lucie H***** und Markus K***** in einverständlichem Zusammenwirken als leitende Angestellte sowie Franz S***** als Beitragstäter, der die Anmeldung von Arbeitnehmern des Unternehmens G***** bei der gesetzlichen Sozialversicherung als geringfügig Beschäftigte durchführte, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 340.325,49 Euro (zu ergänzen:) dem berechtigten Versicherungsträger betrügerisch vorenthalten, indem betreffend die genannte Gesellschaft Auslandssachverhalte vorgetäuscht wurden, obwohl unternehmensrelevante Entscheidungen in Österreich getroffen wurden und die Gesellschaft eine Betriebsstätte in Innsbruck unterhielt, von der aus Arbeitnehmer mit österreichischem Wohnsitz an österreichischen Beschäftigungsorten eingesetzt wurden;

(III) Mag. Martin M***** am 14. August 2006 in Innsbruck mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den das Verfahren AZ 48 Cga 51/06z des Landesgerichts Innsbruck führenden Richter durch Vorlage eines mit der nachgemachten Unterschrift der Ute Ge***** versehenen Dienstvertrags vom 30. Oktober 2005, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer „falschen und verfälschten“ Urkunde, zur Abweisung der auf 3.552,82 Euro netto samt Anhang und 744,25 Euro brutto samt Anhang gerichteten Klage, somit zu einer Handlung zu verleiten versucht, die Ute Ge***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte;

(IV) Markus K***** am 7. Mai 2007 in Kufstein vor Gericht in der im Verfahren AZ 48 Cga 51/06z des Landesgerichts Innsbruck geführten Streitverhandlung als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache durch die Behauptungen, die Klägerin Ute Ge***** habe bei der G***** beschäftigt werden sollen, beim Einstellungsgespräch habe man der Klägerin sehr ausführlich und konkret gesagt, dass sie für die G***** arbeiten würde, einige Tage nach dem ersten Bewerbungsgespräch sei ein Dienstvertrag mit ihr unterfertigt worden, die handschriftlichen Eintragungen auf der Beilage ./2 habe er gemacht, er schwöre, dass dieser Vertrag niemals ein anderes Deckblatt als jenes von der G***** hatte, er sei dabei gewesen, als Ute Ge***** genau den Dienstvertrag Beilage ./2 unterfertigt hätte, Ute Ge***** sei beim Erstgespräch mitgeteilt worden, dass es sich um eine tschechische Firma als Arbeitgeber handle, falsch ausgesagt;

(V) Markus K***** am 7. Mai 2007 in Kufstein mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz den das Verfahren AZ 48 Cga 51/06z des Landesgerichts Innsbruck führenden Richter durch die zu IV geschilderten Angaben sowie durch Vorlage eines mit der nachgemachten Unterschrift der Ute Ge***** versehenen Dienstvertrags vom 30. Oktober 2005, der als Arbeitgeber sowie im Briefkopf die Firma „G*****“ trug, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung einer „falschen und verfälschten“ Urkunde, zur Abweisung des Klagebegehrens der Ute Ge***** im Ausmaß von netto 3.552,82 Euro samt Anhang und brutto 744,25 Euro samt Anhang, somit zu einer Handlung zu verleiten versucht, die Ute Ge***** in einem 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen Mag. Martin M*****, Lucie H***** und Markus K***** jeweils auf Z 1, 5 und 9 lit a und Franz S***** auf Z 1, 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. Sie verfehlen - soweit im Folgenden auf sie einzugehen ist - ihr Ziel.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof zunächst - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - von einer nicht geltend gemachten, den Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit betreffend den Schuldspruch I (§§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Der Tatbestand des § 33 Abs 2 lit b FinStrG erfasst in objektiver Hinsicht die Hinterziehung von (im Sinn des Abs 3 lit b) selbst zu berechnenden Abgaben. Wesentliches (ungeschriebenes) Element der pönalisierten (vorsätzlichen) Verletzung der ansonsten näher umschriebenen abgabenrechtlichen Pflichten ist demnach das Unterlassen einer Entrichtung der Abgaben zu den gesetzlich festgelegten Fälligkeitszeitpunkten (vgl § 79 Abs 1 EStG und § 43 Abs 1 FLAG; 13 Os 161/11t). Derartiges wurde in objektiver Hinsicht nicht festgestellt.

