Spruch:
In der Strafsache AZ 26 Hv 47/09d des Landesgerichts Innsbruck verletzt das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 26. Juni 2009 (ON 134) § 32 Abs 1 letzter Satz StPO.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinen Schuld- und Strafaussprüchen einschließlich der Vorhaftanrechnung sowie demzufolge auch der unter einem gefasste Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten werden aufgehoben und die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten auf die Urteils- und Beschlussaufhebung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthaltenden Urteil wurden Lascha C*****, Tengo G*****, George Ge*****, Frantisek B***** und Mamuka Ba***** jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall, teils auch § 12 dritter Fall und § 15 StGB, Lascha C***** und Mamuka Ba***** überdies des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB, Letzterer zudem des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 2, Abs 3 und Abs 4 zweiter Satz StGB schuldig erkannt und dafür unter Vorhaftanrechnung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Mit unter einem gefassten Beschluss widerrief das Erstgericht Lascha C***** und Mamuka Ba***** gewährte bedingte Strafnachsichten.
Die Hauptverhandlung wurde am 26. Juni 2009 durchgeführt, das Urteil am selben Tag verkündet (ON 133), wobei das erkennende Gericht aus zwei Richtern und zwei Schöffen zusammengesetzt war (ON 133 S 1).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht diese Gerichtsbesetzung mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Mit BGBl I 2009/52 wurde der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem Richter und zwei Schöffen besteht, womit das Erstgericht nicht gehörig besetzt war (Jerabek, WK-StPO § 514 Rz 9). Die gegenteilige, im Erlass des BMJ vom 17. Juni 2009 über die Änderungen des StGB, der StPO, des JGG, des StAG und des StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2009, JMZ 894000L/4/II3/09, JABl 2009/15, geäußerte Rechtsansicht, wonach für die Änderung der Senatszusammensetzung bei den Landesgerichten als Schöffengerichten „vom Grundsatz der perpetuatio fori auszugehen" und demnach das Strafverfahren in der Besetzung zu führen sei, die im Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage gesetzlich vorgesehen gewesen ist, vermengt Gerichtsbesetzung mit Gerichtszuständigkeit (eingehend Ratz, WK-StPO § 281 Rz 111-115).
Aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 StPO führt nicht gehörige Gerichtsbesetzung zur Urteilsnichtigkeit aus dem Grund der Z 1, soweit der Beschwerdeführer seiner Rügeobliegenheit nachgekommen ist. Diese wird aber nur dann ausgelöst, wenn der die Nichtigkeit begründende Tatumstand dem Beschwerdeführer noch vor oder während der Hauptverhandlung bekannt geworden ist. Dabei muss der Angeklagte auch über die rechtlichen Implikationen eines solchen Sachverhalts wenigstens soweit Bescheid wissen, dass er, auch ohne juristische Fachkenntnis zu besitzen, den (rechtlichen) Sinnzusammenhang als insoweit relevant versteht. Beim Verteidiger hinwieder kommt es auf die rechtsrichtige Beurteilung im Allgemeinen nicht an, weil bei ihm die erforderlichen Rechtskenntnisse ohne weiteres unterstellt werden können (13 Os 46/06y, SSt 2006/50; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 138).
In concreto kann jedoch selbst bei den rechtskundigen Verteidigern nicht einfach von der erforderlichen Kenntnis der prozessualen Rechtslage ausgegangen werden, weil die Besetzungsänderung von einem im Rechtsinformationssystem des Bundes zur Verfügung gestellten Einführungserlass begleitet wurde, der den Rechtsanwender über deren Konsequenzen für Hauptverfahren über im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle bereits rechtswirksame Anklageschriften in die Irre führte, ohne den von der Generalprokuratur treffend aufgezeigten Unterschied von Zuständigkeit eines Gerichts und dessen gehöriger Besetzung anzusprechen.
Die in einem Rechtsstaat sonst ohne weiteres zu rechtfertigende Grundannahme, nach der wenigstens professionell damit befassten Personen Kenntnis sowohl der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als auch deren systematischen Zusammenhangs zuzusinnen ist, wird im Übrigen seit Inkrafttreten des StPRefG am 1. Jänner 2008 durch Anpassungsgesetzgebung und mehrfach unterjährige, stets über den gesamten Regelungsbereich der StPO verstreute Novellierungen für das anzuwendende Strafprozessrecht zunehmend in Frage gestellt, worauf der Oberste Gerichtshof bei seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Urheberrechtsgesetz, das Markenschutzgesetz 1970, das Patentgesetz 1970, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geändert werden sollen, mit Nachdruck hinzuweisen sich veranlasst gesehen hat (1 Präs. 1617-3686/09h).
Da fallbezogen überdies die in Rede stehende Rechtsfrage nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 133) nicht erörtert worden ist, kann die Kenntnis der wahren Rechtslage auch bei den rechtskundigen Verteidigern hier nicht ohne weiteres unterstellt werden. Somit ist auch nicht davon auszugehen, dass diese die Rüge des Besetzungsmangels bewusst unterlassen haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 133).
Mit Blick auf die Bestimmung des § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof daher veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.
Die Angeklagten waren mit ihren Rechtsmitteln auf die Kassation der damit angefochtenen Entscheidungen zu verweisen.
Um im nunmehr erforderlichen zweiten Rechtsgang mögliche Fehler hintanzuhalten, sei festgehalten, dass die im Referat der Entscheidungsgründe (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vorgenommene Nummerierung der Schuldsprüche (US 3 bis 6) zum Teil nicht mit der im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wiedergegebenen (US 6 bis 8) übereinstimmt und auch den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) teilweise nicht eindeutig zuordenbar ist.
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