In subjektiver Hinsicht verlangt § 33 Abs 2 lit b FinStrG Wissentlichkeit in Bezug auf das Bewirken einer Abgabenverkürzung, während die Verletzung der jeweiligen abgabenrechtlichen Pflichten (zumindest) von bedingtem Vorsatz umfasst sein muss (RIS-Justiz RS0087051, RS0087072; Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 10). Zu ersterem Vorsatzerfordernis traf das Erstgericht ebenfalls keine Aussage.

Die aufgezeigten Konstatierungsdefizite machen eine Aufhebung des Schuldspruchs I bereits bei nichtöffentlicher Beratung unumgänglich (§ 285e erster Satz StPO), womit sich ein Eingehen auf die darauf bezogenen Einwände erübrigt. Mit den diesbezüglichen Teilen ihrer Nichtigkeitsbeschwerden waren die Angeklagten, mit ihren Berufungen gegen die Strafaussprüche wegen der Finanzvergehen waren die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf die teilweise Urteilsaufhebung zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. Martin M*****:

Zur Geltendmachung des behaupteten Besetzungsmangels (Z 1) wegen der Heranziehung eines Ersatzschöffen anstelle des (zufolge einer Terminverwechslung) auf Urlaub befindlichen Schöffen Alfons N***** in der Hauptverhandlung am 15. September 2010 (ON 112 S 2) ist der Beschwerdeführer, der den reklamierten Umstand nicht sofort gerügt hat, nicht legitimiert (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 93). Dass der Verteidiger des Angeklagten S***** dessen gesetzlicher Rügeobliegenheit (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) entsprochen hat, wahrt allein dessen Anfechtungslegitimation.

Die gegen den Schuldspruch II gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) kritisiert (ersichtlich vor dem Hintergrund der §§ 3 Abs 3 und 35 Abs 4 lit b ASVG) unter Hinweis auf einen erst im Jänner 2006 von der G***** (im Folgenden G*****) im Inland abgeschlossenen Mietvertrag die Annahme einer inländischen Betriebsstätte im „Tatzeitraum 2005“. Angesichts der konstatierten Tatzeit von 2005 bis 31. März 2007 macht sie jedoch nicht deutlich, aus welchem Grund der relevierten Zeitspanne entscheidende Bedeutung für die Schuld- oder Subsumtionsfrage zukommen soll. Weiters wendet sich die Beschwerde generell gegen die Feststellung einer inländischen Betriebsstätte. Sie behauptet dabei (Z 5 zweiter Fall) - ohne Bezeichnung von entsprechenden Fundstellen in den umfangreichen Akten (RIS-Justiz RS0124172) - unberücksichtigte Zeugenangaben zu in Tschechien abgehaltenen Geschäftsbesprechungen, doch erklärt sie nicht, weshalb das Treffen unternehmensrelevanter Entscheidungen im Ausland der kritisierten Annahme entgegenstehen soll (vgl zum bloß auf tatsächliche Tätigkeiten abstellenden Begriff der Betriebsstätte in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht Gerhartl, ASoK 2011, 429 f). Unrichtig ist die in diesem Zusammenhang aufgestellte Beschwerdebehauptung, der Zeuge Gal***** sei seinen Angaben zufolge auf der Suche nach der Betriebsstätte der G***** nicht fündig geworden. Vielmehr deponierte der Zeuge, dass der Bestand des Büros bekannt gewesen, man aber nicht bis in dieses gekommen sei (ON 112 S 26).

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099547). Dieser Vorwurf trifft in Bezug auf die Aussagen der Zeuginnen L***** und Ma***** nicht zu. Vielmehr bekämpft der Beschwerdeführer damit bloß die - auf vernetzter Betrachtung der Verfahrensergebnisse beruhenden (US 52 ff) - Urteilsannahmen zum Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte der G***** nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der Einwand unterbliebener Berücksichtigung von Beweisergebnissen, wonach die G***** auch über Arbeitnehmer verfügt habe, die nicht an Beschäftigungsorten in Österreich eingesetzt worden seien (Z 5 zweiter Fall), richtet sich erkennbar gegen die - auf das Sachverständigengutachten gestützte (US 55 f) - Annahme einer Schadenssumme von 340.325,49 Euro, ohne jedoch die Relevanz dieser Verfahrensergebnisse für die (hier) maßgebliche Schadensqualifikation von 50.000 Euro (§ 153d Abs 2 StGB) aufzuzeigen.

Da die Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) den Inhalt der ihrer Ansicht nach für die Frage der subjektiven Tatseite erörterungsbedürftigen „entsprechenden Auskünfte“ durch den Zeugen Dr. Gal***** und den Angeklagten S***** nicht bekannt gibt, ist sie diesbezüglich nicht am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) orientiert.

Soweit die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zur tatsächlich erfolgten Anmeldung der in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer der G***** bei der Gebietskrankenkasse die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung bekämpft, wendet sie sich neuerlich gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, womit sie die Anfechtungskategorien der Mängelrüge vernachlässigt (vgl zB Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 42 ff).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht zum Schuldspruch II nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, indem sie die Konstatierungen zur inländischen Betriebsstätte und zu den Beschäftigungsorten der Arbeitnehmer bestreitet (US 9 f; RIS-Justiz RS0099724, RS0099775, RS0099810).

Der gegen den Schuldspruch III gerichteten Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider mussten die Tatrichter, die ihren Urteilsannahmen betreffend die Fälschung der Unterschrift der Ute Ge***** die vom Schriftsachverständigen attestierte große Wahrscheinlichkeit zugrunde legten (US 60), die - demnach logisch zwingend verneinte - geringe Wahrscheinlichkeit der Echtheit der Unterschrift nicht gesondert erörtern.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) trotz der Urteilsannahmen zur bloß versuchten Tatbegehung (US 12) Feststellungen vermisst, „worin der Schaden zu erblicken ist“, ist sie unverständlich. Die als fehlend reklamierten Konstatierungen zum Bereicherungsvorsatz finden sich auf US 12 f.

Zur (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Lucie H***** und Markus K*****:

Die Beschwerde dieser Angeklagten entspricht in einem weiten Bereich der Rechtsmittelargumentation des Angeklagten Mag. M*****. Was das Vorbringen zur Heranziehung des Ersatzschöffen, zur inländischen Betriebsstätte vor dem Jahr 2006, zum Ort des Arbeitskräfteeinsatzes und der unternehmerischen Entscheidungen, zur subjektiven Tatseite und zur Anmeldung der in Österreich beschäftigten Arbeitnehmer betrifft, ist auf das dazu bisher Gesagte zu verweisen.

Die Besetzungsrüge (Z 1) reklamiert aufgrund der Bezeichnung von Anträgen der Verteidiger als „Witz“ (ON 48 S 7 f) Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden. Bloß verbalen Überreaktionen des Richters (hier: im Zug einer Diskussion um die dem Gericht grundsätzlich zukommende Befugnis, dem Angeklagten Zeugenaussagen ohne weiteres vorzuhalten - vgl Kirchbacher, WK-StPO § 245 Rz 64) fehlt aber die erforderliche Eignung iSd § 43 Abs 1 Z 3 StPO, auch wenn sie § 52 Geo widersprechen (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 15).

Aber mit der Kritik an vorgeblich schleppender Verhandlungsführung sowie der gemutmaßten Nichtberücksichtigung von Beweismaterial durch den Vorsitzenden werden ebenso keine Umstände aufgezeigt, die naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung wecken (zum Prüfungsmaßstab vgl Lässig, WK-StPO § 43 Rz 10).

Die als fehlend reklamierte Begründung (Z 5 vierter Fall) zum Vorliegen einer Betriebsstätte in Österreich findet sich auf US 52 ff. Aus welchem Grund die Feststellung eines Tatzeitraums von 2005 bis 31. März 2007 undeutlich (Z 5 erster Fall) sein soll, sagt die Beschwerde nicht.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) kritisiert unterbliebene Urteilsannahmen zu den „Merkmalen für das Vorliegen einer Betriebsstätte in Österreich“. Indem sie aber nicht bekannt gibt, welche weiteren Feststellungen insoweit für eine Subsumtion nach § 153d StGB erforderlich gewesen wären, entzieht sie sich meritorischer Erwiderung (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Die weitere - ersichtlich gegen den Schuldspruch II gerichtete - Beschwerde (der Sache nach Z 9 lit a) vermisst ohnedies getroffene Konstatierungen zur de-facto Geschäftsführung der Angeklagten Mag. M***** und Markus K***** und zur „Rolle der Zweitangeklagten“ (US 9, 51 f).

Soweit die Beschwerdeführer wiederholt (nominell aus Z 5 und Z 9 lit a) mit der Behauptung nur teilweisen Arbeitskräfteeinsatzes in Österreich nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) unterbliebene amtswegige Erhebungen des Erstgerichts sowie Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufgrund unzureichender Gutachtensbeauftragung kritisieren, legen sie nicht dar, wodurch sie an der Ausübung ihres Rechts, entsprechende Beweisaufnahmen in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert waren (RIS-Justiz RS0115823).

Indem die Beschwerde aus Z 5 - ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (vgl insb US 11, 51 f) - unter Hervorkehrung einzelner, eigenständig interpretierter Beweisergebnisse zu dem von der Angeklagten H***** geführten E-Mail-Verkehr und ihren gelegentlichen Hinweisen auf „Ungereimtheiten“ die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung aufgrund ihrer „bloßen Angestelltenposition“ bestreitet, verfehlt sie den gerade darin liegenden Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS-Justiz RS0119370). Feststellungen als unrichtig oder als lebensfremd zu bezeichnen, spricht auch keine Anfechtungskategorie des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes an.

Die (insoweit überflüssigen) Urteilsannahmen zum gewerbsmäßigen Vorgehen (auch) in Betreff der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge (US 12) sind für eine Tatbeurteilung nach § 153d StGB nicht entscheidend, sodass das darauf bezogene Beschwerdevorbringen (Z 5) auf sich beruhen kann.

Die - bereits vorgetragene Beschwerdeargumente im Wesentlichen bloß wiederholende - Rechtsrüge (Z 9 lit a) verfehlt die gebotene Orientierung am festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Das Vorbringen zum Fehlen von Feststellungen zur Bereicherung lässt eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz, aus welchem Grund solche Konstatierungen zur Erfüllung des Tatbildes des § 153d StGB erforderlich sein sollen, vermissen.

Die gegen den Schuldspruch V gerichtete Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) übersieht, dass nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, wenn die aus ihnen gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechen (RIS-Justiz RS0098362, RS0116732; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449). Somit ist der unter anderem auf Basis des Sachverständigengutachtens Dris. C*****, das mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Unterschriftsfälschung ausging, gezogene Schluss auf die Täterschaft des Angeklagten K***** nicht zu beanstanden.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz S*****:

Zur Anfechtung wegen angeblich unrichtiger Besetzung des Schöffengerichts (Z 1) in der am 7. April 2010 (ON 80) und auch später (ON 89, 123) neu durchgeführten (§ 276a StPO) Hauptverhandlung mit nur einem Berufsrichter und zwei Schöffen (§ 32 Abs 1 letzter Satz StPO idgF; vgl dazu RIS-Justiz RS0125534, beginnend mit 13 Os 115/09z, im RIS seit 16. Jänner 2010) ist der Beschwerdeführer mangels Rüge nicht legitimiert.

Da der Oberste Gerichtshof demnach die genannte Besetzungsvorschrift bei seiner Rechtsmittelentscheidung gar nicht anzuwenden hat, kommt - aufgrund fehlender Präjudizialität (Art 89 Abs 2 B-VG) - der vom Beschwerdeführer angeregte Normenprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof von Vornherein nicht in Betracht (vgl Mayer B-VG4 Art 89 Anm. II.1 ff).

Mit der Behauptung der Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden (Z 1) ist der Beschwerdeführer auf die Erledigung des entsprechenden Vorbringens Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten H***** und K***** zu verweisen.

Der Einwand unzulässiger Heranziehung des Ersatzschöffen Werner Gr***** anstelle des (zufolge einer Terminverwechslung) auf Urlaub befindlichen Schöffen Alfons N***** in der Hauptverhandlung am 15. September 2010 (ON 112 S 2) zeigt keinen Besetzungsmangel (Z 1) auf. § 221 Abs 4 StPO stellt entgegen der Beschwerdemeinung nicht auf ein bestimmtes Ausmaß der Verhinderung eines Schöffen ab (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 108; idS auch Philipp, WK-StPO § 301 Rz 10 f).

Der Verfahrensrüge (Z 3, der Sache nach Z 2 - vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 179, 192, 194) ist zu erwidern, dass ein durch fehlende Belehrung eines Zeugen über das ihm wegen Selbstbezichtigungsgefahr zukommende Zeugnisverweigerungsrecht begründeter Verstoß gegen § 157 Abs 1 Z 1 StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist und demgemäß nicht Gegenstand der Rüge aus Z 2 oder Z 3 des § 281 Abs 1 StPO sein kann (§ 159 Abs 3 StPO; RIS-Justiz RS0124907; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 226).

Eine Verletzung des § 157 Abs 1 Z 2 StPO aufgrund der Vernehmung der Zeugin Ko***** kommt mit Blick auf deren berufliche Stellung als Angestellte des sich auf seine Mitgliedschaft bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder berufenden Beschwerdeführers nicht in Betracht. Ebenso wenig stellt dieses Vorgehen eine unzulässige Umgehung im Sinne der - nur für Zeugen maßgeblichen - Bestimmung des § 157 Abs 2 StPO dar (Kirchbacher, WK-StPO § 157 Rz 33).

Bleibt anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch keine ihm in seiner Eigenschaft als Wirtschaftstreuhänder bekannt gewordenen Informationen benennt, die im Weg der Vernehmung der (im Wesentlichen nur über An- und Abmeldemodalitäten bei Krankenkassen sowie die Abwicklung der Lohnabrechnung berichtenden) Zeugin Ko***** (vgl US 38 ff) beschafft worden wären.

Aus welchem Grund die Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mit entsprechendem Tatvorsatz an den strafbaren Handlungen der übrigen Angeklagten mitwirkte, indem er die Anmeldungen der Arbeitnehmer bei der gesetzlichen Sozialversicherung vornahm und für die G***** die Lohnverrechnung durchführte (US 11 f, 57 f), „widersprüchlich und unvollständig“ sein sollen, sagt die Beschwerde (Z 5 zweiter und dritter Fall) nicht.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erweckt mit bloßer Auflistung von Aussagepassagen und dem Hinweis auf deren beweismäßige Neutralität beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Der weiteren Beschwerde (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider stehen die aus der Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der Kammer der Wirtschaftstreuhänder resultierenden Berufspflichten der Annahme vorsätzlicher Tatbegehung nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) unter Hinweis auf das Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten Mag. M***** und Markus K***** die subjektive Tatseite bestreitet, ohne von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen auszugehen (US 11 f, 57 f), verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher, soweit sie sich auf die Schuldsprüche nach dem StGB bezogen, in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen wegen der Strafaussprüche nach dem StGB folgt (§ 285i StPO).

Zur Berufung der Finanzstrafbehörde:

Diese war als unzulässig gemäß § 218 FinStrG, § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO zurückzuweisen, weil der Anmeldung des Rechtsmittels keine Festlegung über die Richtung der Sanktionsanfechtung (zu Gunsten oder zum Nachteil der Angeklagten) zu entnehmen war, die Finanzstrafbehörde dabei auch nicht klargestellt hat, ob sie die Sanktionsaussprüche wegen der Finanzvergehen oder jene wegen der strafbaren Handlungen anderer Art (oder beide) bekämpft (vgl ON 128) und die Berufungsausführung - verspätet - erst anlässlich der Gegenausführung zu den Rechtsmitteln der Angeklagten (ON 147) eingebracht wurde (vgl zum Ganzen Lässig in WK2 FinStrG § 218 Rz 4).

Für den zweiten Rechtsgang bleibt anzumerken:

1) Mit Blick auf die FinStrG-Novelle 2010 wird im Fall neuerlicher Schuldsprüche zu beachten sein, dass gemäß § 4 Abs 2 FinStrG - anders übrigens als nach § 61 StGB - grundsätzlich das Tatzeitrecht zur Anwendung gelangt, sofern das im Urteilszeitpunkt geltende Recht - ausgehend vom Urteilssachverhalt - in seiner konkreten Gesamtauswirkung nicht günstiger ist (vgl dazu jüngst 13 Os 17/12t). Gemäß § 265 Abs 1p zweiter Satz FinStrG ist aber jedenfalls - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - die Bestimmung des § 38 FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 auf vor deren Inkrafttreten begangene Finanzvergehen weiterhin anzuwenden.

2) Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG werden durch dort pönalisiertes Verhalten in Bezug auf Entrichtungszeiträume begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich jedes solchen Zeitraums und jeder Abgabenart (unabhängig von der Höhe des Hinterziehungsbetrags) eine selbstständige Tat vorliegt (RIS-Justiz RS0124714, RS0118311; Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 10).

3) Nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG ist die Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, (ganz oder teilweise) nicht abgeführt wurden, wobei sich die jeweilige Leistungsfrist aus den Abgabenvorschriften ergibt. So hat der Arbeitgeber gemäß § 79 Abs 1 EStG grundsätzlich die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonats in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen. Das Finanzvergehen nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG ist demnach vollendet, sobald die selbst zu berechnende Lohnsteuer nicht fristgerecht an das örtlich zuständige Finanzamt abgeführt wird (RIS-Justiz RS0087081). Entsprechendes gilt für die ebenso zu ermittelnden Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (zum Ganzen Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 38 f).

4) Im Fall eines Schuldspruchs wird schließlich auch die Wissenskomponente (vgl § 33 Abs 2 letzter Teilsatz FinStrG) in die Urteilsfeststellungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und in das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) aufzunehmen sein.

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